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Wenn die Ruhe zum Problem wird

Gerd Danner, Achim Klein, Rainer Machner, Holger Brokmann, Hannes Krummheuer

doi:10.17147/asu-1-391885

When silence becomes a problem

In recent years, ambient and working noise in offices has virtually disappeared. Office buildings are now well protected against noise from outside, from adjoining rooms, from floors above or below due to legal regulations, and the general ambient noise is low. Office equipment has also become quieter by law. What has remained are people speaking, who are often well understood anywhere in the room due to the lack of ambient noise. The silence caused by the sinking of the surrounding and working equipment has become a problem.

Kernaussagen

  • Nach der Pandemie müssen die meisten Büroflächen hinsichtlich ihrer Raumakustik neu bewertet und auf die unterschiedlichsten Tätigkeiten abgestimmt werden.
  • Raumakustische Simulationen, die eine Bewertung der zu erwartenden Schallausbreitung in Räumen ermöglichen, können hier eine wertvolle Planungshilfe sein.
  • Die Norm ISO 22955 kann das Verständnis für Raumakustik und -organisation festigen und stellt Methoden zur Verbesserung der akustischen Bedingungen zur Verfügung.
  • Wenn die Ruhe zum Problem wird

    In den letzten Jahren sind die Umgebungs- und Arbeitsgeräusche in Büroräumen nahezu verschwunden. Bürogebäude sind aufgrund von gesetzlichen Bestimmungen gegen Lärm von außen, aus Nebenräumen, von Etagen darüber oder darunter inzwischen gut geschützt, die allgemeinen Umgebungsgeräusche fallen niedrig aus. Bürogeräte sind ebenfalls gesetzlich bedingt immer leiser geworden. Geblieben sind sprechende Personen, die wegen fehlender Umgebungsgeräusche oft an jeder Stelle im Raum gut verstanden werden. Die durch das Absinken der Umgebungs- und Arbeitsgeräte entstandene Ruhe ist zum Problem geworden.

    Ein Blick über den Tellerrand zu einem anderen Problem mit der Ruhe

    Die EU-Verordnung 540 aus dem Jahr 2014 (Verordnung (EU) Nr. 540/2014) schreibt vor, dass alle neu zugelassenen Elektro­autos ab dem 1. Juli 2021 mit einem „Acoustic Vehicle Alerting System“ (AVAS) ausgestattet sein müssen, um Fußgängerinnen und Fußgänger sowie Radfahrerinnen und Radfehrer vor Unfällen zu schützen. Wie die Geräusche von Elektroautos klingen sollen, um die anderen Verkehrsteilnehmenden vor Zusammenstößen zu warnen, ist allerdings nicht geregelt.

    Zwischen 56 und 75 Dezibel (dB) laut sollen die Geräusche von E-Auto-Sounds sein, die dann durch versteckte Lautsprecher unter der Motorabdeckung erzeugt werden. Zu erwarten sind motorenähnliche, musikalische und sogar „spacige“ Klänge.

    Ist die Ruhe in den Büros ebenfalls zum Problem geworden?

    Könnte aus den Erkenntnissen des E-Autos gefolgert werden, dass auch die Bürowelt neue Klänge braucht, um die zwischenzeitlich eingetretene Ruhe und die daraus resultierende Klarheit und Verständlichkeit von Hintergrundsprache in den Bürolandschaften wieder auf weniger Störungen für die Mitarbeitenden zu bringen?

    Ein Auszug aus der Normung: ­Wie werden Büros akustisch geplant?

    Die raumakustischen Regelwerke zielen im Allgemeinen darauf ab, den Schalldruck­pegel in Großraumbüros zu senken und konzentriertes Arbeiten zu ermöglichen. Dies kann nur gelingen, wenn bereits bei der akustischen Planung die unterschiedlichen Nutzungen berücksichtigt werden. Dieses Thema wird ausführlich im Beitrag von Moritz Hannibal in diesem Heft behandelt. Daher wird nachfolgend nur kurz darauf eingegangen.

    DIN 18041:2016-03: Hörsamkeit in Räumen

    Die DIN 18041 (DIN 18041, 2016) versteht sich als allgemein anerkannte Regel der Technik und ist somit im Planungsprozess zu beachten und anzuwenden. Großraumbüros werden in die Raumgruppe B4 eingeordnet. Das sogenannte A/V-Verhältnis stellt dabei einen Zielwert dar. In Abhängigkeit von der Nutzung muss ein Mindestmaß an äquivalenter Absorptionsfläche (A) im Verhältnis zum Raumvolumen (V) vorhanden sein, um eine mittlere Senkung der Geräuschpegel sicherzustellen.

    Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A3.7 „Lärm“

    Die Einhaltung niedriger Schalldruckpegel in Arbeitsstätten ist aus Arbeitsschutzsicht von zentraler Bedeutung. Es gilt, die Lärmbelastung so gering wie möglich zu halten, um die Gesundheit und das Wohlbefinden der Beschäftigten zu schützen.

    Die überarbeitete Fassung der technischen Regel für Arbeitsstätten ASR A3.7 „Lärm“, gültig seit März 2021 (ASR A3.7, 2021), legt fest, welche maximal zulässigen Beurteilungspegel und raumakustischen Anforderungen (u. a. maximale Nachhallzeiten) einzuhalten sind. Es werden auch Vorgaben für den Bereich der extraauralen Lärmwirkungen definiert, um eine Gefährdung von Beschäftigten durch Lärm auszuschließen. In Fällen, bei denen informationshaltige Geräusche (Gespräche) die Konzentration stören können, sind die einzuhaltenden zulässigen Schalldruckpegel zu verschärfen (siehe auch den Beitrag von Ganßauge). Bauherren und Betreiber, die die Forderungen der neuen Arbeitsstättenrichtlinie im Rahmen von Bautätigkeiten oder Umnutzungen nicht erfüllen, müssen mit rechtlichen Konsequenzen rechnen.

    Was aber führt zu Beschwerden?

    In der SBiB-Befragung (Schweizerische Befragung in Büros) aus dem Jahr 2010, also vor der Pandemie, lagen die Störungen durch Gespräche und Telefonate in allen Büroformen vom Zweierbüro bis hin zum Büro mit mehr als 50 Personen an erster Stelle (s. Online-Quellen). Die Störungen wurden in der Befragung als „Lärm“ bezeichnet, was die Mehrheit der Büroschaffenden mit „laut“ in Verbindung brachten.

    Die Büroschaffenden nahmen also an, dass nicht ausreichend „Akustik“ (d. h. Elemente bzw. Flächen zur Schallabsorption und/oder Schallunterbrechung) im Raum vorhanden waren. Die Arbeitnehmervertretung beklagte wiederum aus dieser Situation heraus mögliche „psychische Belastungen“ für die Beschäftigten, basierend auf den Grundlagen der gesetzlichen Gefährdungsbeurteilung.

    In einer weiteren Studie von Radun und Hongisto (2023) wurde der Einfluss von Bürotypen und der Zufriedenheit mit Umgebungsfaktoren (IEQ) auf der sogenannten wahrgenommenen Passung zwischen Büroschaffenden und verschiedenen Tätigkeiten untersucht. Grundlage dieser Untersuchung war ein globaler Datensatz aus einer Erhebung mit 82.315 Befragten vor der Pandemie. Zu den untersuchten Bürotypen, die in den Datensatz eingeflossen sind, gehörten Privatbüros, zugewiesene Arbeitsplätze in Gemeinschaftsbüros, zugewiesene Arbeitsplätze in Großraumbüros, Teamtische und flexible Büros.

    Technische Lösungsansätze umfassen in der Regel die Forderung nach zusätzlichen Absorbern und Schirmungen. Es wird dabei jedoch außer Acht gelassen, dass eine Kompensation der sehr starken Absenkung der Hintergrundpegel über die letzten Jahre durch leisere Bürogeräte, neue Raumformen und Arbeitsstile durch höhere Schallschirme und eine verstärkte Absorption nicht möglich ist.

    Radun und Hongisto (2023) zeigten, dass die Unzufriedenheit der Beschäftigten mit dem Lärmpegel im Büro den wichtigsten Faktor darstellt, der die wahrgenommene Passung zwischen den Arbeitsaufgaben und der Bürogestaltung beeinflusst. Im Umkehrschluss bedeutetet dies, dass Rückzugsmöglichkeiten für Tätigkeiten, die Konzentration erfordern, in Großraumbüros unabdingbar sind.

