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The Tasks of the MAK Commission Working Group

Aufgaben der Arbeitsgruppe ­„Allergie“ der MAK-Kommission

ASU führte mit der Leiterin der Arbeitsgruppe, Univ.-Prof. Dr. Brunhilde Blömeke (BB), ein Interview zu den Aufgaben und Arbeitsweisen der Arbeitsgruppe.

ASU: Frau Professor Blömeke, können Sie der Leserschaft der ASU darstellen, was die Aufgaben der Arbeitsgruppe „Allergie“ sind?

BB: Eine berufliche Exposition gegenüber Arbeitsstoffen kann unter Umständen zu allergischen Erkrankungen wie zum Beispiel der Kontaktallergie oder dem allergischen Asthma führen. Allergien können die Betroffenen erheblich in ihrer beruflichen Tätigkeit einschränken oder sogar einen Berufswechsel nötig machen. Daraus leitet sich die Notwendigkeit der Prävention ab und es ist das Ziel der Arbeitsgruppe „Allergie“ mit Erkenntnissen und wissenschaftlich begründeten Schlussfolgerungen die berufliche Prävention zu unterstützen.

Konkret werden Begründungen zu allen Arbeitsstoffen erstellt, die in den Arbeitsgruppen „MAK-Werte und Einstufungen“, „Bewertung von Schmierstoffen“ und „Bewertung von Stäuben“ der Kommission bearbeitet werden sowie Vorschläge aus der Arbeitsgruppe „Allergie“. Gleichzeitig wird kontinuierlich geprüft, ob zu bereits bewerteten Stoffen neue Daten verfügbar sind und gegebenenfalls eine Neubewertung erfolgen muss.

ASU: Wie ist das Verfahren zur Bewertung des (foto-)sensibilisierenden beziehungsweise allergenen Potenzials von Arbeitsstoffen?

BB: Zunächst wird eine umfassende Literaturrecherche durchgeführt. Es werden alle Daten zur sensibilisierenden und allergenen Wirkung an der Haut und an den Atemwegen erfasst und gegebenenfalls Daten zur Haut- und Schleimhautreizung herangezogen. Nach Möglichkeit werden Daten zum Ausmaß der Exposition am Arbeitsplatz berücksichtigt, um eventuell eine Risikoabschätzung vornehmen zu können. Insgesamt basieren die Bewertungen derzeit, sofern verfügbar, auf klinischen Humanbefunden, unterstützt durch Ergebnisse von In-vivo Experimenten am Tier. Alle vorliegenden Daten werden eingehend geprüft und in der Arbeitsgruppe diskutiert. Die Bewertung erfolgt hierbei gemäß den „Kriterien zur Bewertung von Kontaktallergenen“ beziehungsweise den „Kriterien zur Bewertung von inhalativ wirksamen Allergenen“ (Präambel, MAK- und BAT-Werte-Liste 2022, Deutsche Forschungsgemeinschaft [DFG]). Nach Vorlage in der Arbeitsstoffkommission werden die Begründungen der Arbeitsgruppe in „The MAK-Collection for Occupational Health and Safety“ bei Publisso online veröffentlicht. In der jährlich erscheinenden MAK- und BAT-Werte-Liste sind sensibilisierende Stoffe mit „Sh“ (hautsensibilisierende Stoffe) oder „Sa“ (atemwegssensibilisierende Stoffe) markiert und in IV d), einer gesonderten „Liste der Allergene“, im Kapitel IV „Sensibilisierende Arbeitsstoffe“ aufgeführt.

ASU: Was versteht man in diesem Kontext unter NAMs? Können Sie Beispiele nennen?

