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Zwischen Beschäftigtenschutz und Patientenschutz

Der Betriebsarzt im Gesundheitsdienst

A rbeitsmediziner im Gesundheitsdienst stoßen im Alltag immer wieder auf Situationen, in denen von ihnen personalärztliche Aufgaben mit dem Ziel des Patientenschutzes erwartet werden. Oder man geht davon aus, dass sie z. B. bei infektiösen Beschäftigten keine Schweigepflicht, im Gegenteil sogar, eine Mitteilungspflicht hätten. Es ist mitunter schwierig, die rechtlichen Rahmenbedingungen und Aufgaben als Arbeitsmediziner zu erläutern und Wunschvorstellungen anderer in eine der Arbeitsmedizin gerecht werdende Richtung zu lenken. Dazu kommt, dass Experten z. B. der Hygiene und des Öffentlichen Gesundheitswesens arbeitsmedizinische Rechtsgrundlagen ggf. nicht ausreichend kennen und deshalb Verfahrensvorschläge veröffentlichen, die der Arbeitsmedizin ebenfalls nicht immer gerecht werden. Es wird zwischen personalärztlichen und arbeitsmedizinischen Aufgaben nicht ausreichend unterschieden.

Arbeitsmediziner dürfen keine Grund- sätze oder Aufträge annehmen, die mit  den arbeitsmedizinischen Aufgaben nicht vereinbar sind

Das führt im Alltag ungewollt zu falschen Erwartungen an Betriebsärzte, z. B. von Arbeitgebern, Betriebsräten und den Beschäftigten selbst, auch vom Gesundheitsamt. Die Betriebsärzte wiederum finden sich in Rollenkonflikten oder sogar Spannungsfeldern wieder. Nach Artikel 6 des Ethikkodex in der Arbeitsmedizin des VDBW und DGAUM wird von Arbeitsmedizinern Rechtskompetenz erwartet, was einschließt, dass sie keine Grundsätze oder Aufträge annehmen, die mit den arbeitsmedizinischen Aufgaben nicht vereinbar sind und deren Befolgung sie nicht verantworten können. Diese Konflikte gibt es aber, wenn personalärztliche Aufgaben erwartet werden, noch dazu ohne dazugehörende Regelungen.

Dabei ließe sich vieles dazu regeln, beispielsweise über eine Arbeitsmedizinische Regel.

Außenstehende könnten vermuten, hier werden 2 Untersuchungen mit völlig unterschiedlichem Rechtscharakter in einen Topf geworfen. Tatsächlich können sich die Untersuchungen nicht ersetzen, es könnte höchstens gewisse Überlappungen bei Laboruntersuchungen geben. Hier würde der Hinweis auf Regelungsbedarf helfen, falls eine Kooperation gewünscht ist. Beispielsweise empfiehlt der Gewerbearzt des Regierungspräsidiums Baden-Württemberg P. Bittighofer eine Betriebsvereinbarung in Absprache mit dem Gesundheitsamt (persönliche Mitteilung). Sie würde allen Beteiligten darlegen, nach welchem Recht wer in welcher Rolle handelt bzw. untersucht wird und dass nach dem Greifen der hoheitlichen Maßnahmen andere Rechte nicht mehr gültig sind. Auch dieser zwingend notwendige erste Schritt des Gesundheitsamtes wäre dort geregelt. Im Prinzip seien es zwei verschiedene Welten, in denen der Betriebsarzt und das Gesundheitsamt agieren, sagte Herr Bittighofer. Wenn eine Kooperation zwischen Gesundheitsamt und Betriebsarzt in dieser Frage zustande kommt, müssen die unterschiedlichen Rechtslagen den Beteiligten (einschließlich der Probanden) klar sein bzw. klar gemacht werden.

Nach Arbeitsschutzrecht ist es nicht zulässig, vom Betriebsarzt „Kontrollen“ im Hinblick auf den Patientenschutz zu erwarten. Der Arbeitgeber darf diese „Überwachung“ nicht vom Betriebsarzt einfordern. Das trifft besonders für die schwierige Situation zu, wenn sich ein Beschäftigter nicht kooperativ zeigt und vom Betriebsarzt erwartet wird, dieses mitzuteilen.

