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Prämierte Kongress-Poster

Doris Hansbauer, Maria Begović, Corina Grassmugg

doi:10.17147/asu-1-417825

Die Redaktion hat daher beschlossen, den Posterpreisträgerinnen und -trägern unserer einschlägigen Fachkongresse anzubieten, ihr Thema im Praxisteil der ASU noch einmal einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Der zweite Beitrag beschreibt die Folgen vibrationsbedingter Durchblutungsstörungen der Hände und stellt Schutzmaßnahmen, insbesondere die persönliche Schutzausrüstung (PSA), vor.

Das Poster belegte den 1. Platz beim Posterpreis der Österreichischen Gesellschaft für Arbeitsmedizin (ÖGA) im Rahmen der ÖGA-Jahrestagung 2024 in Salzburg.

Part 2: Personal protective equipment (PPE) to prevent vibration-related circulatory disorders of the hands

Vibrations, also known as shocks, are a hazard in many industrial work areas. Machines and tools such as drills, saws or grinders generate vibrations that are transmitted to the body through direct contact with the hands. These vibrations can have serious health consequences, especially if they are constant over long periods of time. One of the best-known consequences of these vibration effects is the so-called white finger disease, also known as secondary Raynaud’s syndrome.

Kernaussage

Als Ergänzung zu technischen und organisatorischen Maßnahmen sind Antivibra­tionshandschuhe möglich, jedoch sind Schutzhandschuhe, die vor Kälte und Nässe schützen, vorzuziehen.

Folge 2: Persönliche Schutzausrüstung (PSA) zur Vermeidung vibrationsbedingter Durchblutungsstörungen der Hände

Vibrationen, auch als Erschütterungen bekannt, sind eine Gefahr in zahlreichen industriellen Arbeitsbereichen. Maschinen und Werkzeuge wie Bohrer, Sägen oder Schleifmaschinen erzeugen Schwingungen, die durch den direkten Kontakt mit den Händen auf den Körper übertragen werden. Diese Vibrationen können schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben, insbesondere, wenn sie über längere Zeiträume hinweg konstant wirken. Eine der bekanntesten Folgen dieser Vibrationseinwirkungen ist die sogenannte Weißfinger-Krankheit, auch als sekundäres Raynaud-Syndrom bezeichnet.

Einleitung

Die sogenannte Weißfinger-Krankheit, auch als sekundäres Raynaud-Syndrom bezeichnet (Österreichisches Bundesministerium für Arbeit und Soziales 1979), ist eine der bekanntesten Folgen von Vibrationseinwirkungen. Die Erkrankung betrifft vor allem die Hände und äußert sich durch eine gestörte Durchblutung der Finger, die sich in schmerzhaften Anfällen manifestiert (Deutsche Gesellschaft für Angiologie 2011). Die wiederholte Exposition gegenüber Vibrationen stellt eine anerkannte Berufskrankheit dar, die in Österreich unter der Berufskrankheit Nr. 5.2.1 in der Berufskrankheitenliste aufgeführt ist (s. Online-Quellen).

Der folgende Artikel untersucht die Ursachen, Symptome, Schutzmaßnahmen und die Rolle der persönlichen Schutzausrüstung bei der Prävention von vibrationsbedingten Gesundheitsstörungen, insbesondere der Antivibrationshandschuhe.

Ursachen und Mechanismen von vibrationsbedingten Durchblutungsstörungen

Physikalische Grundlagen der Vibrationen

Vibrationen sind mechanische Schwingungen, die durch verschiedene Quellen wie Maschinen, Werkzeuge und Handgeräte erzeugt werden. Die Schwingungen können durch die Hände und Arme in den gesamten Körper übertragen werden. Besonders problematisch sind dabei hochfrequente Vibrationen (20–1000 Hz), die typischerweise von handgeführten Maschinen wie Bohrern, Schleifmaschinen und Sägen ausgehen.

Bei wiederholtem Kontakt mit solchen Maschinen kann die Vibration über die Hände in den Körper gelangen und durch die wiederholte mechanische Belastung Schäden an Blutgefäßen und Nerven verursachen. Diese Art von Vibrationsexposition wird in der Arbeitsmedizin als eine der schädigensten Einflüsse auf die Hand-Arm-Einheit bezeichnet (Deutsche Gesellschaft für Angiologie 2011).

