Frühestmöglich handeln
Seit Verabschiedung des Präventionsgesetzes 2015 verständigen sich Sozialleistungsträger in der Nationalen Präventionskonferenz auf die nationale Präventionsstrategie und entwickeln diese stetig weiter fort (§§ 20d–20f SGB V). Bisherige Meilensteine auf diesem Weg stellen die Bundesrahmenempfehlungen von 2016 und der Erste Nationale Präventionsbericht dar, der im Sommer 2019 veröffentlicht wurde (s. „Weitere Infos“).
Angesichts der demografischen Entwicklung wird die konkrete Umsetzung des Vorrangigkeitsprinzips der Vorsorge und Prävention zunehmend wichtiger für die Nachhaltigkeit im Sozialstaat. Die Gesundheit und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft durch frühestmögliches Handeln zu fördern bzw. zu sichern ist dabei ein gemeinsames Anliegen der Prävention wie auch der Rehabilitation.
Die Rehabilitationsträger und Integrationsämter tragen aktiv dazu bei, dass eine Behinderung einschließlich chronischer Krankheit im Lebensverlauf des Einzelnen vermieden wird (§§ 3 und 4 SGB IX). Der Inanspruchnahme nachgelagerter Sozialleistungen, wie zum Beispiel Krankengeld und vorzeitige Rentenleistungen, soll so vorgebeugt werden. Neben der Rehabilitation gehören Präventions- und Vorsorgeleistungen dementsprechend seit langem zum Leistungsangebot der Sozialversicherungsträger.
Bei Maßnahmen zur Gesundheitsförderung, Prävention, Kuration und Rehabilitation werden mitunter sehr ähnliche methodische Ansätze verfolgt, wie beispielsweise Beratung, Informationsvermittlung, Schulungen, Einzelbehandlung, Gruppenangebote oder partizipative Entscheidungsfindung. Der so genannte Lebensweltansatz sieht vor, dass die Sozialleistungsträger mit den Einrichtungen und an den Orten zusammenarbeiten, wo Menschen einen Großteil ihrer Zeit verbringen.
Dieser Beitrag skizziert die verschiedenen Ansätze und Angebote der Prävention. Er verdeutlicht, dass sich die Versorgungsbereiche Prävention und Rehabilitation je nach Lebenskontext sinnvoll ergänzen und dass damit deutliche Verbesserungen für die Gesundheit und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft einhergehen. Dies gilt sowohl für Einzelne als auch für Gruppen in den verschiedenen Lebenswelten.
Präventiv ausgerichtete Leistungen und Aktivitäten der Träger
Die Bundesrahmenempfehlungen (BRE) der Nationalen Präventionskonferenz sind biografisch, nach Lebensphasen, in drei übergeordnete Ziele gegliedert: „Gesund aufwachsen“, „Gesund leben und arbeiten“ sowie „Gesund im Alter“. Aus der jeweiligen Lebensphase ergeben sich typische Bedürfnisse und Verhaltensweisen, die in der zielgruppenspezifischen Verhaltensprävention berücksichtigt werden. Zugleich sind jeweils einzelne Lebenswelten mit ihren jeweiligen sozialen und materiellen Verhältnissen besonders bedeutsam, was bei Ansätzen der Verhältnisprävention zum Tragen kommt.
Die in ➥ Abb. 1 dargestellten Leistungen sind ebenfalls grob nach diesen Lebensphasen angeordnet (vgl. Bredehorst u. Twehues 2018), mit Schwerpunkt auf dem erwerbsfähigen Alter. Als Sozialleistung im engeren Sinne kann die auf das Individuum bezogene Prävention und Vorsorge gezählt werden. Für die Lebensphasen werden ergänzend Strukturen, Unterstützungsprozesse und Maßnahmen in den Lebenswelten (Leistungen im weiteren Sinne) vorgestellt. Eine scharfe Abgrenzung der Maßnahmen ist dabei nicht zielführend. Auch das Lebensalter spielt als Zugangskriterium nur mittelbar eine Rolle, zum Beispiel über Schulpflicht, Renteneintrittsalter und gesetzliche Zuständigkeiten der Leistungsträger.
Kindes- und Jugendalter
Früherkennungsuntersuchungen als Einzelleistungen sind für Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres (U1–U9) und für Jugendliche zwischen dem vollendeten 13. und 14. Lebensjahr (J1) vorgesehen (§ 26 SGB V). Die anschließende Beratung der Eltern und Kinder/Jugendlichen kann gegebenenfalls in eine ärztliche Präventionsempfehlung für Leistungen der verhaltensbezogenen Prävention münden (§ 20 Abs. 5 SGB V).
Ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sind auch mit präventivem Ziel einsetzbar (§§ 23, 27 SGB V). Reichen wohnortnahe ambulante Behandlungsangebote nicht aus, können stationäre Vorsorgeleistungen für Kinder und Jugendliche in Betracht kommen (§ 23 Abs. 4 SGB V). Wichtig ist hier die Unterscheidung von medizinischer Rehabilitation für chronisch kranke Kinder und Jugendliche sowie von Vorsorgeleistungen für Mütter oder Väter. Die Begutachtungs-Richtlinie „Vorsorge und Rehabilitation“ (MDS und GKV-Spitzenverband 2016, s. „Weitere Infos“) definiert altersunabhängige Abgrenzungskriterien von Vorsorge- und Rehabilitationsbedarf. Diese sind auch zur frühzeitigen Erkennung von Rehabilitationsbedarf (bzw. zur vorrangigen Prüfung von Leistungen zur Teilhabe nach § 9 SGB IX) nutzbar.
Die interdisziplinäre Frühförderung im Vorschulalter ist formal eine Rehabilitationsleistung und dient der frühestmöglichen Erkennung und Behandlung von entwicklungsbeeinträchtigenden Krankheiten (§ 46 SGB IX, § 43a SGB V). Sie ist eingebettet in die Frühen Hilfen, d.h. Netzwerke von Akteuren vor Ort für die niedrigschwellige Gesundheitsförderung bei Kindern und ihren Eltern während der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren.
Zu den Lebenswelten zählen – im Kontext des Präventionsgesetzes – neben der Kommune auch Bildungseinrichtungen wie Kindertagesstätten, Schulen und Hochschulen. Beim Aufbau gesundheitsförderlicher Strukturen werden Kinder, Jugendliche, ihre Eltern sowie die Lebensweltverantwortlichen (z. B. Lehrkräfte, Schulleitung, Schulträger) beteiligt (§ 20a SGB V). Die Schaffung von sicheren und gesundheitsförderlichen Rahmenbedingungen in diesen Einrichtungen ist den Unfallkassen, das heißt den öffentlichen Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung, ein Kernanliegen.
Am Übergang von der Schule in die betriebliche Ausbildung oder Erwerbstätigkeit sind Gesundheitsuntersuchungen für Jugendliche gesetzlich vorgeschrieben (z.B. Jugendarbeitsschutzgesetz) oder werden vom Betrieb veranlasst. Auch eine arbeitsmedizinische Beratung zu berufsbedingten Risiken (z.B. Allergien) kann individuell in Anspruch genommen werden.
Mittlere Lebensphase und Erwerbstätigkeit
Erwerbsbezogene Präventionsleistungen finden sich insbesondere im Leistungskatalog der gesetzlichen Rentenversicherungsträger – für Versicherte mit individuellen Risikofaktoren, die eine gesundheitsgefährdende Beschäftigung ausüben. Dieses Angebot greift bei ersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die jedoch noch keinen Krankheitswert haben. Die Leistungen finden in anerkannten Rehabilitationseinrichtungen statt (stationär, ganztägig ambulant oder berufsbegleitend ambulant), werden in Gruppen erbracht und sind in mehrere Abschnitte untergliedert. Vorrangig sollen die Kompetenz und die Motivation für gesundheitsförderliches Verhalten erhöht werden, beispielsweise durch Schulungen zu Ernährung, Bewegung und Stressbewältigung. Auch eine Reduzierung des Tabakkonsums oder die Prävention von Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit sind mögliche Ziele. In Modellprojekten bietet die Rentenversicherung in Zusammenarbeit mit anderen Sozialleistungsträgern ihren Versicherten zudem umfassende berufsbezogene Gesundheitsuntersuchungen an, wenn diese das 45. Lebensjahr vollendet haben.
Zum Thema „Arbeit und Gesundheit“ halten die Unfallversicherungsträger oft kostenlose branchen- und themenspezifische Informationsmaterialen für die Beschäftigten ihrer Mitgliedsunternehmen vor. Neben Erste-Hilfe-Schulungen (§ 23 SGB VII) bietet die Unfallversicherung auch präventiv ausgerichtete Schulungen und Qualifizierungen für Sicherheitsbeauftragte sowie Fach- und Führungskräfte. Der Übergang von der individuellen Prävention hin zur Betrachtung des Betriebs als Lebenswelt ist hier fließend.
