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HF-EMF und Gesundheit

Gesundheitliche Wirkungen hoch­frequenter elektromagnetischer Felder

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Health Effects of Radiofrequency Electromagnetic Fields

Einleitung

Hochfrequente elektromagnetische Felder (HF-EMF) werden im Alltag zur Informa­tionsübertragung verwendet und Menschen sind diesen Feldern heutzutage fast ununterbrochen ausgesetzt, das heißt exponiert. Zur Exposition tragen vor allem in Körpernähe betriebene Geräte, wie Handys, bei. Die biologischen und gesundheitlichen Wirkungen von Expositionen durch HF-EMF sind gut untersucht, wissenschaftlich nachgewiesen ist jedoch nur die Wärmewirkung bei starken Expositionen (s. Beitrag von A. Deser in diesem Heft). Bei Expositionen unterhalb der international empfohlenen Expositions­höchstwerte oder auf nationaler Ebene festgelegten Grenzwerte gibt es keinen wissenschaftlichen Nachweis für nachteilige Auswirkungen auf die Gesundheit; dies gilt auch für die neue Mobilfunkgeneration 5G. Verbleibende wissenschaftliche Unsicherheiten und offene Fragen werden weiter erforscht und neue technische Entwicklungen durch Forschung begleitet.

Risikobewertung

Für die Bewertung gesundheitsbezogener Risiken von HF-EMF werden alle relevanten Ergebnisse aus epidemiologischen Studien, experimentellen Studien an Menschen, Tieren und in vitro, in einer zusammenfassenden Gesamtschau bewertet. Auf die Bewertung haben die Vollständigkeit dieser Gesamtschau, die Qualität und Aussagekraft der vorhandenen Studien sowie die Studien(art)-übergreifende Konsistenz und Plausibilität der Ergebnisse einen starken Einfluss.

Der wissenschaftliche Kenntnisstand wird von nationalen und internationalen Gremien in regelmäßigen Abständen überprüft, zusammengefasst und die Evidenz für negative Gesundheitseffekte von Expositionen gegenüber HF-EMF bewertet. Die derzeit aktuellen Risikobewertungen sind die der Strahlenschutzkommission (SSK 2021) und des Scientific Committee on Health, Environmental and Emerging Risks (SCHEER 2023). Beide Gremien kommen zu dem Schluss, dass unterhalb der in Deutschland geltenden Grenzwerte beziehungsweise international empfohlenen Expositionshöchstwerte (ICNIRP 2020) keine gesundheits­relevanten Wirkungen von Expositionen durch HF-EMF zu erwarten sind. Zu bestimmten Fragestellungen bestehen aber wissenschaftliche Unsicherheiten, so dass weitere Forschung empfohlen wird. Für einige Endpunkte fehlt es an qualitativ hochwertigen Studien.

Die Anzahl der publizierten Studien zu unterschiedlichen Frequenzbereichen der HF-EMF und zu verschiedenen Endpunkten (z. B. Krebserkrankung, Fruchtbarkeit etc.) steigt stetig. Eine Risikobewertung zu einem Endpunkt anhand einiger weniger, subjektiv ausgewählter Studien entspricht nicht den allgemein akzeptierten Qualitätsanforderungen. Zunehmend werden systematische Reviews als Grundlage gefordert, die systematisch nach vorgegebenen Regeln einer bestimmten Fragestellung nachgehen, zum Beispiel, ob HF-EMF eines bestimmten Frequenzbereichs einen spezifischen Endpunkt in einer bestimmten Population und Studien­art beeinflussen. Konkret werden Fragen formuliert wie „Beeinträchtigen HF-EMF die Fruchtbarkeit in Säugetieren?“ oder „Verursachen HF-EMF Krebs in experimentellen Tierstudien?“.

