Einleitung
Zur Prävention berufsbedingter Hauterkrankungen wurde in den zurückliegenden Jahren mit dem Verfahren Haut der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) ein gestuftes Konzept entwickelt und bundesweit umgesetzt, mit dem Ziel, nachhaltig zur Vorbeugung von Berufsdermatosen beziehungsweise zur verbesserten Versorgung von Patientinnen und Patienten mit berufsbedingten Hauterkrankungen beizutragen. Diesem Konzept liegt schwerpunktmäßig der Ansatz einer integrativen medizinischen-pädagogischen Gesundheitsförderung zugrunde. Neben den Maßnahmen der Primärprävention zur Verhütung des Auftretens von Berufsdermatosen (z. B. durch entsprechende Arbeitsschutzregularien und gesundheitspädagogische Aufklärung) wurde für bereits Betroffene ein Konzept zur Individualprävention entwickelt, das sich – je nach Schweregrad der Hauterkrankung – modular in die sekundäre und tertiäre Individualprävention („SIP“, „TIP“) gliedert (Brans u. Skudlik 2019).
Verfahren Haut
Seit Einführung des verwaltungsseitigen Verfahrens Haut im Jahr 2004 steht eine standardisierte Vorgehensweise zur Individualprävention bei berufsbedingten Hautkrankheiten zur Verfügung. Das Verfahren Haut beschreibt hierbei eine einheitliche, dem jeweiligen Schweregrad der berufsbedingten Hauterkrankung angepasste Vorgehensweise seitens der gesetzlichen Unfallversicherung.
Im Vordergrund der Optionen des Verfahrens Haut stehen ambulante Maßnahmen auf der Ebene der sekundären Individualprävention. Wesentliche Elemente auf dieser Ebene sind die ambulante hautärztliche Versorgung nach Erteilung eines Behandlungsauftrags an den betreuenden Hautarzt durch den Unfallversicherungsträger gemäß § 3 der Berufskrankheitenverordnung (BKV) (Hautarztverfahren) sowie das Angebot ambulanter Hautschutzseminare beziehungsweise ambulanter Hautschutzberatungen durch die Unfallversicherungsträger.
Aktuell seitens der DGUV publizierte Zahlen zeigen, dass bei rund 95 % aller Verdachtsanzeigen einer berufsbedingten Hauterkrankung eine ambulante Heilbehandlung gewährt wurde; Beratungen und Empfehlungen zu persönlichen Schutzmaßnahmen erfolgten in rund 50 %, die Teilnahme an Hautschutzseminaren in rund 31 % der Fälle (Anmerkung: Mehrfachnennung möglich). Sofern die berufsbedingte Dermatose durch die Maßnahmen der sekundären Individualprävention nicht positiv beeinflusst werden kann und sich das Krankheitsbild vielmehr als klinisch schwer und chronisch, beispielsweise gekennzeichnet durch wiederholte oder lange Arbeitsunfähigkeitszeiten, darstellt, sind Maßnahmen der tertiären Individualprävention angezeigt. Hierbei handelt es sich um Rehabilitationsmaßnahmen in berufsdermatologischen Schwerpunktzentren. Diese, mit den ambulanten Präventionsmaßnahmen auf der Ebene der sekundären Individualprävention eng verknüpften stationären Maßnahmen wurden in 2,3 % aller Verdachtsfälle erforderlich (Schneider et al. 2019).
Meldung: Hautarztbericht und Betriebsärztlicher Gefährdungsbericht Haut
Die zentrale Plattform für ärztliche Interaktion mit dem Unfallversicherungsträger im Verfahren Haut stellt das Hautarztverfahren dar. Dieses wird eingeleitet, wenn bei gesetzlich unfallversicherten Personen mit krankhaften Hautveränderungen die Möglichkeit besteht, dass daraus eine Hauterkrankung im Sinne der BK-Nr. 5101 durch eine berufliche Tätigkeit entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert. Es wird unter Verwendung des Formtextes F6050 „Hautarztbericht – Einleitung Hautarztverfahren/Stellungnahme Prävention“ durch Hautärztinnen und -ärzte oder Werks- und Betriebsärztinnen und -ärzte eingeleitet. Voraussetzung ist das Einverständnis der Betroffenen. Die Erstattung des Hautarztberichts schließt Angaben zur Therapie und erforderlichen Prävention ein. Falls erforderlich, kann mittels Hautarztbericht ein Behandlungsauftrag beantragt werden. Erst nach Erteilung des Behandlungsauftrags nach § 3 BKV kann die Therapie über den Unfallversicherungsträger nach dessen Vorgabe durchgeführt werden.
