Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Nichtvisuelle Wirkungen von Licht auf den Menschen

Nichtvisuelle Wirkungen von Licht auf den Menschen

In seiner gesamten Entwicklungsgeschichte ist der Mensch durch den natürlichen Rhythmus des Tageslichts geprägt: helles Licht am Morgen, ein wolkenbehangener Himmel vor einem Regenschauer und ein goldgelber Sonnenuntergang. Die wechselnden Helligkeiten und variablen Lichtfarben synchronisieren den menschlichen Organismus mit seiner Umwelt. Der moderne Mensch indes entfernt sich immer mehr von seinen natürlichen Rhythmen, z.B. durch Arbeit im Schichtbetrieb oder in fensterlosen Werkräumen. Morgens oder abends, um Mitternacht in der Leitwarte oder frühmorgens in Werkstatt und Büro: Fast unbegrenzt steht künstliches Licht bereit, um Menschen das Sehen zu ermöglichen.

Mit Licht können Menschen aber nicht nur sehen und Kontraste erkennen, Farben unterscheiden und Bewegungen von Objekten wahrnehmen. Licht bewirkt noch mehr: Es beeinflusst den biologischen Rhythmus, den Schlaf, wichtige Körperfunktionen sowie das Wohlbefinden und nimmt somit einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Gesundheit. Diese Einflüsse werden unter „nichtvisuelle Lichtwirkungen“ zusammengefasst (➥ Abb. 1). In der Literatur werden sie auch biologische, melanopische oder nicht bildgebende Lichtwirkungen genannt.

Vor einigen Jahren wurde im Auge des Menschen neben Zapfen und Stäbchen ein weiterer Rezeptortyp entdeckt. Dieser ist besonders empfindlich für Strahlung im blauen Bereich des sichtbaren Lichts. Allerdings sind die Rezeptoren dieses Typs nicht oder kaum an der Entstehung von Bildern im Gehirn beteiligt, sondern für die Synchronisierung der inneren Uhr des Menschen. Was bedeutet das?

Licht beeinflusst die Physiologie

Die innere Uhr steuert die zeitlichen Abläufe aller wichtigen Vorgänge im Körper und stimmt diese aufeinander ab. Sie sorgt dafür, dass wichtige Prozesse im Körper zur richtigen Zeit und in der richtigen Reihenfolge ablaufen. Durch diese Zusammenhänge werden verschiedene Stoffwechselprozesse und das Immunsystem ebenso beeinflusst wie das psychische Befinden. Auch Nahrungsaufnahme und körperliche Aktivität nehmen dabei Einfluss auf die Einstellung der inneren Uhr. Der wichtigste Zeitgeber ist aber das Licht. Somit haben Art und Intensität von Licht einen erheblichen Anteil auf Müdigkeit und Wachheit und somit für die Einstellung des Schlaf-Wach-Rhythmus (➥ Abb. 2).

Abb. 2:  Beispiele für die Tagesgänge (24-Stunden-Rhythmen) ausgewählter physiologischer Prozesse, die von der inneren Uhr und somit von Licht beeinflusst werden (Quelle: DGUV Infor­mation 215-220)

Abb. 2: Beispiele für die Tagesgänge (24-Stunden-Rhythmen) ausgewählter physiologischer Prozesse, die von der inneren Uhr und somit von Licht beeinflusst werden (Quelle: DGUV Infor­mation 215-220)

Licht ist der wichtigste Zeitgeber für die innere Uhr

Licht kann über den nichtvisuellen Weg akute und langfristige Wirkungen hervorrufen. Akute Wirkungen stellen sich innerhalb von Minuten ein und werden unmittelbar wahrgenommen. Beispielsweise kann bei Müdigkeit eine deutliche Erhöhung der Beleuchtungsstärke am Auge „wacher machen“ oder die Leistungsfähigkeit steigern. Dauerhafte oder mehrfach wiederholte Veränderungen der Lichtintensität können – meist nicht bewusst wahrnehmbare – Langzeitwirkungen im menschlichen Körper hervorrufen. Beispielsweise stabilisieren regelmäßige Spaziergänge am Morgen bei Tageslicht die innere Uhr (➥ Abb. 3).

