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Praktisches Jahr im Gesundheitsamt möglich?

Einleitung

Für die gesundheitlichen Belange der Bevölkerung sind in den knapp 400 Gesundheitsämtern deutschlandweit die Ärzte des öffentlichen Gesundheitswesens verantwortlich. Ein Fachgebiet, das durch verschiedene Faktoren häufig nicht von den Medizinstudenten wahrgenommen wird. Nicht selten gibt es nur wenige Vorlesungen in den Curricula für Medizinstudenten für den Querschnittsbereich (QB) 3: Gesundheitssystem, Gesundheitsökonomie und öffentliches Gesundheitswesen.

Regelmäßig befragen die beiden Autoren Studenten, die sich kurz vor dem Praktischen Jahr am Ende des Medizinstudiums befinden, nach ihren Einsatzwünschen. Die Arbeit in einem Gesundheitsamt rangiert bei den meisten Studenten nicht weit vorne, zu unbekannt ist vielen das Fachgebiet und die damit verbundenen Aufgaben.

Der Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen stellt einen der komplexesten Fachärzte in Hinsicht auf die Weiterbildungszeit dar: Die Facharztanwärter müssen eine Weiterbildungszeit von insgesamt 60 Monaten bei Weiterbildungsbefugten von verschiedenen Weiterbildungsstätten absolvieren, davon

  • 18 Monate in einer Einrichtung des öffentlichen Gesundheitswesens, davon 9 Monate an einem Gesundheitsamt,
  • 6 Monate (720 Stunden) Kursweiterbildung für Öffentliches Gesundheitswesen, hiervon können 3 Monate durch einen Postgraduiertenkurs in Public Health ersetzt werden,
  • 36 Monate in den Gebieten der unmittelbaren Patientenversorgung, davon 6 Monate in Psychiatrie und Psychotherapie.

Daher ist verständlich, dass die Anzahl neuer Fachärzte extrem gering ist und aus der immer größer werdenden Personalnot einiger Gesundheitsämter Einkommenszulagen gezahlt werden müssen. In Anbetracht dessen und der immer älter werdenden Ärzte in den Gesundheitsämtern ist daher dringendes Handeln geboten.

Auf Initiative des Studiendekans des Klinikums der Goethe-Universität Frankfurt am Main und dem Amtsleiter des Gesundheitsamtes Frankfurt am Main, Prof. Dr. med. René Gottschalk, konnte im Herbst 2013 ein Kooperationsvertrag zwischen beiden Partnern geschlossen werden. Mit diesem wurde das Gesundheitsamt als akademische Lehreinrichtung der Goethe-Universität anerkannt. Nach Zustimmung des hessischen Landesprüfungsamtes ist es nun in Frankfurt am Main möglich, dass Studenten ihr Wahlpflichttertial im Gesundheitsamt im Fach „Öffentliches Gesundheitswesen“ absolvieren können.

Dieser Einsatz im Gesundheitsamt bietet dem ÖGD die Chance den so dringend benötigten ärztlichen Nachwuchs auf ihr Berufsfeld aufmerksam zu machen und das Interesse zu wecken (Teichert-Barthel 2015).

Bisher haben sieben Studenten diese einzigartige Chance in Deutschland genutzt und waren vom vielfältigen Aufgabenspektrum überrascht und begeistert. Die anschließende Evaluierung der Tertiale war sehr positiv und die Leistungen der abgeschlossenen Examina ebenfalls. Zwei der sieben „Studenten“ arbeiten mittlerweile für den öffentlichen Gesundheitsdienst. Beide haben eine Stelle als so genannter „Trainee“, also eine Ausbildungsstelle, die direkt zum Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen führt.

Zahlen, Daten, Fakten

Laut der Statistik der Bundesärztekammer (2016) gab es im Jahr 2015 ungefähr 371 300 berufstätige Ärzte in Deutschland. Davon haben wiederum 9,7 % in Behörden oder Körperschaften gearbeitet. Von den 811 Fachärzten für öffentliches Gesundheitswesen arbeiten nur 426 Ärzte in Gesundheitsämtern. Zahlreiche Ärzte sind in den letzten Jahren in den Ruhestand gegangen oder werden diesen in den nächsten 10 Jahren erreichen. Die Übersicht zeigt deutlich, dass der Hauptteil der Beschäftigten in der Gruppe der Fünfzig- bis Sechzigjährigen liegt ( Tabelle 1).

