Eine britische Kohortenstudie habe bei COVID-19-Patienten erstmals erhöhte Kortisolspiegel gefunden, die zudem mit einem ungünstigeren Verlauf assoziiert gewesen seien, berichtete der Endokrinologie Matthias Max Weber heute bei einer gemeinsamen Online-Pressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE).
Der Leiter der Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechselkrankheiten an der Universitätsmedizin Mainz ergänzte, dass „die Studie mit 535 Patienten auch einen möglichen Zusammenhang zwischen erhöhten Hormonkonzentrationen und der Sterblichkeit aufstellt“. Weitere Studien müssten dies jedoch noch bestätigen.
„Hormone und Hormonerkrankungen spielen bei Infekten allgemein eine große Rolle und stellen Patienten und Ärzte insbesondere während der Coronapandemie vor große Herausforderungen“, sagte Weber. „Speziell Kortisol kann sowohl in einer Mangelsituation als auch bei Überdosierung zu lebensbedrohlichen Krankheitszuständen führen und hat einen starken Einfluss auf das Überleben bei schweren Infektionen.“
Der Mediensprecher der DGE betonte, dass es daher wichtig sei, gerade Patienten mit einer Über- oder Unterfunktion des Kortisolstoffwechsels während der Pandemie besonders gut zu überwachen und vor einer Infektion zu schützen.
Darunter fallen Menschen mit Nebenniereninsuffizienz wie beim Addison-Syndrom, bei dem zu wenig lebensnotwendiges Kortisol gebildet wird, was dann eine Kortisolersatztherapie notwendig macht, oder das Cushing-Syndrom, bei dem die Nebenniere wiederum zu viel Kortisol produziert. Aber auch Patienten, die aufgrund anderer Erkrankungen hoch dosierte Kortisonpräparate einnehmen, müssen gut medizinisch begleitet werden.
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Gegenstand intensiver medizinischer Forschung ist derzeit, dass Stresshormone auch bei einer COVID-19-Erkrankung therapeutisch eingesetzt werden könnten. Aktuell wird das Kortisol-Medikament Dexamethason diskutiert, welches bei sehr schweren COVID-19-Verläufen helfen könnte.
Bei beatmeten Patienten mit schwerem COVID-19-Verlauf habe das Medikament zu einem besseren Überleben und einem kürzeren verlauf beigetragen, sagte Weber, betonte aber, dass die WHO und auch Endokrinologen davor warnen, eine routinemäßige Kortisontherapie bei COVID-19 außerhalb klinischer Studien durchzuführen.
„Auch hier müssen noch weitere Untersuchungen folgen, um sowohl positive als auch negative Wirkungen von Kortisol bei Patienten mit COVID-19-Erkrankung darzustellen“, resümierte er. © nec/aerzteblatt.de