Licht, das ins Auge fällt, bewirkt Reaktionen der melanopsinhaltigen Ganglienzellen auf der Netzhaut, wodurch elektrische Signale an den suprachiasmatischen Kern (SCN) im Gehirn weitergeleitet werden. Von dort werden Prozesse im Körper gesteuert, die mit dem zirkadianen Rhythmus zu tun haben. Bisher bekannte Einflusswege laufen unter anderem über die Unterdrückung der Melatoninproduktion durch Licht. Auf diese Weise wird das Schlaf-Wach-Verhalten beeinflusst oder auch die Kerntemperatur im Körper. Am Abend und vor allem in der Nacht, wird die innere Uhr durch helles Licht oder Licht mit hohen Blauanteilen, also Licht mit höheren nichtvisuellen Wirkungen, empfindlich gestört.

Zu viel Licht am Abend kann den individuellen Rhythmus derart verschieben, dass das Einschlafen in der Folgenacht schwerer fällt. Steht eine Person morgens zudem noch früh auf, wird die Schlafdauer verkürzt. Wenn dies nur ab und zu geschieht, stellt das in der Regel kein Problem dar. Wiederholt sich dies aber über Tage und Wochen hinweg, zum Beispiel bei bestimmter Schichtarbeit, entsteht ein chronischer Schlafmangel. Dieser kann nur durch anschließenden Schlaf kompensiert werden, denn der Mensch kann nicht vorschlafen.

Hinzu kommt, dass jedes Licht, das ins Auge fällt, nichtvisuelle Wirkungen zeigt. Egal ob die Lichtquelle die Sonne, eine Lampe oder Leuchte oder auch eine Anzeige eines Bildschirms, Tablets, Smartphones oder E-Book-Readers ist (➥ Abb. 4).

Abb. 3:  Die „innere Uhr“ steuert die zeitlichen Abläufe aller wichtigen Vorgänge im Körper und stimmt diese aufeinander ab. Dies geschieht rund um den Tag – gewollt oder ungewollt. Der wichtigste Zeitgeber­unserer inneren Uhr ist das Licht (Quelle: DGUV Information 215-220)

Abb. 3: Die „innere Uhr“ steuert die zeitlichen Abläufe aller wichtigen Vorgänge im Körper und stimmt diese aufeinander ab. Dies geschieht rund um den Tag – gewollt oder ungewollt. Der wichtigste Zeitgeber­unserer inneren Uhr ist das Licht (Quelle: DGUV Information 215-220)
Abb. 4:  Visuelle und nichtvisuelle Pfade von Licht im menschlichen Körper (Quelle: DGUV Information 215-220)

Abb. 4: Visuelle und nichtvisuelle Pfade von Licht im menschlichen Körper (Quelle: DGUV Information 215-220)

Die Beleuchtung hat Auswirkungen auf Sicherheit und Gesundheit

Die Stabilität des individuellen Schlaf-Wach-Rhythmus korreliert positiv mit gesundheitlichen Aspekten. Wird dieser Rhythmus häufig oder über längere Zeiträume immer wieder gestört oder verschoben, kann dies zu anhaltenden Schlaf- und Gesundheitsproblemen führen. Falsche Beleuchtung zu falscher Zeit kann solche Störungen oder Verschiebungen bewirken. Einfluss haben auf jeden Fall die Beleuchtungsstärke am Auge, die Lichtfarbe, der Zeitpunkt und die Dauer der aktuellen Lichtexposition, aber auch die zurückliegenden Expositionen der vorausgegangenen Tage.

Bereits seit mehreren Jahrzehnten ist bekannt, dass die Leistungsfähigkeit des Menschen gegen drei Uhr in der Nacht ein Tief hat. Zu dieser Nachtzeit lässt sich statistisch ein Maximum von Fehlern und Unfällen im Tages-Nacht-Verlauf feststellen. Besonders Menschen, die nachts arbeiten, müssen zu dieser Uhrzeit jedoch fit und leistungsbereit sein. Mit entsprechender künstlicher Beleuchtung kann die Wachheit erhöht und Leistungstiefs können somit aufgefangen werden. Das kann einerseits für mehr Sicherheit sorgen, da möglicherweise die Zahl der nächtlichen Unfälle zurückgeht, andererseits kann künstliche Beleuchtung während der Nacht auf Dauer zu gravierenden Gesundheitsbeeinträchtigungen führen. Deshalb müssen für Nacht- und Schichtarbeit die Art und der Einsatz von Beleuchtung hinsichtlich ihrer nichtvisuellen Wirkungen sorgfältig abgewogen werden.