Um die wichtigsten Fragestellungen zu identifizieren, führte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unter Forschenden eine Umfrage durch. Als wichtigste Endpunkte wurden Krebs, thermische Wirkungen, Reproduktion und Fruchtbarkeit, Elektrosensibilität, kognitive Beeinträchtigung und oxidativer Stress genannt (Verbeek et al. 2019). Zu diesen Themen hat die WHO systematische Reviews in Auftrag gegeben. Die Protokolle für alle Reviews, wie auch mittlerweile drei der Reviews selbst, wurden bereits publiziert (Stand: März 2024). Die Veröffentlichung weiterer Reviews wird 2024 erwartet. Auf dieser Grundlage plant die WHO, eine aktualisierte Risikobewertung zu erstellen.

Auf einige der von der WHO identifizierten Endpunkte wird im Weiteren genauer eingegangen.

Studienqualität und Aussagekraft

In die systematischen Reviews zu den jeweiligen Forschungsfragen werden alle inhaltlich relevanten wissenschaftlichen Studien einbezogen. Die Studienqualität wird bei der Durchführung von systematischen Reviews berücksichtigt und fließt entscheidend in die Gesamtbewertung ein. Neben der Qualität der „Messung“ des Endpunktes ist die Qualität der Bestimmung der tatsächlichen Exposition in Beobachtungsstudien beziehungsweise die Verlässlichkeit der Erzeugung und Quantifizierung der Exposition in experimentellen Studien besonders wichtig. Ein für experimentelle Studien ebenfalls wichtiger Aspekt ist die Verblindung. Das bedeutet, dass die Forschenden und bei Studien an Menschen auch die Testpersonen nicht wissen dürfen, wann oder in welcher Stärke eine Exposition stattgefunden hat. Ansonsten könnten die Ergebnisse infolge einer Erwartungshaltung bewusst oder auch unbewusst verzerrt werden. Selbstverständlich muss das Studiendesign zur Untersuchung der jeweiligen Endpunkte geeignet sein und die Ergebnisse müssen angemessen statistisch ausgewertet werden. Die Anzahl der untersuchten Objekte – Teilnehmende, Versuchstiere, Gewebeproben – muss für eine belastbare statistische Auswertung ausreichen. Die abschließende Bewertung der Zuverlässigkeit des Ergebnisses für einen Endpunkt erfolgt anhand der Qualität der Studien, die in dem jeweiligen systematischen Review identifiziert wurden. In der zusammenfassenden Auswertung der Studienergebnisse muss zudem eine gewisse Konsistenz der Ergebnisse vorliegen und die Studienergebnisse müssen sich direkt auf die Fragestellung beziehen, damit die Gesamtevidenz für oder gegen einen Effekt als belastbar eingeschätzt werden
kann.

Thermische Wirkungen

Die einzige wissenschaftlich nachgewiesene gesundheitsrelevante Wirkung einer Exposition des Menschen gegenüber HF-EMF ist die Erwärmung infolge von Energieabsorption beziehungsweise daraus folgende Körperreaktionen. Wie viel Energie eine gewisse Gewebemasse pro Zeiteinheit absorbiert, wird durch die spezifische Absorptionsrate (SAR) beschrieben und in Watt pro Kilogramm (W/kg) angegeben. Ein Ganzkörper-SAR-Wert von 4 W/kg kann innerhalb von etwa 30 Minuten zu einer Erhöhung der Körperkerntemperatur von etwa 1 °C führen. Bei Menschen schwankt die Körpertemperatur im Tagesverlauf um etwa 1 °C. Schädliche gesundheitliche Wirkungen wurden nur bei einer Erhöhung der Körperkerntemperatur um mehr als 1 °C beobachtet. Ein Anstieg der Körperkerntemperatur um 1 °C kann zu physiologischen
Reaktionen führen, die Bestandteil der normalen Thermoregulation sind. Auf dieser Grundlage wird angenommen, dass ein Anstieg der Körperkerntemperatur um 1 °C für gesunde Erwachsene gesundheitlich unbedenklich ist. Von diesem Schwellenwert wurden die Grenzwerte abgeleitet. Um der individuellen Variabilität, den unterschiedlichen Umgebungsbedingungen und weiteren Unsicherheiten Rechnung zu tragen, wurde der empfohlene SAR-Höchstwert für die Ganzkörperexposition (Exposition des gesamten Körpers) der Allgemeinbevölkerung 50fach niedriger festgelegt als der Wert, der zu einem Anstieg der Körperkerntemperatur von 1 °C führen würde (ICNIRP 2020). Dadurch werden auch Personen mit möglicherweise eingeschränkter Thermoregulation, wie Säuglinge, Kinder, Schwangere und alte Personen, geschützt. Dies gilt auch, wenn die Umgebungstemperatur hoch oder die Körpertemperatur infolge anstrengender körperlicher Tätigkeit oder Krankheit erhöht ist. Aus diesen Überlegungen ergibt sich als Grenzwertempfehlung für die Ganzkörperexposition der Allgemeinbevölkerung ein SAR-Wert von 0,08 W/kg. Für beruflich Exponierte gilt ein kleinerer Reduktionsfaktor von 10, daraus resultiert eine Grenzwertempfehlung von 0,4 W/kg (ICNIRP 2020). Der Unterschied ist dadurch begründet, dass es sich bei beruflich Exponierten um gesunde Erwachsene handelt, die sich ihrer Exposition bewusst sind und entsprechend belehrt wurden. Die Exposition ist außerdem nicht dauerhaft, sondern beschränkt sich auf die Arbeitszeit. Für eine lokale Exposition durch in Körpernähe betriebene Endgeräte gilt hinsichtlich Kopf und Rumpf für die Allgemeinbevölkerung ein Maximalwert von 2 W/kg für eng begrenzte lokale Gewebebereiche. Dieser Wert liegt deutlich höher als bei der Ganzkörperexposition, weil die Wärme aus einem kleinen Körperbereich schnell an die Umgebung abgegeben oder durch den Kreislauf abgeleitet wird.

