Als ein führendes Unternehmen im medizinischen Sektor sind der B. Braun Melsungen AG und ihrer Sparte, der Aesculap AG, der Schutz und die Förderung der psychischen und physischen Gesundheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein besonderes An-liegen. Dieser Anspruch ist auch im Gesund-heitsleitbild des Unternehmens verankert und gewinnt damit eine besondere Bedeutung. Bei der Aesculap AG sind weltweit über 11 500 Mitarbeiter beschäftigt. Nachfolgend werden die Maßnahmen am größten Standort in Deutschland, Tuttlingen, mit ca. 3500 Mitarbeitern, beschrieben.
Das Management fördert BGM
Eine der Grundvoraussetzungen für ein funk-tionierendes Gesundheitsmanagement ist die Überzeugung, also der Wille des Unter-nehmens, und die enge Vernetzung der inner-betrieblichen Entscheidungsträger. So wurde bereits 1992 der Arbeitskreis (AK) Gesundheit als zentrales Steuergremium, bestehend aus Vorstandsvorsitzendem, Vorstand Produktion, Betriebsratsvorsitzendem, Leiter der Abteilung Arbeitssicherheit, Leiter der Personalabteilung, Vorstand der betriebseigenen BKK und Betriebsarzt, ins Leben gerufen, um sich den Herausforderungen des BGM zu stellen ( Abb. 1).
Das betriebliche Gesundheitsmanage-ment wird in vier Bereiche gegliedert. Arbeits-medizin, Arbeitssicherheit, betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) und die betriebliche Gesundheitsförderung. Alle gesundheitsfördernden Maßnahmen in diesem Kontext werden vom AK Gesundheit beauftragt. Aufgrund der Zusammensetzung des Arbeitskreises können alle wichtigen Themen besprochen, entschieden und zeitnah umgesetzt werden.
Die Notwendigkeit zur Entwicklung neu-er Konzepte im betrieblichen Gesundheitsmanagement wurde frühzeitig erkannt und kann durch viele betriebliche und gesellschaftliche Faktoren begründet werden. So spielen zum Beispiel die demografische Entwicklung (also die alternde Arbeitnehmerschaft) und die damit verbundenen gesundheitlichen wie auch wirtschaftlichen Konsequenzen für Unternehmen eine Rolle (Fachkräftemangel/Employer Branding, Kosteneinsparungen durch Reduzierung von Fehlzeiten bei zunehmendem Wettbewerb u. v. m.).
Ein Programm über den gesetzlichen Rahmen hinaus
Der Fokus wird dabei zunächst grundsätzlich auf die Erfüllung der gesetzlichen Vor-gaben gelegt, mit der primären Verantwortung der Abteilung Arbeitssicherheit und Arbeitsmedizin. Auf Grundlage der unternehmensintern ausgewerteten Daten (z. B. Gesundheitsbericht der BKK und Auswertungen aus der Check-up-Untersuchung) werden Handlungsfelder identifiziert und Lösungen erarbeitet. Zur operativen Entwicklung von Maßnahmen wurden drei Arbeitsgruppen etabliert: Prävention von Erkrankungen, gesunde Arbeitsplätze und psychische Einflüsse im Arbeitsleben.
Aufgrund der sich teilweise überschneidenden Themen nehmen an jeder Arbeitsgruppe die Arbeitssicherheit, der Betriebsarzt und der Betriebsrat teil, sowie je nach Fragestellung Psychologen, Vertreter der BKK und die Personalabteilung. Damit ist gewährleistet, dass keine Fragestellungen doppelt bearbeitet und die Erkenntnisse der Arbeitsgruppen auch untereinander ausge-tauscht werden.
Darüber hinaus genießt das betriebliche Eingliederungsmanagement einen hohen Stellenwert und wird gemeinsam mit der Personalabteilung initiiert. Bei Zusage der betroffenen Mitarbeiter beginnt ein Wieder-eingliederungsprozess, der durch BEM-Be-rater begleitet und gesteuert wird. Die Auf-gabe des BEM-Beraters dabei ist, als Schnitt-stelle zwischen Mitarbeiter, Unternehmen (Vorgesetzten, Personalabteilung, Betriebsarzt etc.) und externen Stellen (Rentenberater, Reha-Kliniken etc.) zu fungieren und Maßnahmen (Anpassung des Arbeitsplatzes, Versetzungen/Umsetzungen, Frührehabilitationen etc.) einzuleiten. Der jeweilige BEM-Berater wird durch den Mitarbeiter aus-gewählt. Als BEM-Berater fungieren bei der Aesculap AG Betriebsärzte, Mitarbeiter des Betriebsrates und Mitarbeiter der Personalabteilung.
