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Risiken im Gesundheitswesen | Auswertungen im Bereich des Gesundheitswesens bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege

Unfälle und Berufskrankheiten im Jahr 2016

Versicherungsfälle bei der BGW

Bei der BGW waren 2016 insgesamt 8 129.466 Personen aus 631.650 Unternehmen versichert. Diese Versicherten haben insgesamt 340.430 Versicherungsfälle gemeldet, davon waren 121.820 meldepflichtig (36 %). Von den meldepflichtigen Versicherungsfällen entfallen 76.941 auf Arbeitsunfälle, 32.531 auf Wegeunfälle und 12.348 auf Berufskrankheiten (Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege; BGW 2017; s. „Weitere Infos“). In diesem Beitrag werden die Versicherungsfälle aus dem Bereich Gesundheitswesen beschrieben.

Die Auswertung basiert auf den Daten der Berufskrankheiten-Dokumentation der BGW. Für die Beschreibung der Daten wurden 41 der insgesamt 211 Branchenschlüssel (BGW-interne Kodierung zur Verschlüsselung der Gewerbezweige) aus dem Gesundheitswesen ausgewählt und zu vier Versorgungsbereichen zusammengefasst:

  • Krankenhaus,
  • Alten- und Langzeitpflege, ambulante Versorgung,
  • Arztpraxen und
  • therapeutische Praxen.

Dargestellt werden die Zahlen für das Berichtsjahr 2016. Aus diesen Branchen wurden insgesamt 138.687 melde- und nicht meldepflichtige Versicherungsfälle bei der BGW angezeigt, davon entfallen 76 % auf die Arbeitsunfälle, 20 % auf die Wegeunfälle und knapp 5 % auf die Berufskrankheiten. Von diesen Fällen waren etwa 30 % meldepflichtig ( Tabelle 1).

Arbeitsunfälle

Arbeitsunfälle sind Unfälle, die Versicherte aufgrund ihrer versicherten Tätigkeit erleiden. Dazu zählen auch Unfälle auf Dienstwegen. Gesondert erfasst werden Wegeunfälle, wenn sich diese auf dem Hin- oder Rückweg zur versicherten Tätigkeit ereignen. Die Unternehmen sind verpflichtet, einen Arbeits- oder Wegeunfall zu melden, wenn eine versicherte Person dadurch länger als drei Tage arbeitsunfähig ist.

Bezogen auf 1000 Vollzeitbeschäftigte (VB) ereignen sich meldepflichtige Arbeitsunfälle in den bei der BGW versicherten Branchen weniger oft als bei den übrigen Gewerblichen Berufsgenossenschaften insgesamt (16,2 versus 21,9). Im Gesundheitsdienst ist die Unfallquote noch niedriger (7,7/1000 VB;  Tabelle 2).

Eine genauere Erfassung des Unfallhergangs erfolgt in der so genannten Arbeitsunfallstatistik. Das ist eine Zufallsstichprobe von 7 % aller meldepflichtigen Unfälle. Arbeitsunfälle aufgrund von Ausrutschen, Stolpern und Stürzen stehen mit 42 % an erster Position bei den unfallauslösenden Ereignissen ( Tabelle 3). Unfälle aufgrund einer unangebrachten Bewegung der versicherten Person, durch eine sich selbst beigebrachte Verletzung oder Sichstoßen lösen 17 % der Unfälle aus. An dritter Stelle stehen mit knapp 15 % der Anzeigen die Bewegung des Körpers und der Verlust der Kontrolle über Gegenstände wie Maschinen oder Werkzeuge. Bedrohung, Angriff oder Gewalt durch Dritte waren in knapp 6 % der meldepflichtigen Unfälle die Ursache.

Flächen zu ebener Erde, wie Fußböden, und Flächen in der Höhe, wie Treppen u. Ä., sind mit 54 % der häufigste unfallauslösende Gegenstand ( Tabelle 4). Am zweithäufigsten sind Unfälle, die durch Menschen oder Tiere verursacht wurden (16 %). An dritter Stelle stehen Unfälle durch Transportfahrzeuge und Fahrzeuge zum Personentransfer mit etwa 10 % der Meldungen.