Ein weiterer bedenklicher Indikator für den Öffentlichen Gesundheitsdienst ist die Zahl der Facharztanerkennungen. Diese ist im ÖGD – im Vergleich zu der Zahl der Anerkennungen Facharzt Allgemeinmedizin oder Orthopädie und Unfallchirurgie – deutlich zu niedrig ( Tabelle 2).

Praktisches Jahr im ÖGD

Es klingt paradox: Einerseits ist es die vornehmliche Aufgabe des ÖGD, den Gesundheitsschutz und die Prävention der Bevölkerung – von den Ungeborenen bis zu den Hochbetagten – sicherzustellen, andererseits kennt kaum ein Bürger die genauen Aufgabengebiete, Zuständigkeiten und Dienstleistungsangebote der Mitarbeiter in den Gesundheitsämtern oder -behörden. Damit sich das möglichst rasch ändert, sollten neben Kampagnen zur Gewinnung der öffentlichen Wahrnehmung die Universitäten in ihren Curricula mehr Vorlesungszeiten für die notwendigen Inhalte des öffentlichen Gesundheitswesens schaffen.

Am Gesundheitsamt in Frankfurt am Main lernen die Medizinstudenten in den verschiedenen Fachabteilungen, auf Grundlage des Logbuches, die spezifischen Handlungsfelder des ÖGD kennen ( Tabelle 3).

Auch für kleinere Gesundheitsämter ist diese Möglichkeit für PJ-Studenten denkbar, wichtig ist dabei, neben dem Kontakt zu einer medizinischen Fakultät einer Hochschule, der Fokus auf dem wiederkehrenden Patientenkontakt für die angehenden Mediziner. Kooperationen mit anderen medizinischen Einrichtungen oder einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende können dafür die entscheidende Grundlage bilden.

Anfragen zur Vorbereitung und Umsetzung des Praktischen Jahrs in kleineren Gesundheitsämtern gab es in den letzten beiden Jahren deutschlandweit einige, einen positiven Abschluss gab es bisher leider noch nicht.

Der ÖGD bietet einen interessanten und familienfreundlichen Arbeitsplatz, der auch dem anhaltenden Trend der Arbeitnehmer zur Teilzeitarbeit gerecht wird. Die Faktoren Freizeit und Familienleben werden für viele Berufstätige immer wichtiger und flexible Arbeitszeitmodelle bilden in vielen Unternehmen die Basis einer familienfreundlichen Arbeitszeitgestaltung, so auch im ÖGD. Die Statistik der Bundesärztekammer aus dem Jahr 2015 bestätigt den Trend zur Teilzeitbeschäftigung. Der Anteil der Ärzte in Teilzeitbeschäftigung stieg von 2001 bis 2011 von 31 000 auf 54 000 Ärzte an.

In den letzten Jahren haben sich die Gesundheitsämter immer mehr zu operativen Dienstleistern auf Augenhöhe entwickelt. Es gibt zahlreiche Schnittstellen zu den Bürgern, aber auch zu anderen Ämtern und Behörden.

Dabei hat sich in den letzten Jahren auch das Bild des Amtsarztes gewandelt. Von der Überwachung durch ihn hat sich der Fokus mehr zur Beratung und Entwicklung von Lösungen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben verändert. Auch die professionelle Krisen-und insbesondere Risikokommunikation ist eine der wesentlichen Aufgaben für den ÖGD. Das hat sich beispielsweise bei der jüngsten Ebola-Epidemie deutlich gezeigt und bietet für interessierte Mediziner ein spannendes Arbeitsfeld im Rahmen der Bevölkerungsmedizin.