Abb. 2:  Wird das Handy in der Hosentasche getragen, ist die Exposition der Geschlechtsorgane so gering, dass thermische Wirkungen ausgeschlosssen werden können, Andere Wirkungen auf die Fruchtbarkeit wurden nicht wissenschaftlich belastbar nachgewiesen

Foto: Soulful Pizza

Abb. 2: Wird das Handy in der Hosentasche getragen, ist die Exposition der Geschlechtsorgane so gering, dass thermische Wirkungen ausgeschlosssen werden können, Andere Wirkungen auf die Fruchtbarkeit wurden nicht wissenschaftlich belastbar nachgewiesen

Krebs

Beim körpernahen Betrieb mobiler Endgeräte, beispielsweise beim Telefonieren mit dem Handy am Kopf, kann der Kopf stärker exponiert werden als durch eine in der Umgebung befindliche Basisstation (➥ Abb. 1). In Beobachtungsstudien an Menschen wurde untersucht, ob die Nutzung von Handys oder Schnurlostelefonen das Risiko für Krebserkrankungen des Kopfes erhöht. Bisherige epidemiologische Studien zeigen überwiegend kein erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen des Kopfes, wie zum Beispiel Hirntumore. Es verbleiben aber wissenschaftliche Unsicherheiten bezüglich möglicher Langzeiteffekte der Handynutzung, denn im Vergleich zu Latenzzeiten von Krebserkrankungen ist die Mobilfunktechnologie auch nach über 30 Jahren noch relativ jung. Die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) der WHO hat 2011 den aktuellen Stand des Wissens über den Zusammenhang zwischen HF-EMF und Krebs bewertet und diese Felder in die Gruppe 2B „möglicherweise krebserregend“ der IARC-Skala eingestuft (IARC 2013). Die Klassifizierung in Gruppe 2B im Gegensatz zu Gruppe 2A („wahrscheinlich krebserregend“) beruht auf begrenzten Anhaltspunkten aus epidemiologischen Studien, die die Nutzung mobiler Endgeräte und die Entstehung von Kopftumoren untersuchten, und auf begrenzten Anhaltspunkten aus Laborstudien an Versuchstieren. Die IARC bewertete das mögliche krebserregende Potenzial von HF-EMF, nicht das bestehende Risiko für die Bevölkerung. Ein Anstieg der Inzidenzraten von Kopftumoren ist in nationalen Krebsregistern nicht zu sehen (Schmidt 2020).

