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Reifegradmodelle zur Bewertung des Betrieblichen Gesundheitsmanagements

Einführung

In der betriebswirtschaftlichen Betrachtung ist die Förderung von Gesundheit und Wohl-befinden ein häufig noch nicht ausreichend beachteter Faktor zur Entwicklung und Sicherung von Unternehmen. Vor dem Hinter-grund des demografischen Wandels, des damit zu erwartenden Mangels an qualifizierten Fachkräften und des Strukturwandels in der Arbeitswelt werden Unternehmen1 nur dann bestehen können, wenn sie neben der rein ökonomisch-finanziellen Perspektive auch die Erhaltung und Förderung der Gesundheit ihrer Mitarbeiter als zentrale Zielgröße definieren. „Der Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft wird … von Rahmenbedingungen begleitet, die sich mit einer Ressourcenverknappung umschrei-ben lassen. Diese Verknappung betrifft natür-liche Ressourcen … ebenso wie menschliche Fähigkeitspotentiale“ (Bauer u. Braun 2014).

Man kann berechtigterweise annehmen, dass die Gesundheit der Beschäftigten eine der wesentlichen Ressourcen zur Erhaltung und notwendigen Steigerung der Leistungs-fähigkeit von Unternehmen bildet. Auch wenn es wegen der Vielzahl der wirkenden Einflüsse und der Komplexität der Zusam-menhänge nicht ganz einfach ist, den Nut-zen von betrieblicher Gesundheitsförderung eindeutig in belastbaren Zahlen zu erfassen, ist es doch nachvollziehbar, dass es Zusam-menhänge zwischen Gesundheit und Befinden der Beschäftigten und Merkmalen der Arbeitsleistung wie z. B. Arbeitsqualität und Produktivität geben muss. So wurden z. B. im sog. Bielefelder Unternehmensmodell (Badura et al. 2010), das auf der Grundlage von Mitarbeiterbefragungen von ca. 5000 Beschäftigten und der Analyse betriebswirtschaftlicher Daten in 5 Unternehmen erstellt wurde, entsprechende Zusammenhänge belegt: Treiber wie Führung, Kultur und Arbeitsbedingungen haben Wirkung auf Frühindikatoren, zu denen die Gesund-heit und das physische und psychische Wohl-befinden gehören, als Spätindikatoren werden schließlich Fehlzeiten und Fluktuation, Qualität und Produktivität der Arbeit und Arbeitsunfälle von den vorhergehenden Faktoren beeinflusst.

Aktuelle Daten belegen, dass zahlreiche Unternehmen bereits jetzt auch über den gesetzlich festgelegten Arbeits- und Gesundheitsschutz hinaus Aktivitäten zur Gesund-heitsförderung durchführen. So zeigte eine Umfrage unter 1500 Unternehmen, dass 90 % der beteiligten Betriebe bereits aktiv in der Gesundheitsförderung ihrer Mitarbei-ter sind oder dies konkret planen (Hardege u. Zimmermann 2014). Hier zeigt sich ein Bewusstsein dafür, dass der klassische Ansatz der bloßen Vermeidung von Krankheiten und Unfällen im Arbeitsleben nicht mehr ausreichend ist, um die zukünftigen Herausforderungen zu meistern. Die Erfahrungen zeigen allerdings, dass in vielen Fällen diese gesundheitsförderlichen Aktivitäten weder gebündelt noch planvoll, strategiegeleitet und zielorientiert entwickelt und aufeinander abgestimmt sind. Um dies zu erreichen, ist eine systematische Herangehensweise notwendig, wie sie im Rahmen des Unternehmensmanagements für andere Bereiche bereits seit langem selbst-verständlich ist.

