In der chemischen Industrie sind mittlerweile viele Arbeitsplätze nur noch gering hautbelastend (z. B. Tätigkeiten an Prozessleitsystemen, Produktion in geschlossenen Systemen). Dennoch gibt es noch immer Tätigkeiten, bei denen es zu Produktkontakt kommen kann. Dazu einige Beispiele:
- Entnahmen von Proben aus den Produktionsanlagen zur Analyse bzw. Qualitätssicherung.
- Einfüllen von Chemikalien in Pulverform aus sog. Big-Bags, da hierbei trotz Absauganlagen Stäube entstehen, die zu einer Produktexposition führen.
- Bei Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten werden die geschlossenen Produktionsanlagen geöffnet, um die Kessel und Rohre zu reinigen und gegebenenfalls auch auszutauschen. Hierbei besteht die Möglichkeit, dass trotz vorhergehender Spülung noch Produktreste in den Rohren vorhanden sind.
- Bei Produktaustritten infolge von Zwischenfällen (z. B. versehentlich nicht geschlossenes Ventil, defekte Leitungen, Verpuffungen usw.).
- Produktkontakt durch Unachtsamkeit, z. B. beim Ausziehen von Handschuhen.
- Reinigungsmaßnahmen in kontaminierten Bereichen.
Um in diesen Fällen eine dermale Exposition mit Chemikalien zu verhindern, ist das Tragen von persönlicher Schutzausrüstung (PSA) erforderlich. Dazu gehören je nach Erfordernis das Tragen von geeigneten Schutzhandschuhen, Schutzbrille, Stiefeln, Atemschutz und Chemikalienschutzanzug. Die Auswahl der PSA richtet sich nach der Gefährlichkeit der Chemikalien. Für die als Gefahrstoffe geltenden Chemikalien gibt es nach dem „global harmonisierten System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien“ (GHS) H-Sätze, wobei H für Hazard (Gefahr) steht. Die für bei Hautkontakt relevanten H-Sätze sind im folgenden Info-Kasten aufgeführt.
Die Handschuhe müssen für die betreffenden Chemikalien geeignet sein, da es bei Handschuhen aus ungeeignetem Material zur Penetration der Chemikalien in Abhängigkeit von der Tragezeit kommen kann. Ein wesentlicher Parameter für die Eignung eines Schutzhandschuhs ist daher die Durchbruchszeit des Handschuhs, die beschreibt, ab welchem Zeitpunkt mit einer Penetration der entsprechenden Substanz zu rechnen ist. Geeignet sind Handschuhe in der Regel, wenn sie eine Durchbruchszeit von über 480 Minuten für die betreffende Substanz haben. Generell werden Chemikalienschutzhandschuhe mit dem Erlenmeyerkolben gekennzeichnet.
Bei Chemikalienschutzanzügen gibt es unterschiedliche Schutzklassen; der schwere Chemikalienschutzanzug schützt in Verbindung mit Atemschutz auch für gasförmige Substanzen. Schutzanzüge für Flüssigkeiten können teilweise auch ohne Atemschutz getragen werden. Durch ihre fehlende Atmungsaktivität führen die Schutzanzüge zu einem erheblichen Schwitzen bei Tragezeiten über 20 Minuten.
Zur Auswahl der geeigneten PSA ist es hilfreich, wenn ein entsprechender Katalog für den Betrieb zur Verfügung steht. Eine interne Datenbank über die verfügbaren Chemikalienschutzhandschuhe kann die Auswahl der geeigneten Handschuhe deutlich erleichtern. In einer entsprechenden Datenbank können die chemischen Substanzen eingegeben werden, woraufhin die geeigneten Schutzhandschuhe mit Angaben zu den Durchbruchzeiten aufgeführt werden.
Sollte es trotz der o. g. Schutzmaßnahmen zu einem Produktkontakt gekommen sein, ist die wichtigste Maßnahme das sofortige Spülen der betroffenen Hautareale mit Wasser für etwa 10 Minuten. Hierfür sollten in allen Gefahrbereichen entsprechende Notduschen vorhanden sein. Nur bei wenigen Substanzen ist darüber hinaus eine spezifische Dekontamination erforderlich (z. B. mit Polyethylenglykol bei Phenol oder Kresol). Eine umgehende ärztliche Vorstellung ist nach dem Spülen erforderlich, um über die weitere Therapie zu entscheiden. Nach Unfällen mit Produktkontakt wird in der BASF der betroffene Mitarbeiter vom werkseigenen Rettungsdienst in der durchgehend geöffneten Werksambulanz vorgestellt. Bei begrenzten erst- und zweitgradigen Verätzungen (z. B. durch Natronlauge oder Schwefelsäure) erfolgt die medizinische Erstbehandlung zunächst mit potenten lokalen Steroiden und einem Verband. Eine Nachschau nach 24 Stunden ist obligatorisch, die weitere Behandlung erfolgt danach meist mit desinfizierenden Externa und ggf. mit Hydrokolloidverbänden. Bei ausgedehnteren oder tiefer gehenden Verätzungen erfolgt die umgehende Verlegung in eine Unfallklinik.
Bei möglichem Kontakt zu hautresorptiven Stoffen kann oft ein Biomonitoring aus Urin oder Blut klären, ob die getroffenen Schutzmaßnahmen ausreichend wirksam sind. Beispiele sind hier Bisphenol A oder Quecksilber.
