Evaluation of an online-based motivation and documentation programme for weight loss. Results of a randomised controlled study
Objectives: The objective of the study was to examine whether the use of an online-based motivation and documentation programme leads to weight loss within one year in overweight employees, compared to a control group.
Methods: This is a randomised controlled trial conducted from 2018 to 2019 in Ludwigshafen. Members of the intervention and control groups received a measuring tape and a pedometer at the start of the study. Subjects in the intervention group also received access to a website with a motivational programme. At study inclusion, after 6 and 12 months, all study participants received a questionnaire regarding subjective assessment of fitness status, dietary behaviour, and evaluation of the website and pedometer. All study participants also received a monthly newsletter with information on health topics.
Results: A total of 279 subjects participated in the study, with information on the primary study endpoint available for 165 (59 %) after 12 months. After 12 months, weight was reduced by 0.73 kg and 1.16 kg in the intervention and control group respectively (mean difference: 0.43 kg; 95% CI: –1.06 kg to 1.92 kg; p = 0.571). Abdominal circumference was reduced by 1.27 cm and 1.74 cm in the intervention and control group respectively (mean difference: 0.47 cm; 95 % CI: –0.96 cm to 1.91 cm; p = 0.521). Regarding subjective assessment of physical activity and dietary behaviour, there were also no statistically significant differences between the groups. Of those who participated in the final survey and, in relation to the website, logged in at least once, the website and pedometer were predominantly rated positively.
Conclusions: The study did not show a weight-reducing effect of intervention through the online app. Further studies on digital applications (apps) with adapted or additional functions are needed to evaluate whether they can be a component on the path to desired permanent weight loss in the future.
Keywords: randomised controlled trial (RCT) – app – weight loss – fitness
ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2022; 57: 583 – 590
doi:10.17147/asu-1-216981
Evaluation eines online-basierten Motivations- und Dokumentationsprogramms zur Gewichtsreduktion. Ergebnisse einer randomisierten kontrollierten Studie
Zielstellungen: Die Studie zielte darauf ab zu prüfen, ob bei übergewichtigen Beschäftigten die Nutzung eines online-basierten Motivations- und Dokumentationsprogramms im Vergleich zu einer Kontrollgruppe innerhalb eines Jahres zu einer Gewichtsabnahme führt.
Methoden: Es handelt sich um eine randomisierte kontrollierte Studie, die von 2018 bis 2019 in Ludwigshafen durchgeführt wurde. Mitglieder von Interventions- und Kontrollgruppe erhielten zu Studienbeginn ein Maßband und einen Schrittzähler. Probandinnen und Probanden der Interventionsgruppe erhielten zusätzlich Zugang zu einer Webseite mit einem Motivationsprogramm. Zum Studieneinschluss, nach 6 und 12 Monaten erhielten alle Studienteilnehmenden einen Fragebogen zur subjektiven Einschätzung des Fitnesszustands, zum Ernährungsverhalten sowie zur Evaluation der Webseite und des Schrittzählers. Alle Studienteilnehmende erhielten zudem einen monatlichen Newsletter mit Informationen zu Gesundheitsthemen.
Ergebnisse: Insgesamt haben sich 279 Personen an der Studie beteiligt, wobei für 165 (59 %) nach 12 Monaten Informationen zum primären Studienendpunkt vorlagen. Nach 12 Monaten reduzierte sich das Gewicht in der Interventions- und Kontrollgruppe um 0,73 kg respektive 1,16 kg (Mittelwertdifferenz: 0,43 kg; 95%-KI: –1,06–1,92 kg; p = 0,571). Der Bauchumfang reduzierte sich in Interventions- und Kontrollgruppe um 1,27 cm respektive 1,74 cm (Mittelwertdifferenz: 0,47 cm; 95%-KI: –0,96–1,91 cm; p = 0,521). In Bezug auf die subjektive Einschätzung körperlicher Aktivität und Ernährungsverhalten zeigten sich ebenfalls keine statistisch auffälligen Unterschiede zwischen den Gruppen. Von denjenigen, die an der Abschlussuntersuchung teilnahmen und sich, in Bezug auf die Webseite, mindestens einmal einloggten, wurden Webseite und Schrittzähler überwiegend positiv beurteilt.
Schlussfolgerungen: Ein gewichtsreduzierender Effekt mittels Intervention durch die Onlineanwendung zeigte sich in der Studie nicht. Weitere Studien zu digitalen Anwendungen (Apps) mit angepassten oder zusätzlichen Funktionen sind erforderlich, um zu evaluieren, ob diese zukünftig ein Baustein auf dem Weg zur gewünschten dauerhaften Gewichtsreduktion sein können.
