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Haftung und Verantwortung für Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit

Wer trägt Verantwortung?

Vor nicht allzu langer Zeit machte ein Urteil des Land- und Oberlandesgerichts Nürnberg die Runde (Urteil „Pappkartonstanze“, s. unten), das in der Arbeitsschutzwelt für einiges Aufsehen gesorgt hatte. Verurteilt wurde eine Fachkraft für Arbeitssicherheit zur Regresszahlung an den Unfallversicherungsträger und zur Schmerzensgeldzahlung an den Verunfallten. Bei näherer Betrachtung und dem Studium der Urteile und der Kommentare zum Urteil (s. hierzu mehrere Publikationen in den Zeitschriften „Sicherheitsingenieur“, „Sicher ist sicher“ und „BPUVZ – Zeitschrift für betriebliche Prävention und Unfallversicherung“) muss man jedoch ein differenziertes Bild darstellen (s. unten). Falsch wäre es zu sagen, dass nun durch das OLG Nürnberg die Fachkräfte für Arbeitssicherheit für den Arbeitsschutz generell verantwortlich wären. Die verschiedenen innerbetrieblichen Akteure im Arbeitsschutz sind sehr differenziert zu betrachten, auch abhängig davon, in welchem Rechtsverhältnis sie stehen.

Welche Akteure kennen wir? Da ist zum einen der Arbeitgeber bzw. Unternehmer. Er ist derjenige, der den Arbeitsplatz mit all seinen möglichen Gefährdungen stellt. Nach dem Verursacherprinzip ist er auch pauschal verantwortlich für die Einrichtung des Arbeitsplatzes, die Gestaltung der Arbeitsstätte – vorsichtig: bei Mietverhältnissen können Teile dieser Pflichten vertraglich beim Vermieter liegen – die Arbeitsmittel, die Arbeitsgegenstände, die Arbeitsaufgaben und -abläufe sowie die begleitenden Eingaben (z. B. Energie, Informationen) und Ausgaben (z. B. Abfall). Er ist zwar nicht für Umgebungseinflüsse, wie z. B. Witterungsverhältnisse, verantwortlich, hat diese aber bei seinen Betrachtungen ebenso zu berücksichtigen wie vorhersehbare Missbräuche.

Die Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ergibt sich nicht nur aus dem Arbeitsschutzgesetz. Allgemeine Rechtsvorschriften finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (insbesondere Fürsorgepflicht und Verkehrssicherungspflicht), dem Handelsgesetzbuch, dem Ordnungswidrigkeitenrecht und dem Strafgesetzbuch (Garantenstellung). Weitere Regelungen sind in speziellen Rechtsgebieten, z. B. dem Chemikaliengesetz, zu finden. Die Verantwortlichkeiten ergeben sich vor allem daraus, dass der Arbeitgeber bei seiner Tätigkeit Entscheidungsspielräume hat. Dr. Jürgen Schliephacke hat das einmal als das „Gesetz der Unauflöslichkeit“ bezeichnet (Schliephacke 2008). Befugnis (auch die, etwas nicht zu tun) und Verantwortung sind eng miteinander verbunden. Dieses Rechtsprinzip ist auch auf alle anderen Akteure übertragbar.

Von der Verantwortung abzugrenzen ist die Haftung. Um es mit den Worten von Prof. Dr. Thomas Wilrich auszudrücken: „Verantwortung tragen wir 24 Stunden am Tag. Haften müssen wir hoffentlich nie“ (Wilrich 2016, in Verbindung mit pers. Mitteilung). Die Haftung ist also das Wirksamwerden der Verantwortung. Im positiven Sinne „haftet“ der Unternehmer für den Unternehmenserfolg, d. h., den Gewinn kann er für sich einstecken. Selten wird der Haftungsbegriff aber in diesem positiven Sinne verstanden. Meist ist jemand seiner Verantwortung, d.h. seinen Pflichten aus den oben genannten Gesetzen nicht nachgekommen, indem er entweder etwas anderes (Falsches) getan hat (aktive Fehlhandlung) oder er hätte etwas tun müssen, hat es aber nicht (Unterlassung). Zur Unterlassung gehört allerdings dazu, dass der Handelnde tatsächlich in der rechtlichen Pflicht gewesen wäre, etwas zu unternehmen (Garantenstellung).

