DGAUM stellt erste Ergebnisse des Modellprojekts „Gesund arbeiten in Thüringen“ auf Veranstaltung des Wirtschaftsrats der CDU e.V. vor
„Gesund arbeiten in Thüringen“, unter diesem Titel fand am 23. März 2018 in Erfurt in Kooperation mit BARMER und DGAUM eine viel beachtete Veranstaltung der Landesfachkommission „Gesundheitswirtschaft“ des Landesverbandes Thüringen des Wirtschaftsrats der CDU e.V. statt. In Impulsreferaten stellten der Präsident der DGAUM, Professor Dr. Hans Drexler, und Hauptgeschäftsführer Dr. Thomas Nesseler zusammen mit Landesgeschäftsführerin Birgit Dziuk von der BARMER-Landesvertretung Thüringen das gemeinsame Modellprojekt „Gesund arbeiten in Thüringen“ nach § 20 g SGB V sowie die Überlegungen der Kooperationspartner zur Regelung von Schutzimpfungen durch Betriebsärzte vor.
Modellprojekt „Gesund arbeiten in Thüringen“
Mit dem Präventionsgesetz sind im SGB V Arbeitsmediziner und Betriebsärzte zu wichtigen Akteuren im Feld der betrieblichen Gesundheitsförderung und Prävention geworden. Deshalb hat die DGAUM im März 2016 zur Umsetzung des im Juli 2015 in Kraft getretenen „Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention“, kurz Präventionsgesetz, einen Kooperationsvertrag mit dem Krankenversicherungsunternehmen BARMER geschlossen. Schwerpunkt der Kooperation mit BARMER ist das Modellvorhaben „Gesund arbeiten in Thüringen“, das auf fünf Jahre bis 2021 angelegt ist. Die Schirmherrschaft dafür hat Frau Ministerin Heike Werner vom Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (TMASGFF) übernommen.
Im Mittelpunkt des Modellvorhabens stehen die Schnittstelle zwischen dem betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie Maßnahmen der Verhaltens- und Verhältnisprävention inklusive der Verbesserung von BGF- bzw. BGM-Maßnahmen. Darüber hinaus geht es um die Etablierung von Strukturen der Qualitätssicherung betriebsärztlicher Leistungen und um die Verbesserung der Schnittstelle zwischen Prävention und Kuration, also zwischen Arbeitsmedizinern und Betriebsärzten einerseits sowie Haus- und anderen niedergelassenen Fachärzten andererseits. Nach Abschluss des Modellvorhabens sollen Vorschläge erarbeitet werden, wie die gewonnen Erkenntnisse über Thüringen hinaus zur Verbesserung der Gesundheitsförderung und Prävention in Deutschland beitragen können. Ziel des Modellprojekts ist es, innovative Lösungen zu entwickeln, wie künftig Beschäftigte und Betriebe mit flächendeckenden Angeboten der betrieblichen Prävention und der Gesundheitsförderung besser versorgt werden können – insbesondere in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) in ländlichen Regionen.
Ergebnisse aus Umfrage in Thüringen
Die Vorstellung erster Zwischenergebnisse aus der Arbeitgeberbefragung des Projekts, an der über 700 Thüringer Betriebe teilgenommen haben, war für die etwa 40 anwesenden Unternehmen daher besonders interessant. Im Mittelpunkt der von Professor Drexler in Erfurt vorgestellten Ergebnisse stand die betriebsärztliche Betreuung Thüringer Unternehmen. Die Befragungsergebnisse zeigen deutlich, dass mit der Größe eines Betriebs auch der betriebsärztlich Betreuungsgrad steigt: Während nur rund 25 % der Kleinstbetriebe (1–9 Beschäftigte) angab, betriebsärztlich betreut zu sein, waren dies bei den Betrieben mit 10–49 Beschäftigten schon knapp 75 % und bei den Betrieben mit 50–249 Beschäftigten sogar 88 %. Von den Großbetrieben schließlich gab lediglich ein Betrieb an, aktuell nicht betriebsärztlich betreut zu sein.
Tatsächlich ist die Betriebsgröße einer der Haupterklärungsfaktoren dafür, dass ein Unternehmen nicht betriebsärztlich versorgt ist: Von den Befragungsteilnehmern, die Gründe dafür nannten, weshalb sie aktuell nicht betriebsärztlich betreut sind, gab die Mehrheit an, dass der Betrieb zu klein sei oder es sich um einen Familienbetrieb handle bzw. lediglich geringfügig Beschäftigte angestellt seien. Auch ein großer Teil der Betriebe hält eine betriebsärztliche Betreuung für nicht notwendig, ohne dies näher zu konkretisieren. Andere Betriebe gaben an, dass ihre Beschäftigten sehr gut über den jeweiligen Hausarzt versorgt seien und deshalb keine betriebsärztliche Betreuung bestünde. Nur wenige der befragten Thüringer Betriebe berichteten, dass ihr Betriebsarzt in Ruhestand gegangen und es seitdem gar nicht so einfach sei, einen Ersatz zu finden bzw. dass die Betriebsärzte in der Region keine freien Ressourcen hätten. Die überwiegende Mehrheit der Thüringer Betriebe, so das erste Teilfazit des Projekts „Gesund arbeiten in Thüringen“, wird betriebsärztlich betreut und arbeitet dabei mit einem externen Betriebsarzt bzw. einem betriebsärztlichen Dienst zusammen.