Die fünf Kernelemente der betrieblichen Gesundheits-förderung bei Aesculap
- Aesculap Gesundheitszentrum
- Die Betriebsärzte führen u. a. arbeitsmedi-zinische Vorsorge, medizinische Präven-tionsprogramme, Check-up-Untersuchungen, Schutzimpfungen, reisemedi-zinische Beratungen durch.
- Physio- und Sporttherapeuten kümmern sich um individuelle, zielgerichtete Präventionsprogramme auf ärztliche Empfehlung nach der Check-up-Untersuchung. Zu den Angeboten gehören u. a. physiotherapeutische Beratung, indivi-duelle Trainingsprogramme, Ernährungs-beratung, Stressmanagementseminare sowie Entspannungs- und Bewegungs-kurse. Viele Angebote werden dabei durch interne Kräfte abgedeckt; durch die enge Kooperation mit der BKK Aesculap ste-hen jedoch auch externe Fachkräfte zu Verfügung.
- „Aesculap bewegt sich“
- Der Betriebssport beinhaltet einen quar-talsweise erscheinenden Gesundheitsplan und zeichnet sich insbesondere da-durch aus, dass Aesculap-Mitarbeiter die Verantwortung für einzelne Aktivitäten übernehmen. Sportliche Aesculap-Mitarbeiter bringen ihre eigene Sportart an-deren Mitarbeitern näher. Dadurch entsteht eine hohe Motivation zum Mitmachen und der Teamgedanke steht im Vordergrund ( Abb. 2).
- „Gesund am Arbeitsplatz“
- Dieses Konzept beinhaltet Bewegungspausen, ergonomische Beratungen und zielgruppenspezifische Programme rund um den Arbeitspatz (Gesundheitszirkel). Der Schwerpunkt wird auf Gesundheits-zirkel gelegt, da hierbei die betroffenen Mitarbeiter aktiv in den Prozess eingebunden werden.
- Ein weiteres Projekt ist die Erstellung einer innerbetrieblichen Ergonomieleitlinie, um alle bestehenden und neu geplanten Arbeitsplätze hinsichtlich der ergonomischen Rahmenbedingungen zu bewerten und klare Umsetzungsvor-schläge zur Verbesserung der Arbeits-plätze zu erstellen. Diese gehen deutlich über die gesetzlichen Vorgaben (z. B. der Arbeitsstättenverordnung) hinaus. Dabei wird natürlich auch die wirtschaftliche Umsetzbarkeit bewertet und überprüft, ob der zu erwartende Nutzen einzelner Maßnahmen auch in Bezug zu den Kos-ten steht. Eine Erkenntnis hieraus war, dass z. B. die Anschaffung geeigneter ergonomischer Arbeitsmittel oft nicht teurer ist, wenn dies im Planungsprozess frühzeitig berücksichtigt wird.
- Förderung der psychischen Gesundheit
- Die betriebsinterne Psychologin führt innerbetriebliche Studien (z. B. zum Einsatz mobiler Technologien), Seminare und Vorträge durch und ist gemeinsam mit der Abteilung Arbeitssicherheit für die Erstellung der „Psychischen Gefährdungsbeurteilung“ verantwortlich. Zusätzlich gibt es Angebote zur Ent-spannung und Erholung, eine regelmäßige psychologische Sprechstunde u. v. m.
- „Aesculap in Aktion“
- Dabei handelt es sich um Gesundheitsprogramme und den regelmäßig stattfindenden Gesundheitstag (Laufevent „run&fun“, „Aesculap goes fit“, „Erkältung nicht mit mir!“, „fit for Best Agers“, „Aesculap is(s)t aktiv“…; Abb. 3)
Der „Aesculap-Check-up“
Einer der zentralen Bestandteile der betrieb-lichen Gesundheitsförderung ist die Check-up-Untersuchung mit dem Leitsatz „Vorbeugen statt heilen“ ( Abb. 4). Eine der Hauptzielsetzungen, die mit der Schaffung des Aesculap Gesundheitszentrums und der Einführung der Check-up-Untersuchungen verbunden wurde, war das Verhindern und die Früherkennung chronischer Erkrankungen und ein zielgerichtetes Angebot innerbetrieblicher Präventionsprogramme.
Die Ermittlung und Quantifizierung von Risikofaktoren der untersuchten Mitarbeiter sind dabei entscheidende Instrumente, mit denen der „gesundheitliche Status quo“ ab-geschätzt und zielgerichtete präventive Maß-nahmen eingeleitet werden können.
Die Teilnahme an der Untersuchung ist freiwillig, kostenlos und findet während der Arbeitszeit statt. Der zeitliche Aufwand liegt bei etwa zwei Stunden pro Untersuchung. Die Untersuchung kann bei Interesse des Mitarbeiters, abhängig vom Lebensalter, alle zwei bis fünf Jahre wiederholt werden.