Die zweite große Personengruppe im Arbeitsschutz ist der Mitarbeiter selbst. Auch er hat Pflichten, sich nämlich so zu verhalten, dass er sich und andere nicht gefährdet. Er hat dazu die Weisungen, die er bekommt zu befolgen, sofern diese für ihn nicht erkennbar rechtswidrig sind. Dazu gehören z. B. das Tragen von Persönlicher Schutzausrüstung oder die Wahrnehmung eines Termins zur arbeitsmedizinischen Pflichtvorsorge (die eigentliche Untersuchung kann er jedoch verweigern). Ebenso hat der Mitarbeiter Unterstützungspflichten zum Arbeitsschutz. Diese Aufgabenzuweisung begründet jedoch nicht gleichzeitig eine Verantwortlichkeit, zumindest solange nicht, solange ihm keine Entscheidungskompetenz über Maßnahmen des Arbeitsschutzes übertragen wurden. Der Mitarbeiter hat aber auch Rechte, z. B. auf einen sicheren Arbeitsplatz, auf ausreichende Information und auf Leistungsverweigerung, sollte er sich selbst in gravierendem Maße durch die Anweisungen gefährdet sehen.

Zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter steht noch die große Gruppe der Führungskräfte. Es ist diskutierbar, ab welcher Ebene im Betrieb die Führungsebene anfängt, was für den Arbeitsschutz aber nicht so wichtig ist. Letztendlich kommt wieder das Gesetz der Unauflöslichkeit zum Tragen: Wurde Befugnis zur Mitarbeiterführung übertragen, ist die Führungskraft im Rahmen dieser Befugnisse auch verantwortlich. Zwar ist der Normadressat des Arbeitsschutzgesetzes primär der Arbeitgeber bzw. dessen juristischen Vertreter und der Betriebsleiter, aber im Ordnungswidrigkeitenrecht und Strafrecht kennt man auch den Betriebsteilleiter, dessen Beauftragung nur „ausdrücklich“, nicht aber zwingend schriftlich erfolgt sein muss. Dies wird auch im Unfallversicherungsrecht bestätigt (s. Infokasten).

Die häufig und viel zitierte Pflichtenübertragung nach § 13 Arbeitsschutzgesetz hat also eine weit geringere Bedeutung und gilt in erster Linie für Pflichten, die für andere Personen erledigt werden. Aufgaben, die originär bereits bei der Führungskraft liegen, bedürfen somit nicht unbedingt einer extra schriftlichen Übertragung.

Trotzdem sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass eine schriftliche Fixierung der zugewiesenen Verantwortungsspielräume eine gute Unternehmensorganisation dokumentiert und für alle transparent macht. Das Formular aus der DGUV-Regel 100-001 „Grundsätze der Prävention“, Ziff. 2.12, mit den darin einzutragenden Verantwortungsbereichen, Entscheidungsbefugnissen und Handlungsrahmen, macht vor allem bei übertragenen Einzelaufgaben, z.B. eigenverantwortliche Organisation der Ersten Hilfe im Betrieb durch einen engagierten Mitarbeiter, sehr viel Sinn.

Die Sicherheitsbeauftragten nach § 22 Sozialgesetzbuch VII sind rechtlich gesehen vergleichbar mit einem Mitarbeiter. Nicht nur für die Vorgesetzten, sondern auch für die Fachkraft für Arbeitssicherheit und den Betriebsarzt können sie eine wertvolle Unterstützung vor Ort sein („Mann der Basis“; „Augen und Ohren vor Ort – in Bezug auf unsichere Zustände“). Da sie aus ihrer Rolle als Sicherheitsbeauftragte keine speziellen Handlungsspielräume zugewiesen bekommen haben, sind sie auch nicht mehr oder weniger verantwortlich als alle anderen Mitarbeiter auch. Aber die Verantwortung, die sich aus dem normalen „Haupt-Job“ ergibt, bleibt unverändert bestehen.

