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Die Annahmequote bei unterschiedlichen ­Gestaltungsmodellen des betrieblichen ­Eingliederungsmanagements (BEM)

Das PDF dient ausschließlich dem persönlichen Gebrauch! - Weitergehende Rechte bitte anfragen unter: nutzungsrechte@asu-arbeitsmedizin.com.

J. Neumann1

V. Scherenberg2

(eingegangen am 20.04.2024, angenommen am 10.05.2024)

The acceptance rate for different design models of occupational integration management (OIM)

Since the introduction of occupational integration management (OIM) in 2004, various ways of implementing OIM have been developed. A sys­tematic literature analysis was used to search for and compare OIM acceptance rates for different design models. However, only a few publications could be identified, and only some of these gave concrete figures. The majority of the results related to the public sector and showed rates of between 12 % to 58 %. To that extent there is a clear need for research to enable companies to select the optimum model for themselves and to be able to quickly reintegrate OIM beneficiaries into the company.

Keywords: operational integration management (OIM) – Acceptance rate – OIM-design – systematic literature analysis

doi:10.17147/asu-1-364956

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2023; 59: 395–399

Die Annahmequote bei unterschiedlichen Gestaltungsmodellen des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM)

Seit Einführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) im Jahre 2004 sind verschiedene Gestaltungswege zur Umsetzung des BEM entwickelt worden. Mittels einer systematischen Literaturanalyse wurden BEM-Annahmequoten bei unterschiedlichen Gestaltungsmodellen gesucht und verglichen. Allerdings konnten nur wenige Publikationen dazu ermittelt werden und nur ein Teil davon benannte konkrete Zahlen. Der Großteil der Ergebnisse bezog sich auf den Öffentlichen Dienst und wies Quoten zwischen 12 % und 58 % auf. Insofern besteht ein deutlicher Forschungsbedarf, um die Unternehmen in die Lage zu versetzen, das optimale Modell für sich auszuwählen und BEM-Berechtigte schnell wieder in den Betrieb integrieren zu können.

Schlüsselwörter: betriebliches Eingliederungsmanagement – BEM – An­nahmequote – BEM-Ausgestaltung – systematischen Literaturanalyse

Einleitung

Die Einführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) im Jahre 2004 liegt mittlerweile 20 Jahre zurück, so dass es nach den ersten Einführungsschwierigkeiten ein fester Bestandteil der Arbeitswelt geworden ist und eine der drei Säulen des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) bildet. Im Gegensatz zum BGM ist das BEM selbst gesetzlich verankert und damit eine Pflicht für den Arbeitgeber. Die Rechtsgrundlage findet sich in § 167 Abs. 2 SGB IX und beinhaltet das Ziel, Arbeitsunfähigkeit möglichst zu überwinden sowie mit Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeits­unfähigkeit vorzubeugen und den Arbeitsplatz zu erhalten.

Die Ausgestaltung des BEM ist jedoch frei und es haben sich mit der Zeit unterschiedliche Modelle etabliert (➥ Abb. 1). Neben dem klassischen Ansatz des Mitarbeitergesprächs durch Vorgesetzte oder die Personalabteilung werden seit einiger Zeit innerbetrieblich sogenannte „BEM-Teams“ gegründet und „BEM-Beauftragte“ organisieren den BEM-Prozess. Darüber hinaus ist es mittlerweile auch möglich, am Markt externe Dienstleister mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement zu beauftragen und die Abwicklung des BEM-Vorgangs zu delegieren.

Diese Modelle bieten je nach Ansatz Vor- oder Nachteile und stehen verständlicherweise in Konkurrenz zueinander. Die mit den Ansätzen verbundenen Kosten beziehungsweise personelle Kapazitäten müssen getragen werden, so dass sich für den Arbeitgeber ein Aufwand ergibt, der der Ergebnis- und Prozessqualität gegenübergestellt werden muss. Wie aber soll diese objektiv bewertet werden? Als Lösung bietet sich die Nutzung von Kennzahlen an, um konkrete Ziele benennen zu können und eine Vergleichbarkeit herzustellen.