Schlüsselwörter: randomisierte kontrollierte Studie (RCT) – App – Gewichtsreduktion – Fitness
Einleitung
In Deutschland sind einer Untersuchung des Robert Koch-Instituts zufolge 36 % der Erwachsenenbevölkerung übergewichtig und weitere 18 % adipös, mit steigender Tendenz (Schienkiewitz et al. 2017). Übergewicht und Adipositas sind bedeutende Risikofaktoren für die Entstehung zahlreicher Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes Typ II, Muskel-Skelett-Erkrankungen, kardiovaskuläre Erkrankungen und Krebserkrankungen (vgl. z. B. Kodama et al. 2014; Walsh et al. 2018; Guh et al. 2009; Lauby-Secretan et al. 2016; GBD 2015 Obesity Collaborators 2017). Im Arbeitsumfeld werden adverse Effekte von Übergewicht und Adipositas auf die individuelle Arbeitsfähigkeit (Andersen et al. 2017) sowie eine im Vergleich zu Normalgewichtigen erhöhte Anzahl krankheitsbedingter Ausfalltage (Reber et al. 2018; Neovius et al. 2009) und ein erhöhtes Risiko für Frühverrentung (Viinikainen et al. 2021) diskutiert. Da Übergewicht und Adipositas prinzipiell vermeidbar und beeinflussbar sind, kommt Präventionsmaßnahmen sowie zielgerichteten Interventionen zur Gewichtsreduktion eine entscheidende Rolle zu, um
Folgeerkrankungen und Arbeitsausfall möglichst zu vermeiden.
Neben etablierten Gesundheitsförderungsmaßnahmen versprechen neue digitale Gesundheits- und Fitnessanwendungen (Apps), bei der Gewichtsabnahme zu unterstützen. Bevorzugte Ansatzpunkte der Apps sind Verhaltensänderungen bei Ernährungsgewohnheiten und der körperlichen Aktivität. Diese Apps werden von Krankenkassen, Ärzten oder (IT-)Unternehmen teils kostenpflichtig, teils kostenlos angeboten. Zudem werden die digitalen Angebote sowohl von verschiedenen Fachgesellschaften als auch von der Politik vorangetrieben und gefördert. Unter dem Stichwort „App auf Rezept“ haben seit Dezember 2019 die Versicherten der gesetzlichen Krankenkasse einen Anspruch auf Versorgung mit digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA).
Ein aktuelles systematisches Review zeigt für App-basierte Interventionen insgesamt leicht positive Effekte auf das Ernährungsverhalten sowie ernährungsbedingte Gesundheitsparameter, wobei sich bei den berücksichtigten Studien die Zusammensetzung der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer, die Beobachtungsdauer sowie Inhalt und Umfang der Apps teilweise erheblich voneinander unterscheiden (Villinger et al. 2019).
Einer aktuellen Studie zufolge (Claus et al. 2021), ist bei Beschäftigten eines großen Chemieunternehmens der Anteil übergewichtiger (41 %) und adipöser Personen (19 %) vergleichbar mit den oben zitierten Prävalenzen in Deutschland, weshalb auch hier ein großer Handlungsbedarf hinsichtlich möglicher Maßnahmen zur Gewichtsreduktion besteht.
Fragestellung und Ziele
Aus genannten Gründen haben die Verfasser beschlossen, den Nutzen einer neuartigen App zur Gewichtsreduktion wissenschaftlich zu begleiten. Die vorliegende Studie zielte primär darauf ab, zu prüfen, ob bei übergewichtigen und leichtgradig adipösen Beschäftigten die Nutzung eines online-basierten Motivations- und Dokumentationsprogramms im Vergleich zu einer Kontrollgruppe innerhalb eines Jahres zu einer Gewichtsabnahme führt. Sekundäre Zielkriterien beinhalteten Unterschiede in Bauchumfang sowie die subjektive Einschätzung körperlicher Aktivität und Ernährungsverhalten zwischen den beiden Studiengruppen. Daneben sollte eine Evaluation der Webseite und des verwendeten Schrittzählers erfolgen.