Aufgaben der Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit

Zu den großen Akteuren im betrieblichen Arbeitsschutz gehören die Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit. Deren Aufgaben werden im Arbeitssicherheitsgesetz geregelt und in der DGUV Vorschrift 2 weiter konkretisiert. Die Aufgaben der Fachkräfte für Arbeitssicherheit können vereinfacht ausgedrückt mit dem Begriff PUBBE abgekürzt werden:

  • sicherheitstechnisch prüfen,
  • den Arbeitgeber unterstützen,
  • die Arbeitsbedingungen beobachten,
  • Arbeitgeber, Führungskräfte, Mitarbeiter und Betriebsrat beraten,
  • einwirken, dass sich die Mitarbeiter sicher verhalten1.

Bei den Betriebsärzten steht im Arbeitssicherheitsgesetz statt der sicherheitstechnischen Überprüfung die arbeitsmedizinische Untersuchung im Vordergrund. Ansonsten ist die Aufgabenverteilung gleich.2 Hierzu ist allerdings zu sagen, dass die jeweilige Perspektive nicht vergleichbar ist. Denn der Betriebsarzt – als Vertreter eines Heilberufes – übt diese Aufgabe aus (präventiv-)medizinischer Sicht aus, die Fachkraft für Arbeitsicherheit aus (präventiv-)technischer bzw. (präventiv-)ingenieurswissenschaftlicher Sicht.

Der Gesetzgeber und die Unfallversicherungsträger definieren demnach konkrete Pflichten. Mit der Bestellung übernehmen die Fachkraft und der Betriebsarzt diese Pflichten. Bei fest angestellten Personen entsteht eine arbeitsrechtliche Aufgabendefinition, bei der überbetrieblichen Bestellung eine (dienstleistungs-)vertragliche.

Darüber hinaus können natürlich beiden Akteuren noch weitere Aufgaben zugewiesen bzw. übertragen werden. Das trifft zwar seltener bei den Betriebsärzten zu (z. B. in Großbetrieben gleichzeitige Tätigkeit als betrieblicher Notarzt) aber in kleinen und mittelständischen Unternehmen hat die Fachkraft für Arbeitssicherheit häufig zwei „Hüte“ auf, beispielsweise als Ausbildungsleiter oder Leiter der Instandhaltung. Bei diesen Konstrukten muss man sehr genau hinschauen, auf welche Rolle sich die Verantwortlichkeit bezieht: die der Fachkraft oder die des – bleiben wir bei den Beispielen – Vorgesetzten.

In der Rolle der Fachkraft für Arbeitssicherheit oder des Betriebsarztes sind gesetzliche Aufgaben definiert, die erfüllt werden müssen. Beide Akteure müssen also im Rahmen ihrer Möglichkeiten aktiv sein und richtig beraten. Anders formuliert: Sich in das stille Kämmerlein zurückzuziehen und darauf zu warten, bis jemand mit einem Anliegen kommt, wäre ein Unterlassungsdelikt, da die oben erwähnten Pflichten nicht wahrgenommen wurden. In der Tat sind auch solche Rechtsfälle bekannt, z. B. erhielt eine dem Autor bekannte Fachkraft einen Strafbefehl, weil man ihr nachweisen konnte, dass sie in dem Unternehmensteil, in der ein Unfall passierte, seit mehreren Jahren nicht mehr vor Ort war.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass dem Autor nur Rechtsfälle bekannt sind, die sich gegen Fachkräfte für Arbeitssicherheit richten, nicht jedoch gegen Betriebsärzte. Die einzigen gerichtlichen Auseinandersetzungen, die über Betriebsärzte bekannt geworden sind, haben nichts mit der Rolle als Betriebsarzt zu tun, sondern mit dem ärztlichen Berufsrecht, z. B. Titelmissbrauch.

