Einsatz von flüssigkeitsdichten Handschuhen
Flüssigkeitsdichte Handschuhe werden aufgrund von unterschiedlichen Indikationen auch als so genannter „Handschutz“ in Feuchtberufen und anderen beruflichen Tätigkeitsfeldern, die überwiegend durch den Umgang mit flüssigen Substanzen charakterisiert sind, eingesetzt. Hier liegen meistens Mischexpositionen vor mit häufigem Händewaschen, Kontakt zu Wasser oder irritativen Flüssigkeiten sowie dem Tragen von Handschuhen.
Handschuhe werden zum Schutz, beziehungsweise als Präventionsmaßnahme gegen Verschmutzung, Irritation und Verätzungen durch Kontakt zu chemischen Arbeitsstoffen, im Rahmen von Hygienemaßnahmen/Infektionsschutz im Gesundheitswesen oder in der nahrungsmittelverarbeitenden Industrie eingesetzt. Aber auch neue Arbeitsbereiche wie Tätigkeiten in Reinräumen zur Herstellung von elektronischen Leitern (Weissendörfer et al. 2015) gehören zu den Einsatzfeldern.
Flüssigkeitsdichte Schutzhandschuhe sind definiert als Chemikalienschutzhandschuhe nach DIN EN ISO 374-1 sowie medizinische Handschuhe nach DIN EN 455. Es kann sich aber auch um Gewebehandschuhe mit Vollbeschichtung zum Beispiel aus Nitrilkautschuk handeln.
Verursachen flüssigkeitsdichte Handschuhe messbare funktionelle Schädigungen im Bereich der Haut?
Das Tragen von Schutzhandschuhen ist eine anerkannte Schutzmaßnahme (Graves et al. 1995; Jungbauer et al. 2004; Held u. Jorgensen 1999; Wetzky et al. 2009), um Wasserexposition und Kontakt zu anderen schädlichen Substanzen zu verhindern. Die Handschuhe wirken hautokklusiv. Es wurde zeitweise angenommen, dass deren Anwendung zu vergleichbaren Hautschädigungen – wie dies beim Wasserkontakt der Fall ist – führen könnte. Der potenziell schädigende Effekt durch Handschuheokklusion wird zurzeit durch die erhöhte Schweißbildung sowie die Quellung der Hornschicht erklärt. Aus diesem Grunde wurde bis dato die Okklusion durch flüssigkeitsdichte Handschuhe zur „Feuchtarbeit“ nach Definition der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 401 gezählt, wobei die Dauer der Feuchtarbeit im Sinne der Definition der TRGS 401 mitunter die präventiv-medizinischen Angebote rechtsverbindlich (ArbMedVV), zu denen die Angebots- oder Pflichtvorsorge gehören, bestimmt: Die Angebotsvorsorge durch den Arbeitgeber erfolgt bei regelmäßig mehr als zwei Stunden anhaltender Feuchtarbeit, eine Pflichtvorsorge bei Feuchtarbeit ab vier Stunden pro Tag. Zeiten der Arbeiten im feuchten Milieu und Zeiten des Tragens von flüssigkeitsdichten Handschuhen sind dabei nach TRGS 401 zu addieren. Somit wurden die Arbeiten im feuchten Milieu und das Tragen von flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen als biologisch gleichwertig gefährdend eingeschätzt.
Wie ist die potenziell schädigende Wirkung in Relation zu Wasser oder anderen Irritanzien zu sehen?
Lange war die Relation des hautschützenden Effekts der Handschuhe beispielsweise vor Wasserkontakt unklar (Fartasch et al. 2012). Bereits seit Jahren werden unterschiedliche Aspekte der Feuchtarbeit durch epidemiologische und experimentelle Untersuchungen analysiert. In letzter Zeit legen experimentelle Humanstudien und Feldstudien zumindest ein Umdenken bezüglich der Einwirkungen und Auswirkungen durch Okklusion nahe (Tiedemann et al. 2015; Fartasch et al. 2012; Weissendörfer et al. 2015; Wetzky et al. 2009; Antonov et al. 2013).
