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Gesundheitsförderung

Sprünge zur Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz

Zivilisationskrankheiten und ­Bewegungsmangel

In modernen Gesellschaften nehmen die so genannten Zivilisationskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Adipositas und Krebs zu. Laut WHO sind sie mittlerweile für mehr als 70% aller Todesfälle weltweit verantwortlich. Neben ungesunder Ernährung, Tabak, Alkohol und Luftverschmutzung ist Bewegungsmangel für diese Krankheiten der wichtigste Risikofaktor (Kramer 2020). Um dem entgegenzuwirken, wird von Sportmedizinern körperliche Aktivität empfohlen, konkret etwa 2,5 Stunden Ausdauersport pro Woche sowie zweimal pro Woche Krafttraining. Untersucht man jedoch, welcher Prozentsatz der Bevölkerung den Aktivitätsempfehlungen befolgt, so sind dies je nach Land gerade einmal 10–20% (Tucker et al. 2011).

Häufige Gründe für Bewegungs­mangel

Fragt man die übrigen 80–90% der Bevölkerung nach den Gründen für ihren Bewegungsmangel, so ist der am häufigsten genannte Grund Zeitmangel (Sequeira et al. 2011). Als weitere Gründe werden die Kosten für die Nutzung von Fitness-Studios oder die Anschaffung von Sportgeräten genannt, die Entfernung zu Sportstätten, fehlende Motivation bei schlechtem Wetter zum Sport zu gehen, oder generell ein geringer Stellenwert von und Freude an körperlicher Aktivität.

Ideal wäre also ein Bewegungsprogramm, das möglichst wenig Zeit benötigt, keine zusätzlichen Geräte benötigt und überall unabhängig vom Wetter durchgeführt werden kann. Trotz dieser Anforderungen sollte es natürlich effektiv sein, also die Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Herz-Kreislauf-System, Muskeln und Knochen erhalten oder sogar steigern.

Sprünge als ideales Bewegungs­programm?

Welche Bewegungsform erfüllt all diese Anforderungen? Klassisches Ausdauertraining (Joggen, Radfahren, Langlaufen) hat einen recht hohen Zeitaufwand und erfüllt damit das Hauptkriterium eines geringen Zeitaufwands nicht. Allerdings hat sich in den letzten Jahren eine Variante etabliert, die mit deutlich reduziertem Zeitaufwand einhergeht, das hochintensive Intervalltraining (HIT). Dieses Training kann auf viele Arten durchgeführt werden, allen gemeinsam ist der Wechsel von hochintensiven Belastungsphasen und passiven oder aktiven Pausen. In den Belastungsphasen sollte die Herzfrequenz dabei mindestens 80% der maximalen Herzfrequenz betragen, oft ist sie nahe der maximalen Herzfrequenz. Die Dauer der Belastungsphasen reicht von wenigen Sekunden bis zu mehreren Minuten (je intensiver desto kürzer), die Pausendauer richtet sich in der Regel nach der Belastungsdauer und -intensität. Ein Beispiel für HIT, das in den letzten Jahren an Bekanntheit gewonnen hat, ist Tabata-Training, benannt nach einem japanischen Forscher, der dieses Trainingsprotokoll in einer der ersten Studien zum Thema HIT nutzte. Es bestand aus acht Belastungsphasen (Radergometer) à 20 Sekunden mit 10 Sekunden Pause zwischen den Belastungsphasen. Die Intensität betrug dabei 170% der Leistung am Ende eines VO2max-Tests, war also extrem hoch. Trotz der sehr kurzen Dauer (weniger als 4 Minuten ohne Aufwärmen) war das Training äußerst effektiv für die teilnehmenden Athleten. HIT in dieser Extremform und in moderateren Arten kann mit verschiedenen Sportarten und Bewegungen durchgeführt werden, neben Radfahren, Laufen und Langlaufen auch mit geeigneten Übungen mit dem eigenen Körpergewicht, etwa mit Sprüngen.