Managementinstrumente zur Entwicklung von BGM

Betriebliches Gesundheitsmanagement ist mehr die Aneinanderreihung von Aktivitäten. Es umfasst über die Implementierung und ggf. Verknüpfung von Maßnahmen zur Gesundheitsförderung hinaus die systematische Entwicklung betrieblicher Strukturen und Prozesse, die eine gesundheitsförderliche Gestaltung von Arbeit und Organisation und die Befähigung zum gesundheitsfördernden Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Ziel haben (Badura et al. 2010). Man kann eine zunehmende Etablierung von betrieblichem Gesundheits-management auch deshalb erwarten, weil Managementsysteme im Unternehmenskontext bereits seit langem bekannt sind und angewandt werden. Damit sind Verknüpfungsmöglichkeiten vorhanden, sinn-voll sind hier z. B. Verbindungen zum Personal- oder auch zum Qualitätsmanagement. Letztendlich muss aber ein Hineinwirken von BGM in alle (Management)Prozesse eines Unternehmens erreicht werden, dies betrifft z. B. auch die Themen Corporate Social Responsibility und Diversity Management oder auch direkte Verknüpfungen mit dem Lieferanten- und Einkaufsmanagement.

Ein häufiger angewandtes Konzept im Aufbau eines BGM ist die Balanced Score Card (BSC), die entweder eigenständig genutzt wird oder zu einer sog. Gesundheits-BSC modifiziert werden kann (Horvath et al. 2009). Sie ermöglicht einem Unternehmen die Messung, Dokumentation und Steuerung seiner Aktivitäten in Bezug auf seine Vision und Strategie zur kontinuierlichen Entwicklung von Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit seiner Mitarbeiter. Bezogen auf die vier Perspektiven Kunden, Finanzen, Prozesse und Potenzial werden in einem zielgerichteten Diskussions- und Planungsprozess jeweils strategische Ziele, Messgrößen mit Zielwerten und entsprechende Maßnahmen zur Zielerreichung erarbeitet.

Durch die Arbeit mit einer BSC wird also die Vision umgesetzt und die Strategie kon-kretisiert, mehr noch: „Zur Implementierung der Strategie kann die BSC als Managementsystem verwendet werden. … Ziel einer erfolgreichen Organisation muss es sein, dass alle Beschäftigten bei der Umsetzung der Strategie helfen und sie aktiv ermuntert werden, Beiträge … hierzu zu liefern“ (Horvath et al. 2009, S. 29). Die Entwicklung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements auf der Grundlage einer BSC erfordert eine kontinuierliche Überprüfung der in der BSC fest-gehaltenen Parameter und funktioniert im Idealfall als „Double Loop“: Durch Testen, Lernen und Anpassen wird eine kontinuier-liche Anpassung der Strategie erreicht. Damit ist ein wichtiges Prinzip zur Entwicklung von BGM im Unternehmen angesprochen: der Plan-Do-Check-Act-Prozess, der zunächst in der Qualitätssicherung eingesetzt, bald aber auf andere Bereiche übertragen wurde. Auf den Lernzyklus des BGM bezogen be-deutet PDCA, dass Diagnose, Interventions-planung, Intervention und Evaluation als Be-standteile eines kontinuierlichen Verbesse-rungsprozesses aufgefasst werden.

Der PDCA-Prozess ist eine wesentliche Grundlage für Reifegradmodelle, die kennzahlenorientiert der Bewertung des aktuellen Status eines BGM und der zielgerichteten Ableitung von Maßnahmen zu seiner weiteren Entwicklung dienen.

Reifegradmodelle im BGM

Reifegradmodelle sprechen direkt die Prozess- und die Potenzialperspektive bei der Entwicklung eines BGM an, indem sie auf-zeigen, wie weit die notwendigen Prozesse bereits fortgeschritten sind, wo noch Defizite bestehen und wo Verbesserungsmöglichkeiten liegen. Sie geben Hinweise, wie weit ein Unternehmen bei der Umsetzung seiner Vision und Strategie bereits gekommen ist und welche weiteren Schritte hierzu notwendig sind. Reifegradmodelle bieten über die Herangehensweise einer Balanced Scorecard hinaus die Möglichkeit einer inhaltlich sehr konkreten und kennzahlenbasierten Entwicklung eines BGM und können eine ggf. bereits vorhandene BSC sinnvoll ergänzen und erweitern. Zur Umsetzung von Prozes-sen gehören Strukturen und unternehmens-kulturelle Faktoren, auch sie werden durch ein BGM-Reifegradmodell adressiert.