Experimentell fehlen bei Durchführung von standardisierten Untersuchungen mit hautphysiologischen Messverfahren (sog. Bioengineering-Verfahren) Hinweise für klinisch relevante funktionelle Veränderungen der Haut wie anhaltende funktionelle Störungen der epidermalen Barriere durch Anstieg des transepidermalen Wasserverlusts (TEWL) oder die Zunahme der Durchblutung, die auf Entzündungsreaktionen hinweisen könnten. In den meisten experimentellen In-vivo-Studien wurde anhand der erwähnten Bioengineering-Verfahren nicht okkludierte Haut mit okkludierter Haut intraindividuell verglichen. Die Okklusionsdauer konnte bei einmaliger Okklusion bis zu 72 Stunden betragen (Jungersted et al. 2010; Graves et al. 1995; Ramsing u. Agner 1996a,b; Wetzky et al. 2009; Fartasch et al. 2012). Bei wiederholten Okklusionen bewegte sich die Dauer zwischen 20 Minuten und 8 Stunden täglich für 3–14 Tage. Bei der angegebenen Intensität der Okklusion wurden meist keine relevanten funktionellen Veränderungen der epidermalen Barriere nachgewiesen (Wetzky et al. 2009; Fartasch et al. 2012; Jungersted et al. 2010; Antonov et al. 2013). Wurde die Haut vor der Okklusion durch das anionische Modelldetergenz Natriumlaurylsulphat (SLS) oder durch mechanische Alteration (Klebstreifenstripping der oberen Hornschichtlagen) vorirritiert, wurde eine Verzögerung der Barriereregeneration durch die Okklusion festgestellt (Ramsing u. Agner 1996a,b; Welzel et al. 1995, 1996; Jungbauer et al. 2004b; Bock et al. 2009; Jungersted et al. 2010; Antonov et al. 2013). Weitere Untersuchungen zeigten, dass durch eine tägliche Okklusion von bis zu vier Stunden für die Dauer von einer Woche keine Veränderungen nachweisbar waren (Fartasch et al. 2012). Es zeigte sich jedoch nach der einwöchigen täglichen Okklusion (Dauer drei und vier Stunden), dass die Haut eine stärkere Empfindlichkeit gegen anionische Detergenzien aufwies.
Die Haut reagierte postokklusiv somit empfindlicher auf Detergenzienkontakt. Vergleichende intraindividuelle Untersuchungen (Okklusion versus Wasserkontakt) zeigten zudem, dass im Gegensatz zur Okklusion die Haut nach Wasserkontakt? bereits nach kürzester Zeit (2–3 Stunden) funktionelle Störungen der Barriere und eine im Vergleich deutlich verstärkte Entzündungsreaktion auf anionische Detergenzien aufwies .
Fehlende Wirksamkeitsnachweise von Hautschutzpräparaten unter Handschuhen
Von Hautmittelherstellern werden Präparate (Gele, Lotionen und Cremes) zum Hautschutz im Rahmen der Okklusion empfohlen. Die angebotenen Formulierungen, die unter okklusiven Handschuhen angewendet werden, sollen laut Hersteller zum „Schutz vor Hauterweichungen unter Handschuhen, zur Stabilisierung/Festigung der Hornschicht sowie zur Verminderung der Quellung und Formänderungen der Hornhaut“ beitragen. Entsprechende Inhaltsstoffe (z. B. Aluminiumchlorohydrat, Tannin, Hamamelis) sollen zudem eine Schweißsekretionsverminderung induzieren.
Anders als für den Umgang mit irritativen Substanzen, bei denen in mehreren mono- und multizentrischen Studien (Elsner et al. 2013) gezeigt wurde, dass die Anwendung von Hautschutz- und Hautpflege zu einer verringerten entzündlichen Reaktion nach kumulativer Belastung führt (Übersicht Fartasch et al. 2015), existieren jedoch keine vergleichbaren funktionelle Untersuchungen einer Schutzwirkung durch Hautschutz unter Handschuhen.
Zur schweißmindernden Wirkung der Hautschutzpräparate
Die meisten der angebotenen Gelformulierungen der Hautmittel sind mit antitranspirativen Substanzen wie Aluminiumchlorohydrat (in Konzentrationen unter 6 %), Alkoholen und/oder Adstringenzien zur Reduktion der Hornschichtquellung (z. B. pflanzliche Zusätze wie Hamamelisextrakte) versehen – außerdem enthalten sie oft Zusätze feuchtigkeitsbindender Substanzen (wie Glycerin, Panthenol, Allantoin, Kaolin etc.). Die zurzeit auf dem Markt vorhandenen Gelformulierungen sind meist Kombinationen antitranspirativ/adstringierender Wirkstoffe.