BB: Aktuell entwickeln sich die New Approach Methods (NAMs), so dass zukünftig auch Ergebnisse von nicht In-vivo-Experimenten zur Bewertung herangezogen werden können. Im Unterschied zu den gängigen tierexperimentellen Untersuchungen fokussieren NAMs auf die Entwicklung von Prüfverfahren entlang einzelner Schlüsselereignisse im Prozess zur Entwicklung einer Schadwirkung (Adverse Outcome Pathways, AOP). Zur Identifizierung des hautsensibilisierenden Potenzials ausgewählter kleiner (≤ 500–1000 Da) organischer Verbindungen existieren beispielsweise verschiedene, teilweise in die Prüfrichtlinien (OECD[Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung]-Richtlinie 442C-E) aufgenommene, teilweise wissenschaftlich validierte Methoden ohne Prüfrichtlinien zur Testung von relevanten Schlüsselereignissen, Integration der Einzelergebnisse und Identifikation von hautsensibilisierenden Stoffen.

Konkret stehen Methoden zur Prüfung des ersten Schlüsselereignisses im AOP für sensibilisierende Wirkung an der Haut, die Bindungsfähigkeit von Stoffen an Hautproteine, zur Verfügung (Direct Peptide Reactivity Assay, DPRA). Das zweite Schlüssel­ereignis beziehungsweise entsprechende Prüfmethoden (z. B. KeratinoSens oder LuSens) analysieren eine substanzinduzierte Aktivierung von Keratinozyten. Als drittes Schlüsselereignis wird die substanzinduzierte Reifung von dendritischen Zellen getestet, beispielsweise im human Cell Line Activation Test (h-CLAT). Zur Prüfung des vierten Schlüsselereignisses, der T-Zell-Proliferation, gibt es derzeit noch kein validiertes Testverfahren. Neben diesen experimentellen Methoden können auch zusätzlich Daten aus computergestützten Modellen (in silico) zur Identifizierung herangezogen sowie der Wirkungsmechanismus betrachtet werden.

Bei dieser Vorgehensweise wird allgemein angenommen, dass ein Einzeltestverfahren die komplexe Abfolge bei der Entwicklung einer Sensibilisierung nicht abbilden kann und nur eine Kombination verschiedener Testergebnisse eine Gesamtaussage über das sensibilisierende Potenzial einer Sub­stanz zulässt. Bisher wurden diverse Ansätze veröffentlicht (u. a. OECD-Richtlinie 497), wie Einzelergebnisse zur Gesamtaussage kombiniert werden können. Jedoch gibt es noch keine durchgängigen Vorgehensweisen.

Die beschriebenen Testverfahren sind erprobt für kleine organische Moleküle, wobei jedes Testverfahren seine spezifische „Assaydomäne“ aufweist. Es gibt Stoffe, deren Potenzial erfasst werden kann, und andere Stoffe, deren Potenzial aufgrund ihrer Beschaffenheit oder chemischen Struktur nicht beziehungsweise nicht gut abgebildet werden kann. So können beispielsweise Metalle, die häufigsten Kontaktallergene, mittels NAMs nur schwer erfasst werden. Ein anderes Beispiel sind lipophile Moleküle, deren Testung sich in wässrigen Testsystemen oftmals schwierig gestaltet. Daher müssen weiterhin Verfahren entwickelt werden, damit die Vielfalt der Stoffe zukünftig geprüft werden kann.

ASU: Wie sehen die Kriterien zur Bewertung aus? Wann vergeben Sie Markierungen für eine sensibilisierende Wirkung an der Haut (Sh) und für die Atemwege (Sa)?

BB: Es wurden von der Arbeitsgruppe umfangreiche Kriterien erarbeitet. Zunächst wird untersucht, ob eine sensibilisierende Wirkung an der Haut (Sh) begründbar ist. Eine allergene Wirkung ist beispielsweise ausreichend begründbar, wenn epidemiologische Studien vorliegen, die eine Beziehung zwischen Sensibilisierung und Exposition zeigen, oder aber wenn Fallberichte von mehr als einer Person aus mindestens zwei unabhängigen Zentren über eine klinisch relevante Sensibilisierung vorliegen. Alternativ können auch unter bestimmten Voraussetzungen Ergebnisse experimenteller Untersuchungen für eine Markierung ausreichend sein.