Alternativ zur Nutzung des Hautarztberichts („Hautarztbericht – Einleitung Hautarztverfahren/Stellungnahme Prävention“) besteht für den betriebsärztlichen Dienst auch die Möglichkeit, Erkrankte in einer hautärztlichen Praxis vorzustellen.
Es hat sich gezeigt, dass der Hautarztbericht von arbeitsmedizinischer beziehungsweise betriebsärztlicher Seite möglicherweise aufgrund des dermatologischen Schwerpunkts dieses Formulars im Hinblick auf Diagnostik und therapeutische Aspekte eher zurückhaltend eingesetzt wird. Unter anderem aus diesem Grund wurde der ebenfalls liquidationsfähige Betriebsärztliche Gefährdungsbericht Haut (F6060-5101) eingeführt. Im Betriebsärztlichen Gefährdungsbericht Haut liegt der Schwerpunkt der Fragestellungen weniger auf dermatologischem Fachgebiet. Vielmehr erhalten Betriebsärztinnen und -ärzte nun die Möglichkeit, ihre Kenntnisse zu den Umständen an den jeweiligen Arbeitsplätzen, zu Art und Umfang der beruflichen Einwirkungen, aber auch den Substitutions- oder Kompensationsmöglichkeiten mit präventivem Charakter einzubringen. Die Erstattung des Betriebsärztlichen Gefährdungsberichts Haut ist ebenso wie die Erstattung des Hautarztberichts seitens der betroffenen Beschäftigten beziehungsweise Erkrankten zustimmungspflichtig. Erst durch die Meldung erhält der Unfallversicherungsträger Kenntnis von dem Verdacht des Vorliegens einer berufsbedingten Hauterkrankung und kann Individualpräventionsmaßnahmen zur Verhinderung der Entstehung einer BK-Nr. 5101 gemäß §3 BKV initiieren.
Hautschutzschulungen in der Prävention von Berufsdermatosen („SIP-Seminare“)
Das patienteneigene Hautschutzverhalten trägt maßgeblich dazu bei, die Hautgesundheit wiederherzustellen und zu erhalten. Hierzu zählen die Anwendung von beruflichen Hautmitteln sowie insbesondere die richtige Verwendung von sachkundig ausgewählten Schutzhandschuhen. Diese stellen die wichtigste personenbezogene Schutzmaßnahme in der Prävention von beruflichen Handekzemen dar. Bei der Identifikation geeigneter Schutzmaßnahmen können Präventionsdienste, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsärztinnen und -ärzte sowie berufsdermatologische Schwerpunktzentren unterstützen.
Mittlerweile existiert für (fast) jede berufliche Aufgabe und Exposition ein geeigneter Haut- und Handschuhschutz. Gleichzeitig können Anwendungsfehler in der Praxis (z. B. falsch verwendete Handschuhe) zum Risikofaktor für die Haut werden. Daher ist es von großer Bedeutung, diese Anwendungsfehler zu identifizieren, Betroffene zum Thema Hautschutz zu schulen und sie zu einem adäquaten Hautschutzverhalten zu motivieren (➥ Tabelle 1).
Parallel zur ambulanten hautärztlichen Versorgung nach § 3 BKV werden den Betroffenen daher von den Unfallversicherungsträgern Hautschutzschulungsmaßnahmen angeboten, zumeist in Form eines so genannten SIP- (sekundäre Individualprävention) Seminars. Diese maßgeblich von gesundheitspädagogischen Fachkräften gestalteten Schulungsangebote stehen bundesweit zur Verfügung; ihr Nutzen bezüglich einer Verbesserung des Hautschutzes am Arbeitsplatz und hieraus resultierend einer Minderung der Erkrankungsschwere und Ermöglichung des Berufsverbleibs konnte in einer Vielzahl von Untersuchungen belegt werden.