Zur Vorbeugung von Hautkrankheiten sollte im Betrieb ein Hautschutzplan erstellt werden, der auf die jeweiligen Arbeitsbereiche abgestimmt ist. Hautschutzpräparate sind blau gekennzeichnet und werden vor Arbeitsbeginn aufgetragen. Die Hautreinigungsmittel (grüne Kennzeichnung) sind je nach Verschmutzungsgrad geordnet, wobei auf eine möglichst schonende Hautreinigung geachtet wird. Die Hautpflegepräparate (rote Kennzeichnung) sollen nach der Hautreinigung aufgetragen werden. Gute Informationen zur Prävention von Hauterkrankungen finden sich im Merkblatt A023 der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie. Zum Thema Gefährdung durch Hautkontakt bietet die TRGS 401 ausführliche Informationen (siehe „Weitere Infos“).
Beispiele für Dermatosen im betriebsärztlichen Alltag
Das Tragen von Chemikalienschutzanzügen kann durch das damit verbundene starke Schwitzen zur Verschlechterung einer atopischen Dermatitis führen. Auch Pilzerkrankungen treten im feuchten Milieu der Anzüge und Sicherheitsstiefel gehäuft auf. Ebenfalls durch stärkeres Schwitzen wird eine Pityriasis versicolor begünstigt. Beim längeren Tragen von okklusiven Handschuhen im Laborbereich kann es zum Auftreten eines dyshidrosiformen Handekzems kommen. Häufiges Waschen der Hände bei Verschmutzungen führt nicht selten zu einem chronisch degenerativen Handekzem. Der wiederholte Kontakt zu hautsensibilisierenden Substanzen (z. B. Thiurame in der Gummiproduktion, Acrylate in der Kunststoffproduktion) kann zu einem allergischen Kontaktekzem führen. Auch Sensibilisierungen auf die verwendeten Schutzhandschuhe sind möglich, aber glücklicherweise recht selten. In allen diesen Fällen empfiehlt sich eine dermatologische Vorstellung.
Beim Auftreten von Handekzemen sollte den betroffenen Mitarbeitern empfohlen werden, sich beim Werksarzt vorzustellen. Besteht die Möglichkeit einer berufsbedingten Entstehung oder Verschlimmerung sollte ein Hautarztverfahren eingeleitet werden. Eine Vorstellung beim Dermatologen ist hierzu sinnvoll. Dieser erstellt einen Hautarzterstbericht, der an die zuständige Berufsgenossenschaft gesendet wird. In der Regel wird daraufhin ein Behandlungsauftrag durch die Berufsgenossenschaft erteilt. Der Vorteil des Hautarztverfahrens liegt in der Möglichkeit, mit allen geeigneten therapeutischen Mitteln der Entstehung einer Berufskrankheit (BK 5101) entgegen zu wirken. Dies geht deutlich über das notwendige und wirtschaftlich ausreichende Maß (Behandlung in der GKV) hinaus. Die Therapie erfolgt gemäß der aktuellen Leitlinie zum Management des Handekzems. Durch die Behandlung können die meisten Mitarbeiter in ihrer erlernten Tätigkeit verbleiben, eine innerbetriebliche Umsetzung ist meist nicht erforderlich.
Chronische Hauterkrankungen können die beruflichen Einsatzmöglichkeiten in der chemischen Industrie beeinträchtigen. In der globalen Gesundheitsaktion „healthyskin@work“ nahmen im Jahre 2011 am Standort Ludwigshafen 6169 Mitarbeiter an dermatologischen Screening-Untersuchungen teil. Dabei wurde auch die Häufigkeit von chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen untersucht. Es waren die arbeitsmedizinisch bedeutsamen kumulativ-toxischen und allergischen Handekzeme seltener als in einem Vergleichskollektiv von 90 880 Arbeitern (Schlieter u. Webendörfer 2012). Die Häufigkeit von atopischer Dermatitis war genauso häufig wie im Vergleichskollektiv, während der Prozentsatz von Mitarbeitern mit Psoriasis etwas höher war.
Diese Zahlen zeigen zum einen, dass viele Menschen mit chronischen Hauterkrankungen in einem Unternehmen der chemischen Großindustrie arbeiten können und zum anderen, dass durch eine wirksame Prävention die Häufigkeit von Handekzemen auf einem niedrigen Niveau gehalten werden kann.
Literatur
Schlieter A, Webendörfer S: Healthyskin@work – Ergebnisse einer globalen konzernweiten Gesundheitsaktion für die Haut. ASU 2012; 47: 629–633.
INFO Kennzeichnung von Gefahrstoffen gemäß GHS
- H310 Lebensgefahr bei Hautkontakt.
- H311 Giftig bei Hautkontakt.
- H312 Gesundheitsschädlich bei Hautkontakt.
- H314 Verursacht schwere Verätzungen der Haut und schwere Augenschäden.
- H315 Verursacht Hautreizungen.
- H317 Kann allergische Haureaktionen verursachen.
- EUH066 Wiederholter Kontakt kann zu spröder oder rissiger Haut führen.
Weitere Infos
Leitlinie: Management von Handekzemen 2008
https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/013-053.html
Merkblatt A023 „Die wichtigsten 2 qm – Hand- und Hautschutz“ BG Rohstoffe und chemische Industrie, Heidelberg 2013
https://downloadcenter.bgrci.de/resource/downloadcenter/downloads/Gesund-im-Betrieb_Kap_08.pdf
TRGS 401: Gefährdung durch Hautkontakt – Ermittlung, Beurteilung, Maßnahmen
http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/TRGS/TRGS-401.html
Autor
Dr. med. Axel Schlieter
Abteilung „Occupational Medicine and Health Protection“
BASF SE, GUA – H 308
67063 Ludwigshafen am Rhein