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Betriebliches Gesundheitsmanagement im Öffentlichen Dienst

“PLAN GESUNDHEIT“

Einleitung

Der„Steuerkreis Betriebliche Gesundheitsförderung“ der Stadt Leverkusen gab dem Fachbereich Personal und Organisation die Empfehlung, das Präventionsprogramm „PLAN GESUNDHEIT“ in Form eines Projektes ab 2016 bei der Stadt Leverkusen zu implementieren. Als Ärzte gehören diesem Gremium ein Arbeitsmediziner und eine Ärztin des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (Fachbereich Medizinischer Dienst) an. PLAN GESUNDHEIT ist ein Präventionsprogramm mit 1,5- bis 2-jähriger Laufzeit. Die pronova BKK, die Deutsche Rentenversicherung und der Arbeitgeber teilen sich die Kosten (sektorenübergreifende Finanzierung). Es zeichnet sich durch eine hohe Betreuungsdichte und eine individuelle Zielfindung der Teilnehmenden aus. Hierbei ist die Rolle eines Präventionsmanagers (PM) neu, der den Teilnehmenden individuelle Unterstützung bei der Findung und Umsetzung seiner Vorhaben bietet und für eine hohe Bindewirkung an das Programm sorgt. Das Projekt ist im ersten Quartal 2011 gestartet und wird mit ca. 100 Teilnehmenden (TN) durch die Hochschule Niederrhein evaluiert. Die ersten Gruppen haben ihre zweijährige Betreuung abgeschlossen. Die Zwischenergebnisse werden im Folgenden erläutert.

Bedarfsermittlung für gesundheitsförderliche Interventionen: Analyse der Kennzahl Arbeitsunfähigkeitstage

Für die bei der AOK Rheinland/Hamburg versicherten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (MA) der Stadtverwaltung Leverkusen erfolgte 2010 die letzte Auswertung der Arbeitsunfähigkeitsdaten. Hieraus sind Tendenzen für die gesamte Mitarbeiterschaft ableitbar. Die meisten Arbeitsunfähigkeitstage entstehen durch „Muskel-Skelett-Erkrankungen“. Dies wird zu einem hohen Anteil auf die arbeitsbedingten Belastungen durch überwiegend sitzende Tätigkeit oder aber körperlich schwere Arbeit (z. B. im Fachbereich Stadtgrün) und damit einseitige Belastung des Bewegungsapparats zurückgeführt. Die psychischen Störungen liegen mittlerweile an zweiter Stelle der Diagnosehäufigkeit.

Außergewöhnlich ist, dass die durchschnittliche Falldauer bei psychischen und Verhaltensstörungen von 2009 auf 2010 um mehr als 50 % zugenommen hat. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeiten aufgrund von psychischen Störungen von durchschnittlich 49,93 Tagen übersteigt die übrigen Arbeitsunfähigkeiten vielfach. Diese Auffälligkeit ist weder in der Region noch in der Branche so stark zu verzeichnen. Zum Vergleich: Bei den Hauptdiagnosen Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist eine durchschnittliche Falldauer von 18,06 Tagen, bei Muskel-Skelett-Erkrankungen von 12,72 Tagen zu verzeichnen.

Projektgegenstand, Laufzeit und Ablauf

Das Projekt „PLAN GESUNDHEIT“ ist eine Kombination von Verhaltens- und Verhältnisprävention, um lebensstilbedingte Gesundheitsstörungen zu minimieren. Präventionsbereiche sind Bewegung, Ernährung, Stressmanagement, Suchtmittelkonsum und ergotherapeutische Analysen der Arbeitsplatzanforderungen mit Transfer zur Verhältnisprävention. Die Laufzeit beträgt in der Pilotierung zwei Jahre. Das Projekt startete 2011 in verschachtelten Phasen. Der Ablauf ist mehrstufig:

  • Betriebliche Vorbereitungsphase
  • Initialphase (3 Tage)
  • Trainingsphase (16 Wochen)
  • Bestätigungsphase

Die Evaluation der Pilotgruppen (n = 100) erfolgt durch die Hochschule Niederrhein (Prof. Benno Neukirch).

Was geschieht im Detail?

Das Unternehmen muss auf PLAN GESUNDHEIT vorbereitet werden. Die interessierten Personen sollten (nach der gezeigten Einteilung) einen deutlich erhöhten Präventionsbedarf aufweisen. Die Einteilung in diese Präventionsbedarfe ist Teil der Vorbereitung und muss von kompetenter Seite erfolgen. Betriebsärzte bieten sich hierzu an. Ebenso müssen die Führungskräfte die Maßnahme unterstützen.

