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Gefahrstoff Blei – kein „alter Hut“

Das Themenheft widmet sich einem altbekannten arbeitsmedizinischen Problemstoff, dem Blei, der nach wie vor große Bedeutung hat. Blei zählt zu den ältesten vom Menschen verwendeten Metallen und wird seit mehr als 6000 Jahren von Menschen verarbeitet. Zu den größten Bleiverbrauchern weltweit gehören neben den USA und Japan auch Deutschland. Blei ist auch für die Arbeitsmedizin ein besonderer Gefahrstoff, weil die exakte Quantifizierung der Exposition nur mittels biologischem Monitoring möglich ist. Der Ausschuss für Gefahrstoffe kam 2017 zu der Auffassung, dass die Formulierung eines Luftgrenzwertes, der sicher schützt, nicht möglich ist und hat daher nur einen Blutbleiwert von 150 µg/l Vollblut verabschiedet.

Bei der Expositionserfassung haben somit die Betriebsärztinnen und ärzte eine Schlüsselrolle. Anders als in den Vereinigten Staaten und im Vereinigten Königreich, wo das biologische Monitoring primär zur Expositionserfassung verwendet wird und in der Verantwortlichkeit des Industrial Hygienist liegt, wird in Deutschland das biologische Monitoring unter der Verantwortung der Betriebsärztinnen und -ärzte eingesetzt, um die individuelle Gefährdung zu beurteilen. Auch die DFG-Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe hat sich erneut mit dem Thema Blei intensiv beschäftigt, da eine Vielzahl von Studien zu Blei seit der letzten Bearbeitung erschienen sind. Durch die geänderte Arbeitsweise der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe, die durch die COVID-Pandemie ausgelöst war, konnte Blei in der gewohnten Sorgfalt und wissenschaftlichen Tiefe aber in sehr kurzer Zeit parallel in vielen Arbeitsgruppen besprochen werden. Die Arbeitsweise der Kommission wird im Betrag von Hans Drexler und Andrea Hartwig exemplarisch für Blei dargestellt.

Bei schwangeren Frauen wurden bei Bleiexpositionen auch unterhalb von 150 µg/l noch Defizite in der geistigen Entwicklung der Kinder gesehen. Blei wurde daher als einziger Arbeitsstoff in die Schwangerschaftsgruppe A eingruppiert. Die Schwangerschaftsgruppe A besagt, dass auch bei Einhalten des Grenzwerts adverse Effekt auf das ungeborene Kind zu erwarten sind. Uta Ochmann beschäftigt sich in ihrem Beitrag zum Mutterschutz mit der Problematik vom Einsatz von Frauen im gebärfähigen Alter bei einer Bleiexposition.

Leitlinien sind in der klinischen Medizin, auch in der Arbeitsmedizin, von großer Bedeutung. Zwar schreibt eine Leitlinie kein ärztliches Handeln vor, allerdings bewegen sich die Ärztinnen und Ärzte in der Regel auf rechtssicherem Boden, wenn sie ihr Handeln an den vorhandenen Leitlinien orientieren und bei Abweichungen von einer Leitlinie dies medizinisch begründen können. Der Artikel von Annette Greiner und Hans Drexler stellt die wesentlichen Punkte der aktualisierten Leitlinie Blei der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) vor.

Angesichts der Bedeutung und der Toxizität von Blei ist die wissenschaftliche Reevaluierung auch auf europäischer Ebene ein großes Thema, womit sich der Beitrag von Rüdiger Pipke beschäftigt.

Eine sichere Abschätzung der Exposition und damit der gesundheitlichen Gefährdung von Einzelpersonen und von Gruppen ist ohne ein biologisches Monitoring bei Exposition gegenüber Blei nicht möglich. Der Beitrag von Stephan Letzel beschäftigt sich mit der arbeitsmedizinischen Vorsorge bei beruflicher Exposition zu Blei. Bereits im Arbeitssicherheitsgesetz von 1973 ist festgelegt, dass Ärztinnen und Ärzte ihre Untersuchungsergebnisse auswerten müssen, damit die Ergebnisse in den Arbeitsschutz einfließen können. Um verlässliche Aussagen machen zu können ist es dabei erforderlich, dass ein Großteil der Exponierten untersucht wird, um sicher zu gehen, dass die Biomonitoringbefunde repräsentativ für die Situation an Arbeitsplätzen sind. Erfahrungsgemäß werden Angebotsuntersuchungen nur relativ selten in Anspruch genommen. Auch wenn dann alle Personen, die zur Vorsorge kommen, ein Biomonitoring durchführen lassen, bleibt die Aussage zur Belastung im Blut der Beschäftigten wegen der ungeklärten Repräsentativität unsicher. Der arbeitsmedizinischen Vorsorge bei Exposition gegenüber Blei kommt daher eine Schlüsselrolle im Arbeitsschutz zu.

Blei ist der Arbeitsstoff, der weltweit bevorzugt mittels Biomonitoring erfasst wird. Als etablierter Parameter steht dafür Blei im Vollblut zur Verfügung. Der Artikel von Thomas Göen et al. zeigt auf, welche weiteren Parameter zur Verfügung stehen und wie die Validität der einzelnen Parameter zur Beurteilung der Exposition und der gesundheitlichen Gefährdung zu betrachten ist.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen der Beiträge zu einem Thema, das nur auf den ersten Blick „angestaubt“ wirkt.

Ihr Hans Drexler

Redaktionsmitglied