Die Stabilität des individuellen Schlaf-Wach-Rhythmus korreliert positiv mit gesundheitlichen Aspekten

Mit modernen Beleuchtungskonzepten stehen heute Möglichkeiten zur Verfügung, die nichtvisuellen Wirkungen von Licht adäquat zu berücksichtigen. Somit können die Einflüsse auf die innere Uhr und den individuellen Rhythmus positiv beeinflusst und nachteilige Auswirkungen auf die Gesundheit gemindert werden. Diese Beleuchtungskonzepte ermöglichen es, die Beleuchtungsstärke, das Lichtspektrum (Lichtfarbe) und die Lichtverteilung im Raum über den gesamten Tag anzupassen. Beispielsweise wird Licht, das am Tag zu einer höheren nichtvisuellen Wirkung führen soll, über großflächige Leuchten an der Decke oder indirekt über reflektierende Decken und Wände erzeugt. Soll die nichtvisuelle Wirkung des Lichts z. B. am Abend oder in der Nacht reduziert werden, werden nur die für die Tätigkeit unmittelbar relevanten Objekte oder Flächen mit geringer Helligkeit direkt beleuchtet. Somit gelangt insgesamt weniger Licht ins Auge (➥ Abb. 5).

Abb. 5:  Veränderung von Beleuchtungsstärken, Lichtspektrum und räumlicher Verteilung von Licht. Die künstliche Beleuchtung wird dem Tagesverlauf angepasst. Die hellen Wände und Decken sollen tagsüber durch indirekte Lichtanteile die nichtvisuellen Wirkungen verstärken. Am Abend ist die notwendige Helligkeit am Arbeitsplatz beschränkt. Der geringere indirekte Anteil des Lichts auf der Decke und den Wänden soll nichtvisuelle Wirkungen reduzierenmenschlichen Körper (Quelle: DGUV Information 215-220)

Abb. 5: Veränderung von Beleuchtungsstärken, Lichtspektrum und räumlicher Verteilung von Licht. Die künstliche Beleuchtung wird dem Tagesverlauf angepasst. Die hellen Wände und Decken sollen tagsüber durch indirekte Lichtanteile die nichtvisuellen Wirkungen verstärken. Am Abend ist die notwendige Helligkeit am Arbeitsplatz beschränkt. Der geringere indirekte Anteil des Lichts auf der Decke und den Wänden soll nichtvisuelle Wirkungen reduzierenmenschlichen Körper (Quelle: DGUV Information 215-220)

Besonderheiten bei Schicht- und Nachtarbeit

Besonders Schicht- und Nachtarbeit sind häufig Arbeitsformen mit ungünstigen Auswirkungen auf die Gesundheit. Sie reichen von Ein- und Durchschlafstörungen, Verdauungsproblemen über Herz-Kreislauf- sowie Stoffwechselstörungen bis hin zu psychischen Problemen. Dies kann durch eine gute Gestaltung der Schichtarbeit zu einem großen Teil kompensiert werden (siehe auch Leitfaden zur Einführung und Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit der BAuA; s. „Weitere Infos“). Auch wenn die wissenschaftlichen Untersuchungen zu Schicht- und Nachtarbeit noch viele Lücken aufweisen und viele Fragen noch nicht zu beantworten sind, steht fest, dass Licht während der Nacht die innere Uhr erheblich stört und aus dem Takt bringt. Dies lässt sich anhand der Verschiebung biologischer Rhythmen oder des Schlafes messen. Hinzu kommt, dass insbesondere Nachtarbeit mit einem Mangel an Tageslicht einhergeht, wodurch die innere Uhr zusätzlich gestört wird.

Nach heutigem Wissensstand gibt es keine „gesunde Lichtlösung“ für die Nacht. Aus diesem Grund sind Empfehlungen für die Beleuchtung bei Schicht- und Nachtarbeit wesentlich schwieriger abzuleiten als für Arbeit am Tage. Aber dennoch sind sie notwendig, um Beeinträchtigungen der Gesundheit gering zu halten (➥ Abb. 6).

Neben der Wirkung auf den individuellen Rhythmus zeigt Licht auch Wirkungen auf die Aktivität und beeinflusst die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Deshalb besteht auch für Unternehmen der Anreiz, Licht mit hohen Anteilen im blauen Spektralbereich zur Beleuchtung bei Nachtarbeit einzusetzen. Das kann die Wachheit erhöhen und mag unter bestimmten Voraussetzungen wichtig sein, um die Sicherheit zu gewährleisten. Zudem werden LED-Beleuchtungssysteme mit hohen Farbtemperaturen besonders wegen ihres geringeren Energieverbrauchs eingesetzt. Da langanhaltende Expositionen viel Potenzial zur Schädigung der Gesundheit aufweisen, wird derzeit darüber beraten, in welcher Form die Technischen Regeln für Arbeitsstätten die nichtvisuellen Wirkungen von Licht adäquat berücksichtigen sollen. Die Kombination bestimmter Lichtfarben und Beleuchtungsstärken könnten gerade bei Nachtarbeit nur eingeschränkt zulässig werden.

