Der Beitrag „Arbeitsmedizinische Vorsorge für Beschäftigte im Freien, die gegenüber natürlicher UV-Strahlung exponiert sind“ gibt wertvolle Empfehlungen für praktisch tätige Arbeitsmediziner bezüglich UV-induzierter Hauterkrankungen im beruflichen Kontext. Insbesondere die Inhalte zur Anamnese, Beratung und Untersuchung können als konkrete Handlungshilfen herangezogen werden.
Bislang hat die schädigende Wirkung der natürlichen UV-Strahlung auf die Augen noch keine Berücksichtigung in arbeitsmedizinischen Schutzmaßnahmen und Regelungen gefunden. Dabei spielen nicht nur akute Krankheitsbilder wie Keratitis, Konjunktivitis und Netzhautschäden, sondern auch chronische Erkrankungen wie Katarakt, Pterygium und solare Retinopathie inklusive Makuladegeneration eine Rolle. Zunehmend finden sich Hinweise auf die berufsbedingte Genese UV-induzierter Augenerkrankungen und daraus abzuleitende Schutzmaßnahmen auch in der Literatur [1–3].
Im Sinne der Harmonisierung von Vorschriften möchten wir eine Berücksichtigung der UV-bedingten Augenerkrankungen und entsprechende Schutzmaßnahmen in die „Arbeitsmedizinische Vorsorge für Beschäftigte im Freien, die gegenüber natürlicher UV-Strahlung exponiert sind“ anregen. Dies könnte analog der arbeitsmedizinischen Vorsorge „Künstliche optische Strahlung“ in Verbindung mit den Technischen Regeln zur Arbeitsschutzverordnung zu künstlicher optischer Strahlung (TROS IOS Teil 1–3) implementiert werden.
Ergänzend wäre aus unserer Sicht eine Konkretisierung der UV-Schutzfaktoren in Sonnenschutzmitteln basierend auf den Empfehlungen der International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection (ICNIRP) [4, 5] wünschenswert.
Das Thema chemischer Lichtschutz kann durchaus kontrovers diskutiert werden. Eine unkritische Verwendung kann beispielsweise zu verlängerten kontraproduktiven Expositionszeiten führen. Auch ist die Schutzwirkung chemischer Lichtschutzmittel nicht für alle Hautkrebserkrankungen eindeutig belegt.
Andererseits kann durch eine Konkretisierung der UV-Schutzfaktoren den meteorologischen Schwankungen des UV-Indexes Rechnung getragen werden. Ein entsprechendes Schutzkonzept ist in einer Übersichtsarbeit von Knuschke et al. dargestellt [6].
Zusätzlich können praxisrelevante Aspekte wie UVA-Anteil, Galenik sowie irritatives und sensibilisierendes Potenzial bei der Auswahl eines geeigneten Präparates in den Empfehlungen berücksichtigt werden. Angesichts der genannten komplexen Aspekte des chemischen Lichtschutzes wären daher konkrete Empfehlungen hilfreich.
Literatur
[1] Modenese A, Korpinen L, Gobba F: Solar radiation exposure and outdoor work: an underestimated occupational risk. Int J Environ Res Public Health 2018; 15: 2063.
[2] Schneider S, Görig T, Schilling L, Schuster A, Diehl K: Die Nutzung von Sonnenbrillen in Freizeit und Beruf – Defizite in der Prävention sonnenbedingter Augenschäden. Ophthalmologe https://doi.org/10.1007/s00347-019-0850-1
[3] Tenkate T et al.: WHO/ILO work-related burden of disease and injury: Protocol for systematic reviews of occupational exposure to solar ultraviolet radiation and of the effect of occupational exposure to solar ultraviolet radiation on cataract. Environment International 2019; 125: 542–553.
[4] Vecchia P, Hietanen M, Stuck BE, van Deventer E, Niu S: Protecting workers from ultraviolet radiation. ICNIRP 2017; 14: 19.
[5] Knuschke P et al.: Schutzkomponenten bei solarer UV-Exposition. Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Forschung F2036. Dortmund, Berlin, Dresden: BAuA, 2015.
[6] Knuschke P et al.: UV-Schutz zur Prävention epithelialer Hauttumoren an solar exponierten Arbeitsplätzen. Dermatologie in Beruf und Umwelt 2018; 66: 54–65.
