U nsere Gesellschaft verändert sich. Wir leben immer länger, das Krankheitsspektrum verschiebt sich und die Gesundheitsversorgung muss sich auf die veränderten Bedarfe einstellen. Vor diesem Hintergrund erhält auch die Prävention eine immer wichtigere Rolle. Für eine Stärkung der Prävention sprechen sich alle Akteure aus – über den Weg dahin scheiden sich aber die Geister.
Klar ist, dass Prävention eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Ihrer Verantwortung sollte sich niemand entziehen. Mit dem geplanten Präventionsgesetz wird jedoch allein die gesetzliche Krankenversicherung in die Pflicht genommen. Der Gesetzentwurf enthält ein Bündel an Aktivitäten, lässt aber einen strukturierten Ansatz für eine nutzenorientierte Prävention vermissen. Die Gesetzliche Krankenversicherung ist bereits der größte Förderer der Prävention und kommt mit einem Betrag von 4,4 Mrd. Euro für die Hälfte der Ausgaben in diesem Bereich auf. Wir wünschen uns hier mehr Engagement der übrigen Sozialleistungsträger und der Länder und Kommunen.
Ein besonders wichtiges Handlungsfeld der Prävention ist das Impfen. Deshalb begrüßen wir es, dass das geplante Präventionsgesetz für das Impfen Regelungen enthält, die zielführend für eine Weiterentwicklung der Versorgung sein können. Der Gesetzesentwurf zum Präventionsgesetz eröffnet die Möglichkeit, dass die Krankenkasse mit Betriebsärzten Vereinbarungen zum Impfen treffen kann und auf dieser Basis einen speziellen Gruppentarif für ihre Mitglieder anbietet. Ziel ist, die Jugendlichen und Erwachsenen in ihrem sozialen Umfeld, ihren Lebenswelten abzuholen. Solche Kooperationen tragen dazu bei, den Impfgedanken in der Bevölkerung weiter zu stärken und die Sensibilität und Sensitivität für Infektionskrankheiten, vor denen man sich durch eine Impfung schützen kann, zu erhöhen. Versorgungspolitisch haben dabei der Kollektivschutz der Bevölkerung einerseits und der Individualschutz andererseits große Bedeutung. Letztlich bleibt die Impfung allerdings für die einzelne Person eine freiwillige Entscheidung.
Impfen beruht in Deutschland auf Freiwilligkeit
In Deutschland besteht kein Impfzwang. Impfen wird seit vielen Jahren freiwillig und wie selbstverständlich von den meisten Krankenkassen angeboten und finanziert. Nach einer im April 2007 erfolgten Gesetzesänderung durch das Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) gehören nunmehr alle in der Schutzimpfungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses genannten Impfungen zum Pflichtleistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Dabei können Impfungen von jedem Vertragsarzt durchgeführt werden, sofern eine fachliche Ermächtigung hierfür vorliegt.
Neben Hausärzten, die vorrangig die Grippeimpfung anbieten, werden Impfungen hauptsächlich von Kinder- und Jugendärzten durchgeführt. Die Impfstoffe werden vom jeweiligen Vertragsarzt in Großpackungen bezogen und mit den gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen des meist kassenartenübergreifenden Sprechstundenbedarfs abgerechnet. Zusätzlich wird die ärztliche Leistung, nämlich die Aufklärung über die Impfung, ihre Durchführung und Dokumentation honoriert.
Im Jahr 2012 lagen die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für Impfstoffe bei rund 1 Mrd. Euro. Für das ärztliche Honorar kamen zusätzlich 170 Mio. Euro hinzu. Dabei schwanken die abrechenbaren Honorare je nach Region und durchzuführender Impfung. Für eine Grippeimpfung beträgt das ärztliche Honorar durchschnittlich 6,70 Euro, für eine Sechsfachimpfung (Diphtherie, Pertussis, Tetanus, Poliomyelitis, Haemophilus influenzae Typ b, Hepatitis B) durchschnittlich 17,50 Euro.
Vom Grundsatz her gehört das Impfen zu den Aufgaben des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD). Diese Aufgabe wird allerdings in weiten Teilen unter anderem wegen fehlender Strukturen immer weniger wahrgenommen. Seit einiger Zeit bestehen in den einzelnen Bundesländern Verträge mit der gesetzlichen Krankenversicherung, die die Finanzierung des Impfstoffes für Impfungen durch den ÖGD regeln.
Auch die Arbeitgeber sind bei Impfungen leistungspflichtig. Es besteht sogar eine vorrangige Leistungspflicht der Arbeitgeber bei Personenkreisen mit einer erhöhten beruflichen Gefährdung. Hierzu gehören medizinisches Personal und Personen in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr. Klassische Beispiele für arbeitgeberseitig zu tragende Impfungen sind die Grippe- und die Hepatitisimpfung.
Betriebsärzte können helfen, die Beschäftigten zu erreichen
Ob das Präventionsgesetz in dieser Legislaturperiode tatsächlich verabschiedet wird, ist offen. Unabhängig davon sind die im vdek zusammengeschlossenen Ersatzkassen Barmer GEK, TK, DAK Gesundheit, KKH, HEK und hkk bereit, dort, wo es sinnvoll erscheint, Kooperationen mit Betriebsärzten einzugehen. Gegenstand solcher Verträge können neben der Grippeimpfung auch die im Kindes- und Jugendalter nicht Geimpften bzw. die Durchführung von notwendigen Auffrischimpfungen sein. Da diese Personenkreise in der Regel gesund sind und daher keine Ärzte aufsuchen, ist das Nachholen verpasster Impfungen schwierig und notwendige Auffrischungsimpfungen bleiben aus. Hier könnte die Erreichbarkeit durch die Zusammenarbeit von gesetzlichen Krankenkassen mit Berufsschulen und Betrieben und den dort tätigen Betriebsärzten erhöht werden. Den Betriebsärzten kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Voraussetzung einer solchen Zusammenarbeit ist, dass die Versorgung genauso umfänglich erfolgt wie durch die Vertragsärzte und sich die daraus ergebenden finanziellen Auswirkungen angemessen sind.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Betriebsärzte einen wertvollen Beitrag zur Verbesserung des Impfschutzes leisten können. Sie können die Beschäftigten zielgerichtet ansprechen und für einen notwendigen Impfschutz sorgen. Gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit haben die Ersatzkassen bereits in der Vergangenheit im Rahmen von einzelnen Grippeschutzimpfaktionen gemacht.
Autorin
Ulrike Elsner
Vorstandsvorsitzende des Verbands der Ersatzkassen e. V. (vdek)
Askanischer Platz 1 – 10963 Berlin