Im Mai 2014 wurde eine Dienstvereinbarung zum BEM für alle im staatlichen Schuldienst in RLP Beschäftigten zwischen dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur und den zuständigen Hauptpersonalräten vereinbart. Eine Besonderheit der Dienstvereinbarung und eine Ergänzung zum BEM, wie es im SGB IX geregelt ist, ist, dass der Bedienstete, dem ein BEM offeriert wurde, entscheiden kann, ob die Federführung des BEM-Verfahrens von der Schulleitung (als Arbeitgebervertreter) oder von einem ärztlichen Mitarbeiter des Institutes für Lehrergesundheit (IfL) übernommen werden soll.
Fallbericht
Im konkreten Fall wurde einem Lehrer von der Schulleitung ein BEM im Juni 2014 angeboten. Dieser entschied sich für die Federführung des BEMs durch das IfL. Es handelte sich um einen 45-jährigen verbeamteten Lehrer. Er unterrichtete an einer weiterführenden Schule die Fächer Biologie, Mathematik, Naturwissenschaften und Sport. Zum Zeitpunkt des BEM-Angebots war er bereits dienstfähig und unterrichtete mit dem vollen Stundendeputat (27 Wochenunterrichtsstunden) überwiegend im Fach Biologie. Es bestand lediglich eine Befreiung vom Sportunterricht. Das BEM-Erstgespräch zwischen dem Lehrer und einem Arzt des IfL fand Anfang Juli 2014 statt. Er gab zu diesem Zeitpunkt noch starke Schmerzen beim Sitzen und nach längerem Stehen an und trug eine Orthese am linken Knie.
Ursache der Beschwerden war eine Kreuzbandruptur im linken Knie, die zunächst konservativ und später operativ versorgt wurde, so dass aktuell eine viermonatige Arbeitsunfähigkeit entstanden war. An Vorerkrankungen gab der Patient eine zweimalige Achillessehnenruptur links im Jahr 2008, eine Dekompressions-Operation im Lendenwirbelbereich L4/5 mit Entfernung eines Gelenkganglions 10/2011 und weiterhin eine Spondylodesen-Operation L4/5 im August 2012 an. Nach der zweiten Lendenwirbelsäulenoperation wurde eine Stundenermäßigung aus gesundheitlichen Gründen gemäß §11 der Lehrkräfte-Arbeitszeitverordnung (LehrArbZVO) von der zuständigen Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) genehmigt. Im Dezember 2012 wurde die stufenweise Wiedereingliederung mit 8 Wochenstunden begonnen und monatlich bzw. nach 2 Monaten um 4 Wochenstunden gesteigert, so dass im August 2013 die volle Dienstfähigkeit erreicht wurde.
Ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 v.H. wurde im April 2013 vom zuständigen Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung zuerkannt.
Da längeres Sitzen wegen der akuten Erkrankung und der Vorerkrankungen erschwert war und erneute Arbeitsunfähigkeiten drohten, wurde im Rahmen des BEM-Verfahrens die Anschaffung eines Stehpults für den Biologiesaal empfohlen. Daher sollte der Einsatz der Lehrkraft zunächst überwiegend im Biologiesaal erfolgen. Längere Gehstrecken sollten wegen der noch verbliebenden Beschwerden beim Laufen vermieden werden. Des Weiteren wurde aufgrund der Bewegungseinschränkungen die Befreiung vom Sportunterricht, die Befreiung von der Teilnahme an Wandertagen und Klassenfahrten sowie die Befreiung von stehenden Aufsichten und von Pausenaufsichten befürwortet.
Um die Beschaffung des Stehpults zu realisieren und die arbeitsorganisatorischen Empfehlungen umzusetzen, wurden mit Einverständnis des Betroffenen der zuständige Sachbearbeiter der vorgesetzten Schulbehörde (ADD in Trier) und die Schulleitung in das BEM eingebunden. Es fanden Gespräche mit allen Beteiligten und dem Betriebsarzt statt. Der Betriebsarzt fungierte als „neutrales“ Bindeglied, der einerseits die gesundheitlichen Einschränkungen der Lehrkraft und andererseits die Möglichkeiten am Arbeitsplatz Schule kannte und damit die Leistungsfähigkeit des Betroffenen und die erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen miteinander verbinden konnte.