Auch die Schirmherrin von „Gesund arbeiten in Thüringen“, die Thüringer Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, Heike Werner (DIE LINKE), sprach im Rahmen der Veranstaltung am 23. März 2018 ein Grußwort und betonte: „Die Arbeitswelt unterliegt einem tiefgreifenden und dynamischen Wandel. Ziel ist es daher, die Beschäftigungsfähigkeit und die Gesundheit der Erwerbstätigen unter den sich stetig verändernden Arbeitsbedingungen zu erhalten und zu fördern. Mit diesem Verständnis von Arbeitsschutz besteht zugleich die Chance, die Mitarbeiterbindung in Thüringer Unternehmen zu erhöhen und diese so zukunftssicher zu machen. “
Regelung von Schutzimpfungen durch Betriebsärzte
Ein wichtiger Bestandteil des Präventionsgesetzes ist ebenfalls die Versorgung mit Schutzimpfungen auch durch Betriebsärzte. Ziel ist es, den Impfschutz in der Bevölkerung nachhaltig zu verbessern und gerade das Setting Arbeitsplatz dafür zu nutzen. Das Impfen ist zwar mit § 132e im SGB V als Aufgabe im Betrieb gesetzlich festgeschrieben, allerdings ohne Angaben, wie dies zwischen den unterschiedlichen Akteuren, also Betriebsärzten, Krankenkassen oder Unternehmen, geregelt werden soll. Im Rahmen der Kooperation mit BARMER arbeitet die DGAUM derzeit intensiv an einem bundesweit geltenden Vertragswerk zur Regelung dieser wichtigen Anforderung aus dem Präventionsgesetz. Gestützt auf Rechtsgutachten steht die DGAUM in Kontakt mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und hat für die Umsetzung des Impfens im Betrieb eine Gesetzesergänzung im SGB V angeregt: § 132e ist zwingend in die datenschutzrechtliche Ermächtigungsgrundlage von § 295a SGB V aufzunehmen. Dort ist die Abrechnung u.a. von ärztlichen Leistungen in der so genannten Besonderen Versorgung durch externe Leistungsanbieter geregelt.
Für die gesetzliche Krankenversicherung regelt das SGB V die Rahmenbedingungen für die primäre Prävention der Versicherten durch Schutzimpfungen. Letztere gehören zu den Pflichtleistungen der gesetzlichen Krankenkassen. Im SGB V ist weiterhin vorgesehen, dass die medizinische Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Tätigkeit auf der Grundlage von Selektivverträgen organisiert wird. Dort können Leistungserbringer ihre Leistungen ausschließlich direkt mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen. Insbesondere für Betriebsärzte stellt dies bisher ein erhebliches Problem dar, da diese zumeist nicht über die für eine solche Direktabrechnung erforderlichen Kapazitäten zur ordnungsgemäßen Datenverarbeitung verfügen. Für eine wirtschaftlich effiziente Abrechnung wäre die Einschaltung einer privatrechtlich organisierten Abrechnungsstelle erforderlich, was aber im Moment wegen der bestehenden Gesetzeslücke noch ausgeschlossen ist. Mit der von DGAUM und BARMER angemahnten Gesetzesänderung im SGB V könnte diese nun geschlossen werden. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist die Einbeziehung der Betriebsärzte in entsprechende Selektivverträge zur Regelung des Impfens im Betrieb bislang wenig erfolgreich gewesen. Alle aktuell bekannten Vertragsentwürfe haben für dieses Problem noch keine Lösung gefunden und setzen auf den Weg der Direktabrechnung zwischen den die Impfleistung erbringenden Betriebsärzten und den gesetzlichen Krankenkassen. Dies ist kontraproduktiv für die Durchsetzung und den Erfolg der gesundheitlichen Prävention durch Impfungen.
Gegenüber dem BMG haben die Kooperationspartner DGAUM und BARMER in den letzten Monaten außerdem noch einen alternativen Weg ausgearbeitet und vorgeschlagen, Regelungen von § 132e mit Vorgaben aus § 140a SGB V zusammenzuführen. Diesem Vorschlag war man seitens des BMG im Schreiben der Parlamentarischen Staatssekretärin im BMG, Ingrid Fischbach, MdB, von Mitte Februar positiv begegnet. Aktuell sind DGAUM und BARMER mit der konkreten Ausarbeitung des Vertragswerkes beschäftigt und sind überzeugt, mit dieser Initiative ein Modell zur Verfügung zu stellen, das letztlich von allen gesetzlichen Krankenkassen genutzt werden kann, solange die Gesetzeslücke im SGB V besteht.
Die inzwischen über 18 Monate währende Arbeitszeit an diesem Vorhaben zeigt, welch langen Atmen man braucht, um sowohl das Präventionsgesetz und die damit verbundenen Ziele in der Praxis umzusetzen als auch der Arbeitsmedizin als Fachgebiet und den Betriebsärzten als wichtigen Akteuren im Feld des Arbeitsschutzes und der betrieblichen Gesundheitsförderung und Prävention Statur und Stimme in diesem öffentlichen politischen Diskurs zu geben.
Dr. phil. Thomas Nesseler
Hauptgeschäftsführer DGAUM