Um das Risiko einer Krebserkrankung gerade am Arbeitsplatz zu minimieren, sollten krebserzeugende Stoffe nicht eingesetzt werden. Wo dies nicht möglich ist, müssen geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um gefährdete Beschäftigte zu schützen. Dazu gehören neben Schulungen und arbeitsmedizinischer Betreuung der Beschäftigten auch Schutz- und Sicherheitskonzepte. Ein Grundbaustein der Arbeitsschutzmaßnahmen sind die Grenzwerte für krebserzeugende Arbeitsstoffe. Die Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (MAK-Kommission) leitet für kanzerogene Stoffe Grenzwerte ab, wenn entsprechende wissenschaftliche-toxikologische Daten verfügbar sind (MAK-Werte, maximale Arbeitsplatzkonzentration). Sie dienen als Grundlage für die Ableitung der Arbeitsplatzgrenzwerte des Ausschusses für Gefahrstoffe (AGS). Die Beiträge der vorliegenden Ausgabe zu diesem Schwerpunktthema beleuchten verschiedene Aspekte der Grenzwertableitung und deren praktische Umsetzung.
Im ersten Beitrag erläutert Eberhard Nies das Risikokonzept für krebserzeugende Arbeitsstoffe mit unbekannten oder primär genotoxischen Wirkungen des AGS und stellt die Stärken und Schwächen des Konzepts dar. Einige der beschriebenen offen Fragen stellen generelle Herausforderungen an die regulatorische Toxikologie dar – wie etwa die Art der Dosis-Wirkungs-Beziehungen im Niedrigdosisbereich.
Krebserzeugende Arbeitsstoffe können aufgrund ihres Wirkungsmechanismus differenziert werden. Genotoxisch Kanzerogene interagieren direkt mit dem Erbgut, während nichtgenotoxische Kanzerogene die Kanzerogenese über andere Mechanismen fördern oder auslösen. Der Beitrag der Autorinnen Gerlinde Schriever-Schwemmer und Patricia Kreis erläutert die komplexen Testsysteme, mit denen fragliche chemische Stoffe bezüglich ihres genotoxischen und mutagenen Potenzials getestet werden.
Der Erfolg von Schutzmaßnahmen muss überprüft werden – dies kann sowohl durch Biomonitoring als durch Luftmessungen geschehen. Wobbeke Weistenhöfer beschreibt anhand des Kanzerogens Cobalt die verschiedenen Beurteilungswerte, die die Bewertung der Biomonitoring-Daten ermöglichen. Ralph Hebisch führt die Leserschaft durch die TRGS 402, die eine einheitliche Vorgehensweise bei Luftmessungen sicherstellt, was eine essenzielle Voraussetzung zum Erzielen vergleichbarer Ergebnisse ist.
In seinem zweiten Beitrag zum Schwerpunktthema, hat sich Eberhard Nies der aktuellen Diskussion um den Arbeitsplatzgrenzwert für Dämpfe und Aerosole aus Bitumen gestellt. Er stellt das Vorgehen der MAK-Kommission und des AGS schlüssig dar und relativiert die Vorwürfe der Bauwirtschaft.
Ein Beispiel aus der Praxis soll auch nicht fehlen. GabrieleLeng schildert den Stellenwert und den Nutzen des 1,3-Butadien-Biomonitorings für den Arbeitsschutz in einem Unternehmen.
Im wissenschaftlichen Teil werden zwei heftig diskutierte Themen aufgegriffen – die gesundheitliche Relevanz von Emissionen von Dieselmotoren und Humanstudien. Helmut Greim hat über Dieselmotoren und den Emissionen einen sehr informativen Überblick in Archives of Toxicology publiziert, dessen wesentlichen Inhalte er für unsere Leserschaft zusammengefasst hat. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat zur Relevanz von Humanstudien ein Positionspapier verfasst, auf das wir hinweisen. Derzeit werden weltweit große wissenschaftliche Anstrengungen unternommen, um Ergebnisse von In-vitro-Modellen auf den Menschen übertragbar zu machen. Zum einen, um Tiere zu schonen, zum anderen, um in Hochdurchsatzversuchen eine Vielzahl von Chemikalien in einer kürzeren Zeit testen zu können. Doch letztlich haben wissenschaftliche Daten aus epidemiologischen Studien oder kontrollierten Probandenstudien immer noch den höchsten Stellenwert zur Risikoabschätzung. Die Voraussetzungen für die Durchführung von Probandenstudien sowie deren Relevanz für die Ableitung von Grenzwerten werden in dem Positionspapier dargestellt.
Ich hoffe, dass Sie einen Einblick in die regulative Toxikologie – gerade im Hinblick auf den Schutz vor kanzerogenen Stoffen – erhalten. Ich freue mich sehr, dass ich mit den Autorinnen und Autoren aktuelle und ehemalige Mitglieder der MAK-Kommission gewinnen konnte, die Aspekte unserer Arbeit zum Schutz der Beschäftigten in dieser Ausgabe darstellen.
Ihre Simone Schmitz-Spanke
Chefredakteurin