    Tabelle 1:  Ergebnisse der raumakustischen Computersimulation

    Tabelle 1: Ergebnisse der raumakustischen Computersimulation

    Planungshilfe 3D-Simulation

    Die Betrachtung und Analyse der gesamtheitlichen Raumakustik erfordert in der Regel mehr als einfache theoretische Berechnungen von raumakustischen Parametern (z. B. der Nachhallzeit). Oftmals ist eine räumliche und auch örtliche Aussage, beispielsweise zur Sprachschallausbreitung, erforderlich.

    Die 3D-Visualisierung von Schallausbreitung und Akustikmaßnahmen in einem Mehrpersonenbüro mit unterschiedlichen Nutzungsbereichen zeigt, wie der Schall einzelner Quellen durch unterschiedliche Absorber beeinflusst wird. So können Planungsalternativen durchgespielt und akustische Maßnahmen mit der Raumgestaltung in Einklang gebracht werden.

    Ein Beispiel aus der Praxis

    Für ein Projekt wurde Ende 2018 unter Einbeziehung der Mitarbeitenden und der Arbeitnehmervertretung ein repräsentativer Raum für 44 Beschäftigte mittels einer raumakustischen Computersimulation untersucht, um die Einhaltung der arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen sicherzustellen, wie zum Beispiel an die ASR A3.7 (ASR A3.7, 2021) mit einer Nachhallzeit von 0,6 Sekunden, an den Beurteilungspegel nach DIN EN ISO 46645-2 (ISO 46645-2, 2012) von 55 dB(A) sowie die in einer Betriebsvereinbarung festgelegten Werte in Anlehnung an die DIN EN ISO 3382-3 (ISO 3382-3, 2022):

  • Ablenkungsabstand rD – 7 m (Abstand vom Sprecher, bei dem der Sprachübertragungsindex [STI] unter 0,50 absinkt),
  • räumliche Abklingrate des A-bewerteten Schalldruckpegels der Sprache D2,S – 6 m (Rate des räumlichen Abklingens des A-bewerteten Schalldruckpegels der Sprache je Abstandsverdopplung),
  • A-bewerteter Schalldruckpegel der Sprache in einem Abstand von 4 m von der Schallquelle Lp,A,S,4m – 49 dB(A).
  • In ➥ Tabelle 1 wird die Berechnung der Nachhallzeit sowie des äquivalenten Dauerschalldruckpegels dargestellt. ➥ Tabelle 2 zeigt die Berechnungswerte in Anlehnung an die DIN EN ISO 3382-3. In der raumakustischen Computersimulation wurde die Sprechlautstärke mit einem Schalldruckpegel von Lp,1m = 54 dB(A) in 1 m Entfernung der/des Sprechenden – entspannte Sprechweise nach DIN EN ISO 9921 – berechnet.

    Die Anforderungen an die ASR A3.7 sowie an die Betriebsvereinbarung in Bezug auf die DIN EN ISO 3382-3 wurden in allen Kriterien mehr als erfüllt.

    Tabelle 2:  Berechnungswerte in Anlehnung an die DIN EN ISO 3382-3

    Tabelle 2: Berechnungswerte in Anlehnung an die DIN EN ISO 3382-3

    Kontrollmessungen im laufenden Betrieb

    Nach Bezug waren die berechneten Werte aus der raumakustischen Computersimulation im realen Betrieb durch Kontrollmessungen zu validieren.

    Für die Messungen wurde ein identisch ausgestatteter Raum (1.B.21) mit gleichfalls 44 Arbeitsplätzen ausgewählt. ➥ Tabelle 3 fasst die Ergebnisse der ermittelten Größen zusammen.

    Die Ergebnisse aus der raumakustischen Computersimulation im Vergleich zu den Ergebnissen der Kontrollmessungen sind nahezu deckungsgleich.

    Die Beschäftigten sowie die Arbeitnehmervertretung waren mit ihrem Büroraum raumakustisch sehr zufrieden und es gab auch keine Beschwerden.