Methoden
Design und Setting
Bei der „weight reduction App“ (WRApp)-Studie handelte es sich um eine randomisierte kontrollierte Studie im zweiarmigen Parallelgruppendesign, die von 2018 bis 2019 im Corporate Health Management Department der BASF SE in Ludwigshafen am Rhein durchgeführt wurde. Beschäftigte wurden dazu zu einer Interventions- und Kontrollgruppe randomisiert. Beide Gruppen erhielten zur Baseline-Untersuchung ein Maßband und einen Schrittzähler. Probandinnen und Probanden der Interventionsgruppe erhielten darüber hinaus Zugang zu einer Webseite mit einem Motivations- und Dokumentationsprogramm. Zum Studieneinschluss, nach 6 und 12 Monaten erhielten alle Studienteilnehmende einen studienspezifischen Fragebogen, mit Fragen zur subjektiven Einschätzung des Fitnesszustands, zum Ernährungsverhalten sowie zur Evaluation der Webseite und des Schrittzählers. Zu Studienbeginn und Studienende erfolgte zudem eine Teilnahme an einem Gesundheitscheck inklusive Bestimmung von Körpergewicht und Bauchumfang. Ein monatlicher Newsletter an alle Studienteilnehmende erinnerte an die Studienteilnahme und informierte zu verschiedenen Gesundheitsthemen.
Die Studie wurde von der Ethikkommission der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz genehmigt (837.514.17 [11348]).
Rekrutierung und Teilnehmende
Die vorliegende Studie wurde im Unternehmen am Standort Ludwigshafen am Rhein durchgeführt, an dem zum Zeitpunkt des Studienbeginns etwa 35.000 Personen (davon 21 % Frauen) beschäftigt waren.
Probandinnen und Probanden der Studie waren Beschäftigte, die im Rahmen einer regulären Teilnahme am BASF-Gesundheitscheck für die WRApp-Studie rekrutiert wurden. Der Gesundheitscheck existiert seit 2011 und beinhaltet eine Anamnese und medizinische Beratung durch eine Betriebsärztin/einen Betriebsarzt, eine klinische Untersuchung, Labor- und Urindiagnostik, Darmkrebsfrüherkennung sowie das Ausfüllen eines spezifischen Fragebogens zur Einschätzung des persönlichen Gesundheitszustands. Die Teilnahme am Gesundheitscheck ist freiwillig, kostenfrei und steht allen Beschäftigten am Standort Ludwigshafen regelmäßig zur Verfügung.
Wurde im Rahmen des Gesundheits-Checks eine Person erfasst, die die Einschlusskriterien der WRApp-Studie eines Body-Mass-Indexes (BMI) zwischen 27,5 kg/m² und 35 kg/m² sowie einen Bauchumfang > 94 cm (Männer) bzw. > 80 cm (Frauen) erfüllte, so wurde ihr eine Teilnahme angeboten. Daneben war eine positive Rückmeldung auf die Frage „Möchten Sie ihre Fitness verbessern und ihr Körpergewicht reduzieren?“ eine Bedingung zur Teilnahme. Ausschlusskriterien beinhalteten schwere behandlungsbedürftige Erkrankungen, Erkrankungen, die körperlicher Schonung bedürfen, Erkrankungen, bei denen eine Gewichtszunahme zu erwarten ist, außergewöhnliche sportliche Aktivität (z.B. Kraftsport), sowie bestehende Schwangerschaft oder Kinderwunsch während des Prüfvorhabens. Bei Interesse an einer Studienteilnahme wurden die Beschäftigten mündlich und schriftlich (Patienteninformation) von der jeweiligen Studienärztin/dem jeweiligen Studienarzt ausführlich aufgeklärt. Zur Aufnahme in die Studie war eine schriftliche Einwilligungserklärung der Beschäftigten zur Studienteilnahme notwendig.
Die Probandinnen und Probanden wurden mittels Blockrandomisierung (10er Blöcke zum Erhalt einer ausgeglichenen Gruppengröße) in einem Verhältnis von 1:1 in Interventions- und Kontrollgruppe randomisiert. Die Sequenz wurde ausgedruckt, in undurchsichtige, nummerierte und versiegelte Umschläge verpackt und den Probandinnen und Probanden nach Einwilligung in eine Studienteilnahme überreicht. Eine Verblindung der Teilnehmenden oder Untersuchenden war aus organisatorischen Gründen nicht möglich.
Während des Rekrutierungszeitraums (Februar bis Dezember 2018) wurden insgesamt 5324 Bechäftigte bezüglich eines möglichen Studieneinschlusses gescreent, wovon 1483 die Einschlusskriterien erfüllten. Davon hatten 1204 kein Interesse an einer Studienteilnahme, so dass für die Baseline-Untersuchung insgesamt 279 Personen zur Verfügung standen, 140 in der Interventions- und 139 in der Kontrollgruppe.
