Doch vielen Medizinerinnen und Medizinern ist dieser schnellere Weg noch nicht bekannt, informiert das Aktionsbündnis Arbeitsmedizin. Ein Jahr statt drei: Ärztinnen und Ärzte, die die Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“ erlangen wollen, müssen nur noch 12 statt 36 Monate in ihre Weiterbildung investieren. Vorgeschrieben sind aktuell noch 360 Stunden Kurs-Weiterbildung an einer Akademie und 1.200 Stunden betriebsärztliche Tätigkeit unter Befugnis oder neun Monate Weiterbildung an einer Weiterbildungsstätte. Die betriebsärztliche Tätigkeit kann bei einem vollen Kassenarztsitz auch mit maximal 13 Stunden Nebentätigkeit pro Woche geleistet werden.
Auch die Anforderungen an die Facharztausbildung wurden erleichtert: Mussten angehende Arbeitsmedizinerinnen und -mediziner bislang mindestens zwei ihrer fünf Facharztjahre in der „Allgemeinmedizin“ oder „Inneren“ klinisch tätig sein, so können sie jetzt frei wählen. „Alle Fachrichtungen, die mit der unmittelbaren Patientenversorgung befasst sind, sind willkommen und werden für die Facharztausbildung angerechnet“, sagt Professor Thomas Kraus, Leiter des Aachener Instituts für Arbeits-, Sozial und Umweltmedizin. „Weiterbildungszeiten etwa in der Orthopädie, Dermatologie oder Psychiatrie werden anerkannt.“
Den erleichterten Zugang hat die Bundesärztekammer ermöglicht. Sie erließ im November 2018 eine neue Muster-Weiterbildungsordnung, auch um die früher hohen Hürden für das Fachgebiet Arbeitsmedizin abzubauen und dessen Attraktivität zu steigern. Die Qualität bleibt gewahrt: Zwar verkürzt sich die Weiterbildungszeit für die Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin von drei auf ein Jahr, dafür wird jetzt zusätzlich der Facharztnachweis aus einer Disziplin der unmittelbaren Patientenversorgung verlangt. Einziger Wermutstropfen: Nicht alle 17 Landesärztekammern, die für die Umsetzung der Weiterbildungsordnung zuständig sind, haben sie schon akzeptiert. „Da gibt es leider noch einen Flickenteppich“, so Professor Kraus.
Dennoch: „Wir versprechen uns einen ganz neuen Zustrom an Kolleginnen und Kollegen“, so Professor Kraus, Vorstandsvorsitzender des Aktionsbündnisses Arbeitsmedizin, das sich insbesondere für den arbeitsmedizinischen Nachwuchs engagiert. „Die neue Weiterbildungsordnung ist ein ungeheurer Fortschritt für unsere Praxis und Forschung: Die Expertise so unterschiedlich qualifizierter Ärztinnen und Ärzte wird die arbeitsmedizinische Tätigkeit vor Ort in den Betrieben enorm bereichern.“