Verfasser
Dr. Hermann Gold
Dr. Bettina Grings-Pillin
Landeshauptstadt München
Personal- und Organisationsreferat
Betriebsärztlicher Dienst
Rosenheimer Str. 118
81669 München
Replik der Autoren
Wir danken Frau Kollegin Grings-Pillin und Herr Kollegen Gold für ihren wichtigen Diskussionsbeitrag zur arbeitsmedizinischen Vorsorge bei Beschäftigten im Freien, die gegenüber natürlicher UV-Strahlung exponiert sind.
Derzeit soll die ArbMedVV dahingehend geändert werden, dass die Exposition gegenüber natürlicher UV-Strahlung Anlass für eine Angebotsvorsorge ist [1]. Trotz des hohen Krebsrisikos durch natürliche UV-Strahlung und der Tatsache, dass seit Einführung der BK-Nr. 5103 in die Berufskrankheitenliste im Jahr 2015 inzwischen über 8000 Hautkrebserkrankungen, davon 10 Todesfälle, nach BK-Nr. 5103 anerkannt wurden, hat der Verordnungsgeber keinen Anlass zur Pflichtvorsorge gesehen. Die hierzu verfasste Stellungnahme der DGAUM an das Ministerium ist in der Mai-Ausgabe der ASU abgedruckt.
Eine Anpassung des chemischen Lichtschutzes an den UV-Index erachten wir aus mehreren Gründen nicht für erforderlich. Einerseits würden zu differenzierte Empfehlungen (z. B. Wahl des Lichtschutzfaktors nach UV-Index) die praktische Umsetzung am Arbeitsplatz erschweren, anderseits könnte dies die Vorstellung nähren, Lichtschutzmittel würden die UV-Strahlung völlig blockieren. Für den privaten Bereich ist diese Information wichtig, weil mit dem UV-Index beurteilt werden kann, wie lange mit welchem Lichtschutzfaktor in der Sonne geblieben werden kann, bevor es zum Sonnenbrand kommt. Da die Expositionsdauer bei beruflicher Belastung allerdings weniger kontrolliert werden kann und der Schutz vor akuten Schäden (Sonnenbrand) nicht im Vordergrund steht, sollte stets ein hoher Lichtschutzfaktor bei Tätigkeiten im Freien zu Anwendung kommen.
Wir haben uns in unserer Publikation auf die Gefährdung der Haut bei Exposition gegenüber natürlicher UV-Strahlung beschränkt. Die Exposition gegenüber künstlicher optischer Strahlung mit hohen UV-C-Anteil blieb unberücksichtigt. Die Aufnahme der Plattenepithelkarzinome als BK 5103 hat mehr als 20 Jahre gedauert und intensive Literaturstudien erforderlich gemacht (siehe wissenschaftliche Begründung). Bei zwei bis drei Millionen Beschäftigten im Freien und bei der hohen Inzidenz dieser Erkrankung sind die sozialmedizinischen Konsequenzen dieser Berufskrankheit größer als bei den meisten anderen Berufskrankheiten und entsprechend sorgfältig muss die Prüfung der wissenschaftlichen Evidenz erfolgen. Dies betrifft auch die Prävention.
Die wissenschaftliche Prüfung hat sich in der Tat auf die malignen Erkrankungen der Haut beschränkt. Eine orientierende Literaturrecherche [2–17] zeigt ein sehr heterogenes Bild bei den Risikofaktoren der multifaktoriellen Erkrankung Katarakt. Um evidenzbasiert Empfehlungen für die Prävention (z. B. Sonnenbrillen bei Beschäftigung im Freien) aussprechen zu können, scheint eine intensive Literaturarbeit unverzichtbar zu sein.
Sehr wichtig ist aber unbestreitbar der Hinweis von Frau Kollegin Grings-Pillin und Herrn Kollegen Gold, die Erkrankungen der Augen bei der Anamnese und Untersuchung im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge mit einzubeziehen. Vielleicht kann so auch mit den Erfahrungen aus der Praxis neues, für die Prävention relevantes Wissen generiert werden.
Literatur
[1] Bundesrat Drucksache 237/19: Zweite Verordnung zur Änderung der Verordnung zur arbeits medizinischen Vorsorge ( https://www.umwelt-online.de/PDFBR/2019/0237_2D19.pdf ).
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[17] Modenese A, Korpinen L, Gobba F: Solar radiation exposure and outdoor work: an underestimated occupational risk. Int J Environ Res Public Health 2018; 15: 2063.
Prof. Dr. med. Hans Drexler, Erlangen
Prof. Dr. med. Thomas L. Diepgen, Heidelberg
Prof. Dr. med. Dipl.-Ing- Stephan Letzel, Mainz