Es geht hier nicht um Arbeitsschutzrecht, sondern um Arbeitsrecht, somit kann der Arbeitgeber die Mitwirkung nur vom Beschäftigten einfordern, nicht vom Betriebsarzt. Das bedeutet nicht, dass der Betriebsarzt überhaupt nicht mitwirkt, sondern dass zuvor Abwägungen und Regelungen erforderlich sind. Hier würde eine juristische Hilfestellung, eine Regelung oder der Hinweis, dass hausinterne Regelungen notwendig sind mit einem Hinweis, wie sie auch für die Arbeitsmedizin rechtskonform aussehen könnten, helfen.

Arbeitsschutz setzt eine vertrauens- volle Basis voraus

Weiterhin gibt es hier einen Widerspruch: der Betriebsarzt soll als Kontrolleur fungieren (personalärztliche Aufgabe) und zugleich soll eine Vertrauensbeziehung mit dem Betriebsarzt entstehen (arbeitsmedizinische Aufgabe). Dieses ist so, wie es oben steht, nicht umsetzbar. Im Gegenteil, die zugedachte Rolle der „Gesundheitspolizei“ wird das Vertrauensverhältnis schmälern, was auf anderer Seite auf Kosten des Arbeitsschutzes geht. Beim Arbeitsschutz ist eine vertrauensvolle Basis nötig, damit sich die Beteiligten im Vertrauen öffnen können, wenn Handlungsbedarf besteht. Nur so kann man gemeinsam nach Lösungen suchen und einen Raum schaffen, in dem Kreativität und Ideen im Sinne des Arbeitsschutzes wachsen können.

Ebenso bedarf der in Zylka-Menhorn (2012) erwähnte Begriff „(dokumentierte) Absprache“ einer Erläuterung, z. B. wozu genau die Dokumentation dienen soll. Hier werden Betriebsärzten ferner unter der Überschrift „Arbeitsmedizinische Aspekte“ Aufgaben zugeschrieben, die nicht der Arbeitsmedizin, sondern dem personalärztlichen Bereich angehören und die Schweigepflicht wird nicht einmal erwähnt.

Hinzu kommt, dass kein Betriebsarzt ein „Beschäftigungsverbot“ aussprechen kann, sondern nur die Behörde bzw. die Gesundheitsämter nach § 31 IFSG.

Arbeitsmediziner dürfen laut derzeit geltendem Arbeitsschutzrecht keine Erfüllungsgehilfen der Krankenhausleitungen sein, um ein Organisationsverschulden beim Patientenschutz zu verhindern. Dieses dürfte den beteiligten Personen im Unternehmen nicht immer bekannt sein. Es ist aber wie bei o. g. Themen wichtig, dieses auf andere Weise rechtskonform zu regeln.

Auch hier werden Untersuchungen unterschiedlicher Rechtsgrundlage (personalärztliche und arbeitsmedizinische) nicht getrennt mit folglich falschen Erwartungen an Betriebsärzte. Auch hier würde der Hinweis auf Regelungsbedarf im Unternehmen mit Anleitungen helfen.

Regelungen zu Untersuchungen im Hinblick auf den Patientenschutz müssen innerhalb des Arbeitsrechts und außerhalb des Arbeitsschutzrechts gesucht werden

Das heißt, sie sind Angelegenheit ausschließlich der (Arbeits-)Vertragspartner und der Betriebsarzt kommt hier anders als im Arbeitsschutzrecht zunächst gar nicht vor! Hier dürfen die sonst üblichen bekannten betriebsärztlichen Bescheinigungen auch nicht vorkommen. Eine ärztliche Mitteilung darf immer nur an die Beschäftigten gehen, ggf. zur Weiterleitung an den Arbeitgeber. Würde sie vom Betriebsarzt erstellt werden, würde dieser in einer anderen Rolle agieren und könnte ggf. anderes Briefpapier und einen anderen Stempel verwenden.

Aus der Tatsache, dass der Betriebsarzt Mitarbeiter nach Arbeitsschutzrecht untersucht, darf nicht voreilig geschlossen werden, dass er beliebige Untersuchungen durchführen darf oder sogar muss, selbst wenn sie im Hinblick auf den Patientenschutz sinnvoll sein können.