Die Initial- und Trainingsphase basiert auf einem Leitfaden, der gemeinsam mit der Deutschen Sporthochschule Köln formuliert wurde. Federführend hierbei war die DRV Rheinland. Hier sind die Inhalte und die Abfolgen der Einheiten exemplarisch aufgeführt. Im Vorfeld hat ein umfangreicher Austausch der Fachleute aus den Reha-Einrichtungen gemeinsam mit den Präventionsmanagern stattgefunden, die in den „Präventionsleistungen der Rentenversicherungsträger“ zum Ausdruck kommen. Im Kern entsteht ein arbeitszeitnahes Training mit Edukationseinheiten jeweils zum Thema Bewegung, Ernährung, Entspannung/Sucht und Ergotherapie mit zwei Terminen pro Woche. In der Bestätigungsphase werden die eingeübten Verhaltensweisen erprobt. Dies geschieht oft auf einer Motivationswelle der Selbstwirksamkeit, die in der Trainingsphase erzeugt wird, unterstützt durch individuelle Hilfe und Zielstellungen der Präventionsmanager.

Präventionsmanager

Die Präventionsmanagerin oder der Präventionsmanager (PM) ist das Bindeglied zwischen dem Teilnehmenden und der Maßnahme. Sie sind Ansprechpartner und Betreuer für das gesamte Projekt. Sie tragen zur Initialisierung von Verhaltensmodifikation bei und unterstützen bei der Stabilisierung von Lebensstiländerungen mit dem Ziel der Aufrechterhaltung von seelischer und körperlicher Gesundheit. Hierfür haben sie in den verschiedenen Phasen ( Abb. 1) des Programms detaillierte Aufgaben:

  • Bereits während der Akquise und der Sondierung der Präventionsbedarfe wird der PM vorgestellt. Er nimmt an Informationsveranstaltungen teil und erläutert seine Leistungen.
  • In der Initialphase führt er jeweils ein kurzes Einzelgespräch, um Formalien zu erledigen, wie z. B. die Unterschrift für Kontaktaufnahme (Kontaktwege) oder für das Aufnehmen eines Fotos.
  • In der Trainingsphase ist er Bestandteil des Edukationsplans von 4 Einheiten. Oft gehört die erweitere Aufnahme von Bedürfnissen innerhalb der Einrichtung zu seinen Aufgaben. Zu Beginn und am Ende der Trainingsphase führt der PM einen Fitness-Level-Test durch (siehe Exkurs).
  • Zum Abschluss der Trainingsphase findet ein zielorientiertes Einzelgespräch statt. Der Fokus dieses Einzelgesprächs ist darauf gerichtet, dem Teilnehmenden nach der Trainingsphase in der Einrichtung eine selbstgesteuerte Weiterführung seiner Bemühungen zu ermöglichen.
  • In der Trainingsphase werden ebenso Veranstaltungstermine wie Bowlen, Wandern und/oder Gruppentermine zu spezifischen Inhalten wie Rückenschulung, Ernährung etc. mit den Teilnehmenden besprochen und geplant.
  • Zudem kontaktieren die PM über die gesamte Laufzeit des Programms die TN mindestens jede zweite Woche per Telefon oder E-Mail im Wechsel, um eine enge persönliche Bindung aufzubauen.
  • In der Eigenverantwortungsphase hat der PM weiterhin regelmäßig Kontakt zu den TN: per Mail/telefonisch. Er organisiert jedes Quartal mit jedem TN, meist im jeweiligen Betrieb das Einzelgespräch, in dem Ziele vereinbart werden (s. Exkurs).

In der Eigenverantwortungsphase werden weitere Gruppentermine angeboten. Häufig finden diese in den ursprünglichen Einrichtungen statt und haben besondere Themen. Aber auch Treffen in den Räumen des Unternehmens sind üblich, um z.B. erneut Pilates-Übungen durchzuführen, zu walken oder Ernährungsthemen zu besprechen. Auch die nicht gesundheitsbetonten Veranstaltungstermine werden weiter von den PM in der Eigenverantwortungsphase angeboten. Der PM steht dem Arbeitgeber in allen Phasen mit Auskünften zur Verfügung. Es ist sogar ausdrücklich gewünscht, dass aufgrund personenunabhängiger Anregungen des PM die Verhältnisprävention des Unternehmens Anregungen erhält.

Wo findet PLAN GESUNDHEIT statt?

PLAN GESUNDHEIT findet in zertifizierten Reha-Einrichtungen der Rentenversicherer statt. So ist sichergestellt, dass alle benötigten Disziplinen (Sport- und Bewegungstherapie, Ergotherapie, Psychologie, Ernährungswissenschaften) beteiligt werden. Ein Bestandteil des Programms besteht aus Vorträgen, Seminaren und praktischen Übungen aus den genannten Bereichen (z. B. Coaching beim Einkaufen gesunder Lebensmittel).

