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Mit FlexAbility-Training Selbststeuerung verbessern

Räumliche und zeitliche Flexibilität nimmt zu

Während der COVID-19-Pandemie hat ein Viertel der Betriebe in Deutschland die Möglichkeiten für Homeoffice beziehungsweise Telearbeit eingeführt oder erweitert. Insbesondere größere Betriebe planen, die Arbeit von zuhause auch nach der Pandemie weiter auszubauen (Robelski et al. 2020). Die zunehmende Digitalisierung und damit einhergehende technischen Entwicklungen ermöglichen es, Arbeit unabhängig von einem festen Arbeitsort von zuhause oder unterwegs zu erledigen. Immer mehr Berufstätige haben so Einfluss darauf, wo und wann sie arbeiten, und können ihren Arbeitsalltag orts- und zeitflexibel gestalten.

Chancen und Risiken orts- und ­zeitflexibler Arbeit

Bei orts- und zeitflexibler Arbeit profitieren viele Berufstätige und Organisationen von der räumlichen und zeitlichen Flexibilität (Wöhrmann et al. 2020). Berufstätige können ihre Arbeitszeit entsprechend der eigenen Bedarfe gestalten, und durch wegfallende Pendelzeiten bleibt mehr Zeit für das Privatleben. Dies ermöglicht eine bessere Vereinbarung von Arbeit und Privatleben. Mehr Flexibilität kann sich positiv auf die Produktivität, aber auch auf die Zufriedenheit und Gesundheit auswirken (BMAS 2016).

Für andere Menschen ergeben sich aber zusätzliche Belastungen durch mehr Flexibilität (Beermann et al. 2018). Es kann schwerfallen, den Arbeitsalltag selbst zu strukturieren, und einige Beschäftigte arbeiten zu viel oder legen nicht genügend Pausen ein. Das kann die Erholung beeinträchtigen. Eine weitere Herausforderung ist, dass die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben bei orts- und zeitflexibler Arbeit verschwimmt. Häufig können Berufstätige sich dadurch nicht gedanklich von der Arbeit distanzieren. Sie sind oft unzufriedener mit ihrer Work-Life-Balance und können sich schlechter erholen. Eine unzureichende Erholung kann langfristig negative Folgen für Gesundheit und Wohlbefinden, aber auch für die Leistungsfähigkeit haben.

Orts- und zeitflexible Arbeit ­gesund gestalten durch Förderung der Selbststeuerung

Orts- und zeitflexible Arbeit muss daher gesundheitsfördernd gestaltet werden. Die Sicherung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes verantwortet zunächst das Unternehmen. Wenn abseits des klassischen Arbeitsortes gearbeitet wird, sind die Arbeitsbelastungen für Führungskräfte und Arbeitsschutzakteure nicht mehr direkt sichtbar. Außerdem können auch Berufstätige ohne Anstellungsverhältnis orts- und zeitflexibel arbeiten. Daher muss im Sinne der Verhältnisprävention in einem ersten Schritt geprüft werden, ob Arbeitsbedingungsfaktoren bei orts- und zeitflexibler Beschäftigung für eine gesunde Arbeitsgestaltung optimiert werden können. Im nächsten Schritt sind im Rahmen der Verhaltensprävention Unterstützungs- und Trainingsangebote für Berufstätige wichtig, die Strategien aufzeigen, um auch bei orts- und zeitflexibler Arbeit den Arbeitstag gesundheitsförderlich und effektiv zu organisieren, Pausen einzuhalten oder sich am Feierabend gedanklich von der Arbeit zu lösen. Diese Strategien müssen auf die eigenen Bedürfnisse und den persönlichen Arbeitsalltag abgestimmt sein.

Die Fähigkeit zur Selbststeuerung, also die Steuerung des eigenen Verhaltens sowie der eigenen Gedanken und Gefühle, ist eine wichtige Kompetenz zur Gestaltung orts- und zeitflexibler Arbeit (Althammer u. Michel 2021). Denn Berufstätige
müssen bei dieser Arbeitsform den eige­nen Arbeitsalltag und die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben selbst steuern. Sowohl die individuelle Selbststeuerung als auch die Selbststeuerung im Team ist daher hilfreich, um spezifische Herausforderungen dieser Arbeitsform zu bewältigen und die Arbeit gesundheitsfördernd zu gestalten.