Die Orientierungshilfe zur praktischen Umsetzung (DGUV
Information 206-031) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) empfiehlt grundsätzlich, die Annahmequote am BEM systematisch zu erfassen und benennt diese als wertvolles Indiz für die Attraktivität des BEM (DGUV 2022). Da die Inanspruchnahme eines BEM-Verfahrens freiwillig ist, können sich anhand dieser Zahl Hinweise auf die Zufriedenheit und Qualität des BEM ergeben. Die DGUV Information nennt aber ebenso wenig wie der Leitfaden zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) der Deutschen Rentenversicherung (DRV 2023) Vergleichsdaten, ohne die es schwerfallen wird, die eigene unternehmensspezifische Annahmequote bewerten zu können. Für das betriebliche Eingliederungsmanagement bieten sich unterschiedliche Möglichkeiten an, wobei die in ➥ Abb. 2 dargestellten drei Werte ausschlaggebend sein dürften, da diese für alle Betriebe gelten und immer ermittelbar sind.

Dieses betrifft zunächst die Anzahl aller BEM-Fälle in Relation zur Belegschaft, die ebenso wie die Krankheitsquote in vielen Betrieben erfasst und gemessen wird. Darüber hinaus kann ebenso gemessen werden in wie vielen dieser Fälle es auch tatsächlich zu einem Gesprächsangebot durch den Arbeitgeber gekommen ist (Umsetzungsgrad).

Diese Faktoren sind ebenso wie die bereits genannte Annahmequote objektiv messbar und sollten zur Evaluation des BEM mit externen Referenzwerten verglichen werden. Aber gerade die Annahmequote kann mehr Information liefern, da sie eine Beteiligung der Beschäftigten beinhaltet und somit eine Einschätzung zur Prozess- und Ergebnisqualität möglich ist. In Bezug auf die unterschiedlichen Gestaltungsmodelle des BEM erscheint sie daher interessant, so dass es das Ziel dieser Arbeit war, den aktuellen Forschungsstand zur BEM-Annahmequote aufzuzeigen und in Abhängigkeit vom BEM-Gestaltungsmodell mögliche Referenzwerte für eine objektive Evaluation zu ermitteln.

Methode

Zum Auffinden relevanter Publikationen wurde eine systematische Literaturrecherche über Google Scholar im Zeitraum vom 04.04. bis 15.04.2024 durchgeführt. Als Suchstrategie wurden die Wörter „Betriebliches Eingliederungsmanagement“ in Verbindung mit „Annahmequote“ sowie deren Synonymen „Annahmerate, „Beteiligungsquote“ oder „Beteiligungsrate“ verwendet. Auf englischsprachige Übersetzungen wurde verzichtet und eingeschlossen wurden nur Publikationen der letzten zehn Jahre. Ausgeschlossen wurden Duplikate, reine Zitationen sowie Studien, die keine thematische Relevanz aufwiesen. Mit der gleichen Suchstrategie wurde zudem das Online-Archiv der Zeitschrift für medizinische Prävention (ASU) durchsucht, um kontextbezogen weitere Ergebnisse generieren zu können.

Trotz der offenen Suchstrategie konnten nur 23 Publikationen über die Datenbanksuche ermittelt werden. Zwei weitere relevante Publikationen wurden in den Quellenabgaben der eingeschlossenen Publikationen genannt, so dass diese in die Literaturrecherche miteingebunden wurden. Die Darstellung im PRISMA-Flussdiagramm (➥ Abb. 3) zeigt, dass zwölf Publikationen in der Vorauswahl aufgrund unzureichender thematischer Passung nicht eingeschlossen werden konnten. Von den verbliebenen Volltextartikeln wurden drei ausgeschlossen, da es in den Texten nicht zur Nennung einer konkreten Kennzahl der Annahmequote kam. Zusammenfassend konnten sieben Publikationen in die Auswertung eingeschlossen werden.