Intervention
Der Interventionsgruppe wurden ein Maßband, ein Schrittzähler und die Zugangsdaten für die Webseite „https://basf.loslaufen.jetzt“ zur Verfügung gestellt. Die Webseite diente dabei als Dokumentations-, Motivations- und Informationsprogramm für die Teilnehmenden. Diese sollten in regelmäßigen Abständen mittels Selbstmessung Schrittanzahl (täglich), Bauchumfang (wöchentlich) und Gewicht (wöchentlich) auf der Webseite dokumentieren (➥ Abb. 1). Für die Teilnehmenden bestand in der Anwendung die Möglichkeit, individuelle Ziele zu definieren (tägliche Schrittanzahl, Körpergewicht, Bauchumfang), die im Studienzeitraum von 12 Monaten erreicht werden sollten. Mit Hilfe von Fortschrittsdiagrammen konnte der aktuelle Stand im Vergleich zu den definierten Zielen eingesehen werden. Bei Erreichen von Etappenzielen dienten eingeblendete kurze Textnachrichten und Smileys als einfache Feedbackgeber (positives Feedback zur Motivation). Auch virtuelle Wegstrecken mit Start- und Zielort konnten festgelegt werden und dienten als spielerisches Element. Angezeigt wurde dies auf einer digitalen Landkarte sowie mittels Fortschrittsbalken. Die Webseite hielt für die Nutzenden zudem Ernährungstipps sowie Informationen zu aktuellen Angeboten der betrieblichen Gesundheitsförderung und den Gesundheitsangeboten der pronova BKK bereit (jeweils Kurse, Seminare, Vorträge). An den Angeboten der pronova BKK konnten im Rahmen der Studie alle teilnehmen, unabhängig von der Krankenkassenzugehörigkeit.
Teilnehmende der Kontrollgruppe erhielten ebenfalls ein Maßband und einen Schrittzähler, allerdings keinen Zugang zur Webseite. Informationen zu Kursen, Seminaren und Vorträgen erhielten die Studienteilnehmenden der Kontrollgruppe, wie alle Betriebsangehörige, über ausliegende Informationsbroschüren.
Sechs Monate nach Studienbeginn bekamen die Teilnehmenden unabhängig der Gruppenzugehörigkeit erneut postalisch den studienspezifischen Fragebogen, der ausgefüllt an das Studienzentrum zurückgesendet werden sollte.
Nach 12 Monaten erfolgte, ebenfalls unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit, die zweite Vorstellung der Probandinnen und Probanden bei der Studienärztin/dem Studienarzt, wobei in diesem Zusammenhang erneut der Gesundheitscheck angeboten und durchgeführt wurde. Zu diesem Zeitpunkt erhielt die Testperson nochmals den studienspezifischen Fragebogen.
Der monatliche Newsletter an alle Studienteilnehmende diente einerseits als Erinnerungsfunktion und informierte andererseits zu weiteren unterschiedlichen Gesundheitsthemen. Ein Abbestellen des Newsletters war für alle Nutzenden möglich.
Zielkriterien
Als primäres Zielkriterium wurde eine Gewichtsveränderung nach 12 Monaten in der Interventionsgruppe verglichen mit der Kontrollgruppe definiert. Sekundäre Zielkriterien beinhalteten Unterschiede in Bauchumfang sowie die subjektive Einschätzung körperlicher Aktivität und dem Ernährungsverhalten zwischen den beiden Studiengruppen. Darüber hinaus bestand ein Interesse an der Beurteilung von Webseite und Schrittzähler durch die Studienteilnehmenden.