    Tabelle 3:  Ermittelte Größen

    Tabelle 3: Ermittelte Größen

    Auswirkungen der Corona-Pandemie

  • Die Beschäftigten arbeiteten während der Pandemie überwiegend im Homeoffice, in einer veränderten, jedoch ihnen vertrauten raumakustischen Situation des „Zuhause“, die allerdings mit einer Bürosituation kaum zu vergleichen ist.
  • Aufgrund von neuen Marktsituationen wurden Organisationsbereiche verändert oder angepasst.
  • Bei der Rückkehr auf die Fläche von 44 Arbeitsplätzen waren plötzlich neue Mitarbeitende da und vor allem befanden sich sehr viel weniger Personen auf der Fläche, im Durchschnitt nur noch 15 anwesende Kolleginnen und Kollegen. Der Rest arbeitete weiterhin vom Homeoffice aus.
  • Die von vor der Pandemie als so gut empfundene Akustik schien verschwunden, plötzlich könnten die Gespräche und Telefonate von nahezu jeder Person im Raum verstanden werden und alle klagten über den „nahezu unerträglichen Lärm“, der bei der Arbeit störte. Es wurde daher „mehr Schallschutz“ gefordert.
  • Eine Erklärung der plötzlich „fehlenden Akustik“ ist einfach. Vor der Pandemie war im Durchschnitt etwa die doppelte Anzahl von Mitarbeitenden im Raum anwesend und das gemessene mittlere Betriebsgeräusch lag bei 39 dB(A), was zur Folge hatte, dass die Gespräche und Telefonate aus der Raumtiefe vom Betriebsgeräusch überdeckt, also nicht mehr inhaltlich verstanden wurden.

    Durch die Halbierung der Anwesenheiten hat sich auch das Betriebsgeräusch halbiert und liegt jetzt bei ca. 36 dB(A) (+/– 3 dB entsprechen einer Verdoppelung beziehungsweise Halbierung der Schallenergie), was zur Folge hat, dass die Hellhörigkeit – Verständlichkeit von Hintergrundsprache – sich ebenfalls verdoppelt hat, die Ruhe ist also zum Problem geworden.

    Kann die „Akustikuhr“ auf „die guten alten Zeiten“ zurückgestellt werden?

    Der Raum ist aus arbeitsschutzrechtlicher Sicht messtechnisch überprüft und erfüllt die normativen Vorgaben. Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und die zugehörigen Verordnungen und Technischen Regeln sehen eine spezifische Rangfolge für Schutzmaßnahmen vor. Diese Rangfolge wird als „TOP-Prinzip“ (technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen) bezeichnet und sollte als Planungsgrundlage herangezogen werden.

    Neben dem TOP-Prinzip wird im Arbeitsschutz auch das „STOP-Prinzip“ angewandt. Hierbei steht das „S“ für Substitution, also das Ersetzen lauter durch leisere Verfahren. Dies beinhaltet die Prüfung der Verfügbarkeit alternativer Arbeitsmittel und Ausrüstungen, die zu einer geringeren Lärmbelastung der Beschäftigten führen.

    Nachdem festgestellt wurde, dass der technische Anteil der Raumakustik, über raumakustische Messungen nachgewiesen, in Ordnung ist und auch weitere Forderungen der ASR A3.7 wie beispielsweise die Verfügbarkeit einer ausreichenden Anzahl von Rückzugsräumen geprüft und erfüllt sind, werden anschließend die Bereiche Organisation und Personal geprüft.

    Abb. 2:  Auswahl beeinträchtigende Umgebungsfaktoren in Zusammenhang mit der Bürogröße (Prozent Ja-Antworten = Summe der Anwortkategorien „eher oft“ (4) und „sehr oft/ständig“ (5) auf einer Saka von 1 (nie), 2 (eher selten), 3 (gelegentlich), 4 (eher oft) bis 5 (sehr oft/ständig). N = 1230 Befragte (Quelle: SBiB-Studie Hochschule Luzern, 2010)

    Abb. 2: Auswahl beeinträchtigende Umgebungsfaktoren in Zusammenhang mit der Bürogröße (Prozent Ja-Antworten = Summe der Anwortkategorien „eher oft“ (4) und „sehr oft/ständig“ (5) auf einer Saka von 1 (nie), 2 (eher selten), 3 (gelegentlich), 4 (eher oft) bis 5 (sehr oft/ständig). N = 1230 Befragte (Quelle: SBiB-Studie Hochschule Luzern, 2010)

    O für Organisation

    Die potenziellen organisatorischen Verbesserungsmaßnahmen sind in hohem Maße von den jeweiligen Arbeitsaufgaben und Arbeitstätigkeiten abhängig. Grundsätzlich zielen sie darauf ab, eine zeitliche oder räumliche Trennung zwischen der Lärmquelle und den betroffenen Beschäftigten zu erreichen. Es empfiehlt sich, die anfallenden Tätigkeiten hinsichtlich ihrer „Lebendigkeit“ und damit ihres Störpotenzials für andere zu evaluieren.