Kurze Pausen, hohe Belastung

Sprungtraining ist dazu geeignet, Kraft und Leistung der Beinmuskulatur zu steigern und wird aufgrund der hohen auf den Knochen wirkenden Kräfte auch als die Trainingsform mit dem höchsten Potenzial für Knochenaufbau angesehen. Ob Sprünge jedoch auch einen adäquaten Reiz für das Herz-Kreislauf-System darstellen, war nicht bekannt. Aus diesem Grund führten wir eine Studie durch, in der die Belastung des kardiorespiratorischen Systems bei fünf Sprungtraining-Varianten untersucht wurde (Kramer et al. 2019). Die Varianten unterschieden sich dabei im Hinblick auf die Pausendauer zwischen den einzelnen Sprüngen (0–2 Sekunden) sowie zwischen den Sprungserien (0–30 Sekunden), wobei die Sprungserien immer eine Dauer von 40 Sekunden aufwiesen. Es zeigte sich, dass die kardiorespiratorische Belastung vor allem mit kurzen oder gar keinen Pausen sehr hoch war, sogar nahe der maximalen Herzfrequenz und der maximalen Sauerstoffaufnahme VO2max (➥ Abb. 1). Somit stellt Sprungtraining mit kurzen Pausen zwischen den Wiederholungen und Serien nicht nur einen starken Reiz für Muskeln und Knochen dar, sondern auch für das Herz-Kreislauf-System.

Die Bettruhestudie

Auf dem Papier stellt Sprungtraining somit eine ideale Trainingsform mit geringem Zeitaufwand dar. Ob diese Art des Trainings jedoch auch in der Praxis dazu geeignet ist, die Leistungsfähigkeit von Muskeln, Knochen und Herz-Kreislauf-System zu erhalten, wollten wir in einer großangelegten Studie verifizieren. Da ein Trainingsprogramm, das diese Kriterien erfüllt, nicht nur für die Gesamtbevölkerung relevant ist sondern auch für die Raumfahrt, führten wir die Studie zusammen mit den Raumfahrtagenturen ESA (European Space Agency) und DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) durch.

Das Studiendesign war wie folgt: 24 gesunde Versuchspersonen unterzogen sich einer zweimonatigen Bettruhe, das heißt, sie mussten 60 Tage lang in einer klinikähnlichen Einrichtung am DLR im Bett verbringen, und zwar 24 Stunden am Tag unter ständiger ärztlicher Aufsicht und ohne körperliche Aktivität bis auf das Sprungtrainingsprogramm für die Hälfte der Probanden, die randomisiert der Trainingsgruppe zugewiesen worden waren (Kramer et al. 2017b). Die andere Hälfte der Probanden fungierte als Kontrollgruppe und führte keinerlei Training durch. Die Ernährung war standardisiert und alle Aktivitäten wurden während dieser Zeit im Liegen durchgeführt, inklusive Training, Nahrungsaufnahme, Dusche und Stuhlgang.

Das Training

Das Training wurde im Verlauf der 60 Tage Bettruhe leicht variiert, bestand jedoch im Wesentlichen aus vier Serien à 12 Countermovement Jumps und zwei Serien à 15 Prellsprüngen, mit 30–60 Sekunden Pause zwischen den Serien. Countermovement Jumps sind Sprünge, bei denen der Proband in die Hocke geht und dann so hoch wie möglich springt. Sie sind bei entsprechend kurzen Pausen anstrengend und stellen, wie oben dargestellt, einen hohen Trainingsreiz für Muskeln und Herz-Kreislauf-System dar. Prellsprünge sind Sprunggelenkssprünge mit fast gestreckten Knien. Sie sind nicht so anstrengend wie Countermovement Jumps, erzeugen aber deutlich höhere Kräfte für die Knochen und beanspruchen die Wadenmuskulatur stärker. Inklusive Aufwärmprogramm und der Pausen zwischen den Sprüngen und Serien betrug die Trainingszeit ca. 15 Minuten, die reine Trainingszeit ohne Pausen betrug ca. 3 Minuten, wobei fast täglich trainiert wurde (6-mal pro Woche, ein Ruhetag). Details zum Trainingsprogramm und zum allgemeinen Studienablauf finden sich bei Kramer et al. (2017b).

