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Zusammenarbeit verbessert die Versorgung

Arbeitsmedizin, gesetzliche Krankenversicherung und MDK

Einleitung

Sozialmedizin und Arbeitsmedizin haben viele Gemeinsamkeiten. Beide Disziplinen beschäftigen sich mit den Wechselwirkungen zwischen Gesundheit und Krankheit einerseits und dem Arbeitsumfeld als Teil aller Lebensumstände andererseits. Hier treffen die Anforderungen und organisatorischen Bedingungen von Arbeit auf individuelle Para-meter wie Leistungsfähigkeit und Leistungs-vermögen. Wie auch in anderen Bereichen der klinischen Medizin arbeiten hochqualifizierte Spezialisten oft innerhalb ihres eige-nen Fachgebietes, ohne über den Tellerrand zu schauen. An den Grenzen der Sektoren könnten sie jedoch wechselseitig von einem Austausch profitieren. Bisher sind die Schnittstellen aber oft nicht klar definiert und der Austausch erfolgt eher zufällig.

Dieser Artikel möchte die Anregung zu einer intensiven Zusammenarbeit von Arbeits- und Sozialmedizinern geben mit dem Ziel, die jeweiligen Kenntnisse zum Nutzen der Patienten zusammenzuführen. Dies er-scheint uns besonders wichtig bei den häufigen depressiven Störungen, die nach dem Report der WHO aus dem Jahr 2001 weltweit die führende Ursache für krankheitsbedingt beeinträchtigte Lebensjahre bei den 15- bis 44-Jährigen sind.

Wer ist der MDK?

Der MDK ist der sozialmedizinische Beratungs- und Begutachtungsdienst der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Aufgaben des MDK sind im SGBV abschließend geregelt. Der MDK wird demnach im Auftrag der gesetzlichen Krankenkassen tätig, wobei das Gesetz für bestimmte Fragestellungen eine verpflichtende Beauftragung vorsieht, während es sich für andere Bereiche um eine Soll- oder Kann-Regelung handelt. Der MDK beschäftigt bundesweit ungefähr 2000 Ärzte, die in der Regel eine Facharztanerkennung besitzen und über mehrjährige Erfahrung in der Patientenversorgung verfügen. In den ersten Jahren ihrer Tätigkeit absolvieren die MDK-Ärzte eine sozial-medizinische Weiterbildung, erwerben die Zusatzbezeichnung Sozialmedizin und sind damit über ihre Facharztkompetenz hinausgehend qualifiziert.

Finanziert wird der MDK durch eine pau-schale Umlage für jeden gesetzlich Kranken-versicherten, die von der jeweiligen Krankenkasse vierteljährlich im Voraus entrich-tet wird. Die Vergütung erfolgt also in Form einer Flatrate, ist damit unabhängig vom Ergebnis der Beurteilung im Einzelfall und sichert so die medizinische Unabhängigkeit der Begutachtung bzw. Beratung. Nach den gesetzlichen Vorgaben darf der MDK nur im Auftrag der Kranken- und Pflegekassen tätig werden.

Die sozialmedizinischen Aufgabenfelder umfassen beispielsweise die Beurteilung des Krankheitsverlaufs bei arbeitsunfähigen Versicherten, die Prüfung der medizinischen Voraussetzungen von Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen, Heil- und Hilfsmitteln, außervertraglichen Leistungen sowie der Anwendung von neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Dies umfasst auch die Beratung und Unterstützung der Krankenkassen bei Vertragsverhandlungen, die Erstellung medizinischer Grundsatzgutachten zu definierten Fragestellungen auf der Basis des wissenschaftlich-medizinischen Erkenntnisstandes sowie die Überprüfung von Klinikkonzepten. Mit diesen Aktivitäten trägt der MDK indirekt auch zur Qualitätssicherung im Gesundheitssystem bei. Weitere wichtige Tätigkeitsfelder sind die Begutachtung von Behandlungsfehlervorwürfen und die Prüfung der medizinischen Parameter von Krankenhausrechnungen. Das hohe Niveau der medizinischen Versorgung in Deutschland kann nur aufrechterhalten werden, wenn die Qualität der Leistungen auch wirtschaftlich erbracht wird. Die MDK tragen durch die Prüfung von medizinischen Voraussetzungen für Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in diesem solidarisch finanzierten Ge-sundheitssystem wesentlich zu einer wirtschaftlich effizienten Allokation der begrenz-ten Mittel nach medizinischen Kriterien bei.