Schutzwirkung für Dritte

Man könnte meinen, dass sich das Rechtsverhältnis der Fachkräfte für Arbeitssicherheit und der Betriebsärzte mit dem Arbeitgeber sich nur darauf bezieht, dass in diesem Bezug (Erfüllung des Arbeitssicherheitsgesetzes und der vertraglichen Pflichten) die Aufgaben erfüllt werden. Anders ausgedrückt: Wenn ein Mitarbeiter, also eine dritte Person, geschädigt wird, sei nur der Arbeitgeber als verantwortliche Person für die Umsetzung des Arbeitsschutzes verantwortlich. Doch dem ist nicht so. Im Bürgerlichen Gesetzbuch wird explizit die Möglichkeit eingeräumt, dass eine rechtliche Beziehung zwischen zwei Akteuren eine Schutzwirkung zugunsten Dritter erzeugen kann. So heißt es in § 311 Abs. 3 BGB: Ein Schuldverhältnis „kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt“. Dies kann bei Arbeitnehmern, die sich in der Regel darauf verlassen, dass die hauptberuflichen Akteure des Arbeitssicherheitsgesetzes ihre Arbeit gut machen, angenommen werden.

Genau diese Schutzwirkung zugunsten Dritter war im eingangs erwähnten Rechtsstreit (Urteil Pappkartonstanze) eine der bemerkenswerten juristischen Klarstellungen. Das Gericht sah klar eine Schadenersatzpflicht, die sich aus dem Dienstleistungsvertrag eines externen sicherheitstechnischen Dienstes ergeben hat, nicht nur beim anderen Vertragspartner, sondern auch bei dem eigentlich geschädigten Arbeitsnehmer, obwohl dieser in keinem unmittelbaren Rechtsverhältnis zum beklagten sicherheitstechnischen Dienst stand.

Fazit: Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte tragen Verantwortung für die Aufgaben, die dem Aufgabenkatalog des Arbeitssicherheitsgesetzes entsprechen sowie den sonstigen vertraglichen Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber/Unternehmer. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Schutzwirkung für Dritte gegenüber den Arbeitnehmern – aber nur in Bezug auf die Aufgaben gemäß Arbeitssicherheitsgesetz, nicht jedoch in Bezug auf die Aufgaben des Arbeitgebers (gemäß Arbeitsschutzgesetz). In dem Augenblick, in dem Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder Betriebsärzte neben ihrer eigentlichen Bestellung auch andere Aufgaben übernehmen, sind sie für diese anderen Aufgaben, wie jeder Mitarbeiter sonst auch, in der Verantwortungskette.

Haftungsgebiete

Haftung ist nicht gleich Haftung. Zu jedem Haftungsfall muss immer dazu gesagt (oder gedacht) werden, in welchem Rechtsgebiet man sich befindet. Davon sind die möglichen Haftungsfolgen (Schadenersatz, Bußgeld, Haftstrafe, Kündigung etc.) abhängig.