Ergebnisse

Die erste Studie (Edling et al. 2019) berichtet von einer Umstellung des BEM-Verfahrens bei einer gemeinnützigen GmbH durch Minimierung des umfangreichen Informationsmaterials auf nur noch ein kurz gehaltenes Einladungsschreiben inklusive der dazugehörigen Betriebsvereinbarung. Dadurch konnte die Quote der angenommenen Erstgespräche von 30 % auf ca. 40 % im Jahre 2019 gesteigert werden. Angaben zur Anzahl der BEM-Gespräche nach den aufklärenden Erst-Informationsgesprächen durch das BEM-Team, wurden nicht gemacht.

Die nächsten vier Publikationen (Becker et al. 2019; Ciechanowicz et al. 2016; Jantowski u. Bäro 2017; Seidler u. Seibt 2014) berichten aus dem betrieblichen Eingliederungsmanagement des Schulbereichs: Im Bundesland Sachsen-Anhalt haben im Zeitraum der Jahre 2007–2013 im Schnitt 26 % der schulischen Bediensteten ein angebotenes BEM angenommen (BEM-Team inkl. Fallmanagerinnen und -manager).

In Sachsen wurden rund 40% der langzeiterkrankten Lehrkräfte im Schuljahr 2011/12 ein BEM-Verfahren angeboten. Eingeleitet wurden die BEM-Verfahren durch den Arbeitgeber (Schulleitung) und fanden in 25,2 % (Frauen) beziehungsweise 20,9 % (Männer) statt, meist jedoch ohne die Beteiligung einer Arbeitsmedizinerin oder eines Arbeitsmediziners. In Mecklenburg-Vorpommern lag die Annahmequote im Jahre 2015 bei 21 % und es wurden durchschnittlich 1,9 Gespräche mit den BEM-Beratenden gezählt. Eine Besonderheit bestand im Bundesland Rheinland-Pfalz; dort regelt eine Dienstvereinbarung, dass Bedienstete an staatlichen Schulen nicht nur die Möglichkeit zu einem BEM unter der Federführung der Dienststellenleitung, sondern auch unter der des Instituts für Lehrergesundheit (IfL) haben. Im Zeitraum von 05/2014 bis 12/2017 konnte somit eine Annahmequote von 46,5 % erzielt werden, wobei die Mehrzahl der Personen (58,1 %) das Angebot beim IfL in Anspruch genommen haben.

Für den Hochschulbereich lag eine Pub­likation aus dem Jahre 2014 vor (Pöser et al. 2017), die berichtete, dass die BEM-Annahmequote von ehemals 17 % auf 49 % gesteigert werden konnte, indem das BEM-Verfahren vom direkten Vorgesetzten auf ein sogenanntes Integrationsteam umgestellt wurde. Die oder der Betroffene konnte dabei entscheiden, ob beziehungsweise wann und mit welcher Person des Integrationsteams sie oder er das BEM-Gespräch führen wollte. Das Integrationsteam veranlasste notwendige Veränderungen/Maßnahmen allerdings nicht aktiv von selbst, sondern regte diese nur an und sah sich als Mittler zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten.

Eine weitere Publikation berichtet aus dem Bereich der Polizei (Müer 2023), dass im Jahre 2017 nur 11,6 % der Gesprächsangebote angenommen wurden, wobei ebenfalls auf ein BEM-Integra­tionsteam gesetzt wurde. Genannt wurde in der Publikation dabei aber auch, dass der unmittelbare Vorgesetzte zwar über das BEM-Angebot informiert wurde, in der Regel aber nicht wusste, ob dieses Angebot auch wirklich angenommen wurde.

Weitere Angaben zur Annahmequote, Umsetzungsgrad wurden in den Veröffentlichungen nicht genannt. Teilweise wurde die Anzahl der zu veranlassenden BEM-Fälle genannt, aber Daten zu Gesamtzahl der Mitarbeitenden lagen in der Regel nicht vollständig vor, so dass keine vergleichbare Quote ermittelt werden konnte.