Dies haben auch die bisher im Gesundheitsamt eingesetzten Medizinstudenten bestätigt. Sie waren und sind begeistert, welche unterschiedlichen Möglichkeiten sie haben und was für ein interessantes Aufgabenspektrum sie in einem Gesundheitsamt bedienen können. Die erste Medizinstudentin, die 2013 ihr PJ im Gesundheitsamt Frankfurt am Main antrat, ist nach einer Zeit am Robert Koch-Institut Berlin, wieder ans Frankfurter Gesundheitsamt zurückgekehrt. Nun absolviert sie die Weiterbildung zur Fachärztin für öffentliches Gesundheitswesen. Die dafür neu geschaffene Traineestelle wurde im Sommer 2016 durch die Stadtverordneten bestätigt und ist ein kleiner, aber wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Ausblick

Die Handlungsmöglichkeiten des Öffentlichen Gesundheitswesens werden künftig sicher von drei wesentlichen Faktoren abhängig sein: von den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln, der Wahrnehmung der entscheidenden Gremien in der Gesundheitspolitik und der Gewinnung von Fachkräften im ärztlichen Bereich. Steigende Anforderungen u.a. durch Migration und Demografie werden zu bewältigen sein und das im ungünstigsten Fall mit knappen Haushaltskassen.

Um diesen Herausforderungen auch langfristig gerecht werden zu können, bedarf es dringend weiterer Initiativen wie dem des PJs im Gesundheitsamt oder der Schaffung von weiteren Traineestellen. Denn die umfassende Einbindung des ÖGD neben den hoheitlichen Aufgaben auch in den Bereichen Epidemiologie und Infektiologie, Trink- und Badewasserhygiene, psychiatrische und humanitäre Sprechstunden und Prävention wird auch künftig bestehen.

Das Gesundheitsamt Frankfurt hat auch für das kommende Tertial die Anmeldung einer Studentin, die ihr PJ im öffentlichen Gesundheitsdienst absolvieren wird und damit die achte Medizinstudenten im praktischen Jahr sein wird.

Für einen konstruktiven Erfahrungsaustausch oder unterstützende Gespräche zur Anbahnung von Möglichkeiten zum PJ im Gesundheitsamt stehen die beiden Autoren gern zur Verfügung.

Literatur

Teichert-Barthel U: Aktuelle Herausforderungen für den Öffentlichen Gesundheitsdienst. Der Landkreis 2/2011.

Teichert-Barthel U: Mitten im Leben – Arbeiten im ÖGD. Gesundheitswesen 2015; 77: 242.

    Info

    Eine PJ-Koordinatorin kümmert sich um die Erstellung der Einsatzpläne, Abstimmungen mit den Fachabteilungen und externen Partnern und Änderungen im Logbuch. Das Logbuch mit sämtlichen Lehrinhalten des Tertials, wurde in Anlehnung an die strukturellen Vorgaben aus der Klinik entwickelt. Pro Tertial kann ein Student im Gesundheitsamt beschäftigt werden.

    Alle durchgeführten Tätigkeiten werden zusammen mit den verantwortlichen Lehrärzten evaluiert und dokumentiert.

    Weitere Infos

    Akademie für öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf: Blickpunkt öffentliche Gesundheit

    www.akademie-oegw.de/index.php?id=543

    Berufsverband der Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst: Mitten im Leben. Arbeiten im Öffentlichen Gesundheitsdienst

    www.bvoegd-mitten-im-leben.de/

    „Die Vielfalt der Ausbildungsinhalte ist super“ – Ein Novum: Das PJ-Wahltertial im Amt für Gesundheit der Stadt Frankfurt. Hessisches Ärzteblatt, Januar 2014

    https://www.laekh.de/images/Hessisches_Aerzteblatt/2014/01_2014/2014_01_04.pdf

    Premiere in Deutschland. Praktisches Jahr im Amt. Ärzte Zeitung online, 25.10.2013

    www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/oegd/article/848498/premiere-deutschland-praktisches-jahr-amt.html

    Gesundheitsamt Frankfurt am Main

    www.frankfurt.de/sixcms/detail.php?id=2996

    Bundesärztekammer Berlin

    www.bundesaerztekammer.de/ueber-uns/aerztestatistik/aerztestatistik-2015/

    Für die Autoren

    Kathrin Pientka M.A.

    Koordination studentischer Ausbildungen

    Gesundheitsamt

    Breite Gasse 28, 60313 Frankfurt am Main

    kathrin.pientka@stadt-frankfurt.de

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