  • Arbeitsrechtliche Haftung: Sie gilt nur für angestellte Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit. Als Folge der Nichterfüllung der Aufgaben aus Arbeitsvertrag und Arbeitssicherheitsgesetz kann der Arbeitgeber die normalen disziplinarrechtlichen Konsequenzen ziehen: Ermahnung, Abmahnung und Kündigung. Allerdings sind sowohl die Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit besonders geschützt: ihre Berufung oder Abbestellung (es muss nicht gleich eine Kündigung sein!) bedarf der Zustimmung des Betriebsrates oder Personalvertretung (§ 9, Abs. 3 ASiG – bei externer Beauftragung muss der Betriebsrat gehört werden).
  • Haftung aus vertraglicher Vereinbarung: Bei Nichterfüllung der vertraglichen Aufgaben kann ein Vertragspartner zum einen den Vertrag gemäß den vereinbarten Kündigungsklauseln ordentlich oder außerordentlich kündigen. Darüber hinaus kann der eine Vertragspartner den anderen auf Schadenersatz verklagen, wenn durch die vertragliche Pflichtverletzung ihm ein (wirtschaftlicher) Schaden entstanden ist. Die Möglichkeit einer Schadensersatzforderung bei festem Anstellungsverhältnis sind jedoch nach Sozialgesetzbuch VII eingeschränkt. Bei Personenschäden aufgrund eines Arbeits- oder Wegeunfalls bzw. einer Berufskrankheit geht diese zum einen auf den Unfallversicherungsträger über, zum anderen kann die Unfallversicherung nur bei grober Fahrlässigkeit gegenüber einem Mitarbeiter in Regress gehen. Gegenüber Nicht-Firmenangehörigen (z. B. externen Dienstleistern) ist das bereits bei normaler Fahrlässigkeit möglich.
  • Ordnungswidrigkeitenrecht: Arbeitsschutzgesetz, Arbeitssicherheitsgesetz und etliche Regelungen im Unfallversicherungsrecht sind bußgeldbewehrt. Dies könnte sich auch gegen die Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder Betriebsärzte richten. Real ist dem Autor allerdings kein Fall bekannt, eher passiert es, dass dem Arbeitgeber bzw. Unternehmer mitgeteilt wird, dass die Behörde die Fachkraft für Arbeitssicherheit oder den Betriebsarzt für nicht geeignet hält.
  • Verkehrssicherungspflicht: Die allgemeine Verkehrssicherungspflicht leitet sich aus der Schadensersatzpflicht bei widerrechtlicher Handlung ab. Um es wieder mit den Worten von Prof. Dr. Wilrich zu formulieren: „Tue alles, damit niemand zu Schaden kommt“ und dementsprechend kein Schadenersatz fällig wird. Man kann aber nur für den eigenen Zuständigkeitsbereich verkehrssicherungspflichtig sein, also dort, wo man selbst entweder falsch gehandelt hat oder zum Handeln in der Pflicht gewesen wäre.
  • Garantenstellung: Die Garantenstellung ist der Verkehrssicherungspflicht sehr ähnlich, mit dem Unterschied, dass die Rechtsfolge nicht der Schadenersatz ist, sondern eine Maßnahme des strafrechtlichen Vollzugs (Bußgeld, Strafbefehl, Haftstrafe mit oder ohne Bewährung). Verurteilt wird man nach einem Straftatbestand, z. B. fahrlässige Körperverletzung. Auch hier gibt es die zwei Varianten: Man kann etwas aktiv falsch machen oder man wäre verpflichtet gewesen, etwas zu tun, hat es aber nicht. Entweder weil die Handlungsaufforderung so direkt im Gesetz steht oder weil man die zuständige Person gewesen wäre, die
    • zum Handeln befugt ist und
    • zum Handeln in der (vertraglichen) Pflicht war.

Sonderstellung externer Fachkräfte für Arbeitssicherheit und externer Betriebsärzte

Wie oben erwähnt, gibt es bei Arbeitsverträgen die Besonderheit, dass anstelle des Vertragspartners in Form des Arbeitgebers oder des Kollegen die zuständige Unfallversicherung in die Haftung eintritt. Man spricht vom Haftungsprivileg nach Sozialgesetzbuch VII – eine für die Unternehmer in Deutschland sehr fortschrittliche Regelung, da unnötige und nervenaufreibende innerbetriebliche Haftungsklagen demnach ausgeschlossen sind. Für die Mitarbeiter bedeutet es Rechtssicherheit, da auch für den Fall, dass das Unternehmen insolvent werden würde, die zuvor geschädigten oder erkrankten Mitarbeiter weiterhin über die Solidargemeinschaft die medizinischen Leistungen erhalten bzw. die Rentenzahlung fortgesetzt wird.

Dieses Haftungsprivileg gilt jedoch nur für den Arbeitgeber und dessen Mitarbeiter. Nicht jedoch für andere Vertragspartner, wie z. B. externe sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Dienste. Das war schon immer so, ist jetzt aber durch das Pappkartonstanzenurteil wieder deutlich geworden. Im konkreten Fall wurde ein überbetrieblicher sicherheitstechnischer Dienst neben dem Maschinenhersteller (auch hier besteht ein externes Vertragsverhältnis (Kaufvertrag, Servicevertrag bzw. Haftung nach Produktsicherheits- und Produkthaftungsgesetz) durch die zuständige Berufsgenossenschaft auf Regress verklagt. Hintergrund war eine Bemerkung im kurz vor dem Unfall an der Pappkartonstanze erstellten Protokoll der Fachkraft für Arbeitssicherheit in dem betroffenen Arbeitsbereich, die lautete: „Bei der Begehung traten keine arbeitssicherheitstechnischen Aspekte auf.“ Da die Maschine aber schwere Mängel (zu große und nicht gesicherte Zugriffsöffnung zu der Gefahrenstelle) hatte, wertete die Unfallversicherung dies als fahrlässiges Verhalten, da der Mangel hätte auffallen müssen. Länger zurückliegende allgemeine Anmerkungen der Fachkraft zu offenen Einzugsstellen wurden als nicht ausreichend erachtet.