Diskussion

Den aktuellen Forschungsstand zur BEM-Annahmequote aufzuzeigen, gelang trotz der relativ offenen Suchstrategie nur eingeschränkt. Nur wenige Publikationen konnten zur Annahmequote im BEM ermittelt werden und nur ein Teil davon benannte konkrete Zahlen (➥ Abb. 4). Der überwiegende Teil der Ergebnisse erstreckt sich auf den öffentlichen Dienst; Zahlen aus der freien Wirtschaft konnten mit der Literaturrecherche nicht ermittelt werden. Schwerpunkt der Ergebnisse bildet klar der Schulbereich, für den Zahlen aus mehreren Bundesländern vorlagen. Die Spannbereite der Ergebnisse reichte von 11,6 % bis 58,1 % und die zeitliche Einordnung der Ergebnisse erstreckt sich von 2007 bis 2019. Insofern wurde der Zeitraum der Corona-Pandemie nicht abgebildet, der sicherlich als Ausnahme gewertet werden müsste. Nichtsdestotrotz erscheint die Vergleichbarkeit der Ergebnisse eingeschränkt, da keine einheitlicher Beobachtungszeitraum bestand. Zudem wurde in einer Publikation die Aussage gemacht, dass nur rund 40 % der langzeiterkrankten Lehrkräfte ein BEM-Verfahren angeboten wurde, was einen eher niedrigen Umsetzungsgrad aufzeigt.

Dieses deckt sich mit bisher publizierten Zahlen: Die Auswertung der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung aus dem Jahre 2018 nennt einen Umsetzungsgrad von 40 % der BEM-Verfahren (Wrage et al. 2020). Von den 17.323 befragten abhängigen Beschäftigten nahmen nach Angaben der Befragung sogar 68 % das BEM-Angebot an. Diese Zahlen konnten hier nicht bestätigt werden: Die Annahmequote lag in den ermittelten Veröffentlichungen niedriger, wobei eine Schwankungsbreite von 46 % beobachtet werden konnte. Dieses kann branchenspezifische Ursachen haben oder auch dem Schwerpunkt des Öffentlichen Dienstes geschuldet sein. Da nach der oben beschriebenen gesetzlichen Grundlage prinzipiell jedem Beschäftigten, der länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig ist, ein BEM-Angebot ausgesprochen werden muss, wäre auch zu diskutieren, wie hoch der Umsetzungsgrad in den Publikationen, die den öffentlichen Dienst betreffen, ist. Die nicht explizite Nennung einer Umsetzungsquote in einigen Publikationen kann beinhalten, dass in Wirklichkeit jedem Langzeiterkrankten ein BEM-Gespräch angeboten wurde und somit ein Umsetzungsgrad von 100 % vorlag. In einer Publikation wurde in der Tat berichtet, dass durch die Nutzung eines elektronischen Personalverwaltungssystems automatisch alle BEM-Berechtigten erfasst und angeschrieben wurden.

Die Auswertung der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung wies keine Aussagen auf, welche Art von BEM-Gestaltungmodell jeweils vorlagen. In den hier ermittelten Publikationen wurden unterschiedliche Ansätze erfasst: Häufig gab es BEM- beziehungsweise Integrationsteams, aber auch BEM-Verfahren durch den Arbeitgeber (Schulleitung) wurden berichtet. Ein interessanter Ansatz ist die Führung des BEM-Verfahrens durch das Institut für Lehrergesundheit (IfL), was nebenbei die höchste Annahmequote (58,1 %) aufweist. Dieses kommt einem externen Angebot recht nahe, da das handelnde Personal nicht direkt dem Betrieb beziehungsweise der Schulbehörde zugehörig ist. Grundsätzlich kann eine externe BEM-Gestaltung eine höhere Neutralität beinhalten, da der externe Berater neutral auf die Situation des Beschäftigten eingehen kann (BEMpsy 2023). Bei internem BEM-Personal kann es zu Rollenkonflikten kommen, da diese entweder neben der Rolle im Integrationsteam noch andere innerbetriebliche Aufgaben innehaben oder als Vollzeit-BEM-Beauftragte einer hierarchischen Struktur unterliegen, die letztlich an der Spitze der Geschäftsführung oder Dienststellenleitung untersteht.

