Sturzunfälle machen etwa 20 % aller Un-fälle aus. Dabei ist nur zu einem geringen Teil der Boden mit Eis oder Schnee be-deckt ( Abb. 1)
Fast die Hälfte aller Unfälle ereignet sich auf trockenem Boden und in der Summe 25 % bei Feuchtigkeit bzw. öligem Boden. Einerseits kann man hier durch eine Verbesserung der Bedingungen wie der Vermei-dung von unebenen Stellen (vgl. Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A1.5) sowie der umgehenden Beseitigung von feuchten oder öligen Stellen sowie der richtigen Aus-wahl des Bodenbelags die Unfallzahlen re-duzieren. Andererseits kommt dem umsichtigen Verhalten der Beschäftigten und dem geeigneten Schuhwerk, das Halt und Boden-haftung gibt, eine hohe Bedeutung zu.
Treppenstufen
Besonderes Augenmerk erfordern Treppen. Treppenaufgang und Treppenende, d. h. die erste und die letzte Stufe sind besonders gefährlich. Hier ereignen sich die meisten Unfälle. Günstig ist es deshalb, wenn diese gekennzeichnet sind und sich somit von der Umgebung abheben. Über lange Jahre des Treppenbaus hat sich ein Erfahrungsschatz über das Schrittmaß, d. h. das günstige Verhältnis von Auftritt und Steigung herausgebildet (vgl. Technische Regel für Arbeits-stätten ASR A1.8). Auch hier kann durch ge-eignetes Schuhwerk die Unfallwahrscheinlichkeit reduziert werden.
Der menschliche Gang
Der menschliche Gang entsteht durch eine koordinierte Bewegung der einzelnen Teile des Bewegungsapparats. Sprung-, Knie- und Hüftgelenk bilden Drehpunkte, die durch Muskeln stabilisiert werden. Der Rumpf und der Oberkörper sind auch beteiligt, insbe-sondere durch eine Ausgleichsbewegung der Arme. Während der Bewegungen ändert sich laufend der Körperschwerpunkt und der Erhalt des Gleichgewichts ist eine anspruchsvolle Steuerungsaufgabe. Die Fortbewegung gelingt nur, wenn über den Boden Beschleunigungs- und Bremskräfte aufge-bracht werden können. Kommen von außen, z. B. durch das Hängenbleiben an Erhöhungen oder an Vertiefungen plötzliche starke Beschleunigungen auf, oder können durch mangelnde Reibung zwischen Schuhsole und Bodenbelag keine Beschleunigungs- oder Bremskräfte aufgebracht werden, dann wird das Gleichgewicht gestört und die Schwerkraft wird wirksam und bringt einem zu Fall.
Folglich ist es erforderlich, dass Schuhe Halt geben und genügend Reibkraft übertragen werden kann. Dieses wird einerseits durch das Sohlenmaterial und andererseits durch das Profil der Sohle beeinflusst. In den Verdrängungsraum des Sohlenprofils muss das ggf. vorhandene gleitfördernde Medium (z. B. Flüssigkeit, Schmutz) aufgenommen werden ( Abb. 2).
Auch der Bodenbelag spielt hier natürlich eine Rolle. Bodenbelag und Schuhsole müssen zusammenpassen. In der Techni-schen Regel für Arbeitsstätten ASR A 1.5/1,2 „Fußböden“ werden Anforderungen an den Bodenbelag je nach der zu erledigenden Arbeitsaufgabe genannt. Besonderes Augen-merk ist auf den Übergang von einem Bodenbelag zum anderen zu legen. Zu viel Rei-bungsunterschied kann z. B. bei aufgeklebten Haftstreifen auf glatten Böden aber auch zu Stürzen führen.
Zehen- und Fußschutz
Neben dem Stolpern und Ausrutschen müs-sen die Gefährdungen für Zehen und Fuß von oben und unten betrachtet werden. Getroffen werden, anstoßen, einklemmen, schneiden, überfahren werden usw. sind Gefährdungen, denen man immer dann aus-gesetzt ist, wenn höhere Energien im Spiel sind.
Neben dem Schutz von mechanischen Gefährdungen muss auch der Schutz vor chemischen Stoffen, elektrischem Strom sowie Wärme, Kälte und Nässe bedacht werden.
Sicherheitsschuhe gehören zur persön-lichen Schutzausrüstungen, die der PSA-Richtlinie genügen müssen. Für PSA muss der Hersteller eine Konformitätserklärung erstellen, nachdem eine gemeldete Stelle für ein PSA-Modell eine EG-Baumusterprüfung durchgeführt hat. In Normen ent-haltene Anforderungen müssen erfüllt werden. Praxisgerechte Hinweise zu Schutz- und Sicherheitsschuhe sind in der DGUV-Regel 112–191 „Benutzung von Fuß- und Knieschutz“ enthalten.
