Unsere Arbeitsplätze haben sich verändert. Die körperlich belastenden Tätigkeiten und physikalischen Einflüsse am Arbeitsplatz treten zunehmend in den Hintergrund. Der Trend geht auch in den so genannten „einfachen Berufen“ zu immer komplexeren Tätigkeitsmustern. Elektronische Verfahren und IT-Lösungen sind unverzichtbar und die mobilen Arbeitsmittel lassen die Grenze zum Privatleben unscharf werden. Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) ist ein gutes Instrument im Betrieb, das die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter stärken und fördern kann.
Dabei sind stets Netzwerke nötig, denn je nach Themenschwerpunkt stehen die Arbeit und die Entscheidungen unterschiedlicher Einheiten im Betrieb im Vordergrund. Das Management, die Personalverantwortlichen und in größeren Betrieben die Mitarbeitervertretung sind die internen Akteure. Weitere interne und externe Experten für Arbeitssicherheit, Arbeitsmedizin und andere werden bei Bedarf eingebunden. Hier kommt es auf eine systematische betriebsseitige Steuerung an, um aus einem Bündel von Einzelmaßnahmen ein echtes Gesundheitsmanagement zusammenzufügen. Am Anfang steht immer die strategische Bedarfsplanung, um verpflichtende und optionale Anteile des BGM zu identifizieren und wirksam umzusetzen. Das Kommittent der Betriebsleitung und eine realistische Budgetplanung sind dafür unabdingbar. Die Einrichtung eines Koordinations- oder Steuerungskreises im Betrieb erleichtert ein kontinuierliches Vorgehen und ermöglicht die Festlegung von Rollen und Verantwortlichkeiten der am BGM beteiligten Personen. Mit einer regelmäßigen Qualitätskontrolle von Maßnahmen kann das BGM an die sich verändernden Erfordernisse des Betriebs angepasst werden. Kennzahlen, die so genannten „Key Performance Indicators (KPI)“, sollten sorgfältig ausgewählt werden, um tatsächlich eine Aussagekraft für die Wirksamkeit der angebotenen Maßnahmen zu bekommen.
In der Mai-Ausgabe der ASU berichten einige Autorinnen und Autoren, wie BGM in Unternehmen und Institutionen unterschiedlichster Größe umgesetzt wird und welche Erfahrungen damit gemacht wurden. Im ersten Beitrag gibt Kerstin Reisinger zunächst einen Überblick über die fünf „Must have“ gesunder Unternehmen, mit denen das BGM objektiv messbar werden kann.
Ulrike Hein-Rusinek stellt das BGM in einem Großunternehmen vor. Aufgrund der Vielzahl der Standorte handelt es sich hier um kleine und mittelgroße Unternehmen unter dem Dach eines Großkonzerns. Das BGM wird daher durch die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen der Länder, Bedürfnisse der Mitarbeiter und Inzidenzen von Erkrankungen beeinflusst.
Erste Erfahrungen mit einem weltweiten Programm zur Reduzierung von psychosozialen Belastungen in einem global tätigen Unternehmen schildert Daniel Mauss. Mit dem Projekt „Work well“ soll eine Entstigmatisierung von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz erfolgen und der Arbeitsschutz verbessert werden.
Der Beitrag von Gregor Breucker geht auf das 2015 in Kraft getretene Präventionsgesetz ein und beschreibt die Verzahnung der Betriebe und Krankenkassen bei der Umsetzung der neuen gesetzlichen Regelungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung.
Andreas Erb berichtet von dem systematischen Ansatz des BGM in einem globalen, forschenden BioPharma-Unternehmen. In zwei neuen Projekten beginnt das Betriebliche Eingliederungsmanagement schon nach 14 Fehltagen mit einem freiwilligen Angebot zur Beratung. Ein anderes Projekt hat die frühzeitige Prävention von psychischen Erkrankungen unter Einbeziehung der Deutschen Rentenversicherung (DRV) zum Ziel.
Das behördliche Gesundheitsmanagement der Polizei in Nordrhein-Westfalen ist Thema des Beitrags von Thomas Funke. Hier sind die dezentralen Strukturen eine Herausforderung. Die erfolgreiche Umsetzung gelang mit regelmäßigen Trainingsangeboten und der engen Einbindung der Führungskräfte.
Im Gespräch mit Johanna Stranzinger schildern beteiligte Akteure die Umsetzung des BGM am Beispiel des BG-Klinikums in Hamburg. Dieses berücksichtigt die sehr individuellen körperlichen und psychischen Belastungen des Personals an den Arbeitsplätzen in einem großen Klinikum.
Florian Wienforth erläutert die praktische Umsetzung einer unternehmensweiten Gesundheitsaktion zum Thema „Reanimation und Erste Hilfe“.
Dn positiven Beitrag von Coaching beim BGM stellt Klaus Tiedtke dar. Damit wird einerseits eine Stärkung und Kenntnis der eigenen Persönlichkeit und andererseits das Lösen von unterschiedlichen Konflikten am Arbeitsplatz erreicht.
Zur Aussagekraft von Kennzahlen bei der Bewertung des BGM nimmt Hans-Dieter Nolting Stellung. Er schätzt klare Konzepte und Transparenz für das Management höher ein als einfache und oft virtuelle Kosten-Nutzen-Berechnungen.
Auch der wissenschaftliche Teil folgt dem Schwerpunktthema in diesem Heft:
Dirk-Matthias Rose et al. werteten den Immun- und Impfstatus bei Lehrkräften in Förderschulen aus. Ein Teil des Krankheitsgeschehens ist durch impfpräventable Infektionskrankheiten bedingt. Das betriebliche Umfeld bietet gute Möglichkeiten, den Impfschutz zu komplettieren, da nach den neuen Regelungen im Präventionsgesetz auch Arbeitsmediziner zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen impfen dürfen.
Tobias Conzelmann et al. zeigen in der Auswertung der Teilnehmer einer globalen Gesundheitsinitiative die Inzidenz kardiovaskulärer Risikofaktoren im Kollektiv. Aufgrund der Datenlage können die Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung zielgerichtet vor dem Hintergrund des demografischen Wandels umgesetzt werden.
In der Arbeit von Stefan Webendörfer et al. werden die Ergebnisse der stufenweisen Wiedereingliederungen über drei Jahre an einem großen Standort der Chemischen Industrie bewertet. Die systematische Steuerung der Maßnahme über den betriebsärztlichen Dienst und die Berücksichtigung der individuellen Arbeitsplatzsituation unterstützt die Wiedererlangung der Beschäftigungsfähigkeit nach längeren Erkrankungen.
Autor
Dr. med. Stefan Webendörfer
Corporate Health Management
FEH/B – H306
BASF SE
67056 Ludwigshafen am Rhein