Auswirkungen auf den Körper und ­Mechanismus der Erkrankung

Die Auswirkungen von Vibrationen auf den menschlichen Körper sind weitreichend. Zunächst kommt es zu einer vorübergehenden Verengung der Blutgefäße, die die Blutzirkulation einschränkt. Bei wiederholtem Kontakt mit Vibrationen kann diese Reaktion chronisch werden, was eine dauerhafte Schädigung der Blutgefäße mit sich ziehen kann. Das Gewebe der Hände wird nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt und kann zu Taubheit der Finger, Schmerzen und einer verminderten Greiffähigkeit führen.

In schweren Fällen entstehen dadurch dauerhafte Nervenschäden, die nicht nur die Funktionalität der Hände einschränken, sondern auch das berufliche und private Leben der Betroffenen erheblich beeinträchtigen (Deutsche Gesellschaft für Angiologie 2011).

Symptome und Folgen des ­sekundären Raynaud-Syndroms

Das sekundäre Raynaud-Syndrom tritt insbesondere bei Personen auf, die regelmäßig vibrationsintensive Tätigkeiten ausüben. Typische Symptome und klinische Merkmale sind Anfälle von Fingerverfärbungen: In den betroffenen Fingern kommt es zu einer plötzlichen Blässe, da die Blutgefäße verengen und den Blutfluss blockieren. Dieser Zustand wird durch kalte Temperaturen oder mechanische Belastung verschärft.

Das nachfolgende Taubheitsgefühl, das viele Patientinnen und Patienten beschreiben, tritt während oder nach einem Anfall auf, da der Blutfluss und die Sauerstoffversorgung unterbrochen sind. Die Finger erscheinen blass oder bläulich.

Schmerzhafte Kribbel- und Brenngefühle sind danach häufig und entstehen durch die Rückkehr des Blutes in die betroffenen Bereiche, wodurch sich die betroffenen Areale rötlich färben. Diese Farbabfolge nennt man Tricolore-Phänomen.

In fortgeschrittenen Fällen kann die Krankheit sogar zu Gewebeverlust führen. Durch die Reduktion der Fingerfunktionen sind einfache tägliche Aktivitäten, wie das Halten von Werkzeugen oder das Ausführen von präzisen Handgriffen, nur erschwert möglich (Deutsche Gesellschaft für Angiologie 2011).

Schutzmaßnahmen gegen ­Vibrationen: das STOP-Prinzip

Die Vermeidung vibrationsbedingter Gesundheitsstörungen erfordert ein ganzheitliches Konzept, das nicht nur den Einsatz von Schutzausrüstung, sondern auch organisatorische und technische Maßnahmen umfasst. Um die Auswirkungen von Vibrationen zu minimieren, wird das STOP-Prinzip empfohlen, das aus den folgenden Schritten besteht (EU 2007):

Substitution (S)

Im ersten Schritt werden mögliche Alternativen zu vibrationsintensiven Arbeitsmitteln oder -methoden gesucht. Die Substitution von Maschinen durch vibrationsarme oder -freie Geräte ist eine der effektivsten Maßnahmen, um das Risiko zu reduzieren. Auch die Automatisierung von Arbeitsprozessen kann dazu beitragen, die menschliche Exposition gegenüber schädlichen Vibrationen zu verringern.

Technische Lösungen (T)

Wenn eine vollständige Substitution nicht möglich ist, müssen technische Lösungen in Betracht gezogen werden. Dies kann durch den Einsatz von Maschinen erfolgen, die Vibrationsdämpfer oder andere Technologien zur Minderung der Schwingungen besitzen. Auch regelmäßige Wartung und Inspektion der Maschinen spielen eine entscheidende Rolle, um sicherzustellen, dass diese effizient und vibrationsarm arbeiten.

Organisatorische ­Maßnahmen (O)

Zu den organisatorischen Maßnahmen gehören die Anpassung der Arbeitsorganisation sowie die regelmäßige Schulung von Beschäftigten. Der Einsatz von Arbeitspausen, bei denen die Exposition gegenüber
Vibrationen unterbrochen wird, kann den Gesamteinfluss auf die Hände verringern. Auch der regelmäßige Wechsel von Tätigkeiten, die mit hohen Vibrationen verbunden sind, zu weniger belastenden Aufgaben ist eine wirksame Präventionsmaßnahme.

Die Rolle der Persönlichen ­Schutzausrüstung (P)

Wenn die oben genannten Maßnahmen nicht genügen, um eine ausreichende Reduktion der Vibrationen zu gewährleisten, kommt ergänzend die persönliche Schutzausrüstung zum Einsatz. Interessant ist hierbei die Anwendung von Antivibrationshandschuhen, die speziell entwickelt wurden, um die Übertragung von Vibrationen auf die Hände zu minimieren.