In der kürzlich erschienen Publikation zur internationalen COSMOS-Studie (The Cohort Study on Mobile Phones and Health) wurde kein erhöhtes Risiko für Hirntumore bei Erwachsenen durch die Nutzung von Mobiltelefonen beobachtet. Die mit über 260.000 Teilnehmenden größte prospektive Kohortenstudie, die speziell zur Untersuchung von gesundheitlichen Wirkungen und der Nutzung von Mobiltelefonen aufgesetzt wurde, verwendet ein besonders aussagekräftiges epidemiologisches Studiendesign und deckt längere Zeiträume als frühere Studien ab. Bezüglich der bisherigen wissenschaftlichen Unsicherheiten bei Langzeitnutzung und intensiver Nutzung, deutet die COSMOS-Studie darauf hin, dass auch hier kein Zusammenhang mit Hirntumoren besteht.

Zwei der durch die WHO beauftragten systematischen Reviews befassen sich mit dem Zusammenhang zwischen Krebs und einer Exposition gegenüber HF-EMF in epidemiologischen und in tierexperimentellen Studien. Die IARC plant eine Neubewertung der Einstufung im Zeitraum 2025 bis 2029.

Fruchtbarkeit

Die Sorge, dass ein Handy in der Hosen­tasche die männliche Fruchtbarkeit schädigen könnte, wird häufig geäußert. Wissenschaftlich wurde der Einfluss von HF-EMF auf die Fruchtbarkeit mehrfach untersucht. Beobachtungstudien zeigen bei Männern, die häufig ein Handy nutzen, regelmäßig eine verminderte Fruchtbarkeit, gekennzeichnet durch eine geringere Spermienanzahl oder Spermienbeweglichkeit. Dabei wurden weitere Einflüsse, die nachweislich die Fruchtbarkeit beeinträchtigen, wie Übergewicht, Stress, Rauchen und Alkoholkonsum, nur selten betrachtet. Die Bildung und Reifung von Spermien sind Prozesse, die von sehr vielen Faktoren beeinflusst werden. Es ist möglich, dass die Ergebnisse durch die Lebensweise dieser Personengruppe, einschließlich sozialer und beruflicher Aspekte, und nicht durch HF-EMF verursacht wurden. Laboruntersuchungen an Spermienproben zeigten negative Wirkungen vor allem oberhalb der Grenzwerte, was durch die hohe Temperaturempfindlichkeit der Spermiogenese erklärt werden kann. Die Exposition der Geschlechtsorgane ist bei der Nutzung eines Mobiltelefons in der Hosentatsche (➥ Abb. 2), wenn Daten übertragen oder mit Headset telefoniert wird, sehr gering und kann keine thermische Schädigung von Spermien verursachen. Die Ergebnisse von Untersuchungen an Tieren sind widersprüchlich. Viele Studien zeichnen sich durch mangelhafte Qualität aus und lassen keine belastbare Bewertung zu. Studien, die den qualitativen Ansprüchen einer guten wissenschaftlichen Praxis entsprechen, zeigen keinen gesundheitlich relevanten Einfluss von HF-EMF auf die Fruchtbarkeit. Die WHO hat mehrere systematische Reviews in Auftrag gegeben, um den aktuellen Kenntnisstand zu Wirkungen von HF-EMF auf Reproduktion und Fruchtbarkeit in Beobachtungsstudien an Menschen und experimentellen Studien an Tieren und in vitro neu zu bewerten.

Elektrosensibilität

In Deutschland bezeichnet sich etwa ein Prozent der Bevölkerung als elektrosensibel. Das Phänomen „Elektrosensibilität“ wurde in mehreren wissenschaftlichen Studien untersucht. Die Ergebnisse des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms und weiterer nationaler und internationaler Studien zeigen einheitlich, dass elektromagnetische Felder auch von Personen, die sich als elektrosensibel bezeichnen, nicht wahrgenommen werden können und auch nicht ursächlich mit den vorhandenen gesundheitlichen Beschwerden zusammenhängen. Demgegenüber kann das Wissen um das Vorhandensein von Feldern in Kombination mit der Besorgnis über mögliche gesundheitliche Auswirkungen dieser Felder Beschwerden verursachen. Dieser Wirkmechanismus wird Nocebo-Effekt genannt – als Gegenteil zum Placebo-Effekt. Vermutlich ist er an der Entstehung und vor allem an der Aufrecht­erhaltung der Elektrosensibilität beteiligt.