Resultat

Vor und nach den zwei Monaten Bettruhe wurden alle Probanden umfassend untersucht: Unter anderem wurden Knochenmasse und -dichte gemessen sowie Muskelmasse, Maximalkraft, Ausdauer (VO2max) und Muskelleistung. In all diesen für die Gesundheit wichtigen Parametern konnte die Trainingsgruppe ihre Leistung trotz der zweimonatigen Bettruhe halten, während die Kontrollgruppe überall dramatisch abnahm: Die Maximalkraft beispielsweise nahm um 40% ab, ebenso die maximale Leistung, und die Ausdauer um 30% (Kramer et al. 2017a, 2018). Bei den Follow-up-Messungen in den darauf folgenden Wochen und Monaten stellte sich heraus, dass die Kontrollgruppe die verlorene Leistungsfähigkeit nach etwa 3 Monaten wiedererlangt hatte. In ➥ Abb. 2 ist dieser Verlauf beispielhaft für die maxi­male Muskelleistung der Beinstrecker dargestellt.

Fazit

Die Ergebnisse der Bettruhestudie zeigen deutlich, dass ein kurzes intensives Sprungtraining dazu dienen kann, die negativen Effekte von körperlicher Inaktivität beziehungsweise eines sitzenden Lebensstils auf Muskeln, Knochen und Herz-Kreislauf-System zu verhindern. Dementsprechend kann jeder, der etwas für seine Gesundheit tun möchte, dieses Training durchführen. Der Vorteil gegenüber anderen Trainingsformen ist, dass diese Form des Trainings nur wenige Minuten am Tag benötigt und alle Systeme auf einmal anspricht. Man muss also nicht stundenlang Joggen für die Ausdauer, im Fitnessstudio Gewichte stemmen für die Kraft und noch weitere Übungen für die Knochengesundheit durchführen, sondern nur wenige Minuten am Tag springen. Außerdem sind keinerlei Geräte notwendig, es kostet nichts und das Training ist überall durchführbar, egal ob zu Hause, im Urlaub, auf Dienstreise oder am Arbeitsplatz. Dabei gilt natürlich zu beachten, dass das Training technisch sauber und im aufgewärmten Zustand durchgeführt wird und dass sich bei Vorerkrankungen wie etwa Herzinfarkt, Gelenkschäden oder Adipositas eine Abklärung mit einer/einem Sportmedizinerin/-mediziner empfiehlt.

Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

Literatur

Kramer A, Gollhofer A, Armbrecht G, Felsenberg D, Gruber M: How to prevent the detrimental effects of two months of bed-rest on muscle, bone and cardiovascular system: an RCT. Sci Rep 2017a; 7: 13177.

Kramer A, Kummel J, Mulder E, Gollhofer A, Frings-Meuthen P, Gruber M: High-intensity jump training is tolerated during 60 days of bed rest and is very effective in preserving leg power and lean body mass: an overview of the Cologne RSL Study. PLoS One 2017b; 12: e0169793.

Kramer A, Kümmel J, Gollhofer A, Armbrecht G, Ritzmann R, Belavy D, Felsenberg D, Gruber M: Plyometrics can preserve peak power during two months of physical inactivity: an RCT including a one-year follow-up. Front Physiol 2018; 9: 633.

Kramer A, Poppendieker T, Gruber M: Suitability of jumps as a form of high-intensity interval training: effect of rest duration on oxygen uptake, heart rate and blood lactate. Eur J Appl Physiol 2019; 1–8.

Kramer A: An Overview of the beneficial effects of exercise on health and performance. In: Xiao J (Hrsg.): Physical Exercise for Human Health. Singapore: Springer, 2020, S. 3–22.

Sequeira S, Cruz C, Pinto D, Santos L, Marques A: Prevalence of barriers for physical activity in adults according to gender and socioeconomic status. Br J Sports Med 2011; 45: A18–A19.

Tucker JM, Welk GJ, Beyler NK: Physical activity in US adults: compliance with the physical activity guidelines for Americans. American journal of pre­ventive medicine 2011; 40: 454–461.

Abb.2:  Maximale Muskelleistung der Beinstrecker im CMJ vor und nach der 60-tägigen Bettruhe. Die Probanden wurden 14 Tage (–14) und einen Tag (–1) vor Beginn der Bettruhe gemessen, dann direkt am ersten Tag, als sie nach den 60 Tagen wieder das Bett verlassen durften (+0), dann eine (+7), zwei (+13) und vier Wochen (+28) danach, sowie drei (+90) und 12 Monate (+360) danach. Die vollen Kreise repräsentieren die Trainingsgruppe (JUMP), die leeren Kreise die Kontrollgruppe (CTRL). Das ≥ Symbol steht für Nicht-Unterlegenheit, d.h. diese Werte sind mindestens so hoch wie vor der Bettruhe. Aus: Kramer et al. (2018)

