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BEM-Projekt: Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit wiederherstellen, erhalten und fördern

Neue Wege im Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM)

Ulrike Hein-Rusinek

Beschäftigte haben ein Recht auf ein Betriebliches Eingliederungsmanagement, wenn sie innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig waren, ununterbrochen oder wiederholt (§ 84 Abs. 2 SGB IX). Häufig äußern die an diesem Prozess beteiligten Akteure jedoch, dass die entwickelten Eingliederungsmaßnahmen in den Betrieben zwar ausreichend angeboten werden, aber meist zu kurz greifen. Die Maßnahmen seien eher unstrukturiert, nicht ausreichend geplant und kurzfristig angelegt. Hier sei es nötig, neue Wege zu gehen.

250 Interessierte in der Zeche Zollverein

Zur Abschussveranstaltung Ende Januar in der Zeche Zollverein kamen 250 Personen aus den vorgestellten Projektbetrieben, von den Kooperationspartnern Ministerium für Arbeit und Soziales, der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, dem Integrationsamt des Landesverbandes Rheinland und andere interessierte Zuhörer.

Ziel des Projektes ist es, durch die Entwicklung und Umsetzung eines Rahmenkonzepts das Betriebliche Eingliederungsmanagement zu verbessern. Das neu entwickelte und bereits evaluierte Konzept „Arbeitsfähigkeits-Coaching“ soll die Wirksamkeit des Eingliederungsprozesses in den Betrieben erhöhen. Das Arbeitsfähigkeits-Coaching wurde auf der Grundlage des finnischen Konzeptes des „Hauses der Arbeitsfähigkeit“ entwickelt. Dieses Coaching berücksichtigt sowohl die Situation des Beschäftigten als auch die des Betriebs und gliedert sich im Wesentlichen in drei Bereiche:

  • Betriebliche Ebene: Dabei soll das Betriebliche Eingliederungsmanagement innerhalb des Betrieblichen Gesundheitsmanagements mit den Bereichen Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung verankert werden. Wichtig ist dabei die Begleitung des Prozesses durch den Betriebsarzt. Ein umfassender Datenschutz ist zu gewährleisten.
  • Individuelle Ebene: Hier wird der gesetzlichen Forderung nach „Beteiligung der betroffenen Personen“ Rechnung getragen. Das Arbeitsfähigkeits-Coaching unterstützt die BEM-Berechtigten in ihrer aktiven Rolle. Gemeinsam mit den betrieblichen Akteuren entwickeln sie Maßnahmen zur Wiederherstellung, Erhalt und Förderung ihrer Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit.
  • Überbetriebliche Ebene: Hier wird ein BEM-Netzwerk mit Schnittstellen zu außerbetrieblichen Akteuren (beispielsweise Rehabilitationsträger) installiert. Neben den Möglichkeiten der Unterstützung und Beratung bei der Eingliederung zielt das Netzwerk auf einen kontinuierlichen Erfahrungsaustausch ab.

Das „Haus der Arbeitsfähigkeit und BEM“

In seinem Vortrag beschreibt Prof. Ilmarinen sein Konzept eines „Hauses der Arbeitsfähigkeit“ mit Blick auf das Betriebliche Eingliederungsmanagement und dem zunehmenden demografischen Wandel. Die ersten drei Etagen „Gesundheit“, „Kompetenz“ und „Werte“ repräsentieren die menschlichen Ressourcen. Arbeitsschutz, Betriebliches Eingliederungsmanagement, Betriebliche Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement bilden gleichsam das Fundament der ersten Etage, der „Gesundheit“. Die unteren drei Etagen, um im Bild zu bleiben, müssen mit der vierten Etage „Arbeitsbedingungen und Führung“ in guter Balance stehen. Nur so ist das Haus der Arbeitsfähigkeit stabil und kann Krisen standhalten. Durch zunehmendes Alter verändert sich die erste Etage, die „Gesundheit“. Besonders die vierte Etage sollte sich dem anpassen, nur so bleibt das Haus stabil. In der dritten Etage, bei den „Werten“, liegt gleichsam das Thermometer, hier wird gemessen, ob das Haus standhält.

Betriebe mit einer guten BEM- Kultur seien sich der Aufgabe bewusst, dass an diesem Haus ständig gearbeitet und gelegentlich auch renoviert werden muss. Für die Führungskräfte ist es wichtig zu wissen, dass der Mensch kein Roboter ist, jeder besitzt sein eigenes Haus der Arbeitsfähigkeit. Beschäftigte würden besonders unter der Arbeitsschwere und den geringen Handlungsspielräumen leiden, dort – so Prof. Ilmarinen – müsse die Führung, die vierte Etage ansetzen. Dies sei nicht allein durch Sportangebote im Betrieb, die nur wenige und meist die Falschen erreichen, zu bewerkstelligen. Ein Beitrag zur Betriebskultur könne schon eher die Einstellung eines Arbeitsfähigkeits-Coaches sein.

Klare Top-down-Signale sind für BEM nötig!

Die Diskussion mit dem Publikum sowie den Teilnehmern der Projekt-Betriebe zeigte, dass eine entsprechende Betriebskultur für das Gelingen des BEM nötig ist. Gemeinsames Engagement für das Betriebliche Eingliederungsmanagement ist zwar die Voraussetzung. Ein klares Signal der Geschäftsführung aber ist entscheidend. Die Geschäftsführung muss zeigen, dass sie es ernst meint mit dem Prozess sowie den notwendigen Maßnahmen und sie nicht auf Feigenblatt-Aktionen aus ist.

Interessant war in diesem Kontext, dass ein Betrieb aus dem Projekt ausschied, weil die beteiligten Akteure den Eindruck hatten, dass es an einem klaren Top-down-Signal gefehlt habe. Während einer Umstrukturierungskrise hatte das Projekt nicht mehr die entsprechende Priorität. Aber – denken wir noch einmal an die Überlegungen von Prof. Ilmarinen: Sollte man nicht gerade in stürmischen Zeiten das „Haus der Arbeitsfähigkeit“ befestigen, damit es stand hält?

    Autorin

    Dr. med. Ulrike Hein-Rusinek

    Betriebsärztin
    Otto-Hahn-Straße 79
    40591 Düsseldorf
    u.hein-rusinek@gmx.de

    Weitere Infos

    Informationen zum Projekt: www.neue-wege-im-bem.de

    Arbeitsfähig in die Zukunft HAWAI4U, ein Handlungsleitfaden für die Praxis: www.hawai4u.de

    Betriebliche Eingliederung nach längerer Krankheit – was Sie wissen sollten: www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/a748-betriebliche-eingliederung.html

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