Nach Anschaffung und Nutzung des Stehpults im Biologieunterricht verringerten sich die Beschwerden, so dass das BEM im Februar 2016 abgeschlossen werden konnte, ohne dass weitere Arbeitsunfähigkeiten aufgetreten waren. Die Arbeitsfähigkeit wurde weiter normalisiert, Aufsichten konnten wieder wahrgenommen werden, nur Sportunterricht sollte noch nicht gegeben werden.
Diskussion
Bei der Umsetzung von BEM im Schuldienst in Rheinland-Pfalz sind einige Besonderheiten zu beachten, die sich vorwiegend aus den bestehenden landesrechtlichen Gesetzten und Verordnungen für Beamte und Landesbedienstete ergeben.
So müssen die für eine erfolgreiche Wiedereingliederung erforderlichen Hilfsmittel von der betroffenen Lehrkraft vor der Anschaffung bei der ADD beantragt werden. Hierfür sind Kostenvoranschläge einzureichen. Erst nach Bewilligung durch die ADD können Hilfsmittel beschafft und Kosten erstattet werden. Dieses Verfahren kann einige Zeit beanspruchen. Im Rahmen der Ermittlung der geeigneten Hilfsmittel und bei der Beschaffung von Angeboten kann dabei auf das Amt für Integration und seine Expertise zurückgegriffen werden.
Die am häufigsten empfohlene Maßnahme in den BEM-Verfahren ist die stufenweise Wiedereingliederung. Hier gelten jedoch unterschiedliche Regelungen für angestellte und verbeamtete Beschäftigte. Im Gegensatz zur stufenweisen Wiedereingliederung für Angestellte, die in 6 Wochen abgeschlossen werden sollte, gilt für verbeamtete Lehrkräfte die LehrArbZVO, §11: Nach dieser kann eine Stundenermäßigung bei Vorliegen gesundheitlicher Gründe bis zu einer Gesamtdauer von 6 Monaten gewährt werden und in Ausnahmefällen sogar über 6 Monate hinaus verlängert werden. Dazu muss die betroffene Lehrkraft einen formlosen Antrag auf dem Dienstweg an die ADD stellen. Dieser Antrag wird vom zuständigen Amtsarzt überprüft und bei Genehmigung wird der ADD ein Stufenplan empfohlen. Dieser sollte vor Ort von der Schulleitung umgesetzt werden.
Bei Schwerbehinderten und Gleichgestellten Menschen ist die Integrationsvereinbarung für schwerbehinderte Menschen an staatlichen Schulen und Studienseminaren in Rheinland-Pfalz zu beachten. Diese sieht vor Erstellung der Einsatzpläne ein Integrationsgespräch zwischen Schulleitung und schwerbehinderten Beschäftigten vor. Rücksicht muss insbesondere bei der Unterrichtsverteilung, Klassenleitung, Stundenplanerstellung, zeitweiliger Klassenzusammenlegung, Aufsichtsführung und dem Unterrichten von Parallelklassen genommen werden.
Die Besonderheit der Dienstvereinbarung für schulische Bedienstete in Rheinland-Pfalz mit dem Wahlrecht des Bediensteten hinsichtlich der Federführung im BEM-Verfahren zwischen Dienstherr (vertreten durch die Schulleitung) und dem IfL führt, wie auch im vorliegenden Fall, dazu, dass bei vorwiegend medizinischen Fragestellungen ärztlicher Sachverstand sehr früh eingebunden ist und erforderliche BEM-Maßnahmen schneller geplant und umgesetzt werden können.
Schlussfolgerung
Die Dienstvereinbarung zum BEM ist eine wichtige Maßnahme, um Arbeitsunfähigkeitszeiten und dauernde Dienstunfähigkeiten im Schuldienst in RLP zu reduzieren. Die betriebsärztliche Begleitung durch das IfL ist unter Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht sinnvoll, da der Betriebsarzt über Kenntnisse des individuellen Gesundheitszustandes und des Arbeitsplatzes verfügt, die erforderlichen Vorschriften kennt und unter Einhaltung der erforderlichen Dienstwege diese optimal verbinden kann.
Für die Autoren
Ann-Kathrin Jakobs
Institut für Lehrergesundheit am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Johannes Gutenberg Universität Mainz
Kupferbergterrasse 17–19
55116 Mainz