Abb. 6:  Nicht nur die allgemeine Beleuchtung hat Einfluss auf die innere Uhr. Auch Tablet und Co. können Schlaf und Wachheit beeinflussen

Foto: Getty Images/Toa55

Abb. 6: Nicht nur die allgemeine Beleuchtung hat Einfluss auf die innere Uhr. Auch Tablet und Co. können Schlaf und Wachheit beeinflussen

Fazit

Auch wenn bisher die Erkenntnisse zu nichtvisuellen Wirkungen von Licht noch lückenhaft sind, ist es notwendig, Unternehmen und Beschäftigte über die gesundheitliche Relevanz zu informieren und erste Empfehlungen weiterzugeben. Das ist insbesondere vor dem weiterhin aktuellen Trend relevant, an vielen Arbeitsplätzen LEDs mit hohen Blauanteilen im Farbspektrum (tageslichtweiß) einzusetzen, da diese eine gute Energiebilanz aufweisen. Zur falschen Zeit eingesetzt, können aber gerade diese die aufgezeigten negativen Wirkungen auf die Gesundheit bedingen. Das bezieht sich gleichermaßen auf die Nutzung von digitalen Endgeräten wie Computer, Tablets oder Smartphones, deren Bildschirmbeleuchtung oft hohe Blaulichtanteile aufweist.

Die bisher verfügbaren Forschungsergebnisse resultieren vorrangig aus Laborstudien. Feldstudien sind weit schwieriger durchzuführen, aber dringend notwendig, um gesicherte Aussagen treffen zu können. Erste Ansätze und Ergebnisse finden sich in der Forschung zu Schichtarbeit.

Die neue DGUV Information 215-220 „Nichtvisuelle Wirkungen von Licht auf den Menschen“ (9/2018) stellt den derzeitigen wissenschaftlichen Stand der Erkenntnisse zu nichtvisuellen Wirkungen von Licht dar (s. „Weitere Infos“). Diese soll auf der Grundlage als gesichert geltender Forschungsergebnisse eine Hilfestellung zum Umgang mit Licht am Arbeitsplatz geben. Die DGUV Information 215-220 wurde zusätzlich mit den Sozialpartnern der Selbstverwaltungsgremien der DGUV abgestimmt (➥ Abb. 7).

Da die nichtvisuellen Wirkungen von Licht zu jeder Tages- und Nachtzeit vorhanden sind, werden auch ergänzende Hinweise für die Zeiten vor und nach der Arbeit und die arbeitsfreien Tage gegeben.

Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

Weitere Informationen

DGUV Information 215-220 „Nichtvisuelle Wirkungen von Licht auf den Menschen“
https://publikationen.dguv.de/regelwerk/regelwerk-nach-fachbereich/verw…

DGUV Information 215-210 „Natürliche und künstliche Beleuchtung von Arbeitsstätten
https://publikationen.dguv.de/regelwerk/regelwerk-nach-fachbereich/verw…

Kantermann T, Schierz C, Harth V: KAN-Studie „Gesicherte arbeitsschutzrelevante Erkenntnisse über die nichtvisuelle Wirkung von Licht auf den Menschen – eine Literaturstudie“, Verein zur Förderung der Arbeitssicherheit in Europa e.V., 2018
www.kan.de/publikationen/kan-studien/

Optimale Beleuchtung bei Schichtarbeit, TU Ilmenau 2009
https://www.tu-ilmenau.de/fileadmin/public/lichttechnik/Publikationen/2…

Krüger J: Chancen und Risiken beim Einsatz künstlicher, biologisch wirksamer Beleuchtung in Arbeitsstätten. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), 2017
https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Fokus/Beleuchtung-Arbeits…

Leitfaden zur Einführung und Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit (BAuA)
https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Praxis/A23.pdf?__blob=pub…

Abb. 7:  Die neue DGUV Information 215-220 (9/2018) gibt Hinweise und Empfehlungen zu den nichtvisuellen Wirkungen von Licht auf den Menschen (Quelle: DGUV Information 215-220)

Abb. 7: Die neue DGUV Information 215-220 (9/2018) gibt Hinweise und Empfehlungen zu den nichtvisuellen Wirkungen von Licht auf den Menschen (Quelle: DGUV Information 215-220)

Tags