Vortrag des Hauptgeschäftsführer der DGAUM im Bayerischen Landtag
Das Präventionsgesetz mit seinen Chancen und Risiken für die betriebliche Gesundheitsförderung und Prävention stand im Mittelpunkt eines Vortrags, den der Hauptgeschäftsführer der DGAUM Mitte Juli im Bayerischen Landtag gehalten hat. Auf Einladung des Präsidenten des Rotarischen Präsenztisches im Bayerischen Landtag, Franz Brosch, MdL a.D., diskutierte Dr. Thomas Nesseler mit den anwesenden Abgeordneten sowie Repräsentanten der öffentlichen und veröffentlichen Meinung über aktuelle Fragen der betrieblichen Gesundheitsförderung und des betrieblichen Gesundheitsmanagements im Hinblick auf die Schnittstelle von „klassischem“ Arbeitsschutz und Präventionsmaßnahmen, zu denen das sog. Präventionsgesetz Arbeitsmediziner und Betriebsärzte verpflichtet.
Verabschiedet Ende Juli 2015 ist das „Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention“, kurz Präventionsgesetz, Anfang 2016 auch in dem dort gesetzten finanziellen Rahmen in Kraft getreten. Die Umsetzung dieses Gesetzesvorhabens hat in unserer Gesellschaft einem breit getragenen Konsens Raum gegeben, dass die Stärkung von Prävention und Gesundheitsförderung nicht nur für die individuelle Lebensqualität, sondern auch zur ökonomischen Stabilisierung unserer Gesellschaft und unseres Gesundheitswesens unverzichtbar ist. Deshalb fordert das Präventionsgesetz alle verantwortlichen Akteure im Feld der Prävention (Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz) und Kuration (gesetzliche Krankenversicherung bzw. Pflegeversicherung) sowie Rehabilitation (gesetzliche Rentenversicherung) dazu auf, bestehende Setting-Ansätze von Prävention und Gesundheitsförderung an eine Systematik anzupassen, die sowohl die Verantwortung des einzelnen Menschen als auch die seiner Lebens- und Arbeitswelt – also ein Zusammenspiel zwischen Verhaltens- und Verhältnisprävention – befördern kann. Die Lebens- und Arbeitswelt in den Betrieben und den Unternehmen sowie bei den öffentlichen Arbeitgebern stellt mit mehr als 43 Millionen Beschäftigten in unserer Gesellschaft das größte Präventionssetting sowohl für Maßnahmen im Rahmen der Verhaltens- als auch der Verhältnisprävention dar, das es zu nutzen gilt.
Die hinter dem Präventionsgesetz stehende Idee ist es, der immer wieder beklagten „Versäulung“ im deutschen Gesundheits- und Sozialsystem entgegenzuwirken und dieses für sinnvolle und aufeinander abgestimmte Ansätzen und Maßnahmen sowohl im präventiven als auch im kurativen und im rehabilitativen Bereich durchlässiger zu machen. Gefragt ist also die Kooperation von Akteuren, die es bisher eher gewohnt waren, ihre jeweiligen Gesetzesrealitäten eines bestimmten Sozialgesetzbuches und der damit einhergehenden Verordnungen zu kultivieren, als die Zusammenarbeit jenseits dieser Kontexte zu suchen. Nesseler stellte in seinem Vortrag als Beispiel für einen solchen innovativen Ansatz die Kooperation der wissenschaftlichen Fachgesellschaft DGAUM mit dem Krankenversicherungs-unternehmen BARMER vor. Ziel ist es hier, aktiv an der Gestaltung des Präventionsgesetzes mitzuwirken und über den engeren Rahmen der arbeitsmedizinischen und betriebsärztlichen Tätigkeitsprofile hinaus in die Felder der betrieblichen Gesundheitsförderung und des betrieblichen Gesundheitsmanagements hineinzuwirken. Darüber hinaus sollen neue und evidenzbasierte Präventionsansätze und -pfade entwickelt und erprobt werden, vor allem im Feld der kleinen und mittleren Betrieben und Unternehmen, der sog. „KMU“.
Die anschließende, intensive und offene Diskussion zeigte einmal mehr, wie groß der Informations- und Gesprächsbedarf ist, wenn es gilt, zukunftsfähige und nachhaltige Präventionsmaßnahmen am Arbeitsplatz zu entwickeln und dabei die Rolle von Arbeitsmedizinern und Betriebsärzten als Lotsen sowohl zwischen Primär-, Sekundär und Tertiärprävention als auch beim BGF- bzw. BGM-Prozess zu verstehen.