Schnittstellen zwischen gesetzlicher Krankenversicherung und betriebs-ärztlichen Diensten

Im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements gemäß § 20a Sozialgesetzbuch V (SGBV) sollen die Krankenkassen Leistungen zur Gesundheitsförderung in den Betrieben (betriebliche Gesundheitsförderung) erbringen. Ziel ist die Identifikation von Gesundheitsrisiken und die Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren unter Beteiligung der Versicherten und der für den Betrieb Verantwortlichen.

Zum Thema betriebliche Gesundheitsförderung (§ 20a SGBV) bietet beispielsweise die AOK Bayern ihren Firmenkunden eine umfangreiche Angebotspalette an:

  • Anonymisierte betriebliche Analyse des Krankenstands mit Branchenvergleich,
  • Gutachten über ergonomisch bedingte Krankheitsquellen mit Optimierungsempfehlungen,
  • Fehlzeitenmanagement (gesundheitsgerechtes Führungsverhalten),
  • Hinweise zur gesunden Arbeitsplatzgestaltung,
  • Vermittlung von Expertenwissen und Präventionsfachkräften (z. B. Rückenschule),
  • Mitwirkung im betrieblichen Arbeitskreis Gesundheit und in Gesundheitszirkeln,
  • Seminare zu gesundheitsbezogenen Themen in den Bereichen Bewegung, Ernährung und Entspannung.

Die Angebote reichen damit vom strategischen Ansatz mit Krankenstandsanalyse, Gesundheitszirkeln, Führungsverhalten etc. bis zum operativen Ansatz mit einzelnen Angeboten z. B. einer Rückenschule für die Mitarbeiter.

Bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben arbeiten die Krankenkassen auch mit dem zuständigen Unfallversicherungsträger zusammen. Sie können diese Aufgaben durch andere Krankenkassen, durch ihre Verbände oder durch zu diesem Zweck gebildete Arbeitsgemeinschaften (Beauftragte) mit deren Zustimmung wahrnehmen lassen. Sie sollen bei der Aufgabenwahrnehmung auch mit anderen Krankenkassen zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit ist vielgestaltig. In der Durchführung konkreter Projekte im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) (§ 20a, Abs. 2) entstehen immer wieder Kooperationen, z. B. durch gemeinsames Engagement im Arbeitskreis Gesundheit, gemeinsam durchgeführte Betriebsbegehungen, der Gestaltung von Gesundheitstagen oder der Erstellung und Herausgabe von Informationsbroschüren. Die Krankenkassen unterstützen die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung bei ihren Aufgaben zur Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren. Insbesondere unterrichten sie diese über ihre Erkenntnisse von Zusammenhängen zwischen Erkrankungen und Arbeitsbedingungen. Ist anzunehmen, dass bei einem Versicherten eine berufsbedingte gesundheitliche Gefährdung oder gar eine Berufskrankheit vorliegt, dann hat die Krankenkasse dies unverzüglich den für den Arbeitsschutz zuständigen Stellen und auch dem Unfallversicherungsträger mitzu-teilen.

Berührungspunkte zur Vorgabe des § 20b SGBV, der sich mit der Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren beschäftigt, ergeben sich insbesondere dann, wenn sich Vertreter der Unfallversicherungsträger sowie der Krankenkassen im Arbeitskreis Gesundheit einbringen. Da der Interventions-schwerpunkt schließlich gerade im Bereich der Prävention liegt, sind Erkenntnisse über kausale Zusammenhänge zwischen Erkrankungen und Arbeitsbedingungen nicht der Regelfall. Ergeben sich jedoch Hinweise auf Ursachenzusammenhänge, erfolgt eine Mel-dung an die zuständige Gesetzliche Unfallversicherung.

Arbeitsunfähigkeit und berufliche Wiedereingliederung

Betriebsärzte und Sozialmediziner des MDK haben bei Arbeitsunfähigkeit (AU) und be-ruflicher Wiedereingliederung von Versicher-ten (nach sozialmedizinischer Terminologie) oder Arbeitnehmern (nach arbeitsmedizini-scher Terminologie) einen wichtigen Berüh-rungspunkt. Für die Sozialmediziner wesent-liche Aufgaben bei der Begutachtung von arbeitsunfähigen Versicherten sind die Einschätzung der Dauer der Arbeitsunfähigkeit, die Beurteilung der Sinnhaftigkeit von Wiedereingliederungsmaßnahmen gemäß § 74 SGBV und ggf. die Bewertung der Erwerbsfähigkeit nach § 51 SGBV und/oder die Anregung von Rehabilitationsmaßnahmen.