Das Präventionsgesetz und die Nationale Präventionskonferenz heben den Arbeitsplatz als „Setting“ besonders hervor (§ 20b und 20c SGB V), mithin die Analyse und den Abbau arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren sowie den Aufbau entsprechender gesundheitsförderlicher Strukturen in Betrieben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (ggf. über den Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung), die Verantwortlichen im Betrieb (Führungskräfte, Personaler), Betriebsärztinnen und Betriebsärzte sowie Fachkräfte für Arbeitssicherheit sind an diesen Prozessen zu beteiligen.
Der organisatorische und individuelle Arbeitsschutz und seine Ausgestaltung obliegt ausschließlich der Unternehmensleitung (§ 21 SGB VII). Sie kann sich jedoch durch ausgebildete Fachkräfte für Arbeitssicherheit unterstützen lassen kann (§ 22 SGB VII). Unfallanzeigen oder Verdachtsanzeigen für eine Berufserkrankung werden wiederum an die Präventionsabteilung des jeweiligen Unfallversicherungsträgers weitergeleitet. Diese kann gegebenenfalls an den Betrieb oder die zuständige Aufsichtsperson zurückmelden, dass Gefahrenquellen beseitigt werden müssen. Der Arbeitsschutz kann also mit Daten und etablierten Prozessen ein umfassendes betriebliches Gesundheitsmanagements unterstützen.
Die Krankenkassen haben regionale Koordinierungsstellen für die betriebliche Gesundheitsförderung mit Beteiligung örtlicher Kammern und Innungen eingerichtet, um den Unternehmen Ansprechpartner zu bieten. Hinzu kommen der Firmenservice der Deutschen Rentenversicherung und der Arbeitgeberservice der Bundesagentur für Arbeit. Aus Unternehmensperspektive besteht eine enge konzeptionelle Verbindung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (Prävention nach § 167 SGB IX), das auf den Erhalt von Beschäftigungsfähigkeit und Beschäftigungsverhältnissen abzielt. Das unterstützende Fallmanagement der Krankenkassen kann ebenfalls zu diesem Zweck eingesetzt werden (§ 44 Abs. 4 SGB V). Diese verschiedenen Angebote gilt es, innerhalb einzelner Betriebe und für einzelne Arbeitnehmer sinnvoll zu integrieren.
Die gesetzlichen Krankenkassen bieten ihren Versicherten Leistungen der verhaltensbezogenen Prävention, die der Vermeidung oder Minderung von Krankheitsrisiken dienen sollen. Der Zugang für Versicherte ist im Rahmen einer ärztlichen beziehungsweise arbeitsmedizinischen Vorsorge möglich (§ 25 Abs. 1 Satz 2, § 26 Abs. 1 Satz 3 SGB V) oder durch Anfrage bei der eigenen Krankenkasse. Für die frühzeitige Erkennung von Krankheiten mit bevölkerungsmedizinischer Relevanz haben Erwachsene ab dem 36. Lebensjahr Anspruch auf regelmäßige individuelle ärztliche Gesundheitsuntersuchungen (§ 25 SGB V).
Ein Kriterienkatalog für die verhaltensbezogenen Leistungen, die in der Regel als Gruppenangebote ausgestaltet sind, findet sich im „Leitfaden Prävention“ des GKV-Spitzenverbandes (2017, s. „Weitere Infos“). Die Krankenkassen haben eine zentrale Prüfstelle zur Qualitätssicherung eingerichtet (§ 20 Abs. 2 und 5, SGB V), die die Anbieter dieser Leistungen zertifiziert.
Ergebnis der ärztlichen Beratung kann auch sein, dass gesundheitsförderliche Angebote, zum Beispiel in Vereinen, wahrgenommen werden. Im Sinne der Eigenverantwortung tragen Versicherte die Kosten selbst, eine Förderung durch Bonusprogramme der Krankenkassen ist gegebenenfalls möglich. Qualitätsgesicherte Angebote des Gesundheitssports in Sport- oder Fitnessstudios sind über das Internetportal sportprogesundheit.de zu finden.
Auch bei Erwachsenen kann natürlich die ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln zu Lasten der Krankenversicherung präventiv ausgerichtet sein. Generell sollen medizinische Vorsorgeleistungen hier vorrangig ambulant erbracht werden. Wenn diese aus ärztlicher Sicht nicht ausreichen beziehungsweise besondere berufliche oder familiäre Umstände dagegen stehen, kann die Krankenkasse auch wohnortferne ambulante Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten oder stationäre Vorsorgeleistungen (§ 23 Abs. 2 und 3 SGB V) erbringen.
