ASU: Könnten Sie den Lesern von ASU bitte kurz einige Fakten und Zahlen zur Deutschen Rentenversicherung Westfalen nennen?
Herr Keck: Die Deutsche Rentenversicherung Westfalen (DRV Westfalen) ist ein re-gionaler Träger der gesetzlichen Rentenversicherung. 55 % aller rentenversicherten Frauen und Männer sind unsere Versicherten – unsere Kunden. Der Hauptsitz der DRV Westfalen in Münster betreut knapp 5 Mio. Versicherte. Davon sind knapp 1,3 Mio. Rent-nerinnen und Rentner. In den regionalen Auskunfts- und Beratungsstellen unterhalten wir ein umfassendes Dienstleistungs- und Beratungsangebot für alle 8,3 Mio. Einwohner im Landesteil Westfalen. Der Leistungskatalog der Rentenversicherung umfasst u. a. die Zahlung von Renten sowie die Erbringung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Wir betreiben außerdem fünf trägereigene Rehabilitationskliniken in Bad Salzuflen, Bad Driburg, Ennepetal, Bad Rothenfelde und Norderney für verschiedene Indikationsbereiche. Bei der DRV Westfalen sind ca. 2200 Beschäftigte in der Hauptverwaltung sowie ca. 780 Beschäftigte in den Kliniken tätig.
ASU: Was verbirgt sich hinter dem Projekt RehaFutur Real®?
Herr Keck: Das bundesweite Entwicklungsprojekt RehaFutur des BMAS hat verschiedene Handlungsansätze zur Weiterentwicklung der beruflichen Rehabilitation aufgezeigt. Unser Haus hat Anfang 2011 begonnen, verschiedene Aspekte dieser Ergebnisse in die Praxis umzusetzen. Entstanden ist das Modellprojekt RehaFuturReal®, ein warenzeichengeschützter neuer Beratungsansatz in der beruflichen Rehabilitation der Deutschen Rentenversicherung Westfalen in Kooperation mit dem BFW Dortmund. Er wird seit Frühjahr 2013 auch wissenschaftlich evaluiert durch die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen. Das Konzept soll die Beschäftigungsfähigkeit der Rehabilitanden durch die nachhaltige Umsetzung von Indi-vidualisierung, Flexibilisierung und Inte-grationsorientierung im Rahmen des Rehabilitationsprozesses erreichen und fördern.
Im Rahmen dieses Modellversuchs sichert die veränderte Steuerung des Rehabilita-tionsprozesses ein aktives, strukturiertes und vernetztes Rehabilitationsmanagement. Der Leistungsberechtigte wird im Sinne der Selbstbestimmung als aktiver Partner in den Rehabilitationsprozess und bei Entscheidungen mit einbezogen. Ein besonderer Fokus wird auf die intensive und zeitnahe Einbeziehung der Betriebe und Unternehmen gelegt. Durch die direkte Einbindung eines Berufsförderungswerks werden verschiedene Formen der beruflichen Bildungsbera-tung, der technischen Beratung und Vermittlungsaufgaben im regionalen Arbeitsmarkt des Rehabilitanden erbracht. Außerdem erhalten Betriebe und Unternehmen die Möglichkeit der Nutzung eines betrieblichen Beratungsangebotes durch die Deutsche Rentenversicherung Westfalen (Betriebs-service Gesunde Arbeit).
ASU: Was war Ihre Motivation für ein derartiges Projekt und was sind wesentliche Merkmale von RehaFuturReal®?
Herr Keck: Aufgrund der demografischen Entwicklung steigt das Durchschnittsalter in deutschen Betrieben. Ein langsam einsetzender Fachkräftemangel und gestiegene Personalkosten führen zu der Erkenntnis, dass die Beschäftigten die zentrale Ressource für den Unternehmenserfolg darstellen. Ältere Arbeitnehmer sind im Durch-schnitt länger arbeitsunfähig und haben einen steigenden Rehabilitationsbedarf. Insbesondere Klein- und Mittelbetriebe sind mit der Umsetzung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 (SGB IX) überfordert und benötigen in die-sem Bereich Unterstützung der Sozialleistungsträger. Neue Beratungs- und Unterstützungskonzepte für Beschäftigte und Betriebe sind gerade in diesem Kontext nötig, um Integrations- und Beschäftigungsfähigkeit bis ins Renteneintrittsalter zu ermöglichen. Im Rahmen von RehaFuturReal® wird durch umfassende Beratungsleistungen und eine zielgerichtete Kooperation und Ver-netzung der Teilhabeprozess der Rehabilitanden erheblich verbessert. In der Deutschen Rentenversicherung Westfalen etablieren wir eine Dienstleistungsphilosophie, die den Rehabilitanden und den Arbeitgeber als Partner versteht. Dieser Entwicklungsprozess muss langfristig angelegt und durch Beratung und Schulung unterstützt werden.
ASU: Können Sie über erste Ergebnisse die-ses Modellprojekts berichten?
Herr Keck: Erste Ergebnisse des Modellversuchs RehaFuturReal® zeigen bereits, dass die Beschäftigungsfähigkeit gerade älterer Arbeitnehmer, die aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis heraus einen Re-habilitationsbedarf hatten, durch unsere An-sätze erheblich verbessert werden konnte. Dabei waren vielfach kreative Lösungsansätze nötig, um beeinträchtigte Mitarbeiter wieder in den Betrieb zu integrieren. Besonders förderlich war bei diesen Integrationsansätzen die aufsuchende Beratung durch unseren Rehabilitationsfachberatungsdienst, der sowohl die Betroffenen wie auch die Arbeitgeber im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements umfassend unterstützt hat. Im Betrieb wurden Integrationsteams gebildet, wo gerade auch der Betriebsarzt eine besondere Rolle spielte. Genutzt wurden die verschiedenen Leistungsangebote insbesondere der beruflichen Rehabilitation sowie die enge Kooperation mit einem Berufsförderungs-werk.
ASU: Wo sehen Sie die berufliche Rehabilitation in 5 Jahren?
Herr Keck: Die demografische Entwicklung stellt eine große Herausforderung für die Rehabilitationsträger dar. In der beruflichen Rehabilitation werden neue Konzepte benötigt, die gemeinsam mit allen Beteiligten an individuellen Lösungen zur beruflichen Integration arbeiten. Die Ergebnisse von RehaFuturReal® zeigen, dass in Zukunft ein großer Beratungsbedarf bei Rehabilitan-den und Arbeitgebern besteht. Dabei wird insbesondere die Unterstützung im Betrieblichen Eingliederungsmanagement und die Perspektiverweiterung in Richtung Präven-tion und Betriebliches Gesundheitsmanagement eine wichtige Rolle spielen. In der Weiterentwicklung derartiger Konzepte wird es darum gehen, den Beratungsbedarf der Rehabilitanden durch geeignete Screening-verfahren noch besser individuell zu ermitteln. Notwendig sein wird ein zielgerichtetes Case Management mit adressatenorientierten Beratungsansätzen und funktionsfähigen Netzwerken der Kooperation. Leistungsträger und Leistungserbringer müssen Ihre Angebote dahingehend überprüfen und ggf. anpassen.
ASU: Vielen Dank für dieses Gespräch!
Das Gespräch führten:
Ludger Peschkes und Andreas Weber
Berufsförderungswerk Dortmund