In einem aktuellen Forschungsprojekt der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) unter Leitung von apl. Prof. Dr. Alexandra Michel und Dr. Anne Wöhrmann wurden auf Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse verschiedene Trainingsmaßnahmen speziell für Personen entwickelt, die orts- und zeitflexibel arbeiten. Im Rahmen von wissenschaftlichen Begleitstudien ist die kostenlose Teilnahme an den Angeboten möglich.

Das FlexAbility-Training

Das von Michel, Althammer und Wöhrmann entwickelte ressourcenorientierte Online-Training für Einzelpersonen befähigt Berufstätige, individuell passende Selbststeuerungsstrategien zu entwickeln und diese im Alltag umzusetzen. So sollen Wohlbefinden, Erholung, Work-Life-Balance und Leistung von Berufstätigen verbessert werden. Dafür werden Selbststeuerungsstrategien für die Gestaltung der Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben, die Selbstorganisation des Arbeitsalltags und die Erholung in Pausen und Freizeit vermittelt sowie persönliche Ressourcen aktiviert und gestärkt.

Das Online-Training besteht aus sechs Modulen. Teilnehmende erhalten wöchentlich Zugang zu einem Online-Modul, dessen Bearbeitung etwa 50 Minuten dauert. Die Trainingsmodule werden eigenständig bearbeitet und setzen sich zusammen aus schriftlicher Wissensvermittlung, Video- und Audiodateien sowie praktischen Übungen und Beispielen. Teilnehmende lernen in jedem Modul Übungen und Strategien kennen, die sie bei der Gestaltung ihrer Arbeit unterstützen und die langfristig im Arbeitsalltag angewendet werden können. Damit sich das Gelernte festigt, sollen sie in der darauffolgenden Arbeitswoche möglichst jeden Tag eine kurze vertiefende Übung anwenden.

Im Training werden die teilnehmenden Personen von ihrem Flexibaum begleitet, der symbolisch für ihre persönliche Weiterentwicklung steht (➥ Abb. 1). Jeder Ast symbolisiert Strategien und Kompetenzen, die in den Modulen erlernt und an die individuelle Arbeitsgestaltung angepasst werden. Mit jedem der ersten fünf Module, das abgeschlossen wurde, erblüht der Flexibaum weiter. Im letzten Modul ernten die Teilnehmenden ihre gelernten Früchte und verdeutlichen sich ihre Ressourcen, die sie bei der Gestaltung ihrer orts- und zeitflexiblen Arbeit nutzen können. Nachfolgend werden die sechs Module des FlexAbility-Trainings im Überblick dargestellt.

Abb. 2:  Übung zur Förderung von Selbststeuerung: Formulierung und Umsetzung von Arbeitszielen

Abb. 2: Übung zur Förderung von Selbststeuerung: Formulierung und Umsetzung von Arbeitszielen

Das FlexAbilty-Online-Training im Überblick

Modul 1: Flexibel arbeiten – gesund und zufrieden

In Modul 1 lernen Teilnehmende Aufbau und Ziele des Trainings kennen und formulieren mit Hilfe von Selbststeuerungsstrategien ihre persönlichen Ziele und Wünsche für die Trainingsteilnahme (vgl. ➥ Abb. 2). Persönliche Ressourcen werden dabei aktiviert. Außerdem lernen sie eine erste praktische Übung kennen, um sich gedanklich von der Arbeit zu lösen oder sich auch in anderen Situationen auf den aktuellen Moment zu fokussieren.

Modul 2: Meine persönliche Balance finden

Bei orts- und zeitflexibler Arbeit können die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen. Sollten die Gedanken auch noch in der Freizeit unaufhörlich um die Arbeit kreisen, kann das zu Konflikten zwischen den Lebensbereichen und reduzierter Zufriedenheit mit der eigenen Balance zwischen Arbeit und Privatleben führen. In Modul 2 lernen Teilnehmende Strategien kennen, um persönliche Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben bewusster zu gestalten.

