Allergisch-verursachte Hauterkrankungen durch Berufsstoffe
Urtikaria
Die allergisch bedingte Urtikaria ist eine IgE-vermittelte Allergie. Auslösende Allergene sind i. d. R. hochmolekulare natürlich vorkommende Proteine (Latexproteine, tierische Proteine von Versuchs- oder Nutztieren, Nahrungsmittelbestandteile). Die Primäreffloreszenz der Urtikaria ist eine Quaddel, i. A. verbunden mit einer Rötung (Erythem). Die Oberhaut ist nicht betroffen, weshalb die Urtikaria längstens nach 24 h ohne Residuen abgeklungen ist. Es können jedoch ständig neue Quaddeln auftreten. Charakteristisch ist der oft quälende Juckreiz. Die Urtikaria kann bei direktem Kontakt umschrieben auftreten oder nach dermalem, oralem oder inhalativem Kontakt auch den gesamten Körper als generalisierte Urtikaria betreffen. Auch wenn die Urtikaria von Patienten oft synonym für Allergie verwendet wird, ist nur ein Teil der Urtikaria-Erkrankungen immunologisch ver-ursacht, d. h. IgE-vermittelt. Bei einer echten allergischen Kontakturtikaria kann der Pa-tient i. d. R. den Auslöser benennen und die Testung bestätigt den klinischen Verdacht. Eine bestehende beruflich verursachte Kontakturtikaria ist oft mit einer Erkrankung an den Atemwegen (Rhinokonjunktivitis, Asth-ma) vergesellschaftet. In seltenen Fällen kann es im Verlauf einer allergischen Urtikaria durch Allergenkontakt zum lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock kommen.
Allergische Kontaktdermatitis
Bei der akuten Kontaktdermatitis entwickelt sich nach dem Allergenkontakt eine sog. metachrome Polymorphie: Auf dem Boden von juckenden Erythemen entwickelt sich ein Ödem, es kommt zur Bildung von Bläschen und Blasen, die platzen, Erosionen bil-den, verkrusten und unter Schuppung wieder abheilen. Die chronische Hautentzündung wird als Ekzem bezeichnet und es besteht eine sog. synchrome Polymorphie, d. h., die genannten Effloreszenzen finden sich gleichzeitig ( Abb. 1). Die Klassifikation von Handekzemen erfolgt entweder be-schreibend nach der Morphe (dyshidrosiform, hyperkeratotisch-rhagadiform, numulär, figuriert, lichenifiziert, psoriasiform usw.), der Lokalisation (z. B. Handekzem, Fußekzem, Lippenekzem) oder der Ätiologie ( Abb. 2). Patienten mit chronischem, beruflich verursach-tem Handekzem haben meist Mischformen mit irritativen, allergischen atopischen Kompo-nenten. Dabei spielt die irrita-tive Komponente die größte und die allergische Komponente zahlenmäßig die geringste Rolle (Skudlik et al. 2013).
Allergisch bedingte Hand-ekzeme stellen i. d. R. zellulär-vermittelte allergische Reaktio-nen dar (Typ IV nach Coombs u. Gell). Nach erfolgter Sensibili-sierung kommt es bei erneutem Allergenkontakt mit einer Latenz von 24–72 Stunden zu einer allergisch-initiierten Hautentzündung. Häufige Berufsallergene sind Metalle, Konservierungsstoffe, Friseurstoffe und Epoxidharzsysteme.
Sonderformen der allergischen Kontaktdermatitis
Aerogenes Kontaktekzem: Bei potenten Aller-genen genügt bereits der Kontakt über die Luft, um eine allergische Reaktion an der Haut auszulösen. An Arbeitsplätzen werden aerogene Ekzeme am häufigsten durch Epoxidharzkomponenten ausgelöst (s. auch den Beitrag Rühl in dieser Ausgabe). Betroffen sind das Gesicht, der Hals und das Dekolletee.
Photoallergisches Kontaktekzem: Photo-allergene Substanzen besitzen primär keine allergene Potenz, sondern werden erst durch UV-Strahlung zum eigentlichen Allergen aktiviert. Im Gegensatz zur nicht immunologisch vermittelten phototoxischen Reaktion tritt eine photoallergische erst nach einer Sensibilisierungsphase und nicht bei allen Exponierten auf.
