Die STIKO-Impfempfehlungen werden regelmäßig aktualisiert und können auf der Homepage des Robert Koch-Instituts (RKI) kostenlos heruntergeladen werden (siehe „Weitere Infos“ am Ende des Beitrags).
In der aktuellen Fassung findet sich folgende Feststellung: „Impfungen zum Dritt- oder Bevölkerungsschutz aufgrund hygienischer Indikation sind keine Aufgabe des Arbeitsschutzes.“
Nosokomiale Infektionen spielen in der klinischen Praxis eine immer größer werdende Rolle
Die aktuellen STIKO-Empfehlungen umfassen hingegen eine Reihe von beruflich indizierten Impfungen, die im Gesundheitswesen sowohl das Medizinische Personal als auch die betreuten Patienten schützen. Wenngleich nur ein Teil der nosokomialen Infektionen impfpräventabel sind, wird vor dem Hintergrund der hohen Inzidenz nosokomialer Infektionen der Infektionsschutz im Krankenhaus nur bei einer interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Arbeitsmedizin und Krankenhaushygiene zu einer Verminderung der Mortalität und Morbidität führen.
Nosokomiale Infektionen spielen eine zunehmende Rolle in der klinischen Praxis. Pro Jahr treten etwa 400 000 bis 600 000 Krankenhausinfektionen in Deutschland auf. Jedes Jahr versterben rund 10 000 bis 15 000 Patienten an Krankenhausinfektionen. Nach Angaben aus der Literatur beträgt der Anteil der vermeidbaren Infektionen 20–30 %, das heißt, etwa 80 000 bis 180 000 Infektionen sind potenziell vermeidbar.
20 bis 30 % aller nosokomialer Infektionen wären vermeidbar
Die Rolle, die medizinische Beschäftigte in der Übertragung von nosokomialen Infektionen und insbesondere von multiresistenten Erregern (MRE) spielen, ist nicht hinreichend geklärt. Die Ursachen hierfür sind vielfältig und beruhen beispielsweise auf fehlenden Konzepten für den Umgang mit kolonisierten Mitarbeitern.
Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) am RKI hat im Oktober 2012 erstmals eine Empfehlung zu Hygienemaßnahmen bei multiresistenten gramnegativen Erregern (MRGN) gegeben, die von der Homepage des RKI heruntergeladen werden können (s. unten).
Das RKI hat ein neues System der phänotypischen Erreger-Einteilung entwickelt, wobei die Empfindlichkeit gegenüber den folgenden vier für die Therapie besonders relevanten Antibiotikagruppen bewertet wird:
Ein Erreger, der gegen drei Leitsubstanzen dieser vier Antibiotikaklassen nicht sensibel ist, wird in Zukunft 3MRGN (3-Multi-Resistenter Gram-Negativer Erreger) genannt, ein Erreger, der gegen alle vier Leitsubstanzen nicht sensibel ist, 4MRGN.
Postexpositionsprophylaxe (PEP)
Ein weiteres wichtiges Kapitel sind Maßnahmen der Postexpositionsprophylaxe nach Nadelstichverletzungen (NSV). Bezüglich Hepatitis B werden die Empfehlungen zur HBV-PEP von der STIKO aktuell überarbeitet, die neuen Empfehlungen werden im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht (s. unten).
Ebenso werden zurzeit die „DeutschÖsterreichischen Empfehlungen zur Postexpositionellen Prophylaxe der HIV-Infektion (HIV-PEP)“ aktualisiert. Die Empfehlungen werden voraussichtlich noch 2013 auf der Homepage der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG) veröffentlicht werden (www.daignet.de/site-content).
Da es bezüglich Hepatitis C weder eine Impfung noch eine PEP gibt, hat bei einer aktiven HCV-Infektion des Indexpatienten das Follow-up der Mitarbeiter den höchsten Stellenwert. Gemäß der S3-Leitlinie „Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-C-Virus(HCV)-Infektion, AWMF-Register-Nr.: 021/012“ soll bei einem HCV-infektiösen Indexpatienten nach zwei bis vier Wochen und, falls negativ, ebenso sechs bis acht Wochen nach Exposition eine HCV-PCR beim Verletzten durchgeführt werden.
EU-Richtlinie 2010/32
Die im Juni 2010 veröffentlichte EU-Direktive 2010/32/EU zur Vermeidung von NSV legt Mindestanforderungen zur Prävention fest und ist von allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bis spätestens 11. Mai 2013 auf nationaler und lokaler Ebene umzusetzen.
Die neue Richtlinie erfordert eine erneute Überarbeitung der Technischen Regel für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA 250) sowie der Biostoffverordnung und verlangt beispielsweise die Implementierung lokaler, nationaler und europaweiter Meldesysteme, um die epidemiologische Erfassung und Bewertung von NSV zu verbessern. Die Betriebsärzte im Gesundheitswesen werden bei der Umsetzung der neuen EU-Richtlinie eine tragende Rolle spielen müssen, um die rechtlichen Vorgaben angemessen in die Praxis zu implementieren.
Infektiöse Mitarbeiter
Die nosokomiale Übertragung von blutübertragbaren Infektionen durch medizinisches Personal ist in der nationalen und internationalen Literatur beschrieben worden. Die Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV) hat bereits im Jahr 2007 für Hepatitis B und Hepatitis C sowie im Jahr 2012 für HIV Empfehlungen zum Einsatz von infektiösen Mitarbeitern im Gesundheitswesen veröffentlicht.
Die infektiologischen Herausforderun gen für im Gesundheitswesen tätige Betriebs ärzte sind vielfältig. Maßnahmen zur Vermeidung von Infektionen müssen den aktuellen Erkenntnissen der Infektionsmedizin entsprechen, hierzu gibt es evidenzbasierte Publikationen der Fachgesellschaften, die regelmäßig aktualisiert werden und meist frei im Internet zugänglich sind.
Autorin
Priv.-Doz. Dr. med. S. Wicker
Leiterin Betriebsärztlicher Dienst
Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität
Theodor-Stern-Kai 7
60590 Frankfurt
E-Mail: sabine.wicker@kgu.de
Weitere infos
STIKO-Impfempfehlungen:
www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Empfehlungen/Impfempfehlungen_node.html
Der Referentenentwurf zur Änderung der arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) gibt Hinweise zu arbeitsmedizinisch relevanten Impfungen:
www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsschutz/Meldungen/verordnung-arbeitsmed-vorsorge.html
Empfehlung zu Hygienemaßnahmen:
www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/Kommission/kommission_node.html
Epidemiologisches Bulletin:
www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/epid_bull_node.html
EU-Richtlinien:
www.arbeitsinspektion.gv.at/NR/rdonlyres/40B0FA7C-4B56415A-A431-918B07FEEB49/0/RL_2010_32_EU.pdf
„Prävention der nosokomialen Übertragung von Hepatitis-BVirus (HBV) und Hepatitis-C-Virus (HCV) und HIV durch im Gesundheitswesen Tätige“:
http://www.dvv-ev.de/therapieempfehlungen/de/hbvhcv.pdf