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BGM und Digitalisierung

Gesundheitsmanagement in Zeiten der Digitalisierung

Das PDF dient ausschließlich dem persönlichen Gebrauch! - Weitergehende Rechte bitte anfragen unter: nutzungsrechte@asu-arbeitsmedizin.com.

Health Management in Times of Digitalization

Das Unternehmen

Als Anbieter für Unternehmenssoftware unterstützt SAP Unternehmen jeder Größe und Branche dabei, ihre Betriebsabläufe zu optimieren, indem es das Enterprise Ressource Planning (ERP) optimiert, intelligente Netzwerke zwischen Unternehmen aufbaut und Transparenz, Resilienz und Nachhaltigkeit in den Lieferketten sicherstellt. Mit seinen digitalen Lösungen und Services ist SAP ein Teil der wirtschaftlichen Technologie­revolution. Gleichzeitig ist das Unternehmen selbst erheblich von den Auswirkungen der Digitalisierung und Globalisierung in einer von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambivalenz (VUKA) geprägten Welt betroffen und steht entsprechend unter anhaltendem Transformationsdruck. SAP sieht sich dabei in der Verantwortung, die Arbeitswelt der Zukunft mitzugestalten und gemeinsam mit Beschäftigten, Kunden und Partnern, Lösungen für eine zukunftsfähige und mitarbeiterorientierte Gestaltung von Arbeit aufzuzeigen (s. Future of Work Trend Report 2023).

Die Belegschaft

SAP beschäftigt aktuell über 105.000 überwiegend hochqualifizierte Mitarbeitende, davon über 24.000 in Deutschland. Es gilt, die jeweils auf ihrem Gebiet besten Fachkräfte zu gewinnen und über ihr Berufsleben hinweg hochmotiviert, gesund, leistungs- und anschlussfähig zu halten. Smartphones, Laptops, Tablets etc. sind im Unternehmen individuelle Arbeitsmittel für jeden. Ortsunabhängiges Arbeiten war tätigkeitsabhängig schon vor der Pandemie bereits für nahezu alle möglich; eine Vielzahl an Mitarbeitenden ist ohnehin zumindest zeitweise Teil von international aufgestellten virtuellen Teams. Trotz der nicht unerheblichen psychomentalen Belastungen, der erforderlichen hohen Einsatzbereitschaft, Flexibilität und Agilität unter VUKA-Bedingungen ist die Arbeitsunfähigkeitsrate gering. Über viele Jahre hinweg lag sie bei um die 3 %. Als salutogenetische Faktoren wirken eine durch Mitarbeiterbefragungen regelmäßig bestätigte hohe Vertrauens- und Kollaborationskultur (Employee Engagement Index: 80 % in 2023), hohes Sinnempfinden und Selbstwirksamkeit, große Handlungsspielräume und das breite Angebot an individuellen Unterstützungsmaßnahmen. Hierdurch entsteht eine Mitarbeiterbindung von 92,3 %.

Die Herausforderung

Dynamische, sich schnell und unerwartet verändernde Bedingungen bestimmen die innerbetrieblichen Herausforderungen auf individueller wie organisationaler Ebene in der gesamten IT-Industrie. Im Mittelpunkt stehen insbesondere die hohe Komplexität der Aufgaben mit hohem Abstimmbedarf oft über Zeitzonen und Kulturen hinweg, der Druck zu schnellen Ergebnissen mit oft als zu gering empfundenen Ressourcen, das Management der Schnittstellen zu Kunden und Partnern, die Erfordernis flexibler Selbstorganisation angesichts des 24/7-Betriebs sowie der achtsame Umgang mit den eigenen Ressourcen und denen des Teams. Gleichzeitig steigen die Ansprüche der nachrückenden Generationen auf die Gestaltungsfreiheit von Arbeitszeit- und Ort, auf eine gute Lebensbalance und die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben.

Entwicklung des betrieblichen Gesundheits­managements

Gesundheit, Sicherheit und Wohlbefinden sind sowohl als Grundlage von Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft als auch als Basis für die Erreichung der strategischen Unternehmensziele anerkannt. Respektvolles Führungsverhalten, wertschätzende Teamkultur und das Vorhandensein unterstützender Angebote werden als gleichermaßen gesundheits- wie leistungsrelevant angesehen.

Das interdisziplinäre und interaktiv vernetzte betriebliche Gesundheitsmanagement wurde über mehrere Evolutionsstufen hinweg entwickelt (➥ Abb. 1).