Dafür einige Gründe:

  •  a) Persönliche Verpflichtung des Chirurgen:

Der BGH hat nach einer Übertragung einer bis dahin unbekannten Hepatitis-B-Infektion eines Chirurgen auf mehrere Patienten in einem Urteil vom 14. 03. 2003 (AZ. 2 StR 239/02) entschieden, dass es zu den Sorgfaltspflichten eines operativ tätigen Arztes gehört, sich wenigstens einmal pro Jahr auf eine eventuelle Hepatitis-B-Infektion untersuchen zu lassen. Hierbei handelt es sich laut Urteil um eine persönliche Verpflichtung des Chirurgen zur regelmäßigen Überprüfung des Infektionsstatus, die folglich bei Übertragung einer Infektion auf Patienten zu Haftungsansprüchen gegen ihn selbst führen würde. Noch schwerwiegender dürften die strafrechtlichen Aspekte sein, wenn er in Kenntnis seiner Virusträgerschaft operiert (grobe Fahrlässigkeit oder sogar bedingter Vorsatz). In ähnlicher Weise würde ggf. auch der Krankenhausträger bei Pflichtverletzungen seiner Erfüllungsgehilfen haften. Der Träger muss darüber hinaus vermutlich ein Organisationsverschulden ausschließen und könnte durch geeignete Maßnahmen u. a. aktiv auf Durchführung dieser Blutbestimmungen hinwirken. Die Verantwortung für den Patientenschutz wird also neben dem Gesundheitsamt den Trägern und Arbeitnehmern und nicht dem Betriebsarzt zugesprochen.

  •  b) Häufigkeit der arbeitsmedizinischen Untersuchungen:

Die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbmedVV) sieht lediglich Pflichtuntersuchungen für Hepatitis B und C vor, falls Tätigkeiten mit diesen Gefahren für die jeweiligen Beschäftigten ausgeübt werden. Die Untersuchungen fanden bisher nach der ersten Nachuntersuchung (nach 1 Jahr) in der Regel alle 3 Jahre statt. Die neue Arbeitsmedizinische Regel AMR 2.1 „Fristen für die Veranlassung/das Angebot von arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen“ vom Oktober 2012 gibt als Stand der Arbeitsmedizin Abstände zwischen 2 und 3 Jahren vor. Eine Verkürzung der Abstände mit dem Ziel des Patientenschutzes, also einem anderen Ziel als dem Arbeitsschutz und der Gesundheit eines Chirurgen, wäre nicht im Sinne der ArbmedVV (§ 1). Die Untersuchung auf HIV ist zumindest in der Arbeitsmedizin ausnahmslos freiwillig. Weiterhin müssen bei diesen Untersuchungen nicht regelmäßig spezifische Blutbestimmungen stattfinden, sondern die Untersuchung kann sich je nach Ermessen des Arbeitsmediziners (i. d.  R. nach gemeinsamer Abwägung) auch auf Beratungen, Routinelabor und körperliche Untersuchung beschränken. In der Regel wird der Betriebsarzt z. B. bei Chirurgen zwar auf spezifische Serologien hinwirken, allerdings ist er an das Ziel gebunden, die Gesundheit des Chirurgen und nicht die der Patienten bestmöglich zu schützen. Der untersuchte Chirurg selbst kann anschließend die in der arbeitsmedizinischen Untersuchung gewonnenen Blutbefunde als günstigen Nebeneffekt zur Erfüllung seiner eigenen o. g. persönlichen Verpflichtung verwenden.

Die Verordnung richtet sich zudem an den Arbeitgeber und verpflichtet ihn, seine Beschäftigten vor Ausübung bestimmter Tätigkeiten untersuchen zu lassen. Es gibt hingegen keine Duldungspflicht für die Arbeitnehmer, die gleichwohl mit anderen arbeitsrechtlichen Maßnahmen (z. B. Einsatz mit nicht übertragungsträchtigen Tätigkeiten) rechnen müssen, wenn sie die arbeitsmedizinische Pflichtuntersuchung zum Zweck der eigenen Gesundheit verweigern.