Im abschließenden Urteil des OLG Nürnberg (Urteil vom 17.06.2014 – Az. 4 U 170/12) wurde die Schuld auf drei Akteure aufgeteilt: auf den Maschinenhersteller, auf den sicherheitstechnischen Dienst und auch auf den Arbeitgeber. Da keine grobe Fahrlässigkeit festgestellt wurde, kam der Arbeitgeber in den Genuss der Haftungsprivilegierung, die Unfallversicherung musste dessen Anteil selbst bezahlen. Maschinenhersteller und sicherheitstechnische Dienstleister waren von diesem Haftungsprivileg allerdings ausgeschlossen, da sie „Externe“ waren. Insofern genügte für den Regressanspruch die einfache Fahrlässigkeit.

Fazit: Grundsätzlich müssen Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte sorgfältig arbeiten, um ihrer Verantwortung im Sinne des Arbeitssicherheitsgesetzes und der geschlossenen Verträge nachzukommen. Vor allem die externe Fachkraft für Arbeitssicherheit und der externe Betriebsarzt sind gut beraten, Berufshaftpflichtversicherungen abzuschließen, um im Fall der Fälle zumindest nicht in den wirtschaftlichen Ruin zu kommen.

Literatur

Damberg W: Fahrlässigkeit der Verantwortung. Wiesbaden: Universum Verlag, 2004.

Kollmer N, Klindt T: Arbeitsschutzgesetz mit Arbeitsschutzverordnungen – Kommentar. 2. Aufl. München: Verlag C.H. Beck, 2011.

Nöthlichs M: Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit. Ergänzbarer Kommentar zum Arbeitsschutzgesetz und Arbeitssicherheitsgesetz, Stand 31. Ergänzungslieferung Mai 2016, Berlin: Erich Schmidt Verlag, 2015.

Schliephacke J: Führungswissen Arbeitssicherheit. 3. Aufl. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 2008.

Wilrich T: Sicherheitsverantwortung. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 2016.

Fußnoten

1 Hinweis: Einwirken (oder Hinwirken wie es im Gesetz steht) heißt nicht, dass die Fachkraft oder der Betriebsarzt weisungsbefugt wäre. Das sind sie nicht, solange ihnen dies nicht explizit übertragen worden ist. Umgekehrt sind beide bei der Anwendung der Fachkunde nicht weisungsgebunden, d. h. unabhängig von manipulativen Einflüssen von außen.

2 Neben dem ASiG werden in anderen Regelwerken darüberhinausgehende und deutlich weiter auseinanderliegende Aufgaben und Kompetenzen beschrieben, so z.B. in der TROS inkohärente optische Strahlung Teil 1 für die Fachkräfte für Arbeitssicherheit sowie in der GefStoffV und vor allem ArbMedVV für die Arbeitsmediziner.

    Info

    Aus der früheren Durchführungsanweisung zur BGV A1:

    „Vorgesetzte und Aufsichtführende sind aufgrund ihres Arbeitsvertrages verpflichtet, im Rahmen ihrer Befugnis die zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren erforderlichen Anordnungen und Maßnahmen zu treffen und dafür zu sorgen, dass sie befolgt werden. Insoweit trifft sie eine zivilrechtliche und strafrechtliche Verantwortlichkeit; diese besteht unabhängig von einer Verantwortung aus § 9 Abs. 2 Nr. 2 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten.“

    Weitere Infos

    DGUV-Regel 100-001 „Grundsätze der Prävention“

    www.dguv.de/medien/inhalt/praevention/vorschr_regeln/vorschrift-1/100-001.pdf

    Autor

    Prof. Dr. rer. nat. Arno Weber

    Arbeits- und Gesundheitsschutz

    Hochschule Furtwangen

    Fakultät Gesundheit, Sicherheit, Gesellschaft

    Robert-Gerwig-Platz 1

    78120 Furtwangen

    weba@hs-furtwangen.de

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