Ausgehend von der Erfüllung arbeitsmedizinisch rechtlicher Vorgaben auf Stufe 1 entwickelt sich der Reifegrad über die „Haltung“ einer Organisation zu seinem Gesundheitsmanagement. Über den Wunsch attraktive Zusatzleistungen, wie zum Beispiel Fitnessräume oder gesundheitsbezogene Kurse anzubieten (Gesundheitsförderung, Stufe 2), die Einbindung in eine Personalstrategie durch kennzahlengestützte Ziele (Gesundheitsmanagement, Stufe 3), die Einbettung in die Unternehmensstrategie zu Erreichung der Unternehmensziele (Strategisches Gesundheitsmanagement, Stufe 4) bis hin zur Einbettung in die Unternehmenskultur, in der Gesundheitsmanagement auf individueller und organisationaler Ebene über alle Organisationseinheiten hinweg dezentral verantwortet wird (Stufe 5).

Entscheidend für ein BGM 4.0 und 5.0 ist der Wille der Geschäftsleitung, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Gesundheit und Wohlbefinden durch eine mitarbeiterorientierte Kultur des gegenseitigen Respekts, des Vertrauens, des Empowerments, der Kooperation und der Fehlertoleranz zu fördern, gesundheitsrelevante Themen in Mitarbeiterbefragungen und Personalentwicklung zu integrieren, bedarfsgerechte Programme, Initiativen angemessen zu unterstützen, ein effektives Managementsystem zu etablieren und einen gesundheitsberücksichtigenden Führungsstil in eigenem Verhalten und eigener Kommunikation glaubhaft zu vertreten.

Abb. 2:  Das Health-, Safety- und Well-being-Modell von SAP und strategische Schlüsselkennzahlen (Quelle: SAP SE)

Abb. 2: Das Health-, Safety- und Well-being-Modell von SAP und strategische Schlüsselkennzahlen (Quelle: SAP SE)

Umsetzung und Steuerung des Betrieblichen Gesundheits­managements

Vier organisationale Handlungsfelder des BGM unterstützen die weltweit gültige People & Operations Strategy im Unternehmen: gesunder Arbeitsplatz, gesunde Belegschaft, gesunde Führung und gesunde Kultur. Die beiden individuellen Handlungsfelder physische und mentale Gesundheit werden dabei gleichwertig berücksichtigt (➥ Abb. 2 oben).

Neben üblichen Spätindikator-Kennzahlen wie Arbeitsunfähigkeitsraten oder Fluktuation werden selbst entwickelte Kennzahlen organisationaler Gesundheit als Frühindikatoren einer möglichen gesundheitsgefährdenden Entwicklung ermittelt (s. Abb. 2
unten).

  • Der Stress-Satisfaction Index erfasst über eine mögliche Diskrepanz zwischen Beanspruchung und Zufriedenheit frühzeitig Gratifikationskrisen. Er kann für ganze Bereiche, Teams oder auch individuell im persönlichen Gespräch ermittelt werden und öffnet die Möglichkeit, Fehlbeanspruchungen frühzeitig aufzudecken und mit Interventionsmöglichkeiten zu begegnen.
  • Der Business Health Culture Index erfasst salutogenetisch wirksame Kulturfaktoren der Identifikation, Partizipation, Unterstützung und Lebensbalance. Er wird über weltweite Mitarbeiterbefragungen ermittelt und mit seinem erheblichen Einfluss auf die Profitabilität des Unternehmens im integrierten Geschäftsbericht veröffentlicht.
  • Der Health Related Productivity Loss erfasst sowohl Absentismus als auch Präsentismus (breit definiert als Leistungseinschränkungen durch intrinsische wie extrinsische Faktoren) und erfasst deren monetäre Auswirkung auf das Unternehmen.
  • Der Health & Safety Maturity Index ermittelt mittels eines Bewertungsverfahrens den Reifegrad einer Organisationseinheit innerhalb eines spezifischen Managementsystems hinsichtlich der Rahmenbedingungen für den Erhalt individueller und organisationaler Gesundheit (s. Abb. 3).
  • Umfassende Angebote orientiert am Präventions- und Interventionszyklus

    Ein breit gefächertes Angebot an Programmen und unterstützenden Dienstleistungen adressiert physische und mentale Gesundheit sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebene entlang der beschriebenen vier strategischen Handlungsfelder und entlang des Präventions- und Interventionszyklus: Prävention, Frühintervention, Fallmanagement sowie Wiedereingliederung nach längerer Erkrankung.