Proteinkontaktdermatitis: Eine seltene Form des allergischen Kontaktekzems stellt die Proteinkontaktdermatitis dar. Sie ist unter den allergisch-verursachten Kontaktdermatiden mit 0,2 % insgesamt sehr selten. In Nahrungsmittel verarbeitenden Berufen ist der prozentuale Anteil jedoch höher – bis 4 % bei Back- und Konditorwarenherstellern mit einem Kontaktekzem (Mahler et al. 2013). Auslöser der Proteinkontaktdermatitis sind hochmolekulare Proteine. Diese chronisch-rezidivierende Dermatitis kann mit oder ohne Quaddeln innerhalb von 30 min nach Kontakt beginnen. Bei der Proteinkontaktdermatitis handelt es sich meist um eine immunologisch bedingte, ekzematöse Kontaktreaktion. Auch wenn die Ätiopathogenese derzeit noch nicht abschließend geklärt ist, scheinen IgE-vermittelte Prozesse eine wichtige Rolle zu spielen.
Diagnostik
Die allergologische Anamnese und die klinische Verdachtsdiagnose stehen am An-fang jeder Abklärung mittels Testung. Bei der Sensibilisierung werden entweder spezifische, gegen das Allergen gerichtete Antikörper (IgE, IgG, IgM) oder spezifische Lymphozyten gebildet. Da dieser Prozess Zeit benötigt, kann der Erstkontakt zu einer Substanz keine allergische Reaktion verursachen.
Typ-I-Allergie nach Coombs und Gell
Zum Nachweis einer Typ-I-Allergie stehen kommerziell erhältliche Allergenlösungen für den Haut-Pricktest und Testsysteme zum Nachweis von spezifischem IgE im Serum zur Verfügung. Beim Haut-Pricktest (oder auch beim Intrakutantest) wird eine geringe Menge des Allergens in die Haut eingebracht. Sind in der Haut mit IgE besetzte Mastzellen vorhanden, so führt der Allergenkontakt zur Degranulation der Mastzelle und es zeigt sich innerhalb von 15–20 min eine Quaddel (lokalisierte Kontakturtikaria). Das ursächliche spezifische IgE kann auch frei im Plasma vorhanden sein und serologisch nachgewiesen werden. Der Nachweis von spezifischem IgE und die positive Reaktion im Haut-Pricktest haben für jedes Allergen eine unterschiedliche Sen-sitivität und Spezifität. Bei klinischem Verdacht auf eine Allergie vom Soforttyp empfiehlt es sich, stets beide Testarten parallel anzuwenden.
Typ-IV-Allergien nach Coombs und Gell
Das Nachweisverfahren für ein allergisches Kontaktekzem ist der Epikutantest, wobei es sich streng genommen um keine aller-gologische Testung, sondern um eine Provokation handelt, denn der positive Testausfall ist ein auf die Teststelle lokal begrenztes Ekzem. Viele Testsubstanzen sind kommerziell erhältlich. Bei der Wahl der Konzentration des Vehikels ist darauf zu achten, dass die Konzentrationen der Aller-gene und der Zubereitungen so gewählt werden, dass sie bei nicht sensibilisierten Patienten keinerlei Hauterscheinungen verursachen, sensibilisierte Patienten aber ausreichend sicher erkennen. Bei Testung patienteneigener Substanzen sind die Erfahrungen zur Testzubereitung, zur Stabilität und Reaktivität der aufgeklebten Sub-stanzen und zu den optimalen Testkonzentrationen nicht vorhanden. Daher sollten Testungen mit patienteneigenen Sub-stanzen nur von erfahrenen Allergologen durchgeführt und die Ergebnisse vorsichtig interpretiert werden. Die zu testenden Substanzen werden im Epikutantest (Pflastertest) auf den Rücken geklebt und 24–48 h belassen. Die Ablesung nach 48 h dient im Prinzip dem Ausschluss irritativer Reaktionen. Die typische allergische Kontaktreaktion zeigt sich nach 72 h oder später. Es findet sich entweder ein tastbares Erythem oder Papeln, Blasen und Streureaktionen. Typischerweise besteht eine sog. Crescendoreaktion mit Zunahme der Hauteffloreszenzen zwischen der 48- und 72-Stunden-Ablesung. Eine Decrescendoreaktion (abnehmende Reaktion) oder eine Erosion bereits nach 48 h sprechen mehr für eine irritative Verursachung der Hautläsion als für eine allergische Genese.