Als Fazit der zahlreichen bisher durchgeführten Studien ergibt sich, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen elektro­magnetischen Feldern und den Beschwerden elektrosensibler Personen mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann (SSK 2021; SCHEER 2023). Die WHO hat zwei systematische Reviews in Auftrag gegeben, um den aktuellen Kenntnisstand zum Zusammenhang zwischen HF-EMF und unspezifischen gesundheitlichen Beschwerden in Beobachtungsstudien und in experimentellen Studien an Menschen neu zu erheben.

Was ändert sich mit 5G?

Der Mobilfunkstandard 5G stellt keine vollkommen neue Mobilfunktechnologie dar, sondern eine Weiterentwicklung der vorherigen Mobilfunkgenerationen 2G (GSM, Global System for Mobile Communications), 3G (UMTS, Universal Mobile Telecommunications System) und 4G (LTE, Long Term Evolution). Mit jeder Generation steigen die Menge der übertragenen Daten und die Übertragungsgeschwindigkeit (Schmidt 2020). Das führt zu einer Erweiterung der möglichen Nutzungsszenarien. Neben Telefonieren und Versenden von Textnachrichten und Bildern gehört Videoübertragung und Gaming in Echtzeit zum Alltag. Im medizinischen Bereich werden vielfältige Anwendungen der Telemedizin zum Beispiel bei Diagnostik oder Notfalleinsätzen erleichtert. Dies war zwar bereits mit LTE möglich, 5G verbessert aber weiter die Leistungsfähigkeit.

Viele technische Aspekte von 5G sind mit denen bisheriger Mobilfunkstandards vergleichbar (Schmidt 2020). Zur Datenübertragung werden weiterhin HF-EMF verwendet. Zu dem bisher genutzten Frequenzbereich, der auch durch 5G weiter genutzt wird, kommen zukünftig höhere Frequenzen oberhalb von 6 GHz dazu. Es wird in diesem Frequenzbereich auch von sogenannten „Millimeterwellen“ gesprochen. Da mit steigender Frequenz und abnehmender Wellenlänge die Eindringtiefe in den Körper sinkt, wird nur noch die Körperoberfläche durch HF-EMF im Millimeterwellenbereich erreicht. Deswegen können mögliche direkte Wirkungen nur die Zellen der Haut und der Augen betreffen. Die existierenden Grenzwerte decken auch den Frequenzbereich oberhalb von 6 GHz ab und schützen vor bekannten gesundheit­lichen Wirkungen. Zwar liegen nur wenige Studien zu gesundheitlichen Wirkungen in diesem Bereich vor, diese zeigen aber keine grundsätzlich unterschiedlichen Ergebnisse als bei niedrigeren Frequenzen. Weitere Forschung, insbesondere zu Wirkungen auf die Körperoberfläche, wird vorangetrieben.

Eine technische Neuerung bei 5G sind die intelligenten Antennensysteme. Dabei setzt sich eine Mobilfunkantenne aus sehr vielen kleinen Sende- und Empfangselementen zusammen, die einzeln gesteuert werden können. Dadurch breiten sich die HF-EMF nicht wie bisher gleichmäßig in der Fläche aus, sondern können gezielt dorthin gerichtet werden, wo sie benötigt werden („beamforming“, ➥ Abb. 3). Zudem werden in Bereichen mit hohem Datenaufkommen Kleinzellen („small cells“) eingerichtet. Dabei versorgen kleine Sendeanlagen mit deutlich geringerer Sendeleistung als herkömmliche Mobilfunk-Basisstationen kleine Bereiche (Hot-Spots) in denen sich viele Menschen aufhalten (Schmidt 2020). Dies kann die Exposition der Bevölkerung verändern. Es ist noch unklar, ob sie insgesamt ansteigen wird, aber es ist davon auszugehen, dass die räumliche und zeitliche Verteilung der HF-EMF variabler wird. Durch die verbesserte Leistungsfähigkeit und veränderten Nutzungsszenarien könnte es gleichzeitig zu einer Verringerung der Exposition durch körpernah betriebene Endgeräte kommen, das steigende Datenaufkommen könnte dieser Entwicklung aber entgegenwirken.

Zusammenfassung

Menschen sind vielfältig HF-EMF aus unterschiedlichen Quellen ausgesetzt. Unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte und der empfohlenen Höchstwerte für mobile Endgeräte sind keine gesundheitsrelevanten Wirkungen wissenschaftlich nachgewiesen. Dies gilt auch für 5G. In einigen Bereichen gibt es noch wissenschaftliche Unsicherheiten, die intensiv untersucht werden. Um mögliche gesundheitliche Risiken von HF-EMF zu bewerten, muss der gesamte vorhandene wissenschaftliche Kenntnisstand berücksichtigt werden. Dabei spielten die Studienqualität sowie die Konsistenz und Plausibilität der Studienergebnisse eine wichtige Rolle. Eine solche Bewertung wird aktuell von der WHO durchgeführt.

Interessenkonflikt: Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

Danksagung: Ich danke allen Mitarbeitenden des Kompetenzzentrums Elektromagnetischer Felder (KEMF) für die Unterstützung und die Durchsicht des Manuskripts.

Literatur

Feychting M, Schüz J, Toledano MB et al.: Mobile phone use and brain tumour risk – COPSMOS, a prospective cohort study. Environ Internat 2024; 181: 108552 (Open Access: https:// doi.org/10.1016/j.envint.2024.108552).

IARC – International Agency for Research on Cancer: Non-ionizing Radiation, Part 2: Radiofrequency Electromagnetic Fields. IARC monographs on the evaluation of carcinogenic risks to humans. Volume 102. Lyon, France: IARC, 2013.

ICNIRP. Guidelines for limiting exposure to time-varying electric, magnetic, and electromagnetic fields (up to 300 GHz). Health Physics 1998; 74: 494 - 522.

ICNRIP – International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection: Guidelines for Limiting Exposure to Electromagnetic Fields (100 kHz to 300 GHz). Health Phys 2020; 118: 483–524.

SCHEER - Scientific Committee on Health, Environmental and Emerging Risks: Opinion on the need of a revision of the annexes in the Council Recommendation 1999/519/EC and Directive 2013/35/EU, in view of the latest scientific evidence available with regard to radiofrequency (100 kHz – 300 GHz). SCHEER, 2023.

Schmidt J: 5G – Die neue Mobilfunkgeneration und ihre Auswirkungen auf den Menschen. UMID 2020; 2: 26–34.

SSK: Elektromagnetische Felder des Mobilfunks im Zuge des aktuellen 5G-Netzausbaus. Technische Aspekte und biologische Wirkungen im unteren Frequenzbereich (FR1, bis ca. 7 GHz). Stellungnahme der Strahlenschutzkommission, 2021.

Verbeek J, Oftedal G, Feychting M et al.: Prioritizing health outcomes when assessing the effects of exposure to radiofrequency electromagnetic fields: A survey among experts. Environ Internat 2021; 146: 106300.

Protokolle für systematische Reviews der WHO

Benke G et al.: The effect of long-term radiofrequency exposure on cognition in human observational studies: A protocol for a systematic review. Environment international 2021; 159: 106972.

Bosch-Capblanch X et al.: The effects of radiofrequency electromagnetic fields exposure on human self-reported symptoms: A protocol for a systematic review of human experimental studies. Environ Internat 2021; 158: 106953.

Henschenmacher B et al.: The effect of radiofrequency electromagnetic fields (RF-EMF) on biomarkers of oxidative stress in vivo and in vitro: A protocol for a systematic review. Environ Internat 2022; 158: 106932.

Kenny RPW et al.: The effects of radiofrequency exposure on male fertility and adverse reproductive outcomes: A protocol for two systematic reviews of human observational studies with meta-analysis. Environ Internat 2021; 158: 106968.