  • Die Prävention physischer Erkrankungen umfasst neben dem Angebot an arbeitsmedizinischer Vorsorge nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV), reisemedizinischen Beratungen sowie weiteren Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge für alle Mitarbeitenden, Impfkampagnen und einem digitalen Informationsportal auch eine Vielzahl an Angeboten vor Ort und virtuell zu Ernährung, Sport und Fitness mit der Bereitstellung von Gesundheitsapps mit Teamincentives zur Pausengestaltung und Bewegung sowie Ergonomietrainings für das Büro und für die Arbeit von zu Hause.
  • Die Prävention mentaler Beeinträchtigungen wird auf der Basis einer mitarbeiterorientierten Vertrauenskultur gezielt durch Trainings für Führungskräfte, Trainings zu Resilienz und Lebensbalance für Teams sowie Trainings und Ausbildungen im Bereich Achtsamkeit, die über alle Hierarchieebenen hinweg genutzt werden, gefördert. Elemente der Gefährdungsanalyse finden auf verschiedenen Ebenen statt. Innerhalb der mehrmals im Jahr stattfindenden Mitarbeiterbefragungen ebenso wie in Workshops auf Teamebene oder in anlassbezogenen Befragungen in definierten Bereichen der Organisation.
  • Die Früherkennung wird durch digital bereitgestellte Informationen, Lernvideos und virtuelle Trainings für Mitarbeitende und Führungskräfte zur Erkennung von Warnsignalen gefördert, während die Frühintervention durch konkrete Beratung und Anleitung des Vorgehens in Trainings und Videos unterstützt wird. Das interaktive digitale Tool “Health Navigator” unterstützt die Nutzenden bei der Suche nach geeigneten Hilfsangeboten an ihrem Standort.
  • Das Fallmanagement wird durch individuelle Beratung von Betroffenen und deren Führungskräften sichergestellt. Dabei kommen sowohl zum Team gehörende Pschologinnen und Psychologen als auch ein externes Employee Assistance Program (EAP) zum Einsatz, das weltweit 100 % der Mitarbeitenden und deren Angehörigen rund um die Uhr zur Verfügung steht. Ergänzt wird der Service durch interne Psychiaterinnen und Psychiater, die niedrigschwellige Beratungsangebote (z. B. durch vertrauliche Online Live Chats) anbieten. Am Hauptstandort in Deutschland mit über 14.000 Mitarbeitenden sorgen darüber hinaus zwei Ambulanzen mit angeschlossenem Notfallmanagement für die akute Versorgung physischer und psychischer Erkrankungen während der Kernarbeitszeit, auch in Form von telemedizinischer Versorgung der Mitarbeitenden an Standorten.
  • Die betriebliche Rehabilitation umfasst sowohl ein interdisziplinäres Vorgehen des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) als auch vertrauliche individuelle Beratung und Begleitung zur Sicherstellung einer nachhaltigen Re­integration nach längerer Erkrankung oder beim Vorliegen einer Behinderung.
  • Alle Programme und Services werden regelmäßig einer Kosten-Nutzen Analyse unterzogen. Dabei reicht der Return on Invest von 1:3 (medizinische Ambulanzen) bis über 1:10 (individuelle psychologische Beratung).

    Zu aktuellen Themen werden hybride Informationsveranstaltungen für die Belegschaft angeboten und/oder es gibt informelle Ansprechpersonen über gemanagte Netzwerke: beispielsweise zu Krebserkrankungen, zu häuslicher Gewalt, zu Verlust und Trauer, zu psychischen Erkrankungen, zu menopausalen Beschwerden. Im Vordergrund steht die kulturelle Destigmatisierung und Enttabuisierung sowie die Information über bestehende Unterstützungsangebote.

    Globale Standards, lokale Steuerung

    Das spezifisch für die Wissensindustrie entwickelte Health & Safety Management System „Run Healthy“ hilft den Geschäftsleitungen der Organisationseinheiten und den lokalen Gesundheits- und Arbeitssicher­heitsausschüssen weltweit, vorhandene Lücken im Angebot oder in Prozessen zu erkennen, definierte Mindeststandards zu erreichen, die Attraktivität der Arbeitsbedingungen und damit die Arbeitszufriedenheit zu beeinflussen sowie die Resilienz ihrer Belegschaft und ihrer Organisation zu fördern (➥ Abb. 3).