Für die Bewertung von inhalativ wirksamen Allergenen wurden ebenfalls Kriterien definiert. Hier sind beispielsweise Studien oder Fallberichte über eine spezifische Überempfindlichkeit der Atemwege oder der Lunge, die auf einen immunologischen Wirkungsmechanismus hinweisen und von mehr als einer/einem Patientin/Patienten aus mindestens zwei unabhängigen Zen­tren stammen, ein hinreichendes Kriterium. Zusätzlich muss eine Assoziation von Exposition und (objektivierbaren) Symptomen oder Funktionseinschränkungen der oberen oder unteren Atemwege beziehungsweise der Lunge nachgewiesen sein.

Anhand der jeweiligen Evidenz einer allergenen Wirkung wird schließlich unter Berücksichtigung des anzunehmenden Ausmaßes der Exposition gegen den betreffenden Stoff am Arbeitsplatz die Notwendigkeit zur Markierung in der MAK- und BAT-Werte-Liste überprüft. Eine Markierung erfolgt jedoch beispielsweise nicht, wenn trotz vielfacher Verwendung nur sehr wenige gut dokumentierte Fälle beobachtet wurden oder die beobachteten Sensibilisierungen im Wesentlichen an Kofaktoren gebunden sind, die unter Arbeitsplatzbedingungen nicht relevant sind (z. B. das Vorliegen eines Unterschenkelekzems).

ASU: Können Sie das Verfahren an einem konkreten Beispiel erklären?

BB: Für Tetrahydro-1,3,4,6-tetrakis(hydro­xymethyl)imidazo[4,5-d] im dazole-2,5(1H, 3H)-dion, (TMAD), das als Zusatz in Kühlschmierstoffen, Farben und Lacken, Desinfektionsmitteln, Reinigungs- und Waschmitteln sowie als Bügelfrei-Zusatz in Bekleidungsstoffen eingesetzt wird, liegen eindeutige klinische Befunde vor, die die hautsensibilisierende Wirkung belegen. Ein positiver Test an Meerschweinchen weist ebenfalls auf die sensibilisierende Wirkung hin. Insgesamt erfolgte auch aufgrund der Eigenschaft der Substanz, Formaldehyd freizusetzen, eine Markierung mit „Sh“. Daten zur sensibilisierenden Wirkung an den Atemwegen gibt es für dieses Molekül nicht, so dass keine Markierung mit „Sa“ erfolgte.

Ein anderes Beispiel ist N,N-Dimethyl-p-toluidin. Zu diesem unter anderem als Polymerisationsbeschleuniger für Polyesterharze, in Dental- oder Knochenzementen verwendeten Molekül liegen einzelne Fallberichte sowie zahlreiche Befunde aus Epikutan­testungen von Kollektiven vor. Die insgesamt wenigen positiven Befunde stehen zum größten Teil im Zusammenhang mit Implantatmaterialien, vor allem Zahnimplantaten. Die sehr wenigen, möglicherweise beruflich bedingten, Sensibilisierungen sind zum Teil unvollständig dokumentiert oder von unklarer Relevanz. Die Ergebnisse zeigen, dass N,N-Dimethyl-p-toluidin am Arbeitsplatz keine ausgeprägte kontaktallergene Wirkung zukommt, so dass dieser Stoff nicht mit „Sh“ markiert wurde. Befunde zur atemwegssensibilisierenden Wirkung lagen nicht vor, daher wurde auch nicht mit „Sa“ markiert.

ASU: Welche Arbeitsstoffe wurden im letzten Jahr von Ihnen mit welchem Ergebnis bewertet?

BB: In den Jahren 2021/2022 haben wir insgesamt zehn Stoffe hinsichtlich ihres sensibilisierenden Potenzials geprüft, dabei wurde eine neue Markierung mit „Sa“ vergeben.

ASU: Frau Professor Blömeke, vielen Dank für das Gespräch!

doi:10.17147/asu-1-250947

Weitere Infos

Liste mit allen Neuaufnahmen und Änderungen der MAK- und BAT-Werte-Liste 2022, zu den Open-Access-Publikationen der MAK Collection sowie zu weiteren Informationen über die Arbeit der Senatskommission
www.dfg.de/mak

Das PDF dient ausschließlich dem persönlichen Gebrauch! - Weitergehende Rechte bitte anfragen unter: nutzungsrechte@asu-arbeitsmedizin.com.

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