Statistische Analysen
Es wurde eine Stichprobengröße von 198 (99 pro Gruppe) ermittelt, die es mit 80 % statistischer Power ermöglicht, einen statistisch signifikanten Unterschied von 2 kg Veränderung im Körpergewicht nach 12 Monaten zwischen Interventions- und Kontrollgruppe nachzuweisen (bei einer angenommenen Standardabweichung von 5 kg). Um einen möglichen Loss-to-Follow-Up von etwa 30 % auszugleichen, wurde eine Gesamtrekrutierungszahl von 280 Teilnehmenden (140 pro Gruppe) angestrebt. Absolute und relative Häufigkeiten (im Falle von kategorialen Variablen) sowie arithmetisches Mittel und Standardabweichung oder Median und Interquartilsabstand (im Falle respektive normal- und nicht normalverteilter kontinuierlicher Variablen) werden
für eine deskriptive Beschreibung der Studienteilnehmenden verwendet. Als Signifikanztests bei kontinuierlichen Variablen wurden der t-Test für unabhängige Stichproben oder der Wilcoxon-Rangsummentest verwendet sowie Pearson’s Chi²-Test oder der exakte Test nach Fisher bei kategorialen Variablen. Lineare gemischte Modelle wurden verwendet, um die Mittelwertdifferenz zwischen Baseline und Follow-up nach 12 Monaten bezüglich Gewicht und Bauchumfang zwischen der Interventions- und der Kontrollgruppe zu schätzen. Dabei wurden die kategoriale Gruppenvariable (Intervention/Kontrolle), der Zeitpunkt (Baseline/Follow-up nach 12 Monaten), ein Gruppen-Zeit-Interaktionseffekt sowie ein teilnahmespezifischer „random intercept“ als fixe Effekte in das Modell aufgenommen. In dieser Analyse wurden zunächst alle Teilnehmenden berücksichtigt, unabhängig jeglicher Nutzung der Webseite oder Dropout. In Sensitivitätsanalysen wurde die Interventionsgruppe auf diejenigen Personen beschränkt, die sich zumindest einmal auf der Webseite eingeloggt hatten. In einer weiteren Sensitivitätsanalyse wurde ein Ausreißer in der Kontrollgruppe ausgeschlossen, der zwischen Baseline und Follow-up-Untersuchung sein Gewicht um mehr als 30 kg verringerte.
Ein p-Wert kleiner 0,05 wurde als statistisch signifikant erachtet. Alle statistischen Analysen wurden mit Stata/SE 15.1 (StataCorp LLC, College Station, TX, USA) durchgeführt.
Ergebnisse
Charakteristika der Studienteilnehmenden
Charakteristika der Studienteilnehmenden stratifiziert nach Gruppenzugehörigkeit zur Baseline-Untersuchung sind in ➥ Tabelle 1 dargestellt. Der Frauenanteil von 12 % liegt, vermutlich aufgrund des geringeren Frauenanteils unter übergewichtigen/leichtgradig adipösen Personen, die die Einschlusskriterien erfüllten, etwas unterhalb des Frauenanteils im Unternehmen in den Jahren 2018/2019 von 21 %.
An der Abschlussuntersuchung beteiligten sich 72 (51,4 %) Personen der Interventions- sowie 93 (66,9 %) Personen der Kontrollgruppe (p-Wert: 0,009) nach einem medianen Follow-up von 365 Tagen (Interquartilsabstand [ IQR]: 357–371/Range: 268–477). Abgesehen von der Gruppenzugehörigkeit, fanden sich keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen Teilnehmenden und Nicht-Teilnehmenden an der Abschlussuntersuchung bezüglich aller in Tabelle 1 aufgeführter Charakteristika.
Effekt der Intervention nach 12 Monaten
Die Streudiagramme in ➥ Abb. 2 visualisieren die Veränderungen von Gewicht und Bauchumfang bei Teilnehmenden, die sowohl eine Messung zur Baseline- als auch zur Follow-up-Untersuchung nach 12 Monaten erhielten. Die Veränderung des Gewichts reichte von –16,1 bis +8 kg in der Interventions- und von –31,1 bis +11 kg in der Kontrollgruppe (s. Abb. 2, oberer Teil). Von denjenigen, die zu beiden Zeitpunkten an der Studie teilnahmen, reduzierten jeweils 44,4 % in der Interventions- und 51,6 % in der Kontrollgruppe ihr Gewicht gegenüber respektive 47,2 % und 41,9 %, die an Gewicht zunahmen (bei jeweils 8,3 % und 6,5 % mit unverändertem Gewicht).
Als Ergebnis der Regressionsanalyse zeigte sich in der Interventionsgruppe eine durchschnittliche Gewichtsabnahme von 0,73 kg gegenüber 1,16 kg in der Kontrollgruppe, was einer (statistisch nicht-signifikanten) Mittelwertdifferenz von 0,43 kg (95%-KI: –1,06 kg bis 1,92 kg; p = 0,571) zugunsten der Kontrollgruppe entspricht (➥ Abb. 3, linke Seite).