Reifegradmodelle gehen zurück auf Prin-zipien des Qualitätsmanagements und sind übertragbar auf alle Branchen und Unternehmensgrößen. Sie beziehen sich auf

  • Prozessdimensionen, in der die notwendigen Prozesse und Prozesskomponenten dargestellt werden („was man macht“) und auf
  • Fähigkeitsdimensionen, in der Prozess-attribute definiert und diesen Prozesskomponenten zugeordnet sind („wie gut man es macht“; Wagner u. Dürr 2008).

Prozessdimensionen, -komponenten und -attribute bilden ein Referenzmodell, in dem hier angesprochenen Kontext beschreiben sie das „ideale BGM“. Die Prozessattribute zur Einschätzung der Fähigkeitsstufen eines Prozesses werden in Form von Kriterien for-muliert. Um einen Prozess zu bewerten und seine Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen, werden diese Kriterien in einem Assess-ment systematisch bearbeitet. Aus dem Er-füllungsgrad der einzelnen Kriterien ist die erreichte BGM-Prozessreife abzuleiten, diese ist definiert durch aufeinander aufbauende Prozessstufen.

Das TÜV Rheinland BGM-Reifegradmodell

Inhaltlicher Aufbau

Ausgehend von einem zunehmend nachgefragten BGM-Beratungsbedarf bei den be-treuten Unternehmen hat der arbeitsmedizinische Dienst des TÜV Rheinland (AMD TÜV Arbeitsmedizinische Dienste GmbH) ein BGM-Reifegradmodell zur Bewertung der Prozessfähigkeit von betrieblichem Gesundheitsmanagement entwickelt.

Inhaltliche Grundlage des TÜV Rheinland BGM Reifegradmodells ist die DIN SPEC 91020 „Betriebliches Gesundheitsmanagement“. Sie verweist wie vergleichbare Normen aus dem Qualitätsmanagement auf eine konsequente Prozessorientierung und basiert auf den Grundannahmen, dass

  • durch die systematische Integration von Maßnahmen zum Erhalt und zur Förde-rung der Gesundheit in die gesamte Or-ganisation mittels eines BGM die Attrak-tivität und Wettbewerbsfähigkeit der Or-ganisation langfristig gesichert werden kann und
  • sich die systematische Umsetzung eines BGM positiv auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter und damit auf die Steigerung der Effizienz der Wert-schöpfungskette auswirkt.

Die DIN SPEC 91020 verweist auf Grundbedingungen für ein erfolgreiches BGM, dazu gehören vor allem die systematische Ver-ankerung von Gesundheit in die betrieblichen Kern-, Unterstützungs- und Führungs-prozesse sowie das diesbezügliche Engage-ment aller Mitglieder, Ebenen und Funktio-nen der Organisation und insbesondere der obersten Leitung.

Um eine Bewertung von BGM-Prozes-sen und eine Einordnung in Reifegrade vor-nehmen zu können, müssen zunächst rele-vante Prozessdimensionen festgelegt werden. Diese Prozessdimensionen wurden für das TÜV Rheinland BGM Reifegradmodell aus den Schlüsselelementen der DIN SPEC 91020 abgeleitet. Enthaltene Anforderungs-kategorien werden als Prozessdimensionen aufgefasst und durch spezifizierte Prozesskomponenten präzisiert ( Tabelle 1).

Die BGM-Prozesskomponenten werden inhaltlich untersetzt und näher beschrieben durch BGM-Prozesskriterien. Das so entstandene BGM-Referenzmodell bildet die Grundlage der Prozessbewertung, die mit Hilfe der aus dem Qualitätsmanagement stammenden Software E@sy Process vorgenommen wird.

