Ziel der DGAUM als einer wissenschaft-lich-medizinischen Fachgesellschaft und Interessenvertretung im Feld der Arbeitsmedizin ist u. a. die Beratung von allen Akteu-ren, die ihren Beitrag zu der medizinischen Versorgung leisten und auf Fachwissen aus der betrieblichen Gesundheitsförderung und Prävention, der arbeits- und umweltbezogenen Diagnostik und Therapie, der Beschäftigungsfähigkeit fördernden Rehabilitation sowie aus dem versicherungsmedizinischen Kontext angewiesen sind. Grundlage hierfür muss wissenschaftliche Evidenz sein, eine entsprechende Qualitäts-sicherung darf dabei nicht vergessen werden.
Im Mittelpunkt der Arbeit der DGAUM stand dabei im vergangenen Jahr das Engagement um das neue „Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention“, kurz: Präventionsgesetz, das im letzten Juli schließlich alle parlamentarischen Hürden genommen hatte und in Kraft tre-ten konnte. Zusammen mit den zahlreichen Arbeitsmedizinern und Betriebsärzten kann die DGAUM dies als einen außergewöhnlichen Erfolg begreifen. Denn keine andere Ärztegruppe wird dort im Gesetzestext der-art hervorgehoben und deren Bedeutung für die Arbeitswelt und damit für die betriebliche Gesundheitsförderung so entschieden gestärkt. Mit diesem neuen Gesetz sind ein-deutig Chancen verbunden. Diese gilt es nun-mehr zu gestalten. Die DGAUM hat deshalb bereits im Oktober ihre Stellungnahme „Arbeitsmedizin 4.0. 14 Thesen zum Stand und zum Entwicklungsbedarf der betrieblichen Prävention und Gesundheitsförderung“ publiziert, um so frühzeitig für die Arbeitsmedizin hinsichtlich der Umsetzung dieses Gesetzes Einfluss zu nehmen. Zentral sind in dieser Stellungnahme die Forderungen, dass die Prävention zu einer tragenden Säule im Gesundheitssystem werden muss und es einer Präventionsstrategie und Prä-ventionskultur in Deutschland bedarf, die auch die KMU erreicht. Wie wichtig diese Stellungnahme der DGAUM war, zeigen die weiteren Gespräche mit Vertretern des Bundesministeriums für Gesundheit, den Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie den Kostenträgern im System der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Darüber hinaus haben wir eine Reihe von positiven und zu-stimmenden Rückmeldungen zu der Stellungnahme erhalten und konnten darüber zudem vor wenigen Wochen mit der Barmer-GEK einen Kooperationsvertrag schließen, um entsprechend den Möglichkeiten des Präventionsgesetzes, Modellvorhaben zur Entwicklung von neuen Präventionsleistungen und qualitätsgesicherten Präventions-pfaden in der Arbeitswelt zu entwickeln.
Nicht umsonst stand daher der Themenschwerpunkt „Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)“ im Mittelpunkt der letzten, gut besuchten DGAUM-Jahrestagung, die Mitte März in München statt-gefunden hat. Im Fokus waren dabei sowohl der Aspekt „Prävention am Arbeitsplatz gestalten. Perspektiven für das Betriebliche Gesundheitsmanagement“ – hier war u. a. Ingrid Fischbach, MdB, Parlamentarische Staatssekretärin im Berliner Bundesminis-terium für Gesundheit zu Gast – als auch die Frage, wie man ein Betriebliches Gesundheitsmanagement für Personalverantwort-liche an der Schnittstelle zu Human Resources gestalten kann. Ziel des BGM ist es, durch systematische, nachhaltig wirkende Maßnahmen der Organisations- und Prozessgestaltung die Gesundheit sowie die Leistungs- bzw. Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fördern, um damit die Produktivität des Unter-nehmens oder einer Organisation zu sichern bzw. zu verbessern und zu einem gesellschaftlichen Gewinn beizutragen. BGM be-zieht somit alle Einwirkungen auf die Gesundheit der Beschäftigten ein und definiert den Arbeitsplatz als Präventionssetting, das es ermöglicht, durch gezielte Maßnahmen der Prävention die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten zu erhalten und zu fördern. Gerade im Felde der betrieb-lichen Prävention und Gesundheitsförde-rung verfügen Arbeitsmediziner und Betriebsärzte über eine herausragende Position: An der Schnittstelle von Arbeits- und Lebenswelt kennen sie sowohl die konkreten Tätigkeiten mit den entsprechenden Belastungs- und Beanspruchungspotenzialen als auch das individuelle Gesundheits- bzw. Krankheitsprofil der Beschäftigten. Darüber hinaus stellt die Lebens- und Arbeitswelt in den Betrieben und Unternehmen sowie bei den öffentlichen Arbeitgebern in unserer Ge-sellschaft das größte Präventionssetting sowohl für Maßnahmen im Rahmen der Verhaltens- als auch der Verhältnisprävention dar. Schon heute sind im Rahmen der gesetz-lich verankerten arbeitsmedizinischen Vorsorge sowie des betrieblichen Gesundheitsmanagements über 43 Millionen arbeitende Menschen für präventiv-medizinische Maßnahmen zu sensibilisieren oder gar zu gewinnen. Die DGAUM vertritt deshalb ganz offensiv, dass den fast 12 500 Ärztinnen und Ärzten mit arbeitsmedizinischer oder betriebsärztlicher Fachkunde in unserem Land die Aufgabe erwächst, eine Rolle als Lotsen und neutrale Berater zwischen präventi-ver Gesundheitsförderung, ambulanter Ver-sorgung, arbeitsmedizinischer Vorsorge und berufsfördernder Rehabilitation einzuneh-men. In diesem Kontext fordert die DGAUM bei der Novellierung der (Muster)Weiterbildungsordnung durch die Bundesärztekammer den Facharzt Arbeitsmedizin in Facharzt für Arbeitsmedizin und Prävention umzubenennen.