Bezüglich des Bauchumfangs ergab sich eine Reduktion von 1,27 cm in der Interventions- und 1,74 cm in der Kontrollgruppe, was einer (wiederum statistisch nicht-signifikanten) Mittelwertdifferenz von 0,47 cm (95%-KI: –0,96 bis 1,91 cm; p = 0,521) zugunsten der Kontrollgruppe entspricht (s. Abb. 3, rechte Seite). Eine Sensitivitätsanalyse unter Ausschluss eines Ausreißers in der Kontrollgruppe mit einem Gewichtsverlust von über 30 kg zwischen Baseline- und Abschlussuntersuchung erbrachte keine wesentlichen Änderungen der Ergebnisse, ebenso wenig wie eine Analyse, die die Interventionsgruppe auf diejenigen Personen beschränkte, die sich zumindest einmalig auf der Webseite eingeloggt hatten.
Es fand sich ebenfalls kein statistisch signifikanter Unterschied bei Teilnehmenden an der Abschlussuntersuchung nach 12 Monaten zwischen Interventions- und Kontrollgruppe in der Frage nach einer möglichen Änderung im Bewegungs- und Sportverhalten in den letzten 6 Monaten (p = 0,975) oder im Hinblick auf das Ernährungsverhalten (p = 0,374). Das Bewegungs-/Sportverhalten ist nach eigener Aussage bei jeweils 40,3 % und 40,7 % in Interventions- und Kontrollgruppe mehr oder deutlich mehr geworden gegenüber respektive 16,7 % und 15,4 %, bei denen dies weniger oder deutlich weniger geworden ist. Ihr Ernährungsverhalten wiederum wird von 34,7 % der Probandinnen und Probanden der Interventions- und 44,0 % der Kontrollgruppe als gesünder oder deutlich gesünder angegeben. 9,7 % der Personen in der Interventionsgruppe und 12,1 % der Personen in der Kontrollgruppe bezeichneten ihr Ernährungsverhalten als ungesünder oder deutlich ungesünder.
Nutzung und Bewertung der Webseite und des Schrittzählers
Drei Viertel aller Teilnehmenden in der Interventionsgruppe (105/140) haben sich auf der Webseite mindestens einmal eingeloggt, wobei über den gesamten Beobachtungszeitraum 3078 Logins erfolgten, was, bei denjenigen, die die App nutzten, im Durchschnitt 29,3 Logins pro Person entspricht (Median: 14; IQR: 3,5–27). Von den Nutzenden der Webseite loggten sich 16,2 % (n = 17) lediglich einmalig ein, 25,7 % (n = 27) 2- bis 9-mal, 19,1 % (n = 20) 10- bis 19-mal, 25,7 % (n = 27) 20- bis 49-mal, 6,7 % (n = 7) 50- bis 99-mal und 6,7 % (n = 7) 100-mal oder häufiger. Im ersten Monat der Studienteilnahme war sowohl die Anzahl der Logins (n = 699) als auch die Anzahl der eingeloggten Personen (n = 93) mit Abstand am höchsten und sank danach, mit Ausnahme der beiden Monate vor Studienende, relativ kontinuierlich ab (➥ Abb. 4, oberer Teil). Die maximale Anzahl an Logins pro Monat und Nutzenden lag über die gesamte Beobachtungszeit zwischen 24 und 32 (s. Abb. 4, unterer Teil).
Insgesamt haben sich 61 Personen aus der Interventionsgruppe sowohl mindestens einmal auf der Webseite eingeloggt als auch an der Abschlussuntersuchung (inkl. Bewertung der Webseite) teilgenommen. Etwas mehr als 90 % davon (n = 56) haben zuvor noch kein anderes Online-Angebot genutzt. Das Aufrufen der Webseite erfolgte zu etwa gleichen Teilen über betriebliche (42,6 %) oder über private (41,0 %) Endgeräte (z. B. Computer, Smartphone), bei 16,4 % wurden beide Zugangswege gleichermaßen genutzt. Am besten bewerteten die Nutzenden die Aspekte Datenschutz (Durchschnittsnote 1,9), Bedienbarkeit und Funktionalitäten (Durchschnittsnote jeweils 2,2) der Webseite, für die über 70 % der Nutzenden die Schulnoten 1 und 2 vergaben. Am kritischsten wurde der zeitliche Aufwand eingeschätzt (Durchschnittsnote: 2,8), für den jeweils etwa 10 % der Teilnehmenden die Noten 4 und 5 vergaben (➥ Abb. 5, linke Seite).