Die Einschätzung der Prozessqualität erfolgt über ein Auditmodul und ein sog. Quality Gate anhand des Erfüllungsgrades der Kriterien in den Prozessdimensionen und -komponenten. Bei einhundertprozen-tiger Erfüllung aller Prozesskriterien des BGM-Referenzmodells wäre die höchste Prozessreife erreicht.

Die Definition der Prozessstufen des TÜV Rheinland BGM Reifegradmodells stützt sich auf die in der ISO IEC 15504 definierten 6 Reifegradstufen:

  1. (0)unvollständig
  2. (1)durchgeführt
  3. (2)gesteuert
  4. (3)etabliert
  5. (4)vorhersagbar
  6. (5)optimierend.

Aufgrund der Anwendbarkeit der ISO IEC 15504 auf alle Managementsysteme können diese Stufen auf das TÜV Rheinland BGM Reifegradmodell in den BGM-Rahmen wie folgt übertragen werden:

  1. (0)Unvollständiger Prozess: Grundanforde-rungen an Arbeits- und Gesundheitsschutz (AuG) gem. gesetzlicher Vorgaben werden nicht oder nur lückenhaft erfüllt.
  2. (1)Compliance und Best Practice: 100 % Um-setzungsstand der Grundanforderungen im AuG. Vereinzelte BGF-Maßnahmen werden durchgeführt.
  3. (2)Systematische Auswahl und Evaluation von BGF-Maßnahmen, wie z. B. begründete Maßnahmen zur Gesundheitsförderung der Mitarbeiter oder Entwicklung der Führungskräfte in Richtung „Gesundes Führen“. Evaluation der durch-geführten Maßnahmen ist angezielt.
  4. (3)Etablierung von Prozessen im BGM: Kulturelles Selbstverständnis als gesunde Organisation und Formulierung einer entsprechenden Gesundheitspolitik führt zur systematischen Förderung von Gesundheit und Wohlbefinden.
  5. (4)Definition von Prozessregeln zur Steuerung des BGM durch die oberste Leitung, die im Wesentlichen eingehalten und überprüft werden.
  6. (5)Etablierung von Prozessregeln, die inner-halb der Organisation zuverlässig ein-gehalten, überprüft und verbessert wer-den. Systematische Integration von BGM in die gesamte Organisation unter Beachtung und Nutzung der existierenden Schnittstellen.

Bewertung des betrieblichen Gesundheitsmanagements eines Unternehmens mit dem TÜV-Rheinland-Reifegradmodell

Der Einsatz des TÜV-Rheinland-BGM-Reifegradmodells in einem Unternehmen erfolgt in mehreren Schritten ( Abb. 1).

Im Ergebnis einer detaillierten Auftragsklärung müssen die unternehmensspezifischen Eckpunkte der Durchführung der BGM-Reifegradbestimmung geklärt und ein vorläufiger Projektplan erstellt werden. Die Auftragsklärung umfasst Vorgespräche mit Vertretern der obersten Leitung und benannten Unternehmensvertretern. Hier werden betriebliche Anforderungen und unternehmensspezifische Inhalte erfasst, damit die Anwendung des TÜV-Rheinland-BGM-Reifegradmodells zielgenau an die Ge-gebenheiten des Unternehmens angepasst werden kann.

In der Auftragsklärung sollten die folgen-den Leitfragen gestellt werden:

  • Hat das Unternehmen die Absicht oder auch bereits damit begonnen, vorhan-dene BGF-Maßnahmen in ein betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) einzubinden bzw. ein BGM aufzubauen?
  • Welche Erwartungen verknüpft das Un-ternehmen mit der Bewertung seines BGM und mit den Ergebnissen bzw. Schlussfolgerungen und ist es bereit, die Ergebnisse schrittweise umzusetzen?