Die verwendeten Symbole und die mor-phologischen Korrelate sowie die Bewertungen sind in Tabelle 1 zusammengestellt.
Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft hat eine Leitlinie für die Durchführung des Epikutantests mit Kontaktallergenen erarbeitet (AWMF 2007). Derzeit wird in Kooperation u. a. mit der DGAUM eine S3-Leitlinie zu dieser Thematik erarbeitet. Die Deutsche Kontaktallergiegruppe (DKG) ermittelt die jeweils 20 häufigsten Allergene, die in der sog. Standardreihe getestet werden ( Tabelle 2). Daneben gibt es Spezialreihen mit beruflichen Allergenen (siehe Info).
Ein Epikutantest kann nur dann interpretiert werden, wenn die entscheidende 72-h-Ablesung durchgeführt und protokolliert ist. Es muss bei jeder als allergisch eingestuften Reaktion die klinische Relevanz beurteilt werden. Sie ist dann gegeben, wenn die Hauterkrankung durch Kontakt mit dem Allergen hervorgerufen wurde. Ein positiver Epikutantest dient ausschließlich der Abklärung einer Kontaktdermatitis, erlaubt aber keine kausale Verknüpfung mit anderen Symptomen oder Erkrankungen (z. B. Asthma, Rhinitis, Migräne).
Prävention
Primärprävention
Wie in allen Bereichen geht man auch bei Kontakt zu Allergenen nach dem STOP-Prinzip (Substitution – Technische Maßnahmen – Organisatorische Maßnahmen – Persönliche Maßnahmen) vor. Allergene Stoffe werden in den Listen mit verschiedenen Symbolen gekennzeichnet (Sh oder Sa, SEN, R 43). Der Austausch von allergen potenten Inhaltsstoffen durch weniger potente Allergene wird in vielen Bereichen durchgeführt (z. B. Gummiinhaltsstoffe, Konservierungsstoffe in Kühlschmiermitteln, Duftstoffzusätze in Hautcremes und Kühlschmiermitteln, Friseurstoffe) und die Erfolge sind oftmals gut dokumentiert (Dickel et al. 2002; Almers et al. 2004). Eine wichtige Maßnahme der Primärprävention ist die Anwendung von Körperschutz. Handschuhe müssen beim Umgang mit allergenen Substanzen vom Arbeitgeber bereitgestellt werden. Der Einsatz von Hautschutz- und Hautpflegemitteln ist ebenfalls sinnvoll, um die Haut gesund zu erhalten, da eine vorgeschädigte Haut wesentlich empfänglicher ist, eine Allergie zu erwerben (die Pfropfallergie ist ein Kontaktekzem auf dem Boden eines irritativen Ekzems).
Sekundärprävention
Die Sekundärprävention bezeichnet das Erkennen von Risikofaktoren und die Früh-erkennung von Erkrankungen sowie die Frühintervention. Gerade im Hinblick auf allergische Erkrankungen werden Risiko-faktoren häufig überbewertet mit der Konsequenz, dass bestimmte Personen von Arbeitsplätzen ohne rationalen Grund ausgeschlossen werden.
Atopie: Die Atopie ist eine hereditäre Immundysregulation mit der Neigung zu über-schießender IgE-Bildung. Die atopische Diathese wird vererbt, ist aber erst dann diagnostizierbar, wenn atopische Erkrankungen auftreten. Dazu gehören die allergische Rhinokonjunktivitis (Heuschnupfen), das allergische Asthma, die Nahrungsmittel-allergien und die atopische Dermatitis, die selbst jedoch keine Allergie darstellt. Diese Erkrankungen können allerdings auch unabhängig vom Vorhandensein einer atopischen Diathese auftreten. Andere allergische Erkrankungen, wie das allergische Kontaktekzem oder die exogen allergische Alveolitis, treten bei Atopikern und Nicht-atopikern gleich häufig auf. Die Atopie stellt für diese Erkrankungen daher keinen Ri-sikofaktor dar ( Abb. 3).