  •  c) Zweck der arbeitsmedizinischen Untersuchung und betriebsärztlichen Beurteilung: Arbeitsmedizinische Vorsorge dient vorrangig dem Zweck, die Beschäftigten über die Wechselwirkungen zwischen ihrer Arbeit und ihrer Gesundheit aufzuklären und sie entsprechend arbeitsmedizinisch zu beraten. Die Beurteilung der arbeitsmedizinischen Untersuchung muss nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ASiG (Arbeitssicherheitsgesetz) nach arbeitsmedizinischen Gesichtspunkten erfolgen. Das bedeutet, dass sich die Beurteilung auf der Bescheinigung für den Arbeitgeber stets nur auf die Gesundheit des untersuchten Arbeitnehmers und keinesfalls auf den Patientenschutz beziehen darf. Die Bemerkung „keine gesundheitlichen Bedenken“ besagt somit lediglich, dass die Gesundheit des infektiösen Chirurgen nicht gefährdet ist und trifft laut Gesetz keine Aussage zur Gefährdung der Patienten. Es ist nicht möglich, dass der Arbeitgeber Arbeitsmediziner anweist, zusätzlich zu den arbeitsmedizinisch geforderten Untersuchungen weitere Untersuchungen und von den gesetzlichen Vorgaben abweichende Bewertungen vorzunehmen (U. Brucklacher, Juristin, persönliche Mitteilung).

Fazit aus b) und c): Die Untersuchungen nach der ArbmedVV finden erstens zu selten statt und sind zweitens im Hinblick auf den Zweck und die sich darauf stützende Mitteilung des Betriebsarztes an den Arbeitgeber nicht geeignet, das Risiko im Sinne des Patientenschutzes einzudämmen. Eine AMR könnte diesen Punkt allen Beteiligten bewusst machen, denn dieses ist zu wenig bekannt.

  •  d) Verpflichtung zum Nachweis der Eignung:

Die in der ArbmedVV aufgeführten Anlässe für Pflichtuntersuchungen sind laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales abschließend geregelt. Eine Verpflichtung zum Nachweis der Eignung im Hinblick auf übertragbare Erkrankungen auf Dritte durch ein ärztliches Attest besteht nach Arbeitsschutzrecht demnach nicht.

Hier muss geklärt werden, welche Regelungen stattdessen im Arbeitsrecht möglich sind (ggf. Arbeitsverträge, Betriebsvereinbarungen, Tarifverträge etc.). Gegebenenfalls wird dieses am besten arbeitsvertraglich geregelt. Dann besteht eine persönliche Verpflichtung der Beschäftigten, bestimmte Untersuchungen eigenverantwortlich durchführen zu lassen und bei Vorhandensein entsprechender Regelungen zu dulden. Diese Untersuchungen könnten dann ggf. auch vom Betriebsarzt durchgeführt werden, allerdings in einer zusätzlichen personalärztlichen Funktion, die zunächst ordnungsgemäß geregelt worden sein muss. Wie alle personalärztlichen Aufgaben muss dieses im Übrigen außerhalb der betriebsärztlichen Einsatzzeit stattfinden.

Eine Betriebsvereinbarung gilt kollektiv, der Arbeitsvertrag ist individuell, auch daher empfiehlt sich die Regelung über Arbeitsverträge.

Ob man eine Verpflichtung zur Untersuchung über Betriebsvereinbarungen überhaupt hausintern regeln kann, sollte eine juristische Auslegung klären. Eine solche Verpflichtung zur Untersuchung wäre laut BMAS nämlich mit „erheblichen Grundrechtseingriffen, insbesondere der Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 (allgemeines Persönlichkeitsrecht) und des Art. 12 Abs. 1 GG (Recht der freien Berufsausübung) verbunden und bedürfte daher einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Rechtsgrundlage, die den Ansprüchen der Verhältnismäßigkeit genügen müsste“. (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, „nicht rechtsverbindliche“ Antwort vom 3. Januar 2011 auf eine Anfrage). Stets, insbesondere auch bei Betriebsvereinbarungen, muss der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer durch schützenswerte Belange anderer Grundrechtsträger unter Berücksichtigung des Einzelfalles gerechtfertigt sein. Die erforderliche Einwilligung des einzelnen Arbeitnehmers wird durch den Abschluss einer Betriebsvereinbarung nicht ersetzt (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, („nicht rechtsverbindliche“ Antwort auf eine Anfrage vom 3. Januar 2011)). Diese Schritte müssen vor einer Verpflichtung zur Untersuchung jeweils ordnungsgemäß durchlaufen sein. Gegebenenfalls ist eine Verpflichtung auch nur möglich, wenn die betroffene Tätigkeit zur Erfüllung der arbeitsvertraglich geschuldeten Pflichten zwingend erforderlich ist (U. Brucklacher, Juristin, persönliche Mitteilung).