Zur konkreten Vorbereitung wird eine Check-liste verwendet, deren Bearbeitung zur Erstellung eines Projektplans führt. Er sollte im Rahmen des nun folgenden Kick-Off-Workshops „BGM-Reifegradbestimmung“ vervollständigt und präzisiert werden. Dieser Workshop ist der offizielle Startschuss zur Anwendung des Reifegradmodells und wird mit Vertretern der obersten Führung, der Mit-arbeitervertretung und fachlichen Kompe-tenzträgern des Unternehmens durchgeführt. Neben der Vermittlung von Informationen rund um das BGM und der Herangehensweise bei der Reifegradbewertung werden hier noch einmal die Erwartungen und auch Befürchtungen der Teilnehmer erfasst und thematisiert. Am Ende soll ein ein-heitliches Verständnis zur strategischen Aus-richtung von BGM in diesem Unternehmen erreicht werden. Im Ergebnis von Auftragsklärung und Kick-Off steht der endgültige Projektplan für die Durchführung der Reife-gradbestimmung. Ansprechpartner, Termine, Kommunikationswege, Verwendung der Ergebnisse etc. sind nun detailliert festgelegt.

Das Kernelement der BGM-Reifegradbestimmung ist das BGM-Assessment. Es wird als Interview mit benannten BGM-Verantwortlichen und/oder anderen Unternehmensvertretern z. B. aus der Personalabtei-lung durchgeführt. Der konkrete Teilnehmer-kreis des Assessments sollte vorab in der Auftragsklärung unter Beachtung von Effizienz-kriterien eindeutig festgelegt werden.

Als Interviewleitfaden dient eine Assessmentliste, die alle Prozesskriterien zu den einzelnen Prozessdimensionen enthält. Diese Kriterien wurden zum besseren Verständnis in Fragen umformuliert, die nun im Assessment durchgegangen werden und deren Erfüllungsgrad festgestellt wird.

Beispielhaft seien hier die Fragen für das Thema Gesundheitspolitik aus der Prozessdimension Führung genannt:

  • Ist eine betriebliche Gesundheitspolitik als Bestandteil der Unternehmenspolitik festgelegt?
  • Wird die betriebliche Gesundheitspolitik in Leitbilder und Führungsgrundsätze übertragen?
  • Ist die betriebliche Gesundheitspolitik angemessen und passend für die vorgesehenen Bereiche (Branche, Unternehmensteile etc.)?
  • Werden die Schwerpunkte psychische Belastung und Beanspruchung in der Gesundheitspolitik ausreichend gewürdigt?
  • Ist die betriebliche Gesundheitspolitik veröffentlicht und jedem Interessierten zugänglich?
  • Existieren Rückmeldeplattformen zur Gsundheitspolitik, werden die Rückmeldungen systematisch erfasst und im kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) berücksichtigt?

Auf vergleichbare Weise sind alle Prozessdimensionen mit Prozesskriterien belegt, in Assessmentfragen gefasst und in die BGM-Software importiert.

Die Ergebnisse der Beantwortung der Assessmentfragen werden entweder unmittelbar oder über den Zwischenschritt einer schriftlichen Aufzeichnung ebenfalls in die BGM-Software übertragen. Diese stellt in einem Ampelsystem die erreichten Erfül-lungsgrade in den einzelnen Prozessdimensionen dar. Wie das Beispiel in  Abb. 2 zeigt, ist so bereits auf den ersten Blick sehr gut zu erkennen, an welchen Prozessdimensionen weitere Maßnahmen zur Entwicklung eines BGM ansetzen könnten. Durch Auswertung der einzelnen Prozesskomponenten und -kriterien ist darüber hinaus eine detaillierte Auswertung und Maßnahmeempfehlung möglich.

Im Ergebnis des Assessments wird ein BGM-Reifegradreport erstellt, der die Grund-lage für die Berichterstellung, Ergebnisprä-sentationen und Vorschläge für weitere Maß-nahmen ist. Die konkrete Form und Zielgruppe der Berichterstattung (oberste Leitung, ggf. Steuerkreis BGM, ASA-Sitzung, Mitarbeiter) sollte vorher vereinbart und Teil des Projektplans sein.