Die meisten Unfälle, in denen die Beschäftigten aufgrund einer Bedrohung oder eines Angriffs durch einen anderen Menschen (Patient, Bewohner oder Klient) verletzt werden, werden aus der Alten- und Langzeitpflege gemeldet (knapp 52 %;  Tabelle 5). Bei Berücksichtigung der Beschäftigtenzahlen liegt das Risiko, einen Unfall durch Gewaltanwendung zu erleiden, allerdings in Krankenhäusern höher als in der Alten- und Langzeitpflege (0,4 bzw. 0,3 je 1000 VB). Das Unfallrisiko für einen Übergriff durch Patienten ist für Beschäftigte in therapeutischen Praxen und Arztpraxen geringer.

Die meldepflichtigen Arbeitsunfälle, die durch Gewalt am Arbeitsplatz ausgelöst werden, sind jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Tatsächlich kommen Aggression und Gewalt am Arbeitsplatz viel häufiger vor. Die Erfassung dieser Ereignisse wird jedoch erschwert durch die vielfältigen Formen, in denen sie auftreten können. Die Angaben zur Häufigkeit dieser Übergriffe schwanken daher in der Literatur zwischen 11 und 96 % der Befragten, die angeben, in den vorangegangenen 12 Monaten von Gewalt betroffen gewesen zu sein (Zeh et al. 2009).

In einer deutschen Befragung von 1973 Beschäftigten aus verschiedenen Branchen des Gesundheitsdienstes und der Wohlfahrtspflege hatten 56 % körperliche und 78 % verbale Gewalt in den vorangegangenen 12 Monaten erlebt (Schablon et al. 2012 – s. „Weitere Infos“ – und Schablon et al. 2014). Monatlich oder häufiger waren 44 % der Befragten von körperlicher Gewalt und 68 % von verbaler Gewalt betroffen. Die höchste Prävalenz körperlicher Gewalt wurde auf Altenpflegestationen (63 %) beobachtet, die geringste in der ambulanten Pflege (40 %). Beschäftigte in Wohnheimen für Menschen mit Behinderungen waren am häufigsten verbaler Gewalt ausgesetzt (86 %;  Abb. 1). Neben verbaler Gewalt kommen häufig Drohgebärden vor. Betroffen sind davon vor allem Beschäftigte in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen (Wohnheime 50 %, Werkstätten 42 %). Im Gegensatz dazu sind die Beschäftigten in der stationären Altenpflege (52 %) und in Krankenhäusern (42 %) am häufigsten Opfer von Kneifen und Kratzen. Beschäftigte in der stationären Altenpflege berichten häufiger über Schläge (35 %) als Befragte anderer Bereiche (keine Tabelle).

Folgen von Gewalt

Die Folgen von Gewalt am Arbeitsplatz können vielfältig sein. Allein im Bereich der BGW gibt es jährlich ein bis drei Todesfälle bei den Beschäftigten aufgrund dieser Unfälle. Bei den meisten Übergriffen stehen aber nicht körperliche, sondern psychische Folgen im Vordergrund. Die Reaktionen können dabei sehr unterschiedlich sein. Eine reduzierte Arbeitszufriedenheit, Verunsicherung, Infragestellen der eigenen Person und Kompetenz, Gefühl der Ohnmacht, Motivationsverlust für die Arbeit, Erschöpfungsgefühle und Ängstlichkeit sind mögliche Reaktionsformen, die das Lebensgefühl und die Leistungsfähigkeit eines Beschäftigten langfristig beeinträchtigen können, ohne dass diese Übergriffe gemeldet und erfasst werden (Nienhaus et al. 2016).

Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) entwickeln sich dabei oftmals erst mit Verzögerung. Die Ausprägung der Störungen steht auch nicht in einem proportionalen Verhältnis zur Schwere des Übergriffs. Deshalb sind sie oftmals nicht leicht zu erkennen. Es ist daher wichtig, die Schwere des Ereignisses, mögliche vorher bestehende Risikofaktoren (vorherige psychische Belastungen und Auffälligkeiten, wiederholte Exposition) sowie die Reaktionen nach dem Ereignis (Leistungsabfall, Unkonzentriertheit, persönliche Probleme) zu beobachten, um frühzeitig einen Unterstützungs- oder Behandlungsbedarf zu erkennen. Die soziale Unterstützung am Arbeitsplatz scheint die Bewältigungsmöglichkeiten nach einem derartigen Trauma zu erhöhen. Wenn die Einrichtung auf mögliche Übergriffe vorbereitet ist, reduziert sich das Belastungsempfinden aufgrund von Aggression und Gewalt am Arbeitsplatz (Schablon et al. 2012, s. „Weitere Infos“). Eventuell kann es aber auch sinnvoll sein, einen Betroffenen für das berufsgenossenschaftliche Psychotherapeutenverfahren anzumelden, um ihn bei der Bewältigung der psychischen Folgen des Übergriffs zu unterstützen (Drechsel-Schlund et al. 2015).

Berufskrankheiten

Als Berufskrankheiten werden Erkrankungen bezeichnet, die nach medizinischen Erkenntnissen durch besondere Gefährdungen verursacht sind und sich auf bestimmte Personengruppen beziehen, die durch ihren Beruf bestimmten Gefahren deutlich mehr ausgesetzt sind als die übrige Bevölkerung. Unternehmer und Ärzte sind dazu verpflichtet, den Verdacht auf eine Berufskrankheit bei dem Unfallversicherungsträger anzuzeigen.

Von den vier Versorgungsbereichen wurden insgesamt 6356 Anzeigen auf Verdacht einer Berufskrankheit gestellt, das entspricht einem Anteil von 19 % aller BK-Verdachtsanzeigen bei der BGW. Drei Erkrankungen bestimmen das Bild: An erster Stelle stehen mit 56 % Hauterkrankungen (BK 5101), an zweiter und dritter Stelle mit 22 % Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch schweres Heben und Tragen (BK 2108) und Infektionskrankheiten (BK 3101) mit etwa 12 %. Diese Erkrankungen decken bereits 90 % der meldepflichtigen BK-Anzeigen ab. Anzeigen auf Verdacht einer Atemwegserkrankung spielen im Gesundheitsdienst nur noch eine untergeordnete Rolle mit insgesamt 1,5 %.

Hautkrankheiten stehen bei den ausgewählten Branchen, wie auch bei der BGW insgesamt, an erster Stelle der meldepflichtigen Berufskrankheiten (etwa 50 %). In therapeutischen Praxen und Arztpraxen machen Hauterkrankungen knapp 70 % aller Verdachtsanzeigen aus und in Krankenhäusern sowie in der Alten- und Langzeitpflege bzw. den ambulanten Diensten rund 50 % ( Tabelle 6).

Die häufigsten Anzeigen auf eine BK 2108 werden von Beschäftigten in der Alten- und Langzeitpflege bzw. ambulanten Versorgung gestellt, gefolgt von Beschäftigten in Krankenhäusern (jeweils etwa 30 %). Im Bereich der therapeutischen Praxen sind Erkrankungen der Bandscheibe durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten für 8 % der Fälle verantwortlich. Bei Beschäftigten aus Arztpraxen sind es 4 % der Meldungen.

Infektionskrankheiten werden in den einzelnen Branchen mit einem Anteil zwischen 10 % und 15 % etwa gleich häufig gemeldet. Einzig in der Branche der therapeutischen Praxen fallen diese Meldungen mit etwa 1 % deutlich geringer aus.

BK-Verdachtsanzeigen auf ein Karpaltunnel-Syndrom werden von Beschäftigten in therapeutischen Praxen häufiger gestellt als in den übrigen Versorgungsbereichen des Gesundheitsdienstes (6 % versus 1 % der Meldungen).