Abb.2: Maximale Muskelleistung der Beinstrecker im CMJ vor und nach der 60-tägigen Bettruhe. Die Probanden wurden 14 Tage (–14) und einen Tag (–1) vor Beginn der Bettruhe gemessen, dann direkt am ersten Tag, als sie nach den 60 Tagen wieder das Bett verlassen durften (+0), dann eine (+7), zwei (+13) und vier Wochen (+28) danach, sowie drei (+90) und 12 Monate (+360) danach. Die vollen Kreise repräsentieren die Trainingsgruppe (JUMP), die leeren Kreise die Kontrollgruppe (CTRL). Das ≥ Symbol steht für Nicht-Unterlegenheit, d.h. diese Werte sind mindestens so hoch wie vor der Bettruhe. Aus: Kramer et al. (2018)

Exkurs

Training im Weltraum

Neben der terrestrischen Anwendung ist die Fragestellung auch für Astronauten wichtig, da sie im Weltall keine Schwerkraft erfahren und dadurch ohne geeignete Gegenmaßnahmen Muskeln, Knochen und Herz-Kreislauf-System stark abbauen, was für eine Mission zum Mars inakzeptabel ist. Auf der internationalen Raumstation ISS sind deshalb mehr als 2 Stunden pro Tag für Training geblockt. Die drei hauptsächlich genutzten Trainingsgeräte sind ein Laufband, ein Rad­ergometer und ein hydraulisches Krafttrainingsgerät. Trotz dieser hohen Trainingsumfänge an mehreren Geräten kehren die Astronauten im Mittel mit reduzierter Knochendichte und körperlicher Leistungsfähigkeit auf die Erde zurück. Für längere Mis­sionen mit weniger Platzangebot als auf
der ISS sind die Raumfahrtagenturen deshalb auf der Suche nach einem Trainingsprogramm, das für alle wichtigen Systeme (Knochen, Muskeln, Herz-Kreislauf-System) gleichermaßen geeignet ist und das mit geringerem Zeitbedarf als es momentan der Fall ist, sprich das effektiv und effizient ist.

Beispiel

Beispielhafte Sprungtrainingseinheit

– Wie bei jedem Training ist ein vorangehendes Aufwärmen wichtig 

– Das Aufwärmen bereitet Gelenke, Muskeln und Herz-Kreislauf-System auf die Belastung vor 

– Aufwärmen: 3mal Kniebeugen, 10-mal ­Fersenheben, 30 Sekunden auf der Stelle rennen, 3-mal submaximale Countermovement Jumps (CMJ), 10-mal submaximale Prellsprünge 

– Bei den Trainingssprüngen: jeden Sprung mit maximaler Anstrengung durchführen, also so hoch wie möglich! Es handelt sich um ein kurzes Training, das nur bei aus­reichend hoher Intensität effektiv ist. 

– CMJ-Serie 1: 12-mal CMJ mit 2 Sekunden Pause zwischen jedem Sprung, nach der Serie 1 Minute Pause 

– Prellsprung-Serie 1: 15 Prellsprünge ­(immer am Stück, Prellsprünge beruhen auf Energiespeicherung in der Sehne, es kann also keine Pause zwischen den Sprüngen gemacht werden), danach 30 Sekunden Pause 

– Prellsprung-Serie 2: 15 Prellsprünge, ­danach 30 Sekunden Pause 

– CMJ-Serie 2: 20-mal CMJ mit 1 Sekunde Pause zwischen den Sprüngen, danach 15 Sekunden Pause 

– CMJ-Serie 3: 20-mal CMJ ohne Pause ­zwischen den Sprüngen, danach 15 Sekunden Pause 

– CMJ-Serie 4: 25-mal CMJ ohne Pause ­zwischen den Sprüngen 

– Benötigte Gesamtzeit inklusive Aufwärmen: ca. 8 Minuten 

– Immer auf gute Sprungtechnik und aus­reichendes Aufwärmen achten, um Ver­letzungen vorzubeugen 

– Diese Beispieleinheit kann je nach Trainingszustand variiert werden (mehr Sprünge und Serien, kürzere Pausen, Zusatzgewicht)

Kontakt

Priv.-Doz. Dr. phil. Andreas Kramer
FG Sportwissenschaft; Universität Konstanz; 78457 Konstanz

Foto: Alexander Stertzik

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