Etwa 80 % der Webseiten-Nutzenden (n = 49) bejahten die Frage, ob das betriebliche Angebot einer Webseite mit Schrittzähler und Maßband in gleicher oder ähnlicher Form weitergeführt werden sollte. Etwa ein Viertel der Nutzenden (24,2 %) ist der Meinung, dass das Angebot passend ist und keine Änderung notwendig sei. Als Verbesserungsvorschläge (Mehrfachangaben waren möglich) wurde von 46,8 % eine App für Android-, iOS-, oder Windows-Smartphones angegeben. Lediglich drei Personen (4,8 %) wünschten sich eine Webseite mit mehr Funktionalitäten und eine Person (1,6 %) eine Webseite mit weniger Funktionalitäten.
Im Hinblick auf die Nutzung des Schrittzählers gab etwas mehr als die Hälfte (53,9 %) der 165 Studienteilnehmenden mit vollständigem Follow-up an, den Schrittzähler in den letzten 4 Wochen gar nicht genutzt zu haben, gegenüber jeweils 15,2 %, 17,6 % und 7,3 %, die den Schrittzähler täglich, wöchentlich oder monatlich nutzten (bei 6,1 % fehlenden Angaben). Mehr als die Hälfte (57,6 %) hatte vor der Studienteilnahme bereits einen Schrittzähler verwendet. Von denjenigen, die den Schrittzähler selten oder gar nicht verwendeten (n = 101), gaben 48,5 % als Grund (Mehrfachangaben möglich) die Nutzung eines anderen Schrittzählers an, 25,7 % eine fehlende Möglichkeit der Verwendung (z. B. berufliche Gründe), 17,8 % eine fehlende Motivation und 5,9 % gaben an, dass ihnen der Schrittzähler nicht gefallen hatte. Beim Schrittzähler wurde die Bedienbarkeit am besten (Durchschnittsnote: 2,3) und die Funktionalitäten am vergleichsweise schlechtesten (Durchschnittsnote: 2,9) bewertet (s. Abb. 5, rechte Seite).
Diskussion
Eine Änderung des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens gestaltet sich bei der Zielgruppe (übergewichtige und leichtgradig adipöse Beschäftigte) bekanntermaßen schwierig. Dies zeigte sich bereits bei der Rekrutierung (1483 potenzielle Teilnehmende, 279 tatsächliche Teilnehmende).
In der Untersuchung konnte eine Gewichtsabnahme sowie eine Reduktion des Bauchumfangs in beiden Gruppen (Interventions- und Kontrollgruppe) gesehen werden (–0,73 kg vs. –1,16 kg; –1,27 cm vs. –1,74 cm). Ein signifikanter Mehrwert der digitalen Anwendung ist in der Untersuchung statistisch nicht nachweisbar.
Auch in einem aktuellen systematischen Review zur Effektivität App-basierter Interventionen zur Verbesserung ernährungsbezogener Verhaltensweisen und Gesundheitsindikatoren (z. B. BMI, Blutfette) von Villinger et al. (2019) zeigten sich bei einer Beobachtungsdauer von mehr als 6 Monaten überwiegend keine positiven Effekte einer Intervention
(s. zum Beispiel Svetkey et al. 2015; Godino et al. 2016; Spring et al. 2017). In den berücksichtigten Studien mit kürzerem Follow-up konnten zwar durchaus positive Interventionseffekte gezeigt werden; da das gesundheitliche Ziel einer digitalen Anwendung allerdings eine langanhaltende, nachhaltige Gewichts- und Bauchumfangsreduktion sein sollte, ist die Aussagekraft von Untersuchungen mit vergleichsweise kurzer Beobachtungsdauer unter sechs Monaten begrenzt.
Bei digitalen Patientenanwendungen in anderen Medizinbereichen zeigte sich, dass eine rein digitale Dokumentation und Information („Stand-alone-Anwendung“, „alleinige Selbstmessung“) selten zu einer gewünschten Verhaltensänderung/Verbesserung führt. Bei Hypertonikern führte ein digitales Blutdrucktagebuch meist erst mit zunehmender Intensität der Kointervention (automatisches Feedback, Schulung, aktive Beratung) zu einer besseren Blutdruckkontrolle. Auch der Integrationsgrad in die bestehende medizinische Versorgung ist von Bedeutung (Beger et al. 2021).
Digitale Anwendung mit Interaktion/Intervention
Auch bei den digitalen Anwendungen zur Unterstützung der Gewichtsabnahme ist die Intensität der Kointervention ein möglicher wichtiger Faktor. Die potenziell motivierende Interaktion mit anderen Nutzenden (soziale Unterstützung) ist eine potenzielle Weiterentwicklung der Anwendung. Einen signifikanten Einfluss auf eine Gewichtsabnahme hat dies wahrscheinlich nicht (Svetkey et al. 2015). Erst mit zunehmender Intervention, beispielsweise durch komplexere Feedbackfunktionen in der Anwendung oder durch einen persönlich Begleitenden/Coach ist dies möglicherweise zu erwarten (Wadden et al. 2020).
