In der vom stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Michael Thews (SPD) geleiteten Anhörung wurde außerdem die Forderung nach einer besseren Öffentlichkeitsarbeit laut. Der Gesetzentwurf steht am 25. März auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums.
Joachim Breckow vom Institut für Medizinische Physik und Strahlenschutz der Technischen Hochschule Mittelhessen erklärte, das Strahlenschutzgesetz von 2017 ermögliche „die Umsetzung eines sehr effizienten und leistungsstarken Strahlenschutzsystems“. Dabei sei jedoch zu beachten, dass sich der größte Teil der Maßnahmen im Strahlenschutz weit unterhalb von Grenzwerten abspiele. Wichtig sei deshalb die sogenannte Optimierung, also die Etablierung von Strategien zur Reduzierung der Dosis auch unterhalb der Grenzwerte. Das gelte insbesondere für Radon, für den ein Referenzwert von 300 Becquerel (Bq) pro Kubikmeter in Aufenthaltsräumen gilt. Bei der Radonproblematik sei es wichtig, in der Öffentlichkeit mit einheitlichen Begriffen und Fakten zu kommunizieren, betonte Breckow.
Das allerdings ist alles andere als einfach, wie die Anhörung zeigte. Gerade der Radon-Referenzwert wurde von den Experten sehr unterschiedlich eingeschätzt. Vor Niedrigstrahlung müsse man keine Angst haben, sagte Rainer Klute von Nuklearia e.V., einem Verein, der für die Nutzung der Kernenergie eintritt. Klute stellte die These infrage, dass eine doppelte Dosis von Radon zu einem doppelt so hohen Risiko führe, an Lungenkrebs zu erkranken. Vielmehr zeige eine Studie aus dem Jahr 2011, dass das geringste Lungenkrebsrisiko bei einem Radonwert von 70 Bq pro Kubikmeter liege. Der aus gesundheitlicher Sicht optimale Bereich liege somit zwischen 50 und 150 Bq pro Kubikmeter. Um den Bereich des maximalen Schutzes genauer zu bestimmen, brauche es jedoch weitere Forschungen.
Klutes Aussagen widersprachen Hauke Doerk vom Umweltinstitut München und Heinz Smital von Greenpeace. Schon 2017 habe das Strahlenschutzgesetz die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Belastung im Niedrigstrahlenbereich nicht ausreichend berücksichtigt, kritisierte Doerk. Um die Bevölkerung vor Lungenkrebs zu schützen, sei ein Radon-Grenzwert von 50 Bq pro Kubikmeter angemessen. Denselben Wert nannte Smital. Denn schon sehr geringe Dosen von Radioaktivität könnten zu Gesundheitsschäden führen, erklärte der Greenpeace-Vertreter. Die von Klute vertretene These, es gebe keinen linearen Zusammenhang zwischen radioaktiver Belastung und Gesundheitsgefährdung, nannte er „exotisch“.
Auf praktische Probleme beim Schutz vor Radon wies Roland Strubbe von der Ed. Züblin AG hin, der als Obmann im DIN-Normenausschuss für radongeschütztes Bauen tätig ist. Beim Radonschutz habe es sich gezeigt, dass nicht alle Maßnahmen für alle Gebäudetypen gleichermaßen anwendbar seien. Karin Leicht, öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Schäden an Gebäuden, sagte, dass bei Gebäuden nicht jeder Feuchteschutz auch vor Radon schütze. Leicht sprach sich für ein KfW-Förderprogramm für Radonschutz bei Bestandsgebäuden aus und forderte eine bessere Öffentlichkeitsarbeit, da es in der Bauwelt an Kenntnissen über den Schutz vor Radon mangle.
Konkrete Herausforderungen des Gesetzentwurfs thematisierte Stephanie Hurst vom Sächsischen Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umweltschutz und Landwirtschaft. Problematisch seien insbesondere die Fristen, die die Arbeitsplatzverantwortlichen bei Radonmessung und Maßnahmen zur Radonreduzierung einhalten müssten. Vor dem Hintergrund des Personalengpasses beim Handwerk werde die Frist von zwölf Monaten zur Umsetzung von baulichen und lüftungstechnischen Maßnahmen nicht in jedem Fall einzuhalten sein, sagte Hurst.
Annette Röttger, Leiterin der Abteilung Ionisierende Strahlung an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt und Mitglied der Strahlenschutzkommission, betonte die Bedeutung des Messens beim Strahlenschutz. Andreas Ernst-Elz vom Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein wies darauf hin, dass die meisten Änderungen im Gesetzentwurf den Wünschen der Bundesländer entsprächen. Ernst-Elz formulierte deshalb die „dringende Bitte“ an die Abgeordneten, den Gesetzentwurf in dieser Form umzusetzen.