    Kommunikation und Lernen

    Über das Managementsystem hinaus wird die Multiplikation von gesundheitsrelevanten Themen in die lokalen Kulturen durch ein globales Netzwerk lokaler „Health Am­bassadors“ sichergestellt. Regelmäßige virtuelle Treffen, eine attraktive digitale Austauschplattform und ein Anreizsystem zur aktiven Beitragsgestaltung mit Ehrungen und Preisverleihungen fördern den weltweiten Austausch und gegenseitiges Lernen. Interne „Health Reports“ mit datengestützen Analysen bestimmen die Kommunikation hinsichtlich Sensibilisierung und Unterrichtung der Geschäftsleitungsebene. Die allgemeine Kommunikation in die Belegschaft erfolgt neben der direkten Kommunikation während lokaler Gesundheitsevents fast ausschließlich über digitale Medien, beispielsweise intern über das Unternehmensportal, Mitarbeiterplattformen oder über Newsletter für verschiedene Zielgruppen. Der kürzer
    werdenden Aufmerksamkeitsspanne wird mittels visueller Aufbereitung, einschließlich der Bereitstellung von Videos Rechnung getragen. Erfolgreich bereits bestehende Formate anderer Abteilungen werden nach Möglichkeit ebenso bespielt, wie die
    externe Social-Media-Plattform LinkedIn, um trotz des generellen Überangebots an Informationen interne Rezipierende auf ihren bevorzugten Kanälen zu erreichen.

    Das Lernen innerhalb des Gesundheitsbereichs ist durch eine Haltung der konti­nuierlichen Verbesserung durch Feedback aus den Zielgruppen geprägt und wird durch ein hohes Maß an persönlichem und fachlichem Austausch, eine systematische Erfassung von Trends und Angeboten am Markt, der Teilnahme an Fortbildungen, der Kooperation mit übergeordneten gesundheitsrelevanten Institutionen, beispielsweise auf Landes- oder EU-Ebene, und besonders auch durch die Vernetzung mit anderen Unternehmen sichergestellt.▪

    Interessenkonflikt: Die Autorin ist bei der SAP SE beschäftigt. Weitere Interessenkonflikte liegen nicht vor.

    doi:10.17147/asu-1-328890

    Weitere Infos

    zukunftsInstitut: Megatrend Gesundheit. Zukunftsreport 2023
    https://www.zukunftsinstitut.de/dossier/megatrend-gesundheit/

    Future of Work: Trend Report 2023
    https://d.dam.sap.com/m/izAB6Yn/86579_GB_86579_enUS.pdf

    McKinsey: Some employees are destroying value. Others are building it. Do you know the difference? McKinsey Quarterly 9/2023
    https://www.mckinsey.com/capabilities/people-and-organizational-perform…

    Abb. 3:  RUN HEALTHY-Modell für kontinuierliche Verbesserung (Quelle: SAP SE)

    Abb. 3: RUN HEALTHY-Modell für kontinuierliche Verbesserung (Quelle: SAP SE)

    Kernaussagen

  • Die Digitale Transformation führt zu tiefgreifenden Veränderungen der Arbeitswelt. Die Auswirkungen zunehmender psychomentaler Belastungen gewinnen branchenübergreifend arbeitsmedizinisch und betriebswirtschaftlich an Bedeutung.
  • Um Arbeit nachhaltig erfolgreich und attraktiv zu gestalten, bedarf es eines effektiven modernen Gesundheitsmanagements, das neben dem bewährten Kanon der Old-Economy-Arbeitsmedizin die mit der Digitalisierung einhergehenden Risiken minimiert und die mit ihr verbundenen Chancen nutzt. Ein Gesundheitsmanagement, das in der kommunikativen Welt des Unternehmens anschlussfähig ist, sich von der Unternehmens- und Personalstrategie ableitet und bedarfs- und bedürfnisorientierte attraktive Angebote an alle relevanten Zielgruppen an allen Standorten des Unternehmens gleichermaßen sicherstellt. Der Beitrag eines solchen integrierten und zielgerichteten Gesundheitsmanagements zum Unternehmenserfolg ist nachweisbar.
  • Es gibt eine Vielzahl allgemein zugänglicher Plattformen (z. B. INQA.de, baua.de) und Netzwerke zum kollegialen Austausch, um das vorhandene Gesundheitsmanagement auf eine zur Unternehmenskultur passende Weise weiterzuentwickeln.
  • Kontakt

    Dr. med. Natalie Lotzmann
    Chief Medical Officer und Head of Global Health and Well-being; SAP SE; Dietmar-Hopp-Allee 16; 69190 Walldorf

    Foto: Ingo Cordes

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