In gravimetrischen Studien (Fartasch et al. 2011) bezüglich des Nachweises einer schweißmindernden Wirkung wurden exemplarisch bei Gelprodukten mit ausgelobter antitranspirativer und adstringierender Wirkung (Gel I–III) nach dem Handschuhtragen die Schweißmengen bei 29 Testpersonen gravimetrisch gemessen und verglichen (randomisierter intraindividueller Vergleich der rechten und linken Handinnenflächen nach vierstündigem Tragen von Hanschuhen mit und ohne vorheriger Gelapplikation).
Vor, während und nach dem Handschuhtragen wurden zudem Fragen zum Tragekomfort und subjektiver Parameter (wie Komfort beim An- und Ausziehen, Gefühl des Schwitzens, Feuchtigkeitsgefühl direkt nach dem Ausziehen, Spanungsgefühl direkt und 1 Stunde nach dem Ausziehen) erfragt.
Eine Verminderung der Schweißmenge ließ sich nur bei Gel I mit hohem Alkoholgehalt nach dem Ausziehen der Handschuhe feststellen, was durch den stärkeren alkoholinduzierten Verdunstungseffekt nach dem Ausziehen erklärbar wäre.
Die Auswertungen der Selbsteinschätzung ergab, dass die Mehrheit der Probanden keinen Unterschied bezüglich der Schweißsekretion feststellen konnten (58,6 bis 72,4 %), das heißt, dass eine Reduktion des „Schwitzens“ subjektiv nicht wahrgenommen wurde.
Mischexposition: Interaktionen zwischen Hautreinigung, der Okklusion und des Hautschutzes/der Hautpflege
Beruflich bedingte Kontaktekzeme der Hände treten jedoch überwiegend in den Berufen mit einer Mischexposition auf – mit häufigem Händewaschen, Kontakt zu Wasser oder irritativen Flüssigkeiten sowie dem Tragen von Handschuhen.
Antonov et al. (2013) analysierte experimentell solche Mischexpositionen, indem die Interaktion zwischen Hautirritation durch Hautreinigung (mittels Patchtest-Applikation eines anionischen Detergens 2-mal täglich über 10 bzw. 30 min für 4 Tage) und der darauffolgenden nächtlichen Okklusion bezüglich einer Barriereschädigung untersucht wurde. Zusätzlich wurden in einigen Testfeldern Externa (Vaseline und Eucerin® Handcreme) vor und nach der Hautreinigung aufgetragen, um deren Einfluss auf die Barriereschädigung zu evaluieren.
Die Hautreinigung in Kombination mit nächtlicher Okklusion führte zu einem höheren TEWL-Anstieg als die Hautreinigung ohne Okklusion. Dies wurde mit einer potenziellen verzögerten Freisetzung des Detergens durch die Okklusion erklärt. Die Anwendung der beider Externa vor oder nach Irritation führte zur höchsten Reduktion der Barriereschädigung.
Fazit
Bisher konnte der Nutzen von Hautschutzpräparaten (z. B. Verminderung der Schweißsekretion oder Verbesserung des Tragekomforts) unter flüssigkeitsdichten Handschuhen nicht überzeugend belegt werden. Handelt es sich jedoch um eine Mischexposition, das heißt einem Wechsel zwischen Handschuhexposition und Kontakt zu milden Irritanzien oder Wasser, so gibt es Hinweise dafür, dass die Anwendung der Hautschutzpräparate eine potenzielle Irritation abschwächen könnten.
Interessenkonflikt: Die Autorinnen geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
Literatur
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Weitere Infos
Elsner P et al.: In-vivo-Evaluationsmodelle zur Überprüfung der Wirkung von Hautschutzexterna: Bestimmung der schützenden Wirksamkeit und Vergleichbarkeit“. Abschlussbericht 2013, DGUV: fp 0275
https://www.dguv.de/ifa/forschung/projektverzeichnis/ff-fp_0275.jsp
Fartasch M, Brüning T: Gefährdung durch flüssigkeitsdichte Handschuhe? IPA-Journal 2017; 02: 24–27
https://www.ipa-dguv.de/ipa/publik/ipa-journale/ipa-journal2017/ipa-jou…