Vom Unfall zur Berufskrankheit

Nadelstichverletzungen (NSV) zählen zu den häufigsten Arbeitsunfällen von Beschäftigten im Gesundheitsdienst. Verletzungen an mit Blut gefüllten Kanülen bedeuten für die Betroffenen eine ernst zu nehmende Gefährdung durch blutübertragene Infektionen (Wicker et al. 2016). Die meisten NSV sind nicht meldepflichtig und deshalb in der Unfallstatistik nicht enthalten. Daten der BGW zeigen, dass die Anzahl der jährlich angezeigten Arbeitsunfälle im Zusammenhang mit einer NSV von knapp 37.500 im Jahr 2007 auf 53.000 im Jahr 2016 angestiegen ist ( Abb. 2). Dieser Anstieg bedeutet aber nicht, dass NSV häufiger auftreten, sondern dass sie häufiger gemeldet werden. Anders ließe sich nicht erklären, dass die Anzahl der gemeldeten blutübertragbaren Virusinfektionen in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen ist. Dennoch zeigen Untersuchungen zu den Ursachen von NSV, dass weitere Anstrengungen zur Vermeidung von NSV erforderlich sind und hierbei auch Tätigkeitsbereiche wie die stationäre Altenpflege und die ambulanten Dienste zu berücksichtigen (Dulon et al. 2017).

Literatur

Abteilung Reha Koordination (BGW): Anzahl der jährlich angezeigten Arbeitsunfälle im Zusammenhang mit einer NSV und die Aufwendungen in den ersten 12 Monaten nach der NSV für serologische Tests, medizinische Behandlung und Postexpositionsprophylaxe; 2007–2016. Hamburg: BGW, 2017.

Drechsel-Schlund C, Weiß M, Krahl C et al.: Umsetzung des Psychotherapeutenverfahrens. Einbindung von ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten. Trauma und Berufskrankheit 2015; 17: 275–280.

Dulon M, Lisiak B, Wendeler D, Nienhaus A: Unfallmeldungen zu Nadelstichverletzungen bei Beschäftigten in Krankenhäusern, Artzpraxen und Pflegeeinrichtungen. Gesundheitswesen 2017;79 (doi 10.1055/s-0043-114003).

Nienhaus A, Drechsel-Schlund C, Schambortski H, Schablon A: Gewalt und Diskriminierung am Arbeitsplatz. Gesundheitliche Folgen und settingbezogene Ansätze zur Prävention und Rehabilitation. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2016; 59: 88–97.

Schablon A, Zeh A, Wendeler D, Wohlert C, Harling M, Nienhaus: Häufigkeit und Folgen von Gewalt und Aggression gegen Beschäftigte im deutschen Gesundheitswesen – ein Survey. In: Nienhaus A (Hrsg.): RiRe – Risiken und Ressourcen in Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege. Landsberg: ecomed Medizin, 2014, S. 203–221.

Wicker S, Rabenau HF, Schachtrupp A, Schalk R: Arbeitsbedingte virale Infektionen in der Pflege – eine Umfrage. Gesundheitswesen 2016, Sept. 12 (doi: 10.1055/s-0042-116317).

Zeh A, Schablon A, Wohlert C, Richter D, Nienhaus A: Gewalt und Aggression in Pflege- und Betreuungsberufen – ein Literaturüberblick. Gesundheitswesen 2009; 71: 449–459.

Interessenkonflikt: Beide Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

    Weitere Infos

    Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW): Jahresbericht 2016. Hamburg, 2017

    https://www.bgw-online.de/SharedDocs/Downloads/DE/Medientypen/BGW%20Grundlagen/BGW55-80-160_Jahresbericht-2016_Download.pdf?__blob=publicationFile

    Schablon A, Zeh A, Wendeler D et al.: Frequency and consequences of violence and aggression towards employees in the German healthcare and welfare system: a cross-sectional study. BMJ Open 2012; 2: e001420

    bmjopen.bmj.com/content/2/5/e001420

    Für die Autoren

    Dana Wendeler

    Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege

    Abteilung Arbeitsmedizin, Gefahrstoffe und Gesundheitswissenschaften

    Pappelallee 33/35/37

    22089 Hamburg

    Dana.Wendeler@bgw-online.de

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