Welche Ziele verfolgt PLAN GESUNDHEIT?

Im Vorfeld wurden folgende Ziele festgelegt:

  1. Frühzeitiges Erkennen von Beschäftigten mit gesundheitlicher Risikokonstellation
  2. Nachhaltige Verbesserung der Arbeitsfähigkeit
  3. Verbesserung der objektiven und subjektiven Gesundheitsparameter

Welche Evaluationsdaten liegen vor?

Die Projektpartner sind sich einig, dass die Evaluation durch einen Mix an Informationen erfolgen soll. Es werden objektive Parameter gesucht, die den Gesundheitszustand beschreiben. Darüber hinaus sind subjektive Befindlichkeitseinschätzungen äußerst wichtig, da diese nach der Überzeugung der Projektpartner die objektiven Werte kurz-, mittel-, und langfristig beeinflussen. Ebenso wichtig für den Erfolg des Programms ist die Bindewirkung der Teilnehmenden zu den Angeboten im Programm. Hier kommt der neu geschaffenen Rolle des PM eine zentrale Rolle zu, die im Weiteren noch erläutert wird. Eines vorweg: Die Dropout-Quote für das Zwei-Jahres-Programm ist extrem niedrig.

Es liegt ein Mix an Evaluationsmechanismen vor:

  • Standardisierte Diagnostik aus Labor, Ergometrie und Biometrie
  • Fragebögen (WAI, SF-12, COPSOQ)
  • Einzelgespräche und Testungen durch Präventionsmanager
  • Arbeitsunfähigkeitstage, -fälle und Ausgabenpositionen der pronova BKK

Die Evaluationsgruppen starteten ihr Programm zwischen dem ersten Quartal 2011 und dem ersten Quartal 2013. Die Auswertung geschieht also verschachtelt. Deshalb ist mit der endgültigen Auswertung erst 2017 zu rechnen. Die hier dargestellten Zwischenergebnisse beruhen deshalb zum Teil auf Daten nach einem Jahr Programmfortschritt (Befragungen, Diagnostik) und nur der Hälfte der Teilnehmenden.

Zu Ziel 1 – „Frühzeitiges Erkennen von Beschäftigten mit einer gesundheitlichen Risikokonstellation“: Bei der im Vorfeld von PLAN GESUNDHEIT stattgefundenen medizinischen Untersuchung werden Personen erkannt und in die Regelversorgung der pronova BKK überführt (manifeste Erkrankung).

Zu Ziel 2 – „Nachhaltige Verbesserung der Arbeitsfähigkeit“: PLAN GESUNDHEIT hat eine hohe Bindewirkung: Fünf Aussteiger bei bisher 145 Teilnehmenden, das entspricht einer Abbrecherquote von 3,4 %. Der Work Ability Index (WAI) verbessert sich vom ersten zum zweiten Projektjahr um 2,5 Punkte. Die „Arbeitsfähigkeit“ (Einzelfrage im WAI) wird subjektiv deutlich besser empfunden.

Zu Ziel 3 – „Verbesserung der subjektiven und objektiven Gesundheitsparameter“:

  • Subjektive Parameter:

Die gesundheitsbezogene Lebensqualität (SF-12) verbessert sich in allen Dimensionen, besonderes in der allgemeinen Gesundheitswahrnehmung. Nach dem COPSOQ-Fragebogen (Copenhagen Psychosocial Questionnaire – psychosoziale Belastungen im Arbeitsleben) verbessern sich die Dimensionen Anforderung, Einfluss- und Entwicklungsmöglichkeiten, soziale Beziehungen, Belastungen und Beschwerden. Die gesundheitliche Ausgangssituation der TN ist sehr unterschiedlich. Die PM dokumentieren eine stetige Verfolgung der selbstgesteckten Ziele im Gruppenquerschnitt. Der PM erkennt eine deutliche Verstetigung der Eigeninitiative.

  • Objektive Parameter:

Die Physical Working Capacity (PWC) als Zeichen der Ausdauerleistungsfähigkeit verbessert sich in den getesteten Belastungsbereichen PWC 130, PWC 150 und PWC 170. Der von den PM durchgeführte Fitness-Level-Test zeigt Verbesserungen in den Bereichen Ausdauerleistungsfähigkeit, Kraft und Flexibilität/Gleichgewicht. Die krankheitsbedingten Fehltage reduzieren sich von 1123 AU-Tagen/100 MA vor dem Projektzeitraum auf 831 bzw. 838 AU-Tage/100 MA. Die Arzneimittelkosten reduzieren sich im Untersuchungszeitraum von 2010 bis 2011 um ca. 7 % und 2012 um weitere ca. 26 %.