    Als Planungsinstrument dient hier seit 2021 die ISO 22955 „Akustik – Akustische Qualität von offenen Büroräumlichkeiten“ (ISO 22955, 2021). Diese Norm verfolgt einen nutzerzentrierten Ansatz zum Verständnis und zur Bewertung der akustischen Bedingungen in Großraumbüros. Sie basiert auf den Grundlagen der zuvor genannten ISO 3382-3, die raumakustischen Indikatoren für Großraumbüros festlegt. Allerdings werden im Ansatz der ISO 3382-3 das tatsächliche „raumakustische“ Verhalten von Menschen sowie die daraus resultierende akustische Umgebung nicht berücksichtigt.

    Ausgangspunkt der Betrachtung nach ISO 22955 bildet die jeweilige ausgeübte Tätigkeit. Die akustischen Herausforderungen, die mit den jeweiligen Tätigkeiten einhergehen, werden am Arbeitsplatz, zwischen den Arbeitsplätzen sowie auf der gesamten Fläche ermittelt. Für die verschiedenen Arten von Tätigkeiten werden obere Grenzwerte für den Hintergrundpegel (dB(A)) als Zielvorgaben festgelegt. Im normativen Teil der ISO 22955 erfolgt eine Zuweisung von Werten zu den akustischen Deskriptoren, um die akustischen Herausforderungen für jede Art von Tätigkeit zu berücksichtigen.

    Persönliche Maßnahmen

    Auf der Ebene der persönlichen Maßnahmen sind Unterweisung und Information von essenzieller Bedeutung, um Beschäftigte in die Lage zu versetzen, lärmarme Arbeitsweisen anzuwenden und unnötige Lärmerzeugung zu vermeiden. Individuelle Schutzmaßnahmen, wie das Tragen von Gehörschutz, sind nachrangig und sollten nur dann zum Einsatz kommen, wenn technische und organisatorische Maßnahmen nicht ausreichen.

    In jedem Fall empfiehlt es sich, „akustische“ Verhaltensregeln (einen sog. „Raumakustik-Knigge“) an Mitarbeitende zu kommunizieren oder diese im Rahmen eines Workshops partizipativ zu entwickeln.

    Beispiele für raumakustische Verhaltensregeln sind:

  • längere Unterhaltungen in unmittelbarer Nähe von Arbeitsplätzen vermeiden,
  • die eigene Lautstärke am Telefon und im Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen beachten,
  • Unterhaltungen im Gehen vermeiden,
  • Arbeitsgespräche und andere Besprechungen in einem Einzelbüro oder im Besprechungsraum durchführen,
  • Diskussionen mit Kolleginnen und Kollegen über mehrere Arbeitsplätze hinweg vermeiden,
  • die Geräuschpegel am Headset so einstellen, dass sie nicht zu laut sind. Eine zu hohe im Kopfhörer eintreffende Gesprächslautstärke führt dazu, dass man selbst automatisch lauter spricht.
  • Signaltöne/Klingeltöne am Rechner und am Festnetztelefon minimieren beziehungsweise abstellen und stattdessen Leuchtanzeigen verwenden,
  • Mobiltelefone auf Vibration einstellen.
  • Abb. 3:  Der Anteil der Befragten, die mit den wichtigsten Umgebungsfaktoren (IEQ-Faktoren) in verschiedenen Bürotypen unzufrieden sind (Quelle: Radun u. Hongisto 2023)

    Abb. 3: Der Anteil der Befragten, die mit den wichtigsten Umgebungsfaktoren (IEQ-Faktoren) in verschiedenen Bürotypen unzufrieden sind (Quelle: Radun u. Hongisto 2023)

    Schlusswort

    Eine kürzlich veröffentlichte weltweite Umfrage vor der Pandemie ergab, dass sich fast 28 % der Büroangestellten durch Lärm belästigt fühlen (Radun u. Hongisto 2023).

    Die COVID-19-Pandemie und die daraus resultierende Etablierung von Homeoffice-Modellen haben die Erkenntnis beschleunigt, dass viele Großraumbüros den spezifischen raumakustischen Bedürfnissen der Nutzenden nicht gerecht werden.

    Benötigt die Bürowelt also „künstliche“ Geräusche (in Analogie zu den E-Autos), die die Verständlichkeit der Sprache in ruhigen (stillen) Büroräumen maskieren und so für Mitarbeiterzufriedenheit sorgen? Die Antwort: Nein, nicht unbedingt.

