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Die Rolle der Arbeitsmedizin im ­betrieblichen Eingliederungs­management – ein Praxisbeispiel

Das PDF dient ausschließlich dem persönlichen Gebrauch! - Weitergehende Rechte bitte anfragen unter: nutzungsrechte@asu-arbeitsmedizin.com.

Désirèe Hoyer

doi:10.17147/asu-1-426475

The role of occupational medicine in company ­integration management – a case study

Company integration management (BEM) plays a crucial role in enabling employees to reintegrate into everyday working life after a long period of illness. The following case study highlights the situation of an employee who is no longer able to perform his previous duties due to severe health restrictions. The measures and findings presented illustrate the relevance of an individually coordinated BEM.

Kernaussagen

Das beschriebene Fallbeispiel verdeutlicht, wie essenziell nicht nur ein durchdachtes und individuell abgestimmtes betriebliches Eingliederungsmanagement ist, sondern auch, wie wichtig in diesem Fall der Kontakt mit der Arbeitsmedizinerin war, um notwendige Maßnahmen in die Wege zu leiten und den Mitarbeiter ganzheitlich zu beraten.

Die Rolle der Arbeitsmedizin im betrieblichen ­Eingliederungsmanagement – ein Praxisbeispiel

Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) spielt eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, Beschäftigten nach längerer Erkrankung die Reintegration in den Arbeitsalltag zu ermöglichen. Im folgenden Fallbeispiel wird die Situation eines Mitarbeiters beleuchtet, der aufgrund schwerer gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, seine bisherigen Aufgaben zu erfüllen. Die dargestellten Maßnahmen und Erkenntnisse verdeutlichen die Relevanz eines individuell abgestimmten BEM.

Hintergrund des Falls

Im vorliegenden Fall geht es um die Situation eines 1963 geborenen Mitarbeiters, der als Hilfskraft in einem zerspanenden Betrieb tätig ist. Er war hauptsächlich für die Entgratung zuständig, d.h. das Entfernen unschöner und scharfer Kanten von Metallwerkstücken. Die Tätigkeit erfordert eine gute Sehleistung, um die zu bearbeitenden Kanten auszumachen. Es besteht die Gefahr, sich am Werkstück oder auch an den Geräten erhebliche Schnittverletzungen zuzuziehen. Außerdem sind die Beschäftigten einer Belastung mit Staub, Dämpfen und Lärm ausgesetzt.

Der Mitarbeiter, verheiratet und Vater von drei Kindern, lebt seit 2017 in Deutschland.

Diagnosen und gesundheitliche ­Herausforderungen

Der Mitarbeiter leidet seit längerem an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ 2, der laut vorliegenden Befunden schlecht eingestellt ist. Zudem zeigt er wenig Krankheitseinsicht.

Im Juli 2024 kam es zu einer hypertensiven und hyperglykämischen Entgleisung, im Zuge derer der Mitarbeiter stationär im Krankenhaus behandelt werden musste. Hier wurden eine diabetische Nephropathie mit renaler Anämie, eine Polyneuropathie, eine proliferative diabetische Retinopathie und ein sekundäres Glaukom festgestellt. Während des Krankenhausaufenthalts kam es zu einer massiven Netzhautblutung im linken Auge.

Als Folge dessen sind seine Seheinschränkungen des Beschäftigten gravierend: Auf dem linken Auge besteht lediglich eine Lichtwahrnehmung, während das rechte Auge nur noch eine maximale Sehleistung von 0,4 mit Korrektur aufweist. Das Gesichtsfeld ist deutlich eingeschränkt.

Erste Maßnahmen und Unterstützung

In mehreren, durch den Arbeitgeber initiierten, Einzelberatungen durch die Arbeitsmedizinerin, wurde deutlich, dass der Mitarbeiter mit seiner Situation stark überfordert ist. Sprachliche Barrieren machen es ihm schwer, Anträge bei Ämtern zu stellen und die Kommunikation mit der Krankenkasse zu bewältigen. Zu den gesundheitlichen Herausforderungen kommen auch finanzielle Sorgen, die seinen Stress weiter erhöhen. Dem Mitarbeiter war nicht klar, dass einige der Einschränkungen chronisch sind und sich nicht mehr vollständig zurückbilden werden.

Um dem Mitarbeiter zu helfen, wurden erste Maßnahmen ergriffen. Dazu gehörte die Mitgabe von Kontakten zu Sozialberatungsstellen, die Unterstützung bei den Antragsstellungen und Beratungen. Hierüber erfolgte der Antrag auf einen Grad der Behinderung. Über die Krankenkasse wurde eine Rehabilitationsmaßnahme beantragt. Eine Ernährungsberatung zur Stabilisierung der Diabeteswerte bei einem Diabetologen wurde ebenfalls eingeplant, da auch diese bisher nicht erfolgt war.

Einschränkungen und ­Wiedereingliederung

Im Oktober 2024, während seiner Krankschreibung, wurden die offiziellen BEM-Gespräche aufgenommen.

Die augenärztlichen Befunde ergaben gravierende Einschränkungen des Mitarbeiters: Längeres Lesen, Arbeiten am Computer sowie Fahr- und Steuertätigkeiten sind für ihn nicht mehr möglich.

Eine Verbesserung der Sehkraft am linken Auge ist nach Aussage des behandelnden Augenarztes nicht zu erwarten. Am rechten Auge ist eine erneute Operation geplant, die eine leichte Verbesserung der Sehleistung verspricht. Eine Begutachtung bezüglich der Fähigkeit zum Führen eines Kraftfahrzeuges ist geplant.

In Anbetracht der genannten Einschränkungen war ein Einsatz am alten Arbeitsplatz in der Entgratung nicht mehr möglich. Daher wurde im Rahmen der Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell die Erprobung verschiedener Arbeitsplätze initiiert, um den Bedürfnissen des Mitarbeiters gerecht zu werden. Die Wiedereingliederung des Mitarbeiters, die im Dezember begonnen hat, ist zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts noch nicht abgeschlossen.

Das Integrationsamt wird nach Erhalt des Grades der Behinderung zur weiteren Unterstützung hinzugezogen werden.

Interessenkonflikt: Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

Kontakt

Désirée Hoyer
Fachärztin für Arbeitsmedizin; ias Aktiengesellschaft; Wendenstrasse 8-12; 20097 Hamburg

Foto:privat

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