Im Idealfall folgt auf die erstmalige An-wendung des BGM-Reifegradmodells ein Kick-off zur zielgerichteten und prozessorientierten Entwicklung der BGM-Kompetenzen im Unternehmen. Das TÜV-Rhein-land-BGM-Reifegradmodell kann dabei in allen Phasen der Prozessentwicklung seinen Beitrag leisten.

Die bisherigen Erfahrungen in der An-wendung des TÜV-Rheinland-BGM-Reife-gradmodells zeigen, dass der Beratungsas-pekt in allen Anwendungsschritten deutlich im Vordergrund steht. Dies betrifft den Kick-off-Workshop, aber insbesondere auch das BGM-Assessment. Hier haben häufig die Interviewten fast ebenso viele Fragen an den Interviewer/die Interviewerin wie diese an sie. Diese Fragen betreffen den „regelgerechten“ Aufbau eines BGM, so dass in den Gesprächen zu großen Teilen bereits eine Beratungssituation gegeben ist. Unbedingt zu berücksichtigen ist, dass neben benannten BGM-Verantwortlichen z. B. aus der Personalabteilung auch der betreuende Betriebsarzt und der Arbeitssicherheitsbeauftragte oder -manager einbezogen werden. Dies dient zum einen der Einschätzung des Erreichens der Prozessstufe 1 (Compliance), vor allem aber sind diese Akteure Schlüssel-personen im Aufbau eines betrieblichen Ge-sundheitsmanagements.

Zusammenfassung

Die Entwicklung und das Management einer betrieblichen Gesundheitsförderung wird zukünftig eine immer wichtigere Rolle zur Sicherung der Unternehmensperspektive spielen. Das auf der inhaltlichen Grundlage der DIN SPEC 91020 und aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelte TÜV-Rheinland-BGM-Reifegradmodell begleitet Unternehmen bei einem qualifizierten Aufbau eines betrieblichen Gesundheitsmanagements. Es liefert Kennzahlen zur Bewertung der Leistungsfähigkeit des BGM, stellt die Erreichung von Zielen innerhalb des BGM dar, ermöglicht die weitere Zielfindung für das BGM und deckt Entwicklungs-potenziale auf. Damit ist es Unternehmen möglich, ihre betriebliche Gesundheits-förderung auf eine systematische Basis zu stellen, kontinuierlich zu entwickeln und mit anderen Unternehmensprozessen zur verknüpfen. Neben der Förderung von Leis-tungsfähigkeit, Motivation sowie dem Wohl-befinden der Mitarbeiter sind dadurch auch eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und der Attraktivität des Arbeitgebers zu er-warten.

Literatur

Badura B, Walter U, Hehlmann T: Betriebliche Gesundheitspolitik. 2. Aufl. Heidelberg: Springer, 2010.

Bauer W, Braun M: Zukunftsforschung: Wie wer-den wir in 20 Jahren arbeiten? In: Badura B et al. (Hrsg.): Fehlzeitenreport 2014. Berlin: Springer, 2014.

DIN Deutsches Institut für Normung: DIN SPEC 91020. Betriebliches Gesundheitsmanagement. Berlin: Beuth, 2012

Hardege S, Zimmermann A : Zukünftige Arbeitswelten aus Unternehmenssicht. In: Badura, B et al. (Hrsg.): Fehlzeitenreport 2014. Berlin: Springer, 2014.

Horvath P et al.: Betriebliches Gesundheitsmanage-ment mit Hilfe der Balanced Score Card. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2009.

Wagner KW, Dürr W: Reifegrad nach ISO/IEC 15504 (SPICE) ermitteln. München: Carl Hanser, 2008.

Fußnoten

1 Die Begriffe Unternehmen und Organisation werden hier synonym verwendet

    Autorin

    Dr. rer. nat. Karin Müller, Dipl.-Psych.

    AMD TÜV Arbeitsmedizinische Dienste GmbH

    Alboinstraße 56

    12103 Berlin

    karin.mueller@de.tuv.com

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