Die Ärzte des MDK beraten dabei die Krankenkassen, die gestützt auf die MDK-Empfehlung ihre Leistungsentscheidungen treffen. Für die Krankenkassen, die per Gesetz zum so genannten Fallmanagement und zu einer wirtschaftlichen Arbeitsweise verpflichtet sind, stehen dabei die Krankengeld-zahlungen im Fokus. Der Blick reicht aber sowohl bei den Krankenkassen als auch beim MDK weiter. Je länger eine AU besteht, desto größer ist die Gefahr, dass die Wiederaufnahme der vor der AU ausgeübten Tätigkeit misslingt. Dies ist sowohl für den Versicherten als auch für Arbeitgeber und Krankenkasse unerwünscht. Ein wesentliches Ziel ist vielmehr die rechtzeitige Reintegration des Versicherten in das Arbeitsleben. Dies gilt umso mehr für ältere oder gering qualifizierte Arbeitnehmer, die bei krankheits-bedingtem Verlust des Arbeitsplatzes oft von längerer Arbeitslosigkeit bedroht sind. Insbesondere bei der Planung und Gestaltung von Wiedereingliederungsmaßnahmen ist die Abstimmung zwischen behandelndem Arzt, Betriebsarzt und Sozialmediziner sehr wichtig. Leider ist die Zusammenarbeit bisher meist noch sehr rudimentär und kann erheblich optimiert werden.

Aber auch im Falle einer Rehabilitations-maßnahme ist die Zusammenarbeit essen-tiell. An diesem Punkt stellt sich oft die Frage nach dem weiteren Prozedere. Nicht immer ist eine Restitutio ad integrum möglich. Ziel einer Rehabilitation kann auch eine Restitutio ad optimum, eine Kompensation der oder Adaptation an die fortbestehenden Be-einträchtigungen sein. Konkret bedeutet dies oft, dass nur wenige Patienten eine Rehabilitation arbeitsfähig beenden. Prognostische Einschätzungen zu einem Ende der AU im Entlassungsbericht der Rehabilitationsein-richtung treffen oft nicht zu, wenn der Patient wieder einige Wochen im häuslichen Umfeld ist. Zur Klärung der Frage, wie eine Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit gelingen kann, kann ein Kontakt zwischen MDK und Betriebsarzt, der die konkreten Rahmenbedingungen des Arbeitsplatzes kennt, sinnvoll sein. Gleiches gilt auch für die stufenweise Wiedereingliederung nach § 74 SGBV. Nach oder im Verlauf schwerwiegender Erkrankungen stellt der MDK-Gutachter bisweilen die Minderung oder er-hebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit nach § 51 SGBV fest. „Erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit“ bedeutet, dass innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren ohne Leistungen zur Teilhabe eine Minde-rung der Erwerbsfähigkeit zu erwarten ist, was eine Berentung zur Folge hat. Die erheb-liche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit ist aber auch eine der persönlichen Voraussetzungen von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch den Rentenversicherungsträger.

Neben den bereits diskutierten Leistungen der Krankenversicherung bei AU wie Krankengeld und stufenweise Wiedereingliederung stehen nach Feststellung einer erheblichen Gefährdung der Erwerbsfähigkeit durch die Gutachter des MDK wie auch konsekutiv durch die Gutachter der Rentenversicherung medizinische Rehabilitationsleistungen und Leistungen der Rentenversicherung zur Teilhabe am Arbeitsleben wie Berufsvorbereitung, berufliche Anpassung und Weiterbildung, berufliche Ausbildung, Zahlung von Überbrückungsgeld und sonstiger Hilfen zur Förderung der Teilhabe so-wie Hilfen zur Erlangung oder zum Erhalt eines Arbeitsplatzes zur Verfügung. Letztere beinhalten unter anderem Arbeitsausrüstungen, Hilfsmittel, technische Arbeitshilfen oder Trainingsmaßnahmen. Die Entscheidung, ob Leistungen zur medizinischen Re-habilitation oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, obliegt zwar dem Rentenversicherungsträger, den Anstoß dazu kann aber der Sozialmediziner des MDK geben, der den aktuellen Zustand des Versicherten kennt. Hier kann eine Zusammenarbeit mit dem Betriebsarzt sinn-voll sein, der über die konkrete Arbeitsplatzsituation informiert ist, was einen Abgleich von Leistungsanforderung und Leistungsvermögen und damit eine zeitnahe und ziel-genaue Empfehlung möglich macht.