Bei Regelung über Arbeitsverträge sieht es ggf. einfacher aus.

  •  e) Schweigepflicht in der Arbeitsmedizin:

Die Offenbarung eines Beschäftigten bei einer infektiösen Erkrankung darf sich gerade nicht an den Betriebsarzt richten, der ja die Schweigepflicht hat. Diese darf er nur brechen, wenn er im konkreten Fall eine Abwägung nach § 34 StGB (rechtfertigender Notstand) vorgenommen hat. Es stellt sich die Frage, ob die Anwendung dieses Paragraphen für die Mitteilung einer infektiösen Erkrankung eines Beschäftigten überhaupt Anwendung finden kann. Nicht nur das Vorhandensein von Alternativen lässt eine Abwägung zugunsten des § 34 StGB kaum denkbar erscheinen. Diese Abwägung könnte ohnehin nur der untersuchende Betriebsarzt selbst in jedem Einzelfall vornehmen. Es ist nicht möglich, dass ein Arbeitgeber im vornherein pauschal für alle Fälle diese Abwägung vornimmt und vom Betriebsarzt entsprechende Mitteilungen erwartet (U. Brucklacher, Juristin, persönliche Mitteilung).

Weiterhin müsste die Mitteilung des Betriebsarztes dann angeblich an den Amtsarzt gerichtet werden, der entscheidet, ob nach § 31 IFSG Maßnahmen erfolgen (Giesen 2009). Gegebenenfalls gibt es hierbei noch andere Wege und dieser Punkt bedarf der Diskussion.

Ob eine oder im zeitlichen Verlauf mehrere Offenbarungen und bestimmte Einsatzempfehlungen eines HIV-positiven Chirurgen jeweils nötig sind, kann zusätzlich nur ein Virologe und kein Betriebsarzt feststellen. Wer Empfänger der Offenbarung eines infektiösen Chirurgen ist, muss man vor Ort im Einzelfall festlegen. Das kann ggf. der Ärztliche Direktor sein, ein Chefarzt oder eine Person der Personalabteilung. Der Betriebsarzt kann den Chirurgen bei allen Schritten als Vertrauensperson begleiten, unterstützen und beraten. Er kann auf Wunsch des Betroffenen auch mit dem Virologen zusammen arbeiten. Dieselben Maßnahmen müssen auch für Personen anderer Berufsgruppen zutreffen, die vorübergehend oder auf Dauer ähnliche Gefahren für Patienten darstellen können.

  •  f) Vertrauensverhältnis Betriebsarzt – Beschäftigter:

Regelungen zu arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen schreiben einen eindeutigen Präventionscharakter in der Arbeitsmedizin vor. Es soll u. a. durch die arbeitsmedizinische Beurteilung der Wechselwirkungen zwischen Mensch und Arbeit eine direkte Rückmeldung ermöglicht werden, wie gut oder schlecht die Gefährdungsbeurteilung ist. Die Freiwilligkeit von einigen Untersuchungen drückt aus, dass Arbeitsschutz über Vertrauen funktioniert. Nur wer sich traut, offen und ehrlich Probleme anzusprechen, kann sie gemeinsam mit anderen auch lösen. Wenn der Betriebsarzt also als „Eignungsarzt“ wahrgenommen wird, wird man ihm nichts mehr anvertrauen. Das geht ggf. auf Kosten des Arbeitsschutzes im Unternehmen. Daher hat der Arbeitgeber die Aufgabe, dieses Vertrauensverhältnis zwischen Beschäftigten und Betriebsarzt zu schützen (Gewerbearzt Dr. R. Gensch, LaGetSi Berlin, Freiburger Kongress September 2009).