Ein weiterer Rollenkonflikt kann auftreten, wenn das BEM- oder Integrationsteam sich wie beschrieben als Mittler zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten sieht. Es führt Gespräche mit den BEM-Nehmenden und regt in diesen Veränderungen und Maßnahmen an. Diese werden aber nicht aktiv vom Integrationsteam umgesetzt, sondern erst im zweiten Schritt werden die dafür notwendigen Personen in den BEM-Prozess miteinbezogen. Das heißt, der Arbeitgeber(-vertreter) ist an der Maßnahmenfindung nicht unmittelbar beteiligt, da die Suche und Findung der notwendigen Maßnahmen schon vorher stattfanden. Dieses widerspricht der Vorgehensweise nach § 167 Abs. 2 SGB IX, wonach der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung die Möglichkeiten klärt, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Die Beteiligung des Arbeitgebers am ergebnisoffenen Suchprozess des BEM liegt damit nicht in Gänze vor, was kritisch hinterfragt werden muss.

Im § 167 Abs. 2 SGB IX werden neben den oben genannten Teilnehmenden und der optionalen Schwerbehindertenvertretung auch Werks- oder Betriebsärztinnen und -ärzte genannt, die soweit erforderlich hinzugezogen werden können. Ob sich dieses positiv auf die Annahmequote auswirkt, konnte den ermittelten Publikationen nicht einhellig entnommen werden und wäre ebenso Gegenstand weiterer Forschung.

Zusammenfassend scheint der Forschungsstand zur Annahmequote im BEM begrenzt zu sein, was angesichts der multiplen Gestaltungs­ansätze, die mittlerweile für das betriebliche Eingliederungsmanagement bestehen, nur eine Unzufriedenheit hinterlassen kann. In Zeiten des Fachkräftemangels ist die Notwendigkeit, Beschäftigte nach Krankheit wieder zu integrieren, wichtiger denn je. Unternehmen haben an dieser Stelle Gestaltungsspielraum und sollten diesen auch nutzen, da die Wahrscheinlichkeit, erfolgreich in den Beruf zurückzukehren, mit zunehmender Dauer der Arbeitsunfähigkeit drastisch sinkt (Weber 2003). Welche Mittel und Wege die Unternehmen aber beschreiten sollten, um Langzeiterkrankte wieder zu reintegrieren, bedarf einer guten Planung, die anhand wissenschaftlich fundierter Kennzahlen ausgerichtet sein sollte. Ohne Zweifel wird ein hoher Umsetzungsgrad im BEM benötigt und eine hohe Annahmequote kann dazu beitragen, die Krankheitszahlen im Unternehmen zu senken. Dies ist auch ein gesamtgesellschaftliches Anliegen, da Arbeitsunfähigkeitszeiten immer mit immensen volkswirtschaftlichen Kosten einhergehen. Allein für das Jahr 2022 wird der Ausfall an Bruttowertschöpfung durch die durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit von 21,3 Tagen je Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer auf 207 Milliarden Euro geschätzt (BAuA 2023). Insofern bietet sich mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement eine Stellschraube an, auf diese Entwicklung Einfluss zu nehmen. Aber die für die Unternehmen notwendigen objektiven Daten zur optimalen Gestaltung des eigenen BEM liegen nur eingeschränkt vor. Es wäre denkbar, dass eine breitere Datenbasis zur Ausgestaltung des BEM hilfreich sein kann, eine bessere und schnellere Reintegration von den langzeiterkrankten Beschäftigten zu erzielen, was vielfältige Benefits für die Betroffenen, die Unternehmen und die Gesellschaft beinhalten würde.