Bei der Betrachtung der Schnittstellen zwischen betriebsärztlicher und MDK-Tä-tigkeit muss der Vollständigkeit halber noch das Thema Beschäftigungsverbot erwähnt werden. Die Abgrenzung von Arbeitsun-fähigkeit bei Schwangeren zum individuellen Beschäftigungsverbot bei Schwangeren kann bisweilen Schwierigkeiten bereiten und ist deshalb auch für manche Krankenkassen und damit auch für den MDK ein Thema. Die Ausgabe 1/2015 der ASU hatte sich ausführlich mit dem Thema beschäftigt.

Problemfeld psychische Erkrankung

Betriebsärzte haben eine Schlüsselstellung in allen Fragen von Arbeit und Gesundheit. Sie tragen durch ihr Wissen um die Vermei-dung von Gesundheitsgefahren am Arbeits-platz wesentlich zu Produktivität und wirtschaftlichem Erfolg von Unternehmen bei und schützen die Arbeitnehmer vor gesund-heitlichen Schäden. Nachdem die Tätigkeit von Betriebsärzten in den vergangenen Jahr-zehnten meist von den Gefahren durch körperliche Belastungen und den Umgang mit schädlichen Stoffen am Arbeitsplatz geprägt war, treten zunehmend psychische Erkrankungen in den Fokus.

Psychische Störungen waren nach einer Erhebung der Barmer-GEK im Jahr 2012 die Ursache für 82 Millionen Fehltage und damit für fast 19 % aller Arbeitsunfähigkeitstage ( Abb. 1). Die Tendenz ist steigend. Besonders affektive Störungen, allen voran depressive Episoden, die häufig als Burn-out-Syndrom „kaschiert“ werden, nehmen an Häufigkeit zu. Sie verursachen in der Regel wesentlich längere Arbeitsunfähigkeiten als die meisten somatischen Krankheiten.

Gerade mit zunehmender Dauer der Ar-beitsunfähigkeit steigt auch das Risiko, nicht wieder in die vorherige berufliche Tätigkeit zurückzukehren. Gründe hierfür sind z. B. arbeitgeberseitige Kündigungen während langer, oft auch wiederholter Krankheitsphasen. Aber auch die im Verlauf langer Ab-wesenheit vom Arbeitsplatz immer höher werdenden Hürden für eine Rückkehr wie abnehmendes Vertrauen in die eigenen be-ruflichen Fähigkeiten oder Ängste in Bezug auf die Reaktionen von Kollegen und Vorgesetzten spielen eine gravierende Rolle. Der zeitnahen und intensiven Begleitung von psychisch bedingt arbeitsunfähigen Ar-beitnehmern durch den Betriebsarzt kommt daher eine wesentliche Bedeutung zu. Hier können durch eine enge Zusammenarbeit von Betriebsärzten und Sozialmedizinern die Weichen für den weiteren Krankheitsverlauf gestellt werden. Die Ärzte des MDK sind in der Regel im Rahmen des Arbeitsunfähigkeits-Fallmanagements der Krankenkassen gut über den Behandlungsverlauf informiert und stehen zudem oft in Kontakt mit den behandelnden Ärzten.

Entscheidend ist nicht nur die effiziente Behandlung, sondern auch die Planung der Wiedereingliederung am Arbeitsplatz. Der richtige Zeitpunkt für den Beginn dieser Wie-dereingliederung kann nicht schematisch vorgegeben werden, sondern muss individuell unter Berücksichtigung verschiedenster Einflussfaktoren wie Schweregrad der Symptomatik, Ansprechen auf die Behandlung, familiäres Umfeld, Anforderungen und Unterstützungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz usw. bestimmt werden. Dabei ist es aus den zuvor genannten Gründen oftmals nicht sinnvoll, die vollständige Remission der Symptomatik abzuwarten.