Antivibrationshandschuhe: ­Funktionsweise und Wirksamkeit

Antivibrationshandschuhe bestehen aus mehreren Schichten, die Vibrationen abmildern sollen. Sie sind mit speziellen Materialien gepolstert, die die Schwingungen absorbieren und so die Übertragung auf die Hände reduzieren sollen. Diese Handschuhe sind besonders bei Tätigkeiten mit hochfrequenten Vibrationen von Bedeutung, wie sie etwa bei Schleifmaschinen oder Bohrern auftreten.

Allerdings ist die Wirksamkeit der Handschuhe von verschiedenen Faktoren abhängig, insbesondere die Frequenz der Vibrationen spielt eine große Rolle. Handschuhe sind am effektivsten bei Frequenzen von 20 bis 1000 Hz, die häufig bei den genannten Maschinen auftreten. Bei niedrigfrequenten Vibrationen wird keine nennenswerte Dämpfung beschrieben (siehe Infokasten).

Einschränkungen der Wirksamkeit und mögliche Risiken

Obwohl Antivibrationshandschuhe einen gewissen Schutz bieten, sind sie nicht die optimale Lösung. Es gibt Hinweise darauf, dass bei falscher Anwendung oder unzureichender Passform die Schutzausrüstung sogar die Vibrationen verstärken kann. Zudem besteht die Gefahr, dass durch die Polsterung der Handschuhe, neben der feinmotorischen Einschränkung, auch die erforderliche Greifkraft beeinträchtigt wird, was die Arbeit an Maschinen erschwert und das Verletzungsrisiko erhöht (Kaulbars 2010).

Wirksame PSA-Maßnahmen: Schutz vor Kälte und Feuchtigkeit

Aufgrund der Einschränkungen bei der Anwendung von Antivibrationshandschuhen ist vor allem auf den Schutz vor weiteren symptomauslösenden Faktoren zu achten. Dies ist besonders in Umgebungen von Bedeutung, in denen Beschäftigte mit kalten Temperaturen und Feuchtigkeit konfrontiert sind, da Kälte die Symptome des sekundären Raynaud-Syndroms auslösen beziehungsweise verstärken kann.

Die rechtlichen Bestimmungen zu Vibrationen sind in der Verordnung zu Lärm (2003/10/EG) und Vibrationen (2002/44/EG) im Sinne des Arbeitnehmer:innenschutz­gesetzes in Österreich (ASchG) geregelt. Daraus ist abzuleiten, dass beim Schutz durch PSA die Vermeidung von Nässe und Kälte im Vordergrund steht.

Wasserdichte und isolierte Handschuhe, die zudem effektiven Kälteschutz bieten, sind von entscheidender Bedeutung. Neben einer ausreichend warmen Fütterung ist besonders auf die Wasserdichtheit der Schutzhandschuhe zu achten. Trägt ein Handschuh die ÖNORM EN 511, lässt sich der Grad des Kälte- und Nässeschutzes (in Leistungsstufen von 0 bis 4) erkennen. Zudem müssen die Handschuhe auf die verwendeten Arbeitsstoffe und -abläufe abgestimmt werden, wobei auch die Anforderungen weiterer Normen, wie etwa der EN 374 für Chemikalienschutz, berücksichtigt werden sollten (AUVA 2016).

Zusätzlich wird die Anwendung von Hautschutzcremen empfohlen, die nicht nur vor Nässe, sondern auch vor Kälte schützen und als weitere Wärmeschicht dienen (AUVA 2017).

Als weitere Hilfsmittel können unter anderem Baumwollhandschuhe mit Silberfäden (Reflexion der Körperwärme) und beheizbare Unterziehhandschuhe verwendet werden. Sind Betroffene gerade mitten in einem Raynaud-Anfall, können Mehrweg- oder Einwegtaschenwärmer helfen, die betroffenen Stellen wieder aufzuwärmen.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Vermeidung vibrationsbedingter Gesundheitsstörungen ein integrativer Prozess ist, der ein umfassendes Schutzkonzept erfordert. Nur durch eine Kombination aus präventiven Maßnahmen, geeigneter PSA und regelmäßiger Schulung und Kontrolle der Arbeitsbedingungen kann das Risiko für Berufserkrankungen, die durch Vibrationen verursacht werden, nachhaltig minimiert werden. Der Schutz der Gesundheit von Beschäftigten muss daher höchste Priorität haben, um langfristige Gesundheitsschäden und Berufsunfähigkeit zu verhindern.