Medizinische Vorsorgeleistungen für Mütter und Väter sowie Mutter-/Vater-Kind-Leistungen (§ 24 SGB V) werden hingegen grundsätzlich stationär erbracht. Die Einrichtungen des Müttergenesungswerkes oder vergleichbare Anbieter haben sich auf die besonderen Bedürfnisse dieser Zielgruppen ausgerichtet.
Für pflegende Angehörige besteht inzwischen ebenfalls ein erleichterter Zugang zu medizinisch notwendigen Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahmen. Sie können gegebenenfalls den Pflegebedürftigen in die entsprechende Einrichtung mitnehmen und dort pflegerisch betreuen lassen. Als (primär-)präventive Maßnahmen für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen können derweil Pflegekurse, Seminare und Informationsmaterialien zur Anleitung und Unterstützung betrachtet werden. Diese werden von den Pflegekassen, aber auch vom zuständigen kommunalen Unfallversicherungsträger angeboten.
Höheres Alter und größere Unterstützungsbedarfe
Programme und Aktivitäten auf kommunaler Ebene bieten sich insbesondere für Personenkreise an, die nicht regelmäßig eine Bildungseinrichtung oder einen Arbeitsplatz aufsuchen. Der Kooperationsverbund gesundheitliche Chancengleichheit unterhält eine Praxisdatenbank zur Gesundheitsförderung in sozial benachteiligten Gruppen.
Für die Unterstützung arbeitsloser Menschen, deren berufliche Wiedereingliederung aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen besonders erschwert ist, sollen Krankenkassen, Bundesagentur für Arbeit und Jobcenter eng kooperieren (§ 20a SGB V, s. auch § 3 Abs. 3 SGB IX). Seit 2018 wird im Rahmen des Programms „RehaPro“ zudem die Zusammenarbeit zwischen Trägern der Rentenversicherung, Jobcentern und der Bundesagentur für Arbeit intensiviert (Modellprojekte nach § 11 SGB IX).
Ob bei Versicherten Beratungsbedarf zu verhaltensbezogener Prävention besteht, wird auch bei Beantragung eines Pflegegrades im Rahmen der Pflegebegutachtung durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen geprüft (§ 20 Abs. 5 SGB V) und gegebenenfalls in einer gesonderten Präventions- und Rehabilitationsempfehlung dokumentiert.
Wohn- und Pflegeeinrichtungen sowohl für pflegebedürftige Personen als auch für Menschen mit Behinderungen werden wiederum zu den Lebenswelten im Sinne des Präventionsgesetzes gezählt. Auch hier gilt es, gesundheitsförderliche Strukturen unter Beteiligung der Zielgruppen zu entwickeln (§ 5 SGB XI). Die Pflegekassen sind zudem verpflichtet, Leistungen zur Prävention in voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen für ihre Versicherten zu erbringen (§ 72 Abs. 3 SGB XI). Der GKV-Spitzenverband (2017) gibt dazu einen Leitfaden „Prävention in stationären Pflegeeinrichtungen“ heraus (s. „Weitere Infos“).
Trägerübergreifende Zusammenarbeit für Rehabilitation und Prävention
In einem Sozialversicherungssystem stellen Erwerbstätige die zentrale Zielgruppe dar, an der auch die soziale Absicherung weiterer Bevölkerungsgruppen hängt. Die Lebensrisiken Krankheit und Behinderung sollen durch Sozialleistungen aufgefangen werden. Im proaktiven Sinne schaffen aber Erziehung, Bildung und Erwerbstätigkeit auch persönliche Ressourcen für den Umgang mit Gesundheitsproblemen und Behinderung.
Der Grundsatz „Prävention und Reha vor Rente/Pflege“ lässt sich also auch auf den Lebensverlauf der Versicherten beziehen. Allerdings richtet sich Prävention ausdrücklich auch an Menschen, die bereits erkrankt oder pflegebedürftig sind oder die eine Behinderung haben. Rehabilitationsleistungen zum Beispiel bei Jugendlichen mit einer chronischen Erkrankung, die voraussichtlich Einfluss auf die Erwerbsfähigkeit haben wird, folgen wiederum einer präventiven Logik. Prävention und Rehabilitation müssen deshalb zusammenhängend betrachtet werden. Hier wie dort gilt es, den individuellen Lebenshintergrund eines Menschen zu berücksichtigen und die Kontextfaktoren positiv zu beeinflussen.