Bereits Mitte der 90er Jahre wurden von Seiten berufsdermatologischer Schwerpunktzentren in Zusammenarbeit mit der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege die ersten Seminare für das Friseurhandwerk durchgeführt. Im Verlauf der weiteren Jahre wurden entsprechende berufsspezifische Seminarangebote auch für weitere Berufsgruppen wie Gesundheits-, Küchen-, Reinigungs- und Metallberufe entwickelt und auch von weiteren Unfallversicherungsträgern entsprechend angeboten. Im Rahmen dieser SIP-Seminare ist es den zuständigen Unfallversicherungsträgern möglich, alle geeigneten präventiven Maßnahmen einzuleiten. Im SIP-Seminar erfolgt zudem auch eine berufsdermatologische Untersuchung und ausführliche Beratung der Teilnehmenden mit dem Ziel, den betriebsärztlichen Dienst und am Heimatort behandelnde Hautärztinnen und -ärzte zu unterstützen. Die Effektivität eines sekundären Präventionsprogramms mit Schulungsmaßnahmen und Individualprävention versus einer Kontrollgruppe, die nur medizinische Behandlung erhielt, konnte eine randomisierte klinische Studie aus Dänemark anhand 255 Beschäftigter im Gesundheitswesen nachweisen: Es zeigte sich im 5-monatigen Beobachtungsintervall, dass in der Interventionsgruppe die Handekzeme signifikant weniger schwer ausgeprägt waren, die Lebensqualität signifikant weniger beeinträchtigt war und das Hautschutzverhalten und das Wissen in der Interventionsgruppe signifikant besser waren (Skudlik u. Weisshaar 2015). Kontrollierte Studien zur Effektivität ambulanter Hautschutzschulungsmaßnahmen auf der Ebene der sekundären Individualprävention liegen hingegen für Deutschland nur sehr eingeschränkt vor, was vor allem daran liegt, dass die Durchführung derartiger Studien nur eingeschränkt möglich ist, da die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung unter anderem gemäß § 14 des SGB VII verpflichtet sind, Leistungen zur Prävention von berufsbedingten Gesundheitsgefahren und Berufskrankheiten zu erbringen und somit Kontrollkollektive für die bereits etablierten Maßnahmen kaum herangezogen werden können. Allerdings ließen sich dennoch auch für Deutschland positive Effekte der Seminare belegen: So konnte für Gesundheitsberufe gezeigt werden, dass ein Jahr nach Teilnahme bei 72 % der Teilnehmenden eine deutliche Besserung der Hauterkrankung zu verzeichnen war, sich die Lebensqualität signifikant besserte und Hautschutzmaßnahmen signifikant häufiger angewandt wurden (Skudlik u. Weisshaar 2015). Eine Langzeituntersuchung aus Deutschland konnte zeigen, dass bei Altenpflegekräften auch noch nach sechs Jahren Parameter wie Schwere des Handekzems und Hautschutzverhalten bei einer hohen Rate des Berufsverbleibs gebessert waren, wenn die Altenpflegekräfte an einem SIP-Seminar und einem Auffrischungsseminar teilgenommen hatten (Wilke et al. 2012). Ähnliche Erfolge berichtete eine Studie bei 134 Patientinnen und Patienten mit berufsbedingten Handekzemen aus Feuchtberufen, wobei sich bessere Effekte bei milden Handekzemen und schlechtere Effekte bei schweren Handekzemen zeigten. Eine 5-Jahres-Nachbeobachtung bei 215 Beschäftigten im Friseurhandwerk konnte im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit 85 Erkrankten, die keine Schulung, sondern nur eine dermatologische Therapie erhalten hatten, nachweisen, dass auch nach 5 Jahren signifikant mehr Friseurinnen und Friseure der Schulungsgruppe im Beruf verblieben waren und sich dies auch in einem nach 10 Jahren erneut untersuchten Kollektiv bestätigte (Skudlik u. Weisshaar 2015). Jüngst konnte auch im Hinblick auf eine seit 10 Jahren durchgeführte sekundärindividualpräventive Hautschutzschulungsmaßnahme bei Hauterkrankten in Metallberufen im Rahmen eines 1-Jahres-Follow-up gezeigt werden, dass die Kombination aus Schulung und individueller Beratung auch in dieser Berufsgruppe zu langfristigen Effekten hinsichtlich der Zufriedenheit und Wissenssteigerung bei einer hohen Quote des Berufsverbleibs führt (rund 88 %) (Wilke et al. 2012).
