Mit dem Projekt „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt“ hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) eine systematische wissenschaftliche Standortbestimmung zum Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen und psychischer Gesundheit vorgenommen. Übergeordnetes Ziel war es, einen Beitrag zu einer zentralen Herausforderung für Sicherheit und Gesundheit in der Arbeit zu leisten: Eine zeitgemäße arbeitsweltbezogene Prävention, so unsere Überzeugung, muss psychische Arbeitsbedingungsfaktoren – neben anderen Arbeitsbedingungen – entsprechend ihrer Bedeutung in der modernen Arbeitswelt berücksichtigen.
Dafür braucht es mehr als Appelle. Vielmehr ist entsprechendes Zusammenhangswissen zur Wirkung von spezifischen Arbeitsbedingungen auf die Gesundheit aufzubereiten und – wo erforderlich – zusätzliches Wissen zu generieren. Des Weiteren gilt es, fundiertes Gestaltungswissen zu entwickeln, mit dem Ziel, betriebliche Interventionen für eine gesundheitsgerechte Arbeit unter dem Aspekt der psychischen Belastung zu unterstützen. Nicht zuletzt ist es wesentlich, auch die Systeme und Vorgehensweisen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes weiterzuentwickeln. Dazu zählen Fragen der Rechts- und Regelsetzung genauso wie etwa die Kompetenzentwicklung der Akteure und die sachgerechte Verknüpfung der Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention.
Mit ihrem Projekt „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt“ hatte sich die Bundesanstalt vorgenommen, Zusammenhangswissen zu Arbeit und Gesundheit systematisch aufzubereiten und Gestaltungswissen wo immer möglich aus den vorhandenen Studien zu extrahieren. Auch wollten wir Forschungslücken systematisch aufzeigen und – im Rahmen abschließender Empfehlungen – übergreifenden Handlungsbedarf aufzeigen. Dafür wurden systematische Übersichtsarbeiten zu mehr als zwanzig arbeitsbezogenen psychischen Belastungsfaktoren erstellt, die durch jeweils einschlägige externe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler qualitätsgesichert und anschließend in wissenschaftlichen Expertengesprächen reflektiert und konsolidiert wurden. Die so gewonnenen Ergebnisse konnten wir im nächsten Schritt mit Fachkreisen des Arbeitsschutzes – allen voran dem Kuratorium der BAuA, den Akteuren der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie, den Sozialpartnern und der Politik – ausführlich erörtern. Des Weiteren hatten wir die Gelegenheit, diese in wissenschaftlichen Jahrestagungen – der DGAUM, der GfA, der DGPs und der DGPPN – vorzustellen. Das gesamte Projekt, das innerhalb der BAuA durch wissenschaftliche Kolleginnen und Kollegen dreier Fachbereiche übergreifend durchgeführt wurde, wurde durch einen Ausschuss des Wissenschaftlichen Beirats der BAuA intensiv begleitet.
Mit dem vorliegenden Sonderheft dürfen wir aus verschiedenen fachlichen und fachpolitischen Perspektiven – in Beiträgen unseres Wissenschaftlichen Beirats, von Autor/innen einzelner Überblicksarbeiten sowie der Themenverantwortlichen zu ausgewählten übergreifenden Themen – unser Projekt nochmals vertiefend darstellen und weiterführende Fragestellungen thematisieren. Wir hoffen, dass wir damit zur wichtigen Debatte zur psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt, die weiterhin vielerorts geführt wird, beitragen können. Denn auch wenn in den vergangenen Jahren in Forschung, Arbeitsschutzpolitik und betrieblicher Praxis viele Aktivitäten gestartet und Fortschritte erzielt wurden, so gibt es doch eine erhebliche Lücke zwischen den Erfordernissen und der tatsächlichen Realisierung einer zeitgemäßen, psychische Faktoren angemessen integrierenden Präventionsstrategie. Diese Lücke ist von den zentralen Akteuren gemeinsam zu schließen oder mindestens weiter zu reduzieren. Hierzu möchte die Bundesanstalt auch zukünftig bestmöglich beitragen.
Isabel Rothe
Präsidentin der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin