Ziele und Aufbau
Im Auftrag ihrer Mitgliederversammlung hat die DGUV gemeinsam mit der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM), der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW), der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) sowie mit fachlicher Unterstützung der Berufsgenossenschaft für Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) ein betriebsärztliches und sicherheitstechnisches Betreuungsnetzwerk für Kleinst- und Kleinbetriebe pilotiert.
Das Betreuungsnetzwerk wurde als „Pilotprojekt Zentrumsmodell“ vom 24. Oktober 2018 bis zum 30. Juni 2020 in der Region Ostwestfalen-Lippe erprobt und vom Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG) evaluiert. Es sollte untersucht werden, ob das Zentrumsmodell perspektivisch dazu beitragen kann, die betriebliche Betreuung von Kleinst- und Kleinbetrieben bis 50 Beschäftigte zu verbessern und die Ressourcen von Dienstleistern für betriebsärztliche und sicherheitstechnische Leistungen zielgerichteter einzusetzen. Gleichzeitig sollte überprüft werden, welche Elemente des Betreuungsnetzwerks funktionieren und welche sich nicht als praktikabel herausstellen, um für eine eventuelle Versorgung in der Fläche Erfahrungen zu sammeln. Dabei waren zwei Aspekte entscheidend: Zum einen sollte das Pilotprojekt Zentrumsmodell Erkenntnisse liefern, ob sich die betriebliche Betreuung von Kleinst- und Kleinbetrieben durch den trägerübergreifenden Ansatz unabhängig von der Profession des fachkundigen Personals verbessern lässt. Zum anderen sollte erprobt werden, ob das Betreuungsnetzwerk als eine von fünf Maßnahmen des Hennefer Kreises der DGUV perspektivisch dazu beitragen kann, die Zukunft der betriebsärztlichen Betreuung zu sichern.
Mitgliedsbetriebe der teilnehmenden Berufsgenossenschaften sollten zu festgelegten Preisen auf fachkundige Dienstleister aus einem dezentralen Bestand (Pool) zugreifen können. Der Pool wurde durch die DGUV aufgebaut und verwaltet. Das Zulassungsverfahren für den trägerübergreifenden Pool wurde bei der DGUV angesiedelt, um Synergieeffekte zu schaffen und damit den Aufwand für die Berufsgenossenschaften zu verringern. Die Betriebe erhielten wiederum Unterstützung von Beraterinnen und Beratern der Berufsgenossenschaften aus extra eingerichteten Kontaktstellen der Unfallversicherungsträger (UVT-Kontaktstellen). Deren direkter Kontakt sollte eine branchenspezifische und damit bedarfsgerechte Beratung der Betriebe ermöglichen – so begleiteten die UVT-Kontaktstellen die Betriebe vom Teilnahmebeginn über die Dienstleisterauswahl bis hin zur betrieblichen Beratung und zur abschließenden Rechnungsstellung. Der Vorteil für die Dienstleister sollte darin bestehen, dass durch die Bündelung von Betrieben die Kundendichte erhöht und in Kombination mit der dezentralen Verteilung über die Projektregion kurze Wegstrecken gefördert werden. Dank der Steuerung durch die UVT-Kontaktstellen entfiel für die Dienstleister zudem die aufwändige Kundenakquise.
Das Zulassungsverfahren war als so genanntes Open-House-Modell konzipiert. Im Gegensatz zu einem klassischen Vergabeverfahren hat dieses Zulassungsverfahren den Vorteil, dass alle Dienstleister ihre Leistungen anbieten können, wenn sie die Zulassungskriterien erfüllen. So wurde bewusst allen geeigneten – auch kleinen Unternehmen und Soloselbstständigen – die Teilnahme ermöglicht, um eine dichte und möglichst regionale Betreuungsstruktur aufzubauen.
Die Qualifikationen der fachkundigen Personen wurden von der DGUV anhand von schriftlichen Nachweisen zu den Fachkundevoraussetzungen nach DGUV Vorschrift 2 „Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ in Verbindung mit dem Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) geprüft.
Außerdem mussten die Fachleute nachweisen, dass sie in den vergangenen drei Jahren an einer Fortbildung teilgenommen hatten. Darüber hinaus hatten sie – wie in klassischen Vergabeverfahren auch – als Unternehmen bestimmte Eignungskriterien für die Zulassung zu erfüllen. Mit allen Dienstleistern, die die Teilnahmevoraussetzungen nachweislich erfüllten, schloss die DGUV einen Rahmenvertrag, der die Grundlage für den Einsatz in der Erprobungsphase bildete.
Nach dem Start des Zulassungsverfahrens akquirierten die UVT-Kontaktstellen bisher nicht betreute Betriebe aus der Projektregion. UVT-Kontaktstellen und Betriebe dokumentierten die Teilnahme in einer Teilnahmevereinbarung. Um einen zusätzlichen Anreiz zu schaffen, finanzierten die Berufsgenossenschaften drei Beratungsstunden pro Betrieb.
Jeder teilnehmende Betrieb konnte Betriebsärztinnen und Betriebsärzte sowie Fachkräfte für Arbeitssicherheit und sonstige fachkundige Personen anfordern. Daraufhin erhielt der Betrieb von der zuständigen UVT-Kontaktstelle einen Vorschlag für bis zu drei geeignete Dienstleister pro Berufsgruppe. Dazu ermittelte die DGUV geeignete Kandidatinnen und Kandidaten aus dem Dienstleister-Pool nach im Rahmenvertrag festgelegten Kriterien. Dadurch sollte ermöglicht werden, dass sich die Beratungsleistungen branchenspezifisch am betrieblichen Bedarf orientieren, durch entsprechend qualifizierte Dienstleister möglichst zeitnah erbracht werden und dank kurzer Wegstrecken ressourcenschonend vor Ort stattfinden können.
Nachdem ein Betrieb seine Auswahl getroffen hatte, beauftragte die zuständige UVT-Kontaktstelle den beziehungsweise die gewünschten Dienstleister per Einzelabrufvertrag – zunächst für einen vom Betrieb angegebenen Stundenumfang. Bestand anschließend noch weiterer Unterstützungsbedarf, konnte der Betrieb weitere Leistungen über die UVT-Kontaktstelle abrufen. Ging der Beratungsumfang über drei Stunden hinaus, musste der Betrieb die zusätzlichen Beratungskosten selbst tragen.
Den Status von Sicherheit und Gesundheit im Betrieb sowie die erbrachten Betreuungsleistungen dokumentierten die eingesetzten Dienstleister mit standardisierten Berichtsbögen. Diese dienten der DGUV zur Qualitätssicherung und Evaluation. Ebenso erhielten die UVT-Kontaktstellen daraus Auszüge, um Rechnungen prüfen und bezahlen zu können.
Die Beziehungen zwischen den benannten Beteiligten zeigt ➥ Abb. 1.
Qualitätssicherung und Evaluation
Im Rahmen des Projekts sollte zum einen die Qualität der bereitgestellten Betreuung gesichert und zum anderen das Betreuungsnetzwerk inklusive der Qualitätssicherung evaluiert werden. Sowohl die Qualitätssicherung in der Erprobungsphase als auch die Evaluation orientierten sich an den Qualitätsdimensionen Struktur, Prozess und Ergebnis, entsprechend dem Qualitätsmodell von Donabedian (1966). Es sollten Fragen zu allen drei nachfolgend aufgeführten Dimensionen beantwortet werden.
Strukturqualität
Die Fragestellungen zur Strukturqualität dienten dazu zu ermitteln, welche strukturellen Voraussetzungen für die Pilotregion bestanden und welche Strukturen im Rahmen des Projekts geschaffen wurden:
Prozessqualität
Hinsichtlich der Prozessqualität sollte untersucht werden, ob und wie die Leistungen in den Betrieben erbracht werden können und wie die Organisation, Gestaltung und Steuerung des Betreuungsnetzwerks funktioniert und gegebenenfalls verbessert werden kann:
Ergebnisqualität
Bezüglich der Ergebnisqualität sollten Erkenntnisse darüber gewonnen werden, ob durch das Betreuungsnetzwerk die Quantität und Qualität der betrieblichen Betreuung verbessert beziehungsweise wie die Qualität der Betreuung insgesamt eingeschätzt werden kann:
Übergreifend sollte herausgefunden werden, ob das erprobte Betreuungsnetzwerk geeignet ist, die gesetzlichen Anforderungen aufseiten der Betriebe zu erfüllen, und ob gleichzeitig ein für alle Ziel- und Akteursgruppen attraktives Angebot entwickelt werden konnte. Das Ergebnis der Gesamtevaluation diente somit auch als Entscheidungsgrundlage für das weitere Vorgehen, nämlich ob und falls ja, wie ein betriebliches Betreuungsnetzwerk gegebenenfalls flächendeckend ausgestaltet werden könnte.
Zur Beantwortung der Fragestellungen wurden verschiedene Methoden angewandt. Zum einen sollten auf diesem Weg verschiedene Perspektiven eingeholt werden, zum anderen konnten bestimmte Fragestellungen auch nur von ausgewählten Zielgruppen beantwortet werden. Darüber hinaus wurden vorhandene Dokumentationen aus der Erprobungsphase zur Auswertung und Beantwortung der Fragestellungen herangezogen.
Ergebnisse und Kernaussagen
zur Strukturqualität
Akquise von Dienstleistern
Die über Recherche- und Akquisetätigkeiten des Projekts ermittelte Anzahl an potenziell möglichen Dienstleistern kann mit insgesamt 404 als positive Grundlage für die Erprobung bewertet werden. Es handelte sich dabei ausschließlich um Anbieter aus Deutschland – davon etwa jeder dritte Anbieter (30,2 %) aus der Projektregion –, die sowohl regional, aber mehrheitlich überregional tätig sind. Größere Organisationen (62,9 %) waren weitaus häufiger vertreten als Soloselbstständige (37,1 %).
Zulassung von Dienstleistern
Über das Vergabeportal haben sich insgesamt 63 der angeschriebenen Dienstleister (15,6 % der 404 möglichen) registriert. Dies wird als Interesse am Projekt interpretiert, da die Registrierung notwendig war, um im Verlauf des Projekts die erforderlichen Berichtsbögen übermitteln zu können. Das Herunterladen der Vergabeunterlagen war aber auch ohne Registrierung möglich.
Einen Antrag auf Zulassung haben 29 der im Rahmen der Akquisemaßnahmen kontaktierten 404 Dienstleister gestellt. Das entspricht 7,2 %. Als mögliche Begründung für eine Beteiligung unter zehn Prozent zeigen die Ergebnisse der Evaluation, dass das Zulassungsverfahren nach dem Open-House-Modell und das Vertragswerk als sehr komplex und aufwändig wahrgenommen wurden. Mögliche Erklärungen, die aus einzelnen Hinweisen hervorgehen, wären aber auch, dass die Kapazitätsauslastung der Dienstleister grundsätzlich hoch war, die angebotene Vergütung eventuell keinen zusätzlichen Anreiz bot und manche zögerten, ihre Kapazitäten – ohne Abnahmegarantie – verbindlich für die Dauer der Projektlaufzeit bereitzustellen.
Tatsächlich zugelassen wurden 18 Dienstleister, also 4,5 % von 404 angeschriebenen. Die Teilnahmequote der tätigen Dienstleister im Verhältnis zur durchgeführten Akquisetätigkeit ist als gering anzusehen; zur Deckung der Nachfrage der teilnehmenden Betriebe war sie jedoch ausreichend.
Das Zulassungsverfahren, also die Prüfung, ob die erforderlichen Teilnahmevoraussetzungen von den Dienstleistern nachweislich erfüllt sind, war ein wesentlicher Teil der Qualitätssicherung des Betreuungsangebots. Die Ergebnisse der Evaluation zeigen, dass die Prüfung der Anträge auf Zulassung sehr zeitintensiv sowie komplex war und sowohl zu langen Prozessen geführt hat als auch dazu, dass nicht alle Zulassungsanträge angenommen werden konnten beziehungsweise dass Dienstleister ihre Beantragung nicht weiterverfolgt haben. So betrug die Dauer des Zulassungsprozesses zwischen
16 und 246 Tagen mit einem durchschnittlichen Wert von 74,5 Tagen (arithmetisches Mittel). Dabei war die Zulassung von Betriebsärztinnen und -ärzten wesentlich einfacher als bei Fachkräften für Arbeitssicherheit, weil der Nachweis der Fachkunde bei Betriebsärztinnen und -ärzten weniger Dokumente bedarf. Lediglich das Zulassungsverfahren bei einem Betriebsarzt mit einer im Ausland erworbenen Qualifikation war langwierig.
Die gemeldeten Kapazitäten der zugelassenen Dienstleister mit 46 Fachkräften für Arbeitssicherheit mit 1584 bereitgestellten Stunden pro Monat sowie fünf Betriebsärztinnen und Betriebsärzten mit 130 bereitgestellten Stunden pro Monat waren für den gemeldeten Betreuungsbedarf der teilnehmenden Betriebe grundsätzlich ausreichend, mussten aber – insbesondere für den Bereich der betriebsärztlichen Betreuung – durch flexible Ressourcen ergänzt werden, um eine zeitnahe Betreuung zu ermöglichen. Betriebsärztliche Ressourcen wurden also insgesamt in weitaus geringerem Umfang bereitgestellt als sicherheitstechnische Ressourcen.
Betriebsakquise
Von den beteiligten Berufsgenossenschaften wurden etwa 6600 Betriebe angeschrieben. Dabei wurden verschiedene Akquisestrategien angewandt; einheitliche Grundlage bildete ein abgestimmtes Musteranschreiben an die Betriebe. Obwohl die überwiegende Mehrheit der teilnehmenden Betriebe das Anschreiben als ersten Weg der Kenntnisnahme nannte, erfolgte darauf nur selten eine direkte Reaktion. Mit erneuter Kontaktaufnahme zeigten sich zunächst 595 Betriebe interessiert. Die Akquisestrategie einer Berufsgenossenschaft, bei der alle angeschriebenen Betriebe telefonisch im Nachgang des Anschreibens kontaktiert wurden, erbrachte das größte Interesse und schließlich auch die höchste Anzahl abgeschlossener Teilnahmevereinbarungen mit den Betrieben. Diese Akquisestrategie war aber gleichzeitig mit einem hohen personellen Aufwand der UVT-Kontaktstelle verbunden. Insgesamt konnte bis zum Ende der Erprobungsphase mit 362 Betrieben eine Teilnahmevereinbarung abgeschlossen werden. Die Teilnahmequote der Betriebe im Verhältnis zum erbrachten Aufwand bei der Akquise ist insgesamt als nicht zufriedenstellend zu bewerten.
Ergebnisse und Kernaussagen zur Prozessqualität
Tätigkeiten im Betrieb
Bis zum 30. Juni 2020 wurden von den 18 zugelassenen Dienstleistern 15 Anbieter ausgewählt, von denen 14 bis zum Ende der Erprobungsphase Beratungsleistungen erbrachten. Die Hälfte der Dienstleistenden wurde trägerübergreifend eingesetzt: Vier Dienstleister wurden von Mitgliedsbetrieben aller teilnehmenden Berufsgenossenschaften ausgewählt und eingesetzt; weitere fünf wurden von Mitgliedsbetrieben zweier Berufsgenossenschaften ausgewählt und in diesen tätig. Am häufigsten wurden Dienstleister ausgewählt, die sowohl betriebsärztliche als auch sicherheitstechnische Beratungsleistungen anboten. Die Ergebnisse zeigen damit, dass tatsächlich ein dezentrales Netzwerk mehrerer Dienstleister entstanden war und nicht nur einzelne große Dienstleister als „Zentren“ in der Region fungierten. Außerdem sind die erhofften Synergieeffekte entstanden, da die Dienstleister nur einmal geprüft und zugelassen wurden. Sie konnten somit in Branchen von bis zu drei Berufsgenossenschaften und damit in der Regel bei vielen Betrieben eingesetzt werden.
Von den 362 Betrieben, die eine Teilnahmevereinbarung abgeschlossen haben, wurden insgesamt 330 Betriebe während der Erprobungsphase betreut und durchliefen somit den kompletten Prozess. 32 Betriebe, also neun Prozent, haben das Projekt aus unterschiedlichen Gründen vorzeitig beendet. Der angestrebte Zielwert von 400 betreuten Betrieben wurde mit der Teilnahme von 330 Betrieben dennoch zu 83 % erfüllt und bildete eine valide Grundlage für die Evaluation.
Die Ergebnisse zeigen, dass sich das Kapazitätsangebot der Dienstleister mit der Nachfrage auf Seiten der Betriebe deckte, da die Nachfrage nach betriebsärztlichen Betreuungsleistungen eher gering ausfiel: Fachkräfte für Arbeitssicherheit wurden wesentlich häufiger angefragt (ca. 80 %) als Betriebsärztinnen und Betriebsärzte (ca. 20 %).
In den 330 Betrieben wurden 360 Beratungen durch Dienstleister, so genannte Dienstleistertätigkeiten, durchgeführt, da einige Betriebe von beiden Berufsgruppen (Betriebsärztinnen und -ärzte sowie Fachkräfte für Arbeitssicherheit) betreut wurden. 303 Dienstleistertätigkeiten dienten als Grundlage für die weitere Auswertung der Ergebnisse; diese fanden in 282 Betrieben statt. Fast jeder zweite Einsatz (40 %) vom 20-prozentigen Anteil betriebsärztlicher Tätigkeiten an allen durchgeführten Tätigkeiten entfiel auf Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung.
Hinsichtlich der Regionalität der Dienstleistertätigkeiten in den Betrieben lässt sich aus den Ergebnissen festhalten, dass fast zwei Drittel in einem Radius von 50 Kilometern pro Strecke erfolgten, so dass 77 % aller Dienstleistertätigkeiten mit einer Wegezeit pro Strecke von unter einer Stunde stattfanden. Die Längenverteilung der Wegstrecken zeigt
➥ Abb. 2.
Die Förderung von regionaler Nähe durch das Betreuungsnetzwerk kann daher bestätigt werden. Allerdings muss differenziert werden: Aufgrund der geringeren Teilnahmezahl von betriebsärztlichen Fachleuten war das dezentrale Netzwerk schwächer ausgeprägt als bei den sicherheitstechnischen Fachleuten, so dass längere Wegstrecken erforderlich waren.
Ebenfalls ist es gelungen, die zunächst schriftlich kontaktierten Kleinstbetriebe zu erreichen: Mit 86 % haben die meisten Dienstleistertätigkeiten in Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten stattgefunden. Die Betriebsgrößenverteilung der betreuten Betriebe zeigt ➥ Abb. 3. Im Verhältnis zur Akquise – hier wurden 70 % Kleinstbetriebe angeschrieben – wurden prozentual mehr Dienstleistertätigkeiten in Kleinstbetrieben als in Kleinbetrieben durchgeführt. Dabei handelte es sich zu drei Vierteln um Betriebe, die bisher nicht betreut wurden beziehungsweise noch keine Betreuung hatten. Damit zeigt das erprobte Betreuungsnetzwerk einen Weg auf, vor allem nicht betreute Kleinstbetriebe zu erreichen.
Betreuung und Zusammenarbeit
In der Regel wurde zunächst der gesetzte finanzielle Anreiz zur Betreuung wahrgenommen, was dessen förderliche Funktion bestätigt.
Der Beratungsprozess hat in den meisten Fällen vor Ort stattgefunden. Inhalte der Betreuung waren überwiegend die Unterstützung bei
Allerdings haben sich Betriebsärztinnen und Betriebsärzte sowie Fachkräfte für Arbeitssicherheit nur sehr selten abgestimmt, wenn sie von unterschiedlichen Dienstleistern kamen. Dies weist auf einen deutlichen Verbesserungsbedarf in der Zusammenarbeit hin.
Prozesse, Organisation und Steuerung
Die Prozessschritte, beispielsweise das Ausfüllen der Teilnahmevereinbarung durch die Betriebe, die Rückmeldung der Betriebe zur Auswahl von Dienstleistern sowie die Rücksendung der Einzelabrufverträge durch die Dienstleister, dauerten überwiegend sehr lange. Im arithmetischen Mittel betrug die Dauer vom Versand der Teilnahmevereinbarung der UVT-Kontaktstelle zum Betrieb bis zum Abschluss des Einzelabrufvertrags mit dem Dienstleister 100 Tage. Diese Laufzeiten haben ihren Hintergrund in rechtlichen Rahmenbedingungen, in den Anforderungen beziehungsweise Auslegungen der vertraglichen Regelungen, in der Anzahl der Prozessschritte, in den vielen Schnittstellen („UVT-DGUV-Dienstleister-Dreieck“) sowie in den Fragen von Betrieben und Dienstleistern zu den Abläufen und damit verbundenen zusätzlichen Klärungsprozessen. Beschwerdefälle waren für die UVT-Kontaktstellen aufwändig zu klären, traten insgesamt aber selten auf.
Die Ergebnisse der Evaluation zeigen aber auch, dass sowohl die betreuenden Dienstleister als auch die befragten Betriebe mit der Organisation sehr zufrieden waren. Dabei ging es um Fragen zur Terminabstimmung und -einhaltung sowie um die Auswahl der Beratungsthemen. Die Beratung selbst wurde von einem Großteil der befragten Betriebe als kompetent wahrgenommen, da dabei sehr individuell auf die Betriebe eingegangen wurde.
Ergebnisse und Kernaussagen zur Ergebnisqualität
Veränderungen in den Betrieben
Im Allgemeinen förderte die Betreuung die Erstellung der Gefährdungsbeurteilung in den teilnehmenden Betrieben, führte aber in vielen Fällen noch nicht zu ihrer vollständigen Umsetzung. Zwar verringerte sich nach der durchgeführten Betreuung der Anteil an betreuenden Dienstleistern, der angab, dass keine Gefährdungsbeurteilung vorhanden ist, um 23 Prozentpunkte. Dennoch gaben fast 60 % von ihnen auch nach der Betreuung an, dass keine Gefährdungsbeurteilung vorhanden ist.
Erklärungen dafür finden sich vor allem im Faktor Zeit: fehlende Zeit der Betriebe, die Gefährdungsbeurteilung umzusetzen, deutlich mehr benötigte Zeit, um überhaupt eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen, und das Problem, dass im Rahmen des Projekts mitunter der Erstkontakt im Betrieb gleichzeitig auch der Letztkontakt war.
Die Einschätzungen der betreuenden Dienstleister zur Umsetzung der Maßnahmen der Organisation des Arbeitsschutzes waren sowohl vor als auch nach der Betreuung verhalten. Der Anteil derjenigen, die Maßnahmen als umgesetzt ansahen, lag für die meisten Maßnahmen nach der Betreuung zwischen 30 und 50 %. Auffallend dabei war, dass einfach und schnell umzusetzende Maßnahmen, wie der Zugang zu Vorschriften und Regeln für alle Beschäftigten, den stärksten Zuwachs aufzeigten.
Aus Sicht der befragten Betriebe, die ihre Angaben vier bis acht Wochen nach der Betreuung machten, lagen die Umsetzungswerte deutlich höher. Die folgenden Maßnahmen wurden von einer großen Mehrzahl der befragten Betriebe als umgesetzt angesehen:
Wirkung der Betreuung
Die Betreuung der Betriebe führte in den meisten Fällen dazu, dass die gesetzlichen Arbeitgeberpflichten im Betrieb bekannt sind und weitere Maßnahmen des Arbeitsschutzes von den Betrieben umgesetzt werden können. Die Wirksamkeit der Betreuung wurde von der Mehrheit der befragten Betriebe (zwischen 60 und 70 % für die abgefragten Aspekte) insgesamt positiv bewertet. ➥ Abbildung 4 zeigt die Einschätzung der Wirkung der Betreuung für die verschiedenen Aspekte aus Sicht der Betriebe.
Das wiederum kann als gelungener Ausgangspunkt für das Weiterverfolgen von Aspekten zu Sicherheit und Gesundheit im Betrieb angesehen werden. Förderlich auf die Wirkung der Betreuung würde sich aus Sicht der Dienstleister und der befragten Betriebe ein nachhaltiges regelmäßiges Beratungsangebot auswirken.
Gesamtbewertung und Optimierung
Insgesamt wurde das Angebot des Pilotprojekts Zentrumsmodell sowohl von den betreuenden Dienstleistern als auch von den befragten Betrieben positiv bewertet. Die Zustimmungsquoten lagen bei knapp 80 % der betreuenden Dienstleister und bei 87 % der befragten Betriebe. Die vollständigen Ausprägungen der Bewertung des Angebots „Zentrumsmodell“ durch betreuende Dienstleister und befragte Betriebe zeigt ➥ Abb. 5.
Dienstleister und die befragten Betriebe
Direkte Optimierungsmöglichkeiten lagen aus Sicht der Dienstleister am häufigsten in einer Reduktion des Aufwands für die Zulassung und die Dokumentation der Betreuung. Für die befragten Betriebe waren es Themen des organisatorischen und zeitlichen Ablaufs. Eine Fortsetzung der Betreuung nach Projektende bestätigten zwei Drittel der betreuenden Dienstleister und die Hälfte der befragten Betriebe.
Fazit
Ein trägerübergreifendes Betreuungsnetzwerk kann dazu beitragen, dass mehr Kleinst- und Kleinbetriebe betriebsärztlich und sicherheitstechnisch betreut werden und Dienstleister zumeist kurze Wegstrecken zurücklegen. Gleichzeitig wurde deutlich, dass der Prototyp für ein dauerhaftes oder bundesweites Angebot zu ressourcenintensiv ist.
Vorausgesetzt, dass der Ansatz eines trägerübergreifenden Betreuungsnetzwerks dennoch weiterverfolgt werden sollte, wäre eine Reihe von Anpassungen des erprobten Prototyps erforderlich. Ein primärer Ansatzpunkt bestünde darin, das Angebot noch stärker an Kleinst- und Kleinbetrieben sowie der Marktlage für betriebsärztliche und sicherheitstechnische Leistungen auszurichten. Darüber hinaus müsste die Komplexität des Modells drastisch reduziert werden. Beispielsweise könnten Prozessschritte und Schnittstellen zwischen den Akteursgruppen durch eine verbesserte Prozessmodellierung sowie die digitale Automatisierung von Prozessen und die digitale Vernetzung der Beteiligten verringert werden. Darüber hinaus wäre die Einbettung des Betreuungsnetzwerks in die bereits bestehenden Betreuungssysteme der Unfallversicherungsträger zu prüfen.
Die gewonnenen Erkenntnisse werfen aber auch grundsätzliche Fragen auf, die über eine Anpassung des Prototyps hinausgehen und im Vorfeld weiterer Überlegungen zu einem betrieblichen Betreuungsnetzwerk berücksichtigt werden müssen, zum Beispiel:
Die DGUV befasst sich mit dem Gesamtkomplex der betrieblichen Betreuung, um die Grundsatzfragen zu beantworten. Dabei werden auch Erkenntnisse aus anderen Projekten zu Grundlagen und Rahmenbedingungen für eine Verbesserung der betrieblichen Betreuung berücksichtigt.
Interessenkonflikt: Das Autorenteam gibt an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
Literatur
Donabedian A: Evaluating the quality of medical care. Milbank Memorial Fund Quarterly: Health and Society 1966; 44: 166–203.
doi:10.17147/asu-1-182142
Weitere Infos
DGUV Report 1/2021: Pilotprojekt Zentrumsmodell für die betriebliche Betreuung
https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/4067
Kernaussagen
Info
Teilnahmekriterien der Betriebe
Info
Kriterien für die Ermittlung von Dienstleistern
KOAUTORINNEN UND KOAUTOREN
Dr. Stefan Dreller, Esther Foege, Matthias Groß, Andrea Kuhn, Sabine Edelhäuser, Anja Mühlbach, Dr. Annekatrin Wetzstein
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV), St. Augustin
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