Zu den komplexeren (digitalen) Feedbackfunktionen gehören beispielsweise regelmäßige Aktivitätsanzeigen, interaktive Lerninhalte und personalisierte Verhaltensempfehlungen bei Abweichungen von den vorgegebenen Zielen (Martin et al. 2015; Thomas et al. 2015).
Persönliche Begleiterinnen und Begleiter, zur Fitness- und Ernährungsberatung, könnten durch motivierende Gesprächsführung die Gewichtsabnahme unterstützen oder auf andere interagierende Gesundheitsstörungen (z. B. psychische Belastungssituation) hinweisen. Die digitale Anwendung mit den erhobenen Daten könnte dabei als Grundlage des Beratungsgesprächs dienen.
Integration der digitalen Anwendung in die bestehende Versorgung
Das Fortführen dieses digitalen Angebots wünschen sich 80 % der Webseiten-Nutzenden aus der Interventionsgruppe. Die persönlichen Rückmeldungen zeigen, dass für einzelne Beschäftigte die digitale Anwendung ein wichtiger Baustein bei der Verhaltensänderung/Gewichtsabnahme ist. Eine Weiterentwicklung des Angebots mit Integration in das bestehende ganzheitliche Konzept der Gesundheitsförderung ist daher prüfenswert.
Technische Anforderungen/Ausstattung
Für eine Weiterentwicklung ist, anstelle des Aufrufens der Webseite über einen Browser, die Nutzung einer App ein großer Wunsch der Beschäftigten. Dadurch kann der Zugang vereinfacht und der Zeitbedarf reduziert werden. Das Datenschutzkonzept ist bei Anpassungen regelmäßig zu überprüfen, da digitale Gesundheitsanwendungen neben den privaten auch von betrieblichen Endgeräten genutzt werden. Schrittzählerfunktionen sind heute in vielen Smartphones integriert, ein zusätzliches Gerät am Körper ist in der Regel nicht erforderlich.
Limitationen der Studie
Als wesentliche Limitation muss die hohe Anzahl von Studienabbrechern angeführt werden (40,9 %), die zudem in der Interventionsgruppe wesentlich höher war als in der Kontrollgruppe (48,6 % vs. 33,1 %), weshalb Verzerrungen der Studienergebnisse nicht ausgeschlossen werden können. Über die Gründe für den höheren Dropout in der Interventionsgruppe kann nur spekuliert werden, möglicherweise war der Erwartungsdruck in der Interventionsgruppe höher, der dann bei unzureichender oder fehlender Gewichtsabnahme zum Studienabbruch führte.
Schlussfolgerungen
Auch wenn in der vorgestellten Studie kein zusätzlicher gewichtsreduzierender Effekt durch die Nutzung der Online-Anwendung gezeigt werden konnte, könnten entsprechende digitale Anwendungen (Apps) für übergewichtige, leichtgradig adipöse Personen ein Baustein auf dem Weg zur gewünschten Gewichtsabnahme sein. Dabei sind ein ganzheitlicher Ansatz mit zusätzlichen, intensiveren Interventionen (komplexes Feedback, Coaches, Beratende) sowie eine Integration in die bestehenden Angebote für diese Zielgruppe von Bedeutung (multimodale Behandlung). Zwei digitale Anwendungen, die diese Punkte aufgreifen, sind zum Stand Juni 2022 im Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte gelistet und können somit als digitaler Therapiebaustein verordnet werden.
Darlegung der Autorenschaft: Alle Autoren haben wesentliche Beiträge zur Konzeption und Gestaltung der Studie geleistet und sich am Entwurf des Manuskriptes beteiligt. Autor MC war überwiegend verantwortlich für die statistische Analyse, Interpretation der Daten und den Entwurf der Abschnitte zu Methodik und Ergebnissen. Autor BH war überwiegend verantwortlich für die Abschnitte Einleitung und Diskussion. Alle Autoren haben die einzureichende Version kritisch geprüft und der finalen Version zugestimmt.
Interessenskonflikt: Die Autoren BH, TS, SW und MC sind Mitarbeiter der BASF SE. Der Autor JZ ist Beschäftigter der pronova BKK. Die Studie wurde unterstützt und finanziert von der pronova BKK.
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