Unsere Gesellschaft ist im Wandel. Die demografische Entwicklung mit einer anhaltend niedrigen Geburtenrate, der erfreuliche Anstieg der Lebenserwartung und die damit verbundene Alterung der Bevölkerung sowie das veränderte Krankheitsspektrum hin zu chronischen Erkrankungen, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Karzinomen, Erkrankungen des Bewegungsapparates, Diabetes mellitus und psychische Erkrankungen sowie die Veränderungen in der Arbeitswelt mit steigenden Flexibilitäts- und Leistungsanforderungen erfordern mehr denn je effektive Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung über alle Altersgruppen hinweg.
Gemäß dem Präventionsgesetz müssen sich deshalb ein neues Bewusstsein und eine Achtsamkeit für Gesundheit herausbilden. Die Gesundheit zu bewahren – lange bevor sich erste Vorboten einer Erkrankung zeigen – ist die Aufgabe jedes Einzelnen, aber auch Aufgabe all derer, die für die Gesundheit anderer Mitverantwortung tragen, wie die Arbeitgeber. Angesichts der enormen Anforderungen, die sich aus dem demografischen Wandel ergeben, ist es sozialpolitisch und auch medizinisch notwendig, mit allen geeigneten Mitteln die Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitnehmern zu erhalten. Ebenso gilt es, Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen wieder ins Arbeitsleben und in die Gesellschaft zur integrieren.
All diese komplexen Anforderungen sind im Rahmen eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements am besten umsetzbar. Das Betriebliche Gesundheitsmanagement koordiniert unternehmerische und gesamtgesellschaftliche Interessen und wird auch im Hinblick auf die Umsetzung des Präventionsgesetzes in der Lebenswelt „Betrieb“ eine besondere Rolle spielen.
Die Funktion des Gesundheitsmanagers/des Koordinators der Steuerungsgruppe füllt die ärztliche Profession vor dem Hintergrund ihrer profunden und weit angelegten Kenntnisse und Fähigkeiten am breitesten aus. Die Aufgaben des Gesundheitsmanagements – die Gesundheit der Beschäftigten zu erhalten und zu fördern – ist unmittelbar mit der betriebs“ärztlichen“ Kompetenz verknüpft. Ärztinnen und Ärzte für Arbeitsmedizin und Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatz-Weiterbildung Betriebsmedizin sind meines Erachtens DIE umfassende präventivmedizinische Kompetenz in der Arbeitswelt. Betriebsärzte sind die einzige Profession im Betrieb, die den individuellen Zugang zu den Beschäftigten haben, um diese vor Gesundheitsgefahren durch die Arbeit zu schützen. Das besondere Vertrauensverhältnis wird durch die ärztliche Schweigepflicht geschützt.
Auch unter unternehmerischen Aspekten ist eine Beauftragung des den Arbeitgeber ohnehin beratenden Betriebsarztes im Rahmen des Arbeitsschutzmanagements als die „Kompetenz für Gesundheit“ im Betrieb zur Durchführung des Gesundheitsmanagement nur konsequent, um redundante Aufgabenzuordnungen zu vermeiden und die am Gesundheitsmanagement beteiligten interdisziplinär ausgerichteten Akteure effizient zu koordinieren.
Der Betriebsarzt als Gesundheitsmanager oder als Koordinator der interdisziplinär ausgerichteten Akteure im BGM – ist somit Ausdruck einer Weiterentwicklung der Arbeits- und Gesundheitsschutzsystematik, entsprechend der an sie gerichteten aktuellen Erwartungen und Herausforderungen. Die neuen Aufgaben durch das Präventionsgesetz, wie die Durchführung von Gesundheitsuntersuchungen und allgemeine Schutzimpfungen im Auftrage der gesetzlichen Krankenkassen, können hier bestens integriert werden.
So gelingt es, den von der WHO geforderten Paradigmenwechsel herbeizuführen: von einem tradierten, auf die Verminderung unfallversicherungsrechtlicher Aspekte ausgerichteten Arbeitsschutz in eine zukunftsfähige Arbeits- und Gesundheitsschutzsystematik. Dies wirkt sich auch auf die Gesamtgesellschaft aus.
Ich hoffe, dass diese Ausgabe von ASU mit dem Schwerpunkt „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ für Sie viele interessante Praxisbeispiele und wissenschaftliche Erkenntnisse bereithalten wird. Sie sind herzlich eingeladen, sich an der Leserdiskussion unter meinung@asu-arbeitsmedizin.com zu beteiligen.
Ihre Annegret Schoeller
Chefredakteurin