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Betriebliche Suchtprävention als Teil eines modernem BGM

BGM bedarf eines Steuerkreises mit allen wichtigen Akteuren aus dem Bereich Gesundheit und Prävention. Es wurden alle betrieblichen Prozesse integriert, die zum Erhalt und zur Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Mitarbeiter betragen. Hierzu gehören unter anderem der Arbeits- und Gesundheitsschutz, die Betriebsärzte sowie die Sicherheitsbeauftragten, aber auch die Schwerbehindertenvertreter, Sozial- und Stressberatung, LoS-Multiplikatoren und eben auch die Suchtberatung.

Nur so entsteht ein stabiles Netzwerk aller Akteure, das in der Lage ist, sich an den Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen und ihren konkreten Bedürfnis-sen zu orientieren. Wichtig hierbei ist, dass man den Mitarbeiter ganzheitlich betrachtet. Eine Korrektur des individuellen Verhaltens ist nicht erfolgversprechend, ohne sich um die Ursachen in der Lebens- und Arbeitswelt zu kümmern. Das heißt, nicht nur im beruflichen, sondern auch im privaten Umfeld muss nach den Ursachen gesucht werden.

Ein Mitarbeiter verbringt einen großen Teil des Tages am Arbeitsplatz. Kollegen und Vorgesetzte spüren oft, wenn es einem Mitarbeiter nicht so gut geht. Deshalb haben wir „LoS-Multiplikatoren“ im Unternehmen ausbilden lassen. „LoS“ ist die Abkürzung für „Lebensphasenorientierte Selbsthilfekompetenz“. Sie dient dem Mitarbeiter in schwierigen Lebensphasen durch Handlungshilfen geschulter Kollegen und wurde im Rahmen eines Förderprojekts der Initiative „Neue Qualität der Arbeit“ (INQA) und dem Institut für gesundheitliche Prävention (IFPG) entwickelt.

Krisen treffen Menschen immer überraschend und deshalb ist schnelle Hilfe von-nöten, egal ob es sich um Trennung und Scheidung handelt, um finanzielle Probleme, Erkrankungen und/oder um die Pflege eines Angehörigen. Der ausgebildete LoS-Multiplikator zeigt erste Wege aus der Ausweg- und Hoffnungslosigkeit auf und fungiert als Ansprechpartner in Form einer vertrauten Person.

Die REWE Region Süd setzt sich aus 457 REWE-Märkten und rund 14 000 Mitarbeitern zusammen. An den Verwaltungsstandorten ist es relativ leicht, ein erfolgreiches BGM zu etablieren – aber wie bekommt man BGM und dessen Akzeptanz in die Fläche, also in die Märkte? Deshalb wurde in jedem REWE-Markt ein Gesundheitsmultiplikator ausgebildet. Dieser fungiert ähnlich wie ein LoS-Multiplikator, ist darüber hinaus aber zu gesundheitsrelevanten Themen geschult und gewährleistet die Kommunikation von Seiten der Zentrale an alle Mitarbeiter im Markt sowie gegebenenfalls auch umgekehrt. Regelmäßige Treffen aller Multiplikatoren und Weiterbildungen sowie Kommunikationsaustausch sind für den Erfolg unabdingbar. So entstand unser Netzwerk – auch ein Netzwerk zur Suchtprävention – mit Interventionen bei Auffälligkeiten und Akutintervention.

Die Zusammenarbeit mit allen Akteuren, die Kommunikation und die gezielte Öffent-lichkeitsarbeit leisten einen wesentlichen Beitrag, die Beschäftigten zu motivieren und sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Denn Sucht ist häufig noch immer ein Tabuthema in Unternehmen. Zu den Zielen der Öffentlichkeitsarbeit muss es deshalb auch gehören, Gesundheitsprobleme im Zusammenhang mit Suchtmittelkonsum zu enttabuisieren und die Akzeptanz für Hilfsangebote wie auch Präventionsmaßnahmen bereits im Vorfeld von Suchtproblemen zu erhöhen.