Lagorio S et al.: The effect of exposure to radiofrequency fields on cancer risk in the general and working population: A protocol for a systematic review of human observational studies. Environ Internat 2021; 157: 106828.

Mevissen M et al.: Effects of radiofrequency electromagnetic fields (RF-EMF) on cancer in laboratory animal studies Environ Internat 2022; 161: 107106.

Pacchierotti F et al.: Effects of radiofrequency electromagnetic field (RF-EMF) exposure on male fertility and pregnancy and birth outcomes: Protocols for a systematic review of experimental studies in non-human mammals and in human sperm exposed in vitro. Environ Internat 2021; 157: 106806.

Pophof B et al.: The effect of exposure to radiofrequency electromagnetic fields on cognitive performance in human experimental studies: A protocol for a systematic review. Environ Internat 2021; 157: 106783.

Röösli M et al.: The effects of radiofrequency electromagnetic fields exposure on tinnitus, migraine and non-specific symptoms in the general and working population: A protocol for a systematic review on human observational studies. Environ Internat 2021; 157: 106852.

Systematische Reviews der WHO

Cordelli E et al.: Effects of radiofrequency electromagnetic field (rf-emf) exposure on pregnancy and birth outcomes: A systematic review of experimental studies on non-human mammals. Environ Internat 2023; 180: 108178.

Cordelli E et al.: Effects of radiofrequency electromagnetic field (RT-EMF) exposure on male fertility: A systematic review of experimental studies on non-human mammals and human sperm in vitro. Environ Internat 2021; 157: 108509.

Röösli M et al.: The effects of radiofrequency electromagnetic fields exposure on tinnitus, migraine and non-specific symptoms in the general and working population: A systematic review and meta-analysis on human observational studies. Environ Internat 2023; 183: 108338.

Systematische Reviews

Pinto R et al.: Protocol for a systematic review of the in vivo studies on radiofrequency (100 khz-300 GHz) electromagnetic field exposure and cancer. Syst Rev 2020; 11: 29.

Pinto R et al.: In vivo studies on radiofrequency (100 khz-300 GHz) electromagnetic field exposure and cancer: A systematic review. Int J Environ Res Public Health 2023; 20: 2071.

Männliche Fruchtbarkeit

Rahban R, Senn A, Nef S, Rӧӧsli M: Association between self-reported mobile phone use and the semen quality of young men. Fertil Steril 2021; 120: 1181–1192.

Elektrosensibilität

Böhmert C, Pophof B: Negative Effekte ohne Wirkstoff: Der Nocebo-Effekt. UMID 2019; 2: 51_58

Schmiedchen K, Driessen S, Oftedal G: Methodological limitations in experimental studies on symptom development in individuals with idiopathic environmental intolerance attributed to electromagnetic fields (IEI-EMF) – a systematic review. Environ Health 2019; 18: 88.

doi:10.17147/asu-1-364789

Weitere Infos

Bundesamt für Strahlenschutz: Bewertung gesundheitsbezogener Risiken
https://www.bfs.de/SharedDocs/Downloads/BfS/DE/broschueren/risikobewert…

Bundesamt für Strahlenschutz: Wirkungen hochfrequenter Felder
https://www.bfs.de/DE/themen/emf/hff/wirkung/wirkung_node.html

Bundesamt für Strahlenschutz: Deutsches Mobilfunk Forschungsprogramm (DMF)
https://www.bfs.de/DE/bfs/wissenschaft-forschung/ergebnisse/dmf/dmf_nod…

Bundesamt für Strahlenschutz: Einfluss elektromagnetischer Felder von Handys auf die männliche Fruchtbarkeit
https://www.bfs.de/DE/bfs/wissenschaft-forschung/emf/stellungnahmen/dos…

Abb. 3:  Beamforming bei 5G. Die HF-EMF werden gezielt dorthin gesendet, wo eine Versorgung mit Mobilfunk benötigt wird (Quelle: BfS)

Abb. 3: Beamforming bei 5G. Die HF-EMF werden gezielt dorthin gesendet, wo eine Versorgung mit Mobilfunk benötigt wird (Quelle: BfS)

Kernaussagen

  • Grenzwerte schützen vor allen wissenschaftlich nachgewiesenen gesundheitlichen Wirkungen von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern (HF-EMF).
  • Die International Agency for Research on Cancer (IARC) hat 2011 HF-EMF als „möglicherweise krebserregend“ eingestuft, neuere Beobachtungsstudien am Menschen stützen diese Einstufung jedoch nicht.
  • Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) führt aktuell eine Neubewertung der gesundheit­lichen Risiken durch HF-EMF durch.
  • Definition

    Systematischer Review

    Ein Review ist eine Literaturstudie, die die aktuellen Erkenntnisse der wissenschaftlichen Forschung zu einer definierten Forschungsfrage zusammenfasst. Eine Sonderform hiervon ist der systematische Review, der alle publizierten Studien zu einem bestimmten Thema nach einem standardisierten Verfahren erfasst und analysiert. Die Kriterien zur Suche der Literaturquellen und zur Verarbeitung der darin enthaltenen Daten werden vor Durchführung der Literaturstudie genau festgelegt und veröffentlicht. Eine Bewertung der methodischen Qualität der eingeschlossenen Studien und der Verlässlichkeit der Ergebnisse ist wichtiger Bestandteil eines systematischen Reviews. Die Vorgehensweise für diese Bewertung wird ebenfalls vor der Durchführung veröffentlicht. In der Wissenschaft gilt diese Art des Reviews als besonders aussagekräftig und belastbar.

    Info

    Deutsches Mobilfunk Forschungsprogramm

    Das Deutsche Mobilfunk Forschungsprogramm (DMF) war durch das Bundesumweltministerium (BMU) und das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) initiiert worden und wurde zu gleichen Teilen vom BMU und den Mobilfunkbetreibern mit insgesamt 17 Millionen Euro gefördert. Von 2002 bis 2008 wurden zum Thema „Mobilfunk“ 54 Forschungsvorhaben aus den Bereichen „Biologie“, „Dosimetrie“, „Epidemiologie“ und „Risikokommunikation“ durchgeführt. Ziel war es, grundsätzliche biologische Wirkungen von HF-EMF und die zugrunde liegenden Mechanismen wissenschaftlich belastbar nachzuweisen und deren gesundheitliche Relevanz unter Einbeziehung internationaler Forschungsergebnisse zu bewerten. Des Weiteren sollten mögliche Ursachen der Elektrosensibilität aufgeklärt werden. Die Ergebnisse wurden unter internationaler Beteiligung diskutiert und ausgewertet. Die Bewertung der Ergebnisse des DMF durch das BfS und durch die Strahlenschutzkommission wurden 2008 vorgestellt. Bereits damals wurde festgehalten, dass die Ergebnisse des DMF insgesamt keinen Anlass geben, die Schutzwirkung der bestehenden Grenzwerte in Zweifel zu ziehen

    Definition

    Elektrosensibilität

    Weitere Bezeichnungen sind „elektromagnetische Hypersensibilität“ und „idiopathische Umweltintoleranz gegenüber elektromagnetischen Feldern“. Diese Begriffe umschreiben eine subjektiv empfundene besondere Empfindlichkeit gegenüber niederfrequenten und hochfrequenten elektromagnetischen Feldern. Elektromagnetische Felder werden von Betroffenen als Ursache für verschiedene Befindlichkeitsstörungen wie Kopf- und Gliederschmerzen, Schlaflosigkeit, Schwindelgefühle, Konzentrationsschwäche oder Antriebslosigkeit gesehen. Die Symptome sind real und können sehr belastend sein. Lange Zeit haben die Betroffenen die Beschwerden vor allem niederfrequenten elektrischen und magnetischen Feldern zugeschrieben, zum Bespiel von Stromleitungen oder Haushaltsgeräten. Seit dem raschen Ausbau des Mobilfunks werden von den Betroffenen bevorzugt hochfrequente Felder als Ursache genannt.

    Kontakt

    Dr. habil. Blanka Pophof
    Bundesamt für Strahlenschutz; Kompetenzzentrum ­Elektromagnetische Felder; Ingolstädter Landstraße 1; 85764 Oberschleißheim

    Foto: privat