Sicherlich ist dabei zu bedenken, dass der Begriff „Betriebliches Gesundheits-management“ (oder „BGM“) von Multiplikatoren der öffentlichen und veröffentlichten Meinung oftmals etwas undifferenziert und vielleicht auch inflationär verwendet wird. Nur zu gerne nehmen wir an, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine eindeutige Definition und Vorstellung von BGM haben, wenn darüber gesprochen wird. Dass dies allerdings oftmals anders ist, das zeigten gerade auch die Veranstaltungen bei der DGAUM-Jahrestagung wieder einmal sehr deutlich. Schon beim Begriff „Prävention“ scheiden sich oftmals die „Geister“. Wo ge-nau beginnt Gesundheitsmanagement im Betrieb, wo ist es nach dem Gesetz verpflich-tend und wo zieht man die Grenze, an der die Verantwortung des Arbeitgebers für die Gesundheit des Mitarbeiters aufhört und dessen eigene Entscheidung im Vordergrund steht? Diese Fragen stehen ebenfalls im Mittelpunkt des Schwerpunktthemas BGM in dieser Ausgabe der ASU.
BGM ist u. E. ein gutes Instrument, das die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem Unternehmen oder einer Organisation stärken und fördern kann. Dabei steht je nach Themenschwerpunkt die Arbeit verschiedener Einheiten im Betriebsablauf im Vordergrund: Betriebsleitung, Personalwesen/HR oder Arbeitssicherheit etc. Arbeitsmediziner und Betriebsärzte kümmern sich neben der Gefährdungsbeurteilung häufig nur die arbeitsmedizinische Vorsorge. Dabei könnten gerade die Ärztinnen und Ärzte mit entsprechender Expertise bei Bedarf präven-tiv für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfügung stehen, wenn es etwa um wei-tergehende gesundheitliche Aspekte am Ar-beitsplatz, Überlastungssituationen und Rehabilitation nach längerer Erkrankung geht. Die von der DGAUM propagierte Lotsenfunktion von Arbeitsmedizinern und Betriebsärzten im Setting Arbeitswelt will täg-lich gelebt und erfahrbar werden.
Hinzu kommt, dass das Thema „Betriebliche Gesundheitsförderung, BGF“ sich in den letzten Jahren zu einem „Tummelplatz“ ganz unterschiedlicher Anbieter auch fernab der medizinischen Professionen entwickelt hat. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des unsere Gesellschaft massiv herausfordernden demografischen Wandels und der Zunahme präventabler Erkrankun-gen auch in der jüngeren Bevölkerung ist in unserem Gesundheitssystems eine effiziente Zuordnung der Ressourcen nicht zuletzt an-gesichts eines generellen Ärztemangels er-forderlich. Hierzu gehört im Bereich der Kuration der Ausbau von Versorgungsnetz-werken mit der Schnittstelle zur Arbeitsmedizin, sowie im Bereich der Prävention der Ausbau von Kooperationen mit Präven-tionsexperten weiterer beteiligter Diszipli-nen, die u. a. Teilaspekte betrieblicher Prävention kompetent vertreten können, also: Gesundheitswissenschaftler, Arbeitswissen-schaftler, Psychologen, Pädagogen etc. Vor-aussetzung einer nachhaltig präventiven Ausrichtung der Arbeit dieser Fachleute ist aber die Einbindung in ein Team mit dem gemeinsamen Ziel eines optimal gestalteten Gesundheitsschutzes, inkl. des Aspektes der Arbeitssicherheit in den Unternehmen. Eine vielversprechende Grundlage der Koopera-tion von Betriebsärzten mit anderen Professionen aus dem Bereich der Gesundheitsförderung könnten darüber hinaus überbetriebliche arbeitsmedizinische Zentren darstellen. In der Summe ist aber eine bessere und strategische Planung notwendig. Machen bestimmte gesundheitsfördernde Maßnahmen für die Arbeitenden überhaupt Sinn und was geschieht mit den dabei von medizinischen Laien erhobenen medizinischen Befunden? Ein strukturiertes Betrieb-liches Gesundheitsmanagement (BGM) und die betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) erfordern ein klares Konzept, wissenschaft-liche Evidenz muss erarbeitet und ein System einer Qualitätssicherung von Prävention auf-gebaut werden.
Mit diesem Schwerpunktheft möchten wir einen Beitrag dazu leisten und die Diskussion befördern helfen. Deshalb wünschen wir Ihnen eine anregende Lektüre und spannende Diskussionen.
Prof. Dr. med. Hans Drexler, Präsident DGAUM
Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Stephan Letzel, Vizepräsident DGAUM
Dr. phil. Thomas Nesseler, Hauptgeschäftsführer DGAUM