Modul 3: Von der Arbeit abschalten – mich abgrenzen

Für die Erholung ist es zentral, sich in der Freizeit gedanklich von der Arbeit lösen zu können, auch als „Abschalten“ bezeichnet. In Modul 3 reflektieren Teilnehmende Freizeitaktivitäten, bei denen der Kopf frei wird, und sie lernen, wie das Ziehen von kognitiv-emotionalen Grenzen zwischen Lebensbereichen beim Abschalten hilft (Michel et al. 2014; Rexroth et al. 2017).

Modul 4: Fokussiert bleiben – konzen­triert arbeiten

Eine weitere Herausforderung bei orts- und zeitflexibler Arbeit ist, den Tag selbst zu strukturieren und den eigenen Arbeitsalltag effektiv zu organisieren. Daher lernen Teilnehmende in Modul 4 Selbststeuerungsstrategien kennen (vgl. Althammer u. Michel 2021), um sich Ziele für die eigene Arbeitsorganisation zu setzen und sie zu erreichen (z. B. Unterbrechungen und Ablenkungen vermeiden oder wichtige und dringende Aufgaben zuerst bearbeiten).

Modul 5: Auf mich achten – im Alltag zur Ruhe kommen und Kraft schöpfen

Manchmal arbeiten Berufstätige auf eine Art und Weise, die negative Auswirkungen auf ihre Gesundheit haben kann. Manche arbeiten beispielsweise zu lange und zu viel, verzichten auf Pausen, sind ständig erreichbar oder Arbeiten trotz Erkrankung. Dies kann zu mangelnder Erholung beitragen, die langfristig nicht nur Wohlbefinden und Gesundheit, sondern auch die Arbeitsleistung vermindern kann. Deshalb zeigt Modul 5 verschiedene Erholungsstrategien auf, die auf eine angemessene Pausengestaltung während der Arbeitszeit und eine erholsame Freizeitgestaltung fokussieren.

Modul 6: Meine Strategien, meine ­Kraftquellen

In Modul 6 werden in einem Rückblick die Modulinhalte vertieft und die eigenen Ressourcen reflektiert. Dabei wird zwischen persönlichen (z. B. Kompetenzen, Erfahrungen) und kontextuellen (z. B. soziale Unterstützung bei der Arbeit oder auch finanzielle Situation) Ressourcen unterschieden. Denn aus diesen Ressourcen kann zusätzliche Energie geschöpft werden, um den Arbeitsalltag gesund und effektiv zu gestalten. Außerdem wird erlernt, diese im Alltag zu aktivieren.

Die FlexAbility-Team-Workshops

Auch eine verhältnispräventive Perspektive ist neben dieser verhaltensorientierten Maßnahme wichtig. Die Gestaltung orts- und zeitflexibler Arbeit erfordert beispielsweise eine gute Selbststeuerung von Teams. Teammitglieder sollten untereinander ihre Wünsche für die orts- und zeitflexible Zusammenarbeit auf Distanz klar kommunizieren und so gegenseitige Erwartungen transparent machen. Neben der Gestaltung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsprozesse im Team sind die Art, der Zeitpunkt sowie die Frequenz der Kommunikation zwischen den Teammitgliedern wichtige Aspekte. Dabei wird reflektiert, wie Teammitglieder in Absprache mit ihrem Team ihre persönlichen Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben bewusst gestalten können. Eine regelmäßige informelle und formelle Kommunikation sowie soziale Interaktion ist bei einer Zusammenarbeit auf Distanz besonders wichtig, um sozialer Isolation vorzubeugen. In den FlexAbility-Team-Workshops können Teams gemeinsam daran arbeiten, die räumlich und zeitlich flexible Zusammenarbeit mit Vorgesetzten und im Kollegenkreis durch konkrete Vereinbarungen effektiv und gesundheitsförderlich zu gestalten.