Fazit

Betriebsärzte sind wichtige Kooperationspartner, wenn es um übertragbare Infektionskrankheiten bei Beschäftigten geht. Die Aufgaben liegen aber nach heutigem Recht bei Beratungen der Arbeitnehmer und auch der Führungskräfte im Rahmen von Vertrauensverhältnissen im Bereich Arbeitsschutz, d. h. ohne Mitteilung an den Arbeitgeber im Falle von Problemen beim Patientenschutz. Die Schweigepflicht des Betriebsarztes und das Vertrauensverhältnis Betriebsarzt – Beschäftigter ermöglichen einen gesicherten Raum für die Beschäftigten und können effektiv zu konstruktiven Lösungen und einem sicheren Einsatzes infektiöser Beschäftigter beitragen, wenn sich die Beschäftigten im Vertrauen öffnen, ggf. untersuchen und beraten lassen dürfen. Das Vertrauensverhältnis muss daher geschützt werden. Hier besteht erheblicher Handlungsbedarf.

Die Beschäftigten selbst wären im Rahmen des Arbeitsrechts verpflichtet, die evtl. resultierenden Empfehlungen zum Einsatz an den Arbeitgeber weiterzureichen. Es gibt ggf. zahlreiche Möglichkeiten, diese Dinge unter Berücksichtigung der o. g. Aspekte im Unternehmen zu regeln. Dabei dürfen auch keine Lösungen für diejenigen Beschäftigten fehlen, die vorübergehend oder auf Dauer nicht mit übertragungsträchtigen Tätigkeiten beauftragt werden dürfen. Umso wichtiger ist das im Fall einer Berufskrankheit.

Diese Themen sind in Deutschland noch längst nicht ausdiskutiert. Fachübergreifende Konzepte müssen erarbeitet werden und dazu müssen alle beteiligten Partner an einen Tisch und gemeinsam Lösungen im arbeitsrechtlichen Bereich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer suchen. Unerlässliche Teilnehmer einer solchen Arbeitsgruppe sind meiner Meinung nach Juristen, die sich im Arbeitsrecht und zugleich im Arbeitsschutzrecht gut auskennen.

Betriebsärzte können gemaß ihrer gesetzlich geregelten Rolle in diese Konzepte integriert werden. Dazu ist zur Stärkung der Position der Arbeitsmedizin aber schnellstmöglich eine offizielle aussagekräftige Basis erforderlich. 

Literatur

Diel R, Loytved G, Nienhaus A et al.: Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose: Neue Empfehlungen für die Umgebungsuntersuchungen bei Tuberkulose. Pneumologie 2011; 65: 359–378.

Giesen T: Die ärztliche Schweigepflicht in der Arbeitsmedizin. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2009; 44: 524–531.

Jarke J, Hösl J, von Schwarzkopf H: HIV-positiv: Kein Karriereende für Chirurgen. Ärzteblatt 2011; 42.

Popp W, Kundt R, Haamann F et al.: Personalrisiko durch MRSA – ein unterschätztes Thema. ASUpraxis, Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2010; 45 (8).

Zylka-Menhorn V: HIV-Infektion: Wie nosokomiale Übertragungen verhindert werden können. Dtsch Ärzteblatt 2012; 109 (35/36).

    Autorin

    Bettina Osebek

    Fachärztin für Arbeitsmedizin

    Tommentalstraße 19

    72800 Eningen unter Achalm

    Beispiele für Handlungsbedarf

    „Neue Empfehlungen für die Umgebungsuntersuchungen bei Tuberkulose“ (Diel et al. 2011):

    „....Die freiwillige Teilnahme an einer Angebotsuntersuchung bei Kontakt eines Beschäftigten mit einem Tuberkulose-Indexfall ersetzt dabei, wie die arbeitsmedizinische Pflichtuntersuchung unter Beachtung des Grundsatzes G 42 Nr. 37 (Tuberkulose) auch, die Umgebungsuntersuchung nach dem IfSG. Um Doppeluntersuchungen zu vermeiden, ist es sinnvoll, dass Betriebsärzte ihre Untersuchungen nach der Biostoffverordnung in Absprache mit dem Gesundheitsamt vornehmen und sowohl die Kriterien für enge Kontaktpersonen (3.8.1) als auch das entsprechende Untersuchungsschema dieser DZK-Empfehlungen anwenden.“