Schuharten
Nicht jeder Arbeitsschuh ist gleichzeitig auch ein Sicherheitsschuh. Es wird nach Berufs-, Schutz- und Sicherheitsschuhen, an die stei-gende Anforderungen gestellt werden, diffe-renziert.
Sicherheitsschuhe enthalten eine Zehen-kappe, die für hohe Belastungen geeignet ist. Die Schutzwirkung wird für stoßartige und druckartige Belastungen geprüft (Kurzbezeichnung S).
Schutzschuhe enthalten eine Zehenkappe, die für mittlere Belastungen geeignet ist. Die Schutzwirkung wird ebenfalls für stoßartige und druckartige Belastungen geprüft (Kurzbezeichnung P).
Berufsschuhe sind Schuhe mit Schutzmerkmalen zum Schutz des Trägers vor Ver-letzungen, die bei Unfällen auftreten könnten. Sie müssen nicht über eine Zehenkappe verfügen (Kurzbezeichnung O).
Neben der Zehenkappe aus Stahl, Kunst-stoff oder Aluminium gibt es weitere Merkmale wie
- durchtrittsichere Einlage (Zwischensohle), die das Eindringen von Nägeln und anderen Spitzen Gegenständen verhindert,
- Knöchelschutz und Polsterkragen bei Stiefeln,
- ein kälte- bzw. wärmeisolierender Unter-bau für Arbeiten in kalten und heißen Um-gebungen,
- eine Überkappe zum Schutz vor Beschä-digungen,
- Zusatzanforderungen wie z. B. Schnittschutz oder Beständigkeit gegenüber Chemikalien.
Je nach Anforderungen werden die Schuhe unterschiedlich klassifiziert. So steigen z. B. bei Sicherheitsschuhen die Anforderungen bzw. Eigenschaften mit zunehmender Klasse:
- S1: Sicherheitsschuh mit Zehenschutzkappe, antistatischen Eigenschaften, ei-nem geschlossenen Fersenbereich und einem bestimmten Energieaufnahmevermögen.
- S2: Sicherheitsschuh wie S1, jedoch zusätzlich mit besonderen Anforderungen an Wasserdurchtritt und Wasseraufnahme der Materialien.
- S3: Sicherheitsschuh wie S2, jedoch zusätzlich mit durchtritthemmende Zwischensohle und profilierter Laufsohle.
Wenn also, wie z. B. auf Baustellen auch die Durchtrittsicherheit wichtig ist, dann müssen Schuhe der Klasse S3 gewählt werden. Die Auswahl der Klasse ist das Ergebnis einer Gefährdungsbeurteilung. Es können auch Auswahlhilfen verwendet werden, in denen für typische Tätigkeiten die zu verwendenden Klassen zugeordnet werden.
Trageeigenschaften
Im Hinblick auf Trageeigenschaften müssen bei der Auswahl und Beschaffung von Schu-hen ergonomische Anforderungen berücksichtigt werden (vgl. DGUV Regel 112–191).
- Passform: Gleiche Schuhgrößen verschie-dener Hersteller haben nicht immer die gleiche Passform. Teilweise gibt es auch Weitensysteme, die unterschiedliche Fußformen berücksichtigen.
- Zehenkappen: Die Zehenkappen dürfen z. B. bei knienden Tätigkeiten keinen un-akzeptablen Druck auf den Fuß ausüben.
- Polsterung: Zur Vermeidung von Druckstellen sollten der Bein- und Knöchelbereich sowie die Lasche mit einer Polsterung versehen sein.
- Klimamembran: Sie ist geeignet, sowohl die Wasserundurchlässigkeit von außen nach innen zu gewährleisten, als auch die Wasserdampfdurchlässigkeit von innen nach außen zu erhalten.
- Gewicht: Unter Berücksichtigung des notwendigen Schutzes sowie der Einsatzbedingungen sollte ein möglichst leichter Schuh gewählt werden.
- Schuhform: Halbschuh oder knöchelhoher Schuh.
- Eignung für Einlagen: Durch Einlagen verändern sich die Eigenschaften des Schuhs, weshalb hier individuelle Lösungen notwendig sind.
Es gilt auch bei Schutz- und Sicherheitsschuhen, dass es günstig ist, wenn die spä-teren Benutzer an der Auswahl beteiligt sind. In vielen Betrieben kann zwischen unterschiedlichen Herstellern und unterschiedlichen Modellen ausgewählt werden. Damit ist die Aussage „Ich trage keine Sicherheitsschuhe, weil sie mich drücken“ nicht mehr akzeptabel. Wenn es dann noch gelingt, dass auch bei Arbeiten im privaten Umfeld, sei es bei Bauarbeiten, beim Umzug oder beim Rasenmähen Sicherheits- oder Schutzschuhe getragen werden, dann wird es weniger Fuß-verletzungen geben.
Autor
Prof. Dr.-Ing. M. Schmauder
Professur Arbeitswissenschaft
Institut für Technische Logistik und Arbeitssysteme
Technische Universität Dresden
Dürerstraße 26 – 01062 Dresden