Fazit für die Praxis
Betroffenen mit berufsbedingt verursachten Handekzemen steht auf der ambulanten Ebene der sekundären Individualprävention ein effektives Präventionsangebot zur Verfügung.
Wesentliche Elemente der sekundären Individualprävention bei berufsbedingten Hauterkrankungen ist das ambulante BG-liche hautärztliche Heilverfahren (Hautarztverfahren) sowie das Angebot der Teilnahme an ambulanten Hautschutzschulungsseminaren.
Diese Maßnahmen können durch die Betriebsärztin oder den Betriebsarzt problemlos unter Verwendung entweder des Betriebsärztlichen Gefährdungsberichts Haut (s. „Weitere Infos“) oder des Hautarztberichts (s. „Weitere Infos“) initiiert werden; die Indikation hierfür besteht bereits bei der Möglichkeit des Vorliegens einer berufsbedingten Hauterkrankung.
Interessenkonflikt: Beide Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
Literatur
Brans R, Skudlik C: Prävention des Handekzems. Hautarzt 2019; 70: 797–803.
Schneider S, Krohn S, Drechsel-Schlund C: Individualprävention bei Hauterkrankungen – Eine Erfolgsgeschichte. Dermatol Beruf Umwelt 2019; 67: 148–153.
Skudlik C, Weisshaar E: Individuell ambulante und stationäre Prävention bei Berufsdermatosen. Hautarzt 2015; 66: 160–166.
Wilke A, Gediga G et al.: Interdisciplinary and multiprofessional outpatient secondary individual prevention of work-related skin diseases in the metalworking industry: 1-year follow-up of a patient cohort. BMC Dermatol 2018; 18: 12.
Wilke A, Gediga G et al.: Sustainability of interdisciplinary secondary prevention in patients with occupational hand eczema: a 5-year follow-up survey. Contact Dermatitis 2012; 67: 208–216.
Wilke A, Gediga K et al.: Long-term effectiveness of secondary prevention in geriatric nurses with occupational hand eczema: the challenge of a controlled study design. Contact Dermatitis 2012; 66: 79–86.
Wilke A, Skudlik C, Sonsmann FK: Individualprävention beruflicher Kontaktekzeme: Schutzhandschuhe und Hautschutzempfehlungen im berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren. Hautarzt 2018; 69: 449–461.
Weitere Infos
Ambulante Hautschutzschulungsangeboten im Rahmen der sekundären Individualprävention am Beispiel eines Unfallversicherungsträgers (Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, BGW)
https://www.bgw-online.de/DE/Arbeitssicherheit-Gesundheitsschutz/Gesund…
Ambulante Hautschutzschulungsangeboten im Rahmen der sekundären Individualprävention am Beispiel eines berufsdermatologischen Schwerpunktzentrums (Institut für interdisziplinäre Dermatologische Prävention und Rehabilitation an der Universität Osnabrück (iDerm)
https://www.iderm.de/de/kostentraeger/ambulante-angebote/
Betriebsärztlicher Gefährdungsbericht Haut
https://www.dguv.de/medien/formtexte/aerzte/f_6060-5101/f6060-5101.pdf
Hautarztbericht
https://www.dguv.de/medien/formtexte/aerzte/f_6050/f6050.pdf