    „HIV-positiv – Kein Karriereende für Chirurgen“ (Jarke et al. 2011):

    „... feste Intervalle der Viruslastbestimmung und regelmäßige Information des Betriebsarztes (halbjährlich) oder des Gesundheitsamtes, wenn die Viruslast nicht nur kurzfristig („Blip“) über die Nachweisgrenze ansteigt – hier kann durch den Betriebsarzt eine befristete Unterlassung gefährdender Tätigkeiten ausgesprochen werden, bis die Virämie beseitigt ist. Gelingt es nicht, die Viruslast nachhaltig unter die Nachweisgrenze zu bringen, kann zunächst geprüft werden, ob der Betriebsarzt (oder das Gesundheitsamt) ein dauerhaftes Verbot übertragungsträchtiger Tätigkeiten ausspricht ... Betriebsärzte werden in die Verantwortung der HIV-infizierten Mitarbeiter für den Patientenschutz miteingebunden, wenn Letztere sich ihnen gegenüber vertrauensvoll offenbaren oder einem HIV-Test zustimmen. Diese Vertrauensbeziehung bildet den Schutz und die Chance für das hier vorgeschlagene Vorgehen. Menschen mit HIV werden sich darauf nur einlassen, wenn sie sicher sein können, dass Betriebsärzte sich in diesem schwierigen Spannungsfeld zwischen Arbeitsschutz (das heißt Mitarbeiterschutz) und Infektionsschutz der Patienten einerseits sowie den berechtigten Interessen des Arbeitgebers und des Beschäftigten andererseits konsequent an die Schweigepflicht und an den aktuellen Stand von Wissenschaft und Rechtsprechung halten.“

    „HIV-Infektion – Wie nosokomiale Übertragungen verhindert werden können“ (Vera Zylka-Menhorn 2012):

    „... Arbeitsmedizinische Aspekte: Die uneingeschränkte Tätigkeit des HIV-positiven HCW (Anm.: HCW: Health Care Worker) ist nur dann möglich, wenn Adhärenz bei der antiretroviralen Therapie besteht und wenn alle zur Vermeidung einer Infektionsübertragung erforderlichen Maßnahmen regelrecht eingehalten werden. Ferner ist ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Betriebsarzt und Mitarbeiter hierbei Grundvoraussetzung. Bei HIVpositiven HCW ist die Viruslast durch mindestens vierteljährliche Kontrollen zu überprüfen.

    ... Beträgt die HI-Viruslast > 50 Kopien/ml länger als 14 Tage, ist in einem Gespräch zwischen dem HIV-positiven Mitarbeiter und dem Betriebsarzt zu klären, ob eine Gefährdung Dritter vorliegt oder ob diese Gefährdung akut und/oder künftig ausgeschlossen werden kann (zum Beispiel durch Vermeidung von Tätigkeiten mit Übertragungsgefahr, bis die Viruslast wieder 50 Kopien/ml beträgt). Erfolgt diese (dokumentierte) Absprache einvernehmlich, sind keine weiteren Schritte erforderlich. In allen anderen Fällen müssen weitere Personen (Expertengremium) hinzugezogen werden. Die Vorgehensweise richtet sich nach den Vorgaben des Robert-Koch-Instituts und der DVV ...“.

    „Personalrisiko durch MRSA – ein unterschätztes Thema“ (Popp et al. 2010):

    „... Darüber hinaus sollte das Thema MRSA verstärkt in die arbeitsmedizinische Untersuchung, z. B. auch im Rahmen der regelmäßigen Betreuung entsprechend ArbMedVV, einbezogen werden. Zu denken ist an das Angebot einer regelmäßigen Belehrung über Schutzmaßnahmen sowie eventuell ScreeningAngebote – ähnlich wie in den Niederlanden. Diese Überlegungen folgen nicht zuletzt aus der aktuellen Rechtsprechung zur Hygiene, die ein Organisationsverschulden bei Einsatz MRSA-positiver Mitarbeiter nahelegt (Smentkowski 2007)“.

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