Diese Zwischen-Ergebnisse ermutigen die Partner bereits vor der abschließenden Evaluation, PLAN GESUNDHEIT bei gut vorbereiteten Unternehmen und unter Einhaltung der Selektorenvorgaben gezielt fortzuführen.

Kosten und Finanzierung

Die Finanzierung ist auf die pronova BKK, den jeweiligen Rentenversicherungsträger und den Betrieb aufgeteilt. Im Rahmen der Kooperation mit der Stadtverwaltung Leverkusen hat sich die AOK Rheinland/Hamburg bereit erklärt, sich für ihre Versicherten an den Kosten zu beteiligen. Die Unternehmen sind zuständig für Akquise, medizinische Untersuchung, Freistellung der Mitarbeitenden, Mitarbeiterveranstaltungen, Veranstaltung für Führungskräfte, Steuerkreise, Gesundheitszirkel und Finanzierung von Maßnahmen zur Verhältnisprävention. Die DRV Rheinland übernimmt die Kosten der ambulanten Reha-Einrichtung in der Initial- und Trainingsphase und die Hälfte der Evaluationskosten. Die pronova BKK finanziert die Präventionsmanager und die Projektadministration in die Unternehmen (Betriebliches Gesundheitsmanagement).

Literatur

Schüller R: Modell-theoretische Grundannahmen eines modernen betrieblichen Gesundheitsmanagement – Möglichkeiten zur Einordnung von sogenannten weichen Faktoren“. ErgoMed 1999; 23 (3).

Schüller R: PLAN GESUNDHEIT – Tu was wirkt! Sektorenübergreifendes Präventionsprogramm unter Einbeziehung der individuellen Bedürfnislagen der Teilnehmenden. Welt der Krankenversicherung (WdK) 2015; 4: 176 ff.

Stadt Leverkusen, Fachbereich Personal und Organisation: Gesundheitsbericht der Stadt Leverkusen 2010–2014 vom 10.07.2015.

    Exkurs

    Fitness-Level-Test

    Der Fitness-Level-Test der PM ist ein sportmotorischer Test, der Aussagen zur Ausdauerleistungsfähigkeit, der Kraftfähigkeit, der Flexibilität und des Gleichgewichtsvermögens gibt. Er beinhaltet einfache normierte Testverfahren, wie z. B. den UKK-Walking-Test (Tampere, Finnland), und ermittelt in einem Verhältnis von ca. 60 %, 30 % und 2-mal 5 % zu den genannten Eigenschaften einen summierten Wert. Vorteil dieser Methode ist die einfache Handhabung und die auffordernde Möglichkeit, den Test während des Projekts mehrfach selbstständig anzuwenden. Die PM organisieren darüber hinaus mindestens dreimal die gemeinschaftliche Möglichkeit, den Test innerhalb des Programms durchzuführen.

    Einzelgespräche

    Die Einzelgespräche sind Kernstück der Betreuung der Teilnehmenden durch die PM. Nach erfolgter Vertrauensbildung öffnen sich die Teilnehmenden und besprechen ihre persönlichen Ziele mit dem PM. Zur besseren Auswertung erfolgen diese Gespräche nach einem Leitfaden, der Haupt- und Unterziele beinhaltet. Auch Änderungen von Zielen werden berücksichtigt. Ebenso werden Zweit- und Folgeziele dargestellt. In den Einzelgesprächen werden die Bindung zum Programm und die Bereitschaft zum Verbleib im Programm abgefragt. Weitgehend unabhängig von dem Zielerreichungsgrad der Ziele, wollen fast alle Teilnehmenden im Programm verbleiben und das nächste Gruppengespräch mit dem PM führen ( Abb. 2)

    Info

    Koautorin Regina Poppelreuter ist Betriebliche Gesundheitsmanagerin bei der Stadt Leverkusen.

    Koautor Rüdiger Schüller ist als Sportwissenschaftler bei der pronova BKK Köln in der Abteilung Gesundheitsförderung tätig und hat das Projekt „PLAN GESUNDHEIT“ mitenwickelt.

    Kontakt: ruediger.schueller@pronovabkk.de

    Für die Autoren

    Birgit Künanz

    Fachärztin für Öffentliches Gesundheitswesen

    Fachärztin für Allgemeinmedizin

    Stadt Leverkusen

    FB Medizinischer Dienst

    birgit.kuenanz@stadt.leverkusen.de

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