Fazit

Immer mehr Beschäftigte haben zunehmend mehr räumliche und zeitliche Flexibilität bei ihrer Arbeit. Dies birgt sowohl Chancen als auch Risiken. Um die Bedarfe von Berufstätigen und Arbeitgebern gleichermaßen zu erfüllen, muss orts- und zeitflexible Arbeit gesundheitsfördernd gestaltet werden. Neben der Optimierung von Rahmenbedingungen kann die Förderung von individuellen und teambasierten Selbststeuerungsstrategien dabei helfen. Unterstützungsangebote sollten die Kompetenzen und individuelle Selbststeuerungsstrategien im Umgang mit den spezifischen Herausforderungen orts- und zeitflexibler Arbeit fördern. Gute Organisation der Zusammenarbeit auf Distanz, transparente Kommunikation von Erwartungen und klare Absprachen innerhalb von Teams sind wichtige Voraussetzungen für eine gesunde und effektive Gestaltung orts- und zeitflexibler Arbeit. Das FlexAbility-Training bietet sowohl individuelle Trainings als auch Workshops für Teams an.

Interessenkonflikt: Die Autorinnen geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

Literatur

Althammer SE, Michel A: Interventionen zur Förderung von Selbstwirksamkeit, Selbstregulation und Emotionsregulation. In: Michel A, Hoppe A (Hrsg.): Interventionen zur Gesundheitsförderung bei der Arbeit. Heidelberg: Springer, 2021.

Beermann B, Amlinger-Chatterjee M, Brenscheidt F, Gerstenberg S, Niehaus M, Wöhrmann AM: Orts- und zeitflexibles Arbeiten: Gesundheitliche Chancen und Risiken. 2. Aufl. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2018.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS): Orts- und zeitflexibles Arbeiten gestalten: Empfehlungen der Plattform „Digitale Arbeitswelt“. BMAS, 2016.

Michel A, Bosch C, Rexroth M: Mindfulness as a cognitive-emotional segmentation strategy: An intervention promoting work-life balance. J Occup Organ Psychol 2014; 87: 733–754.

Rexroth M, Michel A, Bosch C: Promoting well-being by teaching employees how to segment their life domains: Effects of an online-based mindfulness intervention. Z Arbeits- und Organisationspsychol 2017; 61: 197–212.

Robelski S, Steidelmüller C, Pohlan L: Betrieblicher Arbeitsschutz in der Corona-Krise. Dortmund: ­Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2020.

Wöhrmann AM, Backhaus N, Tisch A, Michel A: BAuA-Arbeitszeitbefragung: Pendeln, Telearbeit, Dienstreisen, wechselnde und mobile Arbeitsorte. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2020.

Weitere Infos

Mehr Informationen zum Projekt und Möglichkeiten zur kosten­losen Teilnahme
https://baua-flexibelundgesund.de/

Weitere Tipps zur Gestaltung der Arbeit im Homeoffice
https://www.baua.de/DE/Themen/Arbeitsgestaltung-im-Betrieb/Coronavirus/…

Kernaussagen

  • Während der COVID-19-Pandemie arbeiteten mehr Menschen von zuhause aus als je zuvor. Eine solche orts- und zeitflexible Arbeit bringt zwar Vorteile mit sich, jedoch können damit auch Belastungen einhergehen.
  • Um orts- und zeitflexible Arbeit gesund und effektiv zu gestalten, sind verhaltens- und ­verhältnispräventive Maßnahmen erforderlich.
  • Das FlexAbility-Training ist eine ressourcenorientierte Intervention, die an der Förderung von individueller und teambasierter Selbststeuerung und anderer Ressourcen im Arbeitskontext ansetzt.
  • Ziel des FlexAbility-Trainings ist es, einen Beitrag zur Förderung von Wohlbefinden, ­Work-Life-Balance, Gesundheit und Engagement bei der Arbeit zu leisten.
  • Koautorinnen

    apl. Prof. Dr. Alexandra Michel und Sarah Elena Althammer, M.Sc., teilen sich die Erstautorenschaft. Außerdem an der Erstellung des Beitrags beteiligt war Dr. Anne Marit Wöhrmann. Alle Autorinnen sind bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund, beschäftigt.

    Kontakt

    Sarah Elena Althammer, M.Sc.
    Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin; Friedrich-Henkel-Weg 1–25; 44149 Dortmund

    Foto: Sylwia Wisbar

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