Bei der aktuellen Überarbeitung der Luftqualitätsgrenzwerte auf EU-Ebene sollte sich die Bundesregierung für die vollständige Angleichung der Grenzwerte mit Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bis 2030 einsetzen, damit Deutschland und die EU Vorreiter beim Gesundheitsschutz werden.
„Luftverschmutzung ist das größte umweltbedingte Risiko für die Gesundheit der Menschen in Deutschland und in Europa und ein Risikofaktor für alle großen Volkskrankheiten – Herz-Kreislauferkrankungen, Atemwegserkrankungen, und Krebs. Studien zeigen außerdem, dass das Risiko für Kinder besonders ausgeprägt ist, da sie noch in der Entwicklung sind. Die Gesundheit wird schon im frühen Kindesalter, selbst schon im Mutterleib, durch Luftverschmutzung beeinträchtigt, mit lebenslangen Folgen“, sagte Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer. Mit Blick auf die Revision der Luftqualitätsrichtlinie forderte er das Europäische Parlament sowie den EU-Umweltministerrat dazu auf, den Empfehlungen der WHO zu folgen. Diese sehen im Vergleich zu den EU-Bestimmungen deutlich striktere Grenzwerte für Schadstoffe wie Feinstaub oder Stickstoffoxid vor.
Die größte Gesundheitsbelastung entsteht durch Feinstaub, der zu vorzeitigen Todesfällen (rund 54.000 vorzeitige Todesfälle in Deutschland im Jahr) und zu einer Reihe von Gesundheitsschäden führt. Neue Studien zeigen Gesundheitsauswirkungen auch in sehr niedrigen Schadstoffkonzentrationen; es scheint keinen sicheren Grenzwert für Feinstaub zu geben.
„Die Überarbeitung der EU-Luftqualitätsrichtlinie ist eine echte Chance, etwas für die Gesundheit jedes einzelnen Menschen zu tun – denn obwohl manche Bevölkerungsgruppen, wie Kinder, ältere oder vorerkrankte Menschen die gesundheitlichen Folgen besonders spüren, betrifft ungesunde Luft uns alle. Jeder einzelne ist vulnerabel und jeder einzelne hat ein Interesse daran, dass die Gesetze zur Luftqualität unsere Gesundheit in größtmöglichem Maße schützen“, sagt Prof. Dr. med. Barbara Hoffmann MPH, Universität Düsseldorf.
Doch die kürzlich veröffentlichten Vorschläge der EU-Kommission zur Revision der Grenzwerte geht angesichts der Dringlichkeit und des Ausmaßes der Gesundheitsbelastung durch Luftverschmutzung nicht weit genug, erklärt Anne Stauffer, Stellvertretende Geschäftsführerin bei HEAL, einem Zusammenschluss von Gesundheitsorganisationen: „Luftverschmutzung ist das größte umweltbedingte Risiko. Diesem Risiko zu begegnen erfordert politischen Willen, um die Gesundheit schnell und langfristig zu schützen. Wir fordern das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten auf, den Gesundheitsschutz an erste Stelle zu setzen, um Leben zu retten und Krankheiten vorzubeugen. Dies muss geschehen durch die vollständige Angleichung an die aktualisierten WHO-Empfehlungen bis spätestens 2030 und mit einem starken Rahmenwerk, das rechtlich verbindliche Grenzwerte und politische Durchsetzungsmechanismen einschlieβt.“
Dabei müssen Maβnahmen in allen Bereichen getroffen werden, sagt Dr. Anja Behrens, Sprecherin der AG Saubere Luft bei KLUG: „Luftverschmutzung und Klimawandel haben gemeinsame Ursachen, das gilt für die Energiegewinnung und Industrie, die Haushalte, die Landwirtschaft und den Verkehr. Wir müssen die Verbrennung fossiler Energien beenden, dürfen dabei aber nicht auf falsche Lösungen setzen. Ein tragisches Beispiel ist die Förderung von Biomasse, die zu noch mehr Verschmutzung führt und den Klimawandel in gleichem Maße befeuert wie die Verbrennung fossiler Energien."