    Für Arbeitgeber, die ihre Mitarbeitenden im Unternehmen halten wollen, ist es von entscheidender Bedeutung, alle ihre arbeitsbezogenen Bedürfnisse zu unterstützen. Für die meisten Arbeitsplätze bedeutet dies eine umfassende Neubewertung der Büroflächen. Die „Technik“ ist wichtig, aber auch die Organisation ist von entscheidender Bedeutung.

    Büroflächen müssen raumakustisch und organisatorisch auf die unterschiedlichsten Tätigkeiten abgestimmt werden. So müssen sie zum Beispiel sowohl für konzentriertes Arbeiten als auch für kommunikationsintensive Teamarbeit geeignet sein. Eine „Raumakustik-Knigge“ auf der Ebene der persönlichen Maßnahmen kann ergänzend herangezogen werden.

    Planungshilfen bieten raumakustische Simulationen, die über statistische Werte hinaus eine Bewertung der zu erwartenden Schallausbreitung in Räumen ermöglichen. Die ISO 22955 kann dazu beitragen, das Verständnis für Raumakustik und -organisation zu festigen und stellt Methoden zur Verbesserung der akustischen Bedingungen zur Verfügung. Eine zukünftige Berücksichtigung von persönlichen und soziologischen Faktoren sowie der akustischen Zufriedenheit wäre diesbezüglich zielführend.

    Interessenkonflikt: Der Erstautor G. Danner ist Geschäftsführer der SoundComfort GmbH. H. Krummheuer ist Mitarbeiter der SoundComfort GmbH. Die weiteren Mit­autoren A. Klein, R. Machner und H. Brokmann sind Mitglieder des Vereins Lernen statt Lärmen e. V.

    Literatur

    DIN 18041: „Hörsamkeit in Räumen“. Berlin: DIN Media, 2016.

    DIN EN ISO 46645-2: „Ermittlung von Beurteilungspegeln aus Messungen – Teil 2: Ermittlung des Beurteilungspegels am Arbeitsplatz bei Tätigkeiten unterhalb des Pegelbereiches der Gehörgefährdung“. Berlin: DIN Media, 2012.

    DIN EN ISO 3382-3: „Akustik – Messung von Parametern der Raumakustik – Teil 3: Großraumbüros“. Berlin: DIN Media, 2022.

    DIN EN ISO 9921: „Ergonomie – Beurteilung der Sprachkommunikation“ (ISO 9921:2003). Berlin: DIN Media, 2003.

    ISO 22955: „Akustik – Akustische Qualität von offenen Büroräumlichkeiten“. Berlin: DIN Media, 2021.

    Radun J, Hongisto V: Perceived fit of different office activities – The contribution of office type and indoor environment. J Environ Psychol 2023; 89: 102063. https://doi.org/10.1016/j.jenvp.2023.102063 (Open Access).

    Online-Quellen

    Verordnung (EU) Nr. 540/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über den Geräuschpegel von Kraftfahrzeugen und von Austauschschalldämpferanlagen
    https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014R0540

    ASR A3.7 „Lärm“. Technische Regel für Arbeitsstätten. 2021
    https://www.baua.de/DE/Angebote/Regelwerk/ASR/ASR-A3-7

    SBiB-Studie (2010): Schweizerische Befragung in Büros, Hochschule Luzern
    https://www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/18922.pdf

    ArbSchG – Arbeitsschutzgesetz vom 7. August 1996 (BGBl. I S. 1246), das zuletzt durch Artikel 32 des Gesetzes vom 15. Juli 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 236) geändert worden ist.
    https://www.gesetze-im-internet.de/arbschg/BJNR124610996.html

    Abb. 4:  Auszug 3D-Visualisierung von Schallausbreitung mittels einer raumakustischen Simulation (Quelle: SoundComfort)

    Abb. 4: Auszug 3D-Visualisierung von Schallausbreitung mittels einer raumakustischen Simulation (Quelle: SoundComfort)
    Abb. 5:  Grundriss Referenzprojekt (SoundComfort)

    Abb. 5: Grundriss Referenzprojekt (SoundComfort)
    Abb. 6:  Abmessungen des Referenzprojekts (SoundComfort)

    Abb. 6: Abmessungen des Referenzprojekts (SoundComfort)

    Kontakt

    Gerd Danner
    SoundComfort GmbH; Berliner Str. 9; 13507 Berlin

    Foto: SoundComfort

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