Interessenkonflikt: Die Autorinnen geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

Literatur

AUVA – Allgemeine Unfallversicherungsanstalt: Gesunde Haut. Auswahl von beruflichen Hautmitteln. Wien: AUVA, 2017.

AUVA – Allgemeine Unfallversicherungsanstalt: Sicherheit Kompakt: Schutzhandschuhe. Sicherheits­informationen der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt. Wien: AUVA, 2016.

BMA – Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Merkblatt zur BK Nr. 2104: Vibrationsbedingte Durchblutungsstörungen an den Händen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Berlin: BMA, 1979.

Deutsche Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin e. V.: Die Durchblutungsstörung Raynaud-Phänomen. 1. Aufl. Berlin, 2011. https://www.dga-gefaessmedizin.de/fileadmin/user_upload/Patienten/Ratge… (abgerufen am 06.01.2025).

IFA – Institut für Arbeitsschutz der deutschen gesetz­lichen Unfallversicherung: Vibrations-Schutzhandschuhe. Aus der Arbeit des IFA, Ausgabe 0025, 2015, S. 2. https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/2133 (abgerufen am 06.01.2025).

Kaulbars U: Vibrations-Schutzhandschuhe haben begrenzte Wirkung. Maschinenmarkt 2010; 30–32.

Österreichisches Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Merkblatt, 1979.

Online-Quellen

Arbeitsinspektion: Gesetzes­anpassungen – Modernisierung der Berufskrankheitenliste: Was hat sich geändert?
https://www.arbeitsinspektion.gv.at/Service/newsletter/24_07/02_Gesetze…

Arbeitsinspektion: Arbeits­stätten – Arbeitsplätze
https://www.arbeitsinspektion.gv.at/Arbeitsstaetten_Arbeitsplaetze/Arbe…

EU – Europäische Union: Handbuch zum Thema Hand-Arm-Vibrationen. Potsdam, 2007.
https://www.dguv.de/medien/ifa/de/fac/vibration/pdf/eu_hav_handbuch.pdf

Kommentierte Verordnung Lärm und Vibrationen
https://www.arbeitsinspektion.gv.at/Arbeitsstaetten-_Arbeitsplaetze/Arb…

VBG – Verwaltungsberufsgenossenschaft: Hand-Arm-Vibratio­nen entgegenwirken: Heraustrennen von Fahrzeugscheiben – warnkreuz SPEZIAL Nr. 25
https://cdn.vbg.de/media/37d62c24201e44808e84fe7c27afad8b/dld:attachmen…

Vibrationsschutz: Bedeutung, Folgen und Schutzmaßnahmen
https://www.safetyxperts.de/gesundheitsschutz/laerm-und-vibrationsschut…

Info

Kriterien für Antivibrations-Schutzhandschuhe

  • Europäische und internationale Normung „EN ISO 10819:2013 + A1:2019“
  • „Antivibrationshandschuhe“ nur bei ­Unterschreitung folgender Werte:
    – Hochfrequentes Schwingungsspektrum (200 bis 1000 Hz) à Schwingungs­übertragungsfaktor TRH < 0,6 (40 % Dämpfung)
  • – Mittelfrequentes Schwingungsspektrum (31,5 bis 200 Hz) à Schwingungsüber tragungsfaktor TRM < 1

  • Wert = 1 à weder Dämpfung noch ­Verstärkung
  • Frequenzen < 150 Hz à keine nennenswerte Dämpfung
  • Koautorinnen

    Maria Begović, BSc MSc
    Gesundheitspädagogin, Rehabilitationsklinik ­Tobelbad, Medizinische Stabsstelle Berufskrankheiten, Competence Center für Berufskrankheiten

    Corina Grassmugg
    Ergotherapeutin, Arbeitsmedizinischer Fachdienst, Rehabilitationsklinik Tobelbad

    Kontakt

    Doris Hansbauer, BSc
    Gesundheitspädagogin, Arbeitsmedizinischer Fachdienst, Rehabilitationsklinik Tobelbad, Medizinische Stabs­stelle Berufskrankheiten, Competence Center für Berufskrankheiten; Dr.-Georg-Neubauer-Straße 6; A-8144 Tobelbad

    Foto: privat

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