Selbstverständlich sind die Datenschutz-anforderungen schon in der Planungsphase als sehr hoch eingestuft worden. Um die saubere Trennung zwischen dem Betrieb und den medizinischen Daten zu verdeutlichen, wird die Untersuchung durch externe Fachkräfte durchgeführt.
Die Kosten belaufen sich auf ungefähr 450,– Euro je Untersuchung. Maßnahmen der be-trieblichen Gesundheitsförde-rung können finanziell gefördert werden (Staat und BKK), was die Belastung des Unternehmens spürbar reduziert.
Bisher nahm über die Hälfte der Belegschaft an der Untersuchung teil. Wir konnten bei mehr als 80 % des untersuchten Kollektivs Risikofaktoren für die Entstehung chronischer Krankheiten sowie bei 8 % der Mitarbeiter eine Erstdiagnose einer manifesten Erkrankung stellen.
Deutlich über 90 % der Mitarbeiter, die eine Präventionsempfehlung nach der Unter-suchung erhalten haben, nahmen an den ge-zielten, auf die individuellen Probleme zuge-schnittenen, innerbetrieblichen Programmen teil. Bei den Bemühungen, allen Mitarbeitern auf den Gesundheitszustand angepasste Programme anbieten zu können, profitiert das Unternehmen von der eigenen Betriebs-krankenkasse, die ein zusätzliches Angebot bereitstellt ( Abb. 5).
Resümee
Verschiedene Faktoren erleichtern die Arbeit im BGM bei Aesculap deutlich:
- Die Unternehmensphilosophie und das Unternehmensleitbild beinhalten eine Stellungnahme zur Gesundheitsförderung der Mitarbeiter und diese wird von allen Hierarchieebenen aktiv gelebt.
- Die Bildung eines Steuerkreises mit Ak-teuren und vor allem Entscheidungsträ-gern aus den relevanten Unternehmens-bereichen bildet die Grundlage für die Aktivitäten im Gesundheitsmanagement. Die innerbetriebliche Akzeptanz des Be-trieblichen Gesundheitsmanagements wird durch die Integration der Geschäfts-leitung in den Arbeitskreis Gesundheit maßgeblich gesteigert.
- Die aktive Einbindung der Betriebskran-kenkasse ermöglicht eine breite Unterstützung durch das in der Kasse vorhandene Know-how und die dort vorhan-denen Ressourcen.
- Bei Gesundheitsthemen besteht eine enge Kooperation zwischen allen Unter-nehmensbereichen (Werkplaner, Arbeitssicherheit, Kantine, Reinigungspersonal etc.).
- Ein umfangreiches Reporting (Gesundheitsbericht, Auswertungen der Check-up-Untersuchung, Daten aus Personalabteilung) bildet die Grundlage für ziel-gerichtete präventive Maßnahmen. Hier-mit ist gewährleistet, dass die begrenzten Ressourcen bedarfsorientiert eingesetzt werden.
- Das gebaute Gesundheitszentrum mit ärztlichen Räumen, einem Kurs- und Ge-räteraum erhöht die Attraktivität und bündelt die Angebote.
- Soweit möglich, wird eine große Zahl unterschiedlicher Mitarbeiter aktiv in alle Prozesse eingebunden. Durch die Teilnahme der „Betroffenen“ erhöht sich die Akzeptanz an den Maßnahmen deut-lich: Begeisterte Kollegen als „Multiplikatoren für Gesundheit“ sind die besten Werbeträger für gesundheitsfördernde Maßnahmen.
In den vergangenen Jahren wurde viel im betrieblichen Gesundheitsmanagement erreicht. 2013 konnte der deutsche Unternehmenspreis Gesundheit in der Kategorie Industrie gewonnen werden. Der Weg dorthin war im Verlauf der letzten 20 Jahre nicht immer einfach. Oft trat die Frage nach dem „Nutzen“ oder der „Rentabilität“ auf. Diese grundsätzlichen Fragen haben selbstverständlich ihre Berechtigung und sollten gestellt werden. Nicht immer jedoch lässt sich der besagte Erfolg „einfach“ messen. Alle Maßnahmen des BGM, sofern sie so authentisch wie bei Aesculap durchgeführt werden (d. h. mit dem Willen, die Gesund-heit der Mitarbeiter zu fördern und zu er-halten), tragen zum langfristigen Unternehmenserfolg bei.
Der Beitrag wurde erstellt mit freundlicher Unterstützung von Hermann Steinkamp, Gesundheitsmanagement, Aesculap AG.
Autor
Dr. med. Jochen Molsner
ias Aktiengesellschaft
Königstraße 6
78532 Tuttlingen