Fazit

Mittels der systemischen Literaturanalyse gelang es nur eingeschränkt, relevante Daten zur Annahmequote im BEM zu ermitteln. Nur wenige Publikationen benennen diese konkret und der überwiegende Teil der publizierten Ergebnisse erstreckt sich auf den öffentlichen Dienst. In Hinblick auf die unterschiedlichen Gestaltungsmodelle des BEM können keine validen Aussagen oder Empfehlungen getroffen werden, da die Datenbasis dafür zu gering war. Insofern muss weiterer Forschungsbedarf aufgezeigt werden, um die Unternehmen in die Lage zu versetzen, angesichts der unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten des BEM den für sich optimalen Weg zur Reintegration vom langzeiterkrankten beziehungsweise BEM-berechtigten Beschäftigten zu finden.

Interessenkonflikt: Die Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

Literatur

Becker J, Jakobs AK, Bogner K, Rose DM, Beutel T: Gesundheitsförderung und Prävention bei Bediensteten im rheinland-pfälzischen Schuldienst. ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2019; 54: 458–463.

Ciechanowicz E, Darius S, Böckelmann I: Betriebliches Eingliederungsmanagement bei Lehrkräften in Sachsen-Anhalt. ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2016; 51: 730–736.

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA): Volkswirtschaftliche Kosten durch Arbeitsunfähigkeit 2022. Dortmund, Berlin: BAuA, 2023.

BEMpsy: Infos zum BEM: Erfahrungsberichte. BEM bei swb AG –
Die Akzeptanz des BEMs hat deutlich zugenommen! Interview mit Burkhard Knoch (Leiter Kompetenzcenter Gesundheit), 2023.
https://www.bempsy.de/unternehmen/infos-zum-bem/erfahrungsberichte?tx_bempsymanagement_displaymedia%5Baction%5D=displaySingle&tx_bempsymanagement_displaymedia%5Bcontroller%5D=Media&tx_bempsymanagement_displaymedia%5BdemandSearchCategories%5D=&tx_bempsymanagement_displaymedia%5Bmedia%5D=27&cHash=4fc571304096dd9756ee3f4a6d8c3569 (abgerufen am 15.04.2024).

Deutsche gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV): Betriebliches Eingliederungsmanagement, BEM – Orientierungshilfe für die praktische Umsetzung, Fassung April 2022.

Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV): Leitfaden zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM). 6. Aufl. Berlin: Deutsche Rentenversicherung Bund, 2023.

Edling P, Floegel S, Niewerth C: Gesunde Arbeitsgestaltung und Stressreduktion – Projekte zum Deutschen Betriebsrätepreis der Jahre 2010–2018, Mitbestimmungspraxis, No. 25. Hans-Böckler-Stiftung, Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.), 2019.

Jantowski A, Bäro U: Gesunder Arbeitsplatz Schule. Tagungsband. Herausgeber: Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (Thillm), 2017.

Müer S: Burnout von Polizeibeamtinnen und -beamten. Forschungsinstitut für öffentliche und private Sicherheut (FÖPS BERLIN), 2023.

Pöser S, Becke G, Schwerdt C: Psychische Gesundheitsrisiken als Herausforderung für das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM): Problemfelder, Gestaltungsbedarfe und -ansätze für betriebliche Akteure, Reihe Arbeit und Wirtschaft in Bremen, No. 19, Institut Arbeit und Wirtschaft (IAW), Universität Bremen und Arbeitnehmerkammer Bremen, 2017.

Seidler A, Seibt R: Im Lehrerberuf gesund und motiviert bis zur Rente – Wege der Prävention und Personalentwicklung. Dresden: Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität (TU) Dresden, 2014.

Weber A: Arbeitsmedizin im System der sozialen Sicherung. Stuttgart: Gentner, 2003.

Wrage W, Sikora A, Wegewitz U: Umsetzung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) – Es besteht noch immer Nachholbedarf. BIBB/BAuA-Faktenblatt 37. 1. Auflage. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2020 (Open Access: doi:10.21934/baua:fakten20201109).

Kontakt

Dr. med. Jan Neumann, MaHM

Performa Nord, Zentrum für Gesunde Arbeit
Arbeitsmedizinischer Dienst
Bahnhofstraße 35
28195 Bremen
jan.neumann@performanord.bremen.de