Es war daher selbstverständlich, dass es neben der Ausbildung von Suchtberatern durch die Taunus BKK im Nachgang auch eine entsprechende Betriebsvereinbarung „Regelabsprache für den Umgang mit sucht-kranken oder suchtgefährdeten Mitarbei-tern“ geschlossen wird. Diese wurde gemeinsam mit dem Betriebsrat und der Nie-derlassung ausgearbeitet und hat bis heute Bestand. Hier hat sich unser Vier-Stufen-Mo-dell mehr als bewährt, das die Eskalationsstufen der innerbetrieblichen Beratung für Vorgesetzte und Beschäftigte verbindlich beschreibt.

Nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen konsumieren derzeit in Deutschland 10,4 Mio. Menschen Alkohol auf riskante Weise; 1,7 Mio. Menschen missbrauchen Alkohol und die gleiche Personenzahl ist abhängig.

Die Zahl der Medikamentenabhängigen wird auf 1,3–1,4 Mio. Menschen geschätzt; davon sind etwa 1–1,1 Mio. Menschen abhängig von Benzodiazepinderivaten und 300 000 von anderen Arzneimitteln.

0,3 % der 18- bis 59-Jährigen in Ost- und Westdeutschland konsumieren illegale Drogen (Cannabis, Amphetamine, Ecstasy, Opiate, und Kokain). Die Zahl der abhängi-gen Menschen in derselben Altersklasse wird auf 0,6 % geschätzt (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen 2012, s. „Weitere Infos“).

An diesen Zahlen lässt sich unschwer erkennen, dass „Wegschauen“ wenig hilf-reich ist. Wichtig ist es hingegen, aus diesem Tabuthema ein offenes Thema zu machen und sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter im Umgang mit Auffälligkeiten zu sensibilisieren.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass viele Alkoholiker ihre Sucht etwa sechs bis zehn Jahre verheimlichen, weil es vorher einfach niemandem auffällt, weil man nicht weiß, wie man sich verhalten oder es ansprechen soll oder weil man absichtlich wegschaut! Dabei sind die meisten Suchtkranken bei einem Gespräch mit dem Suchtbeauftragen wirklich erleichtert, reden offen über ihre Probleme und lassen sich gerne helfen.

Hier ist es wichtig, dass die Führungskräfte ihre „Rolle als Führungskraft“ und ihre „Pflichten“ kennen, aber auch Auffälligkeiten wahrnehmen und dann auch an die richtige Stelle weiter vermitteln können. Folgendes sollten Führungskräfte wissen bzw. kennen:

  • Daten, Zahlen, Fakten zur Suchtproble-matik
  • Suchtformen
  • Sucht als Krankheit
  • Wann wird z. B. Alkohol zum Problem? (Hier auch das eigene Trinkverhalten reflektieren)
  • Verhaltensauffälligkeiten beim Mitarbeiter als Auslöser für ein Gespräch
  • Ko-Abhängigkeiten
  • Wie kann ich als Kollege oder Vorge-setzter helfen – wer sind meine Ansprechpartner?
  • Pflichten von Vorgesetzen
  • Tipps zur Gesprächsführung

Diese Inhalte kann man gut in 3–4 Stunden vermitteln. Sollte dann konkreter Handlungs-bedarf bestehen, kann man davon ausgehen, dass auch tatsächlich etwas geschieht.

Neben der Öffentlichkeitsarbeit und der Sensibilisierung der Belegschaft im Unter-nehmen setzen sich die Aufgaben eines Suchtbeauftragten wie in der Infobox gezeigt zusammen.