Dieser Gedanke kommt auch darin zum Ausdruck, dass bereits mit dem Inkrafttreten des SGB IX im Jahr 2001 die Prävention als vorgeschaltete Pflicht der Rehabilitationsträger verankert wurde. Die Gemeinsame Empfehlung der Reha-Träger zur „Prävention nach § 3 SGB IX“ (GE Prävention, s. „Weitere Infos“) wurde auf Ebene der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) 2018 aktualisiert, während auch die Nationale Präventionskonferenz nach § 20e ihre Arbeit aufnahm und ihre Bundesrahmenempfehlungen (BRE) verabschiedete. Die Vereinbarungspartner der GE und die stimmberechtigten Träger in der Nationalen Präventionskonferenz weisen große Überschneidungen auf (➥ Tabelle 1).
Im Fokus der BRE und mithin auch des 1. Nationalen Präventionsberichts stehen die Gesundheitsförderung und primäre Prävention von Erkrankungen. Wichtige konzeptionelle und praxisrelevante Bindeglieder zur Rehabilitation sind dort eher am Rande erwähnt. Hier verdient insbesondere das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) größere Beachtung. Die GE Prävention greift deshalb eine Entschließung des Bundestages zur Stärkung des BEM auf. In einem Vorhaben der BAR ist daraufhin der „BEM-Kompass“ als Online-Service entstanden (vgl. Twehues u. Klös 2019 sowie „Weitere Infos“).
Auch die klassischen Vorsorgeleistungen der gesetzlichen Krankversicherung werden im Präventionsbericht nicht erfasst. Vorsorge wird in diesem Trägerbereich als sekundäre Prävention, Rehabilitation als tertiäre Prävention eingeordnet. In der gesetzlichen Rentenversicherung wiederum wurden Präventionsleistungen zunächst als Ermessensleistungen mit großer konzeptioneller Nähe zur Rehabilitation entwickelt. Mit dem Flexirentengesetz von 2016 sind sie zur Pflichtleistung geworden, setzen aber bereits bestehende Gesundheitsrisiken oder beginnende Erkrankungen voraus.
Die Stärkung der Gesundheitsförderung und Primärprävention im Zuge des Präventionsgesetzes ist zu begrüßen. Aus Sicht der Versicherten, der Lebensweltverantwortlichen und Arbeitgebenden wie auch der Leistungserbringenden und sonstigen Akteure verstärkt sich dadurch jedoch der Bedarf an niedrigschwelligem Orientierungswissen in einem ohnehin komplexen Gesundheitssystem eher noch. Die Leistungsträger sind jetzt gefordert. Wie kann es gelingen, diese vielseitigen Informationen niederschwellig zur Verfügung zu stellen? Das können sie letztlich nur miteinander erreichen, also auch, indem sie in den jeweiligen Lebenswelten gemeinsam auftreten.
Beispiele für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Prävention im Sinne des SGB IX sind im Anhang zur GE Prävention aufgeführt. Sie sollten weiter im Geiste der GE und im Sinne des Prinzips „Prävention und Rehabilitation vor Rente und Pflege“ ausgestaltet werden.
Interessenkonflikt: Beide Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
Literatur
Bredehorst M, Twehues M: Vorsorge und Prävention. In: BAR (Hrsg.): Rehabilitation – Vom Antrag bis zur Nachsorge. Ein Wegweiser für Ärzte, psychologische Psychotherapeuten und andere Gesundheitsberufe. Heidelberg: Springer, 2018, S. 433–440.
Twehues M, Klös J: Nach längere Krankheitszeit wieder zurück in den Betrieb. Der BEM-Kompass für die betriebliche Praxis – ein Projekt der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e.V. (BAR). ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2019; 54: 431–434.
Weitere Infos
Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation: BEM-Kompass
https://www.bar-frankfurt.de/bem-kompass/
Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation: Gemeinsame Empfehlung Prävention nach § 3 SGB IX. 2018
https://www.bar-frankfurt.de/service/publikationen/reha-vereinbarungen…
GKV Spitzenverband: Leitfaden Prävention (2017) sowie Leitfaden Prävention in stationären Pflegeeinrichtungen nach § 5 SGB XI (2016)
https://www.gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/praevention_selbs…
Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen(MDS), GKV-Spitzenverband, 2016: Begutachtungsrichtlinie „Vorsorge und Rehabilitation“
https://www.mds-ev.de/themen/rehabilitation/grundlagen-der-reha-begutac…
Nationale Präventionskonferenz: Bundesrahmenempfehlungen nach § 20d Abs. 3 SGB V, verabschiedet 19.02.2016
https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/presse/pressemitteilu…
Nationale Präventionskonferenz (mit Downdload-Möglichkeit des 1. Präventionsberichtes)
https://www.npk-info.de/