Prophetische Testung: Unter prophetischer Testung versteht man die Testung von Berufssubstanzen, bevor ein Proband erkrankt ist oder dieser überhaupt Kontakt zu der Testsubstanz hatte. Prophetische Testungen sind sinnlos, da sich eine Sensibilisierung erst nach Allergenkontakt einstellen kann. Selbst wenn eine Sensibilisierung nachgewiesen werden könnte (spezifisches IgE, positiver Pricktest, positive Epikutantestung), eine entsprechende klinische Symptomatik in der Anamnese jedoch nicht nachweisbar ist, wäre dieses Testergebnis entweder als falsch-positiv oder nicht interpretierbar zu bezeichnen. In den Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Allergie und Klinische Immunologie wird daher explizit darauf hingewiesen, dass der Epikutantest nicht geeignet ist, die Entwicklung eines allergischen Kontaktekzems vorherzusa-gen. Leider ist es noch immer vereinzelt die Praxis, dass von jungen Menschen mit bestimmtem Berufswunsch, z. B. Friseur, eine prophetische Testung eingefordert wird, bevor der Ausbildungsvertrag unterschrieben werden soll. Der fachkundige Arbeitsmediziner wird dieser Praxis mit Überzeugung entgegentreten.
Tertiärprävention
Die Behandlung eines schweren Handekzems wird wohl meist durch einen erfahrenen Dermatologen erfolgen. Wenn der Betroffene mit abgeheiltem Ekzem an den Arbeitsplatz zurückkommt, muss der Betriebsarzt wissen, dass dessen Haut nicht so belastbar ist wie vor der Erkrankung. Insbesondere die Therapie mit Steroiden führt rasch zum Abklingen der Symptome (Jucken, Brennen) und Hauterscheinungen (Rötung, Papel, Bläschen), ohne dass eine funktionstüchtige dermale Barriere wiederhergestellt werden konnte. Bei zu frühzeitiger Hautbelastung ist daher ein Rezidiv vorprogrammiert. Es dauert meist Monate, bis eine erscheinungsfreie Haut auch wieder voll belastbar ist. Nach einer schweren Ekzemerkrankung eines Arbeitnehmers muss der Betriebsarzt versuchen, darauf hinzuwirken, dass dieser zunächst an einen nicht die Haut belastenden Arbeitsplatz ein-gesetzt wird, bis die Regeneration der Haut abgeschlossen ist. Erst danach sollte ein Arbeitsversuch am alten Arbeitsplatz erfolgen.
Literatur
Allmers H, Schmengler J, John SM: Decreasing in-cidence of occupational contact urticaria caused by natural rubber latex allergy in German health care workers. J Allergy Clin Immunol 2004; 114: 347–351.
Dickel H, Kuss O, Schmidt A, Diepgen TL: Impact of preventive strategies on trend of occupational skin disease in hairdressers: population based register study. BMJ 2002; 324: 1422–1423.
Kütting B, Baumeister T, Weistenhöfer W, Pfahl-berg A, Uter W, Drexler H: Effectiveness of skin protection measures in prevention of occupational hand eczema: results of a prospective randomized controlled trial over a follow-up period of 1 year. Br J Dermatol 2009; 161: 390–396.
Mahler V, Glöckler A, Worm M et al.: Proteinkontakt-dermatitis. Dermatologie in Beruf und Umwelt 2013; 61: 97–104.
Skudlik C, Weisshaar E, Scheidt R et al.: Aktueller Stand und Zwischenergebnisse der Multi-Center-Studie „Medizinisch-berufliches Rehabilitations-verfahren Haut – Optimierung und Qualitätssicherung des Heilverfahrens (ROQ)“. Dermatologie in Beruf und Umwelt 2013; 61: 28–31.
Info
DKG-Testreihen für Berufs stoffe
- DKG Konservierungsmittel, z. B. in Externa
- DKG Desinfektionsmittel
- DKG Gummireihe
- DKG Kunstharze / Kleber
- DKG Leder und Schuhe
- DKG Leder- und Textilfarben
- DKG Aromatische p-Aminoverbindungen
- DKG Bau-Hauptgewerbe
- DKG Friseurstoffe
- DKG Kühlschmierstoffe
- DKG Industrielle Biozide
- DKG Zahntechniker – Hauptreihe
- DKG Dentalmetalle
Weitere Infos
AWMF: Durchführung des Epi-kutantests mit Kontakt-Allergenen. Registernummer 013-018
Autor
Prof. Dr. med. Hans Drexler
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Schillerstraße 25 – 91054 Erlangen