Durch eine behutsame, empathische Be-ratung kann der Patient meist nach einer sig-nifikanten Besserung, aber mit noch bestehender Restsymptomatik, dazu gewonnen werden, einen Arbeitsversuch im Rahmen ei-ner stufenweisen Wiedereingliederung nach § 74 SGBV (WE) zu unternehmen. Je intensiver dieser Arbeitsversuch vom Betriebsarzt vorbereitet und auch begleitet wird, desto höher ist die Erfolgschance. Die stabilisierende und Tagesstruktur gebende Funktion der beruflichen Tätigkeit kann dabei einen eigenen therapeutischen Effekt entfalten, auch wenn die Betroffenen zu diesem Zeitpunkt noch deutlich antriebsgemindert und leistungseingeschränkt sind. Daher ist ein Beginn mit deutlich reduzierter Stundenzahl und eine langsame Steigerung entspre-chend der zunehmenden Belastungsstabilität gerade bei psychischen Störungen von großer Bedeutung.

Die stufenweise Wiedereingliederung wird auf dem entsprechenden Formblatt vom AU attestierenden Arzt bescheinigt. Während der WE ist der Patient formal weiterhin arbeitsunfähig, so dass für den Arbeitgeber keine Lohnkosten anfallen. Von der Krankenkasse erhält der Versicherte weiterhin Krankengeld. Bei psychischen Erkrankungen kann die WE mehrere Monate bis zu einem halben Jahr dauern. Der Rahmen der stufenweisen Wiedereingliederung kann im Wesentlichen frei gestaltet werden. Die Arbeitszeit kann zu Beginn z. B. wenige Stunden an nur 2 oder 3 Wochentagen betragen und langsam gesteigert werden.

Bei der Ausgestaltung besteht allerdings die Schwierigkeit, dass die stufenweise Wie-dereingliederung oft vom MDK-Gutachter angeregt wird, dann aber vom behandeln-den Arzt bescheinigt werden muss, während der Betriebsarzt am besten beurteilen kann, welches Modell möglich bzw. sinnvoll ist. Missverständnisse an dieser Schnittstelle führen leider häufig dazu, dass das Projekt misslingt. Manchmal wird die Empfehlung zu einer WE durch den MDK auch vom behandelnden Arzt als Einmischung in seine Therapie aufgefasst. Oder der Aufwand der WE wird vom Betriebsarzt als zu hoch eingeschätzt und die Chance vergeben, dass der Arbeitnehmer nach einer Übergangszeit wieder mit voller Leistungsfähigkeit seinen Arbeitsplatz ausfüllt. Um solche Hürden zu überwinden, benötigt der MDK-Arzt zur AU-Begutachtung eine Arbeitsplatzbeschrei-bung. Es sollte zudem geklärt sein, ob im Betrieb des Versicherten überhaupt eine WE möglich ist. Eine zielorientierte Absprache zwischen Betriebsarzt und Sozialmediziner würde hier eine für den Versicherten und seinen behandelnden Arzt gleichermaßen nachvollziehbare stringente Planung ermög-lichen. Voraussetzung ist allerdings das Vertrauen des Patienten, dass das geplante Procedere auch seinem Nutzen dient.

Eine Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den beteiligten ärztlichen Profes-sionen, die bisher leider oft noch unzureichend ist, brächte am Ende erhebliche Vorteile – zum einen für den Versicherten, zum anderen aber auch für Unternehmen und Sozialversicherungsträger. Ein Wehmutstropfen bleibt. Psychische Erkrankungen können auch Folge eines Arbeitsplatzkon-flikts sein. Ist dieser Konflikt unüberbrückbar, bleiben alle Bemühungen zur Wiedereingliederung und zum Erhalt des Arbeitsplatzes vergebens. 

Literatur

Berger M, Gravert C, Schneller C, Maier W: Prä-vention und Behandlung psychischer Störungen am Arbeitsplatz. Nervenarzt 2013; 11: 1291–1298.

Klein F: Arbeit als Therapie. Der Neurologe und Psychiater 2010; 1: 12–13.

Muschalla B, Linden M: Sozialmedizinische Aspekte bei psychischen Erkrankungen. Nervenarzt 2011; 9: 1187–1200.

    Weitere Infos

    Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) – Gesetzliche Krankenversicherung –

    www.gesetze-im-internet.de/sgb_5

    Für die Autoren

    Dr. med. Michael Röder

    MDK Bayern

    Region Ost

    Podewilsstraße 6

    84028 Landshut

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