Das Wichtigste ist, eine Suchtgefährdung rasch zu erkennen, den Betroffenen anzusprechen und Hilfe anzubieten: „Konsequenz und Hilfe“ bewähren sich als wirksames Vorgehen. Der Einsatz von Suchtkrankenhelfern ist ein wichtiger Baustein eines betrieblichen Gesamtkonzepts im Bereich BGM und somit zur Suchtprävention. Suchtkrankenhelfer sind ein niederschwelliges innerbetriebliches Hilfsangebot. Sie beraten und begleiten Betroffene, zeigen Wege auf von der Entgiftung, zu Suchtberatungsstellen oder Selbsthilfegruppen. Auch hier ist ein gutes Netzwerk von Vorteil. Die ortsansässigen Suchtberatungsstellen wissen um den Suchtkrankenhelfer in der REWE Region Süd – so genügt oft ein einziger Anruf bei diesen Suchtberatungsstellen (noch im Beisein des Suchtkranken beim Erstgespräch), um schnell einen Termin zu vereinbaren und den Suchtkranken ggf. dorthin zu begleiten – man kennt sich. Das schafft Vertrauen.

Sucht ist vielschichtig. Häufig ist es Alko-hol, aber auch Tabletten und Drogen stehen auf der Tagesordnung der Suchtberatung. Oft stecken dahinter schwere Schicksale. Das Gefühl, Kollegen helfen zu können, entschädigt für viele Mühen. Manchmal braucht allerdings auch der Suchtkrankenhelfer jemanden zum Austausch. Regelmäßige Austauschtreffen der betrieblichen Suchtberater gehören deshalb zur Aufgabe dazu. In der gemeinsamen Reflexion zeigt sich, dass es mehr gute Beratungsergebnisse gibt, als gescheiterte. Und mehr Suchtkranke, die froh darüber sind, dass ihr Versteckspiel nun ein Ende hat während andere heute auf der Straße leben.

    Info

    Zielsetzung:

    • Erhöhung der Arbeits- und Betriebssicherheit
    • Die Gesundheit der Mitarbeiter erhalten bzw. wieder herstellen
    • Alle Mitarbeiter über die Folgen und Gefahren des Suchtmittelkonsums aufklären
    • Hilfestellung bei der Suchtproblematik durch eine verbindliche Handlungsanweisung für Vorgesetzte
    • Betroffenen rechtzeitig Hilfsangebote unterbreiten
    • Fahrlässige und vorsätzliche Verstöße gegen das Suchtmittelgesetz sanktionieren
    • Im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements werden die Mitarbeiter auch über andere Suchterkrankungen (Ess-, Brech-, Magersucht, Spielsucht u. a.) informiert und beraten.

    Zudem werden Hilfsangebote unterbreitet:

    • Prävention (Öffentlichkeitsarbeit)
      • Vorträge Thema Sucht
      • Infoveranstaltungen für verschiedene Zielgruppen (Mitarbeiter, Azubis, Führungskräfte)
      • Azubi Gesundheitstage
      • Einweisung neue Mitarbeiter zum Thema Alkohol
      • Plakate, Flyer, Aushänge
      • Thementage in Unterstützung der DAK
    • Beratung (Hilfe für Betroffene)
      • Frühzeitiges Erkennen der Suchtproblematik
      • Rechtzeitig Hilfe anbieten
      • Förderung der Krankheitseinsicht
      • Erhalt des Arbeitsplatzes
      • Vermittlung an weiterführende Institutionen und Unterbreitung Hilfsangebote
      • Wiedereingliederung nach Rehabilitation
    • Fortbildung (Alle Mitarbeiter mit Personalführungsaufgaben)
      • Allgemeine Informationen zum Krankheitsbild Sucht
      • Gesprächsführung und Umgang mit betroffenen Mitarbeitern
      • Erläuterung der Regelabsprache
      • Unfallverhütungsvorschriften
      • Krisen- und Konfliktmanagement

    Weitere Infos

    Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V.

    www.dhs.de/

    Autorin

    Ines Popp

    Referentin Gesundheitsmanagement und Suchtberaterin

    REWE Markt GmbH

    Zweigniederlassung Süd

    Dieselstraße 21–27

    85386 Eching

    ines.popp-mehl2@rewe-group.com

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