„Psychische Erkrankungen sind immer häufiger der Grund für Fehlzeiten und den frühzeitigen Einstieg in das Rentenalter. Rund 15 Prozent aller Fehltage gehen auf Erkrankungen der Psyche zurück. Besondere Brisanz erhalten psychische Erkrankungen auch durch ihre Krankheitsdauer, die mit durchschnittlich 36 Tagen dreimal so hoch ist wie bei anderen Erkrankungen mit zwölf Tagen. Dabei sind sämtliche Altersgruppen der Erwerbstätigen betroffen. Deshalb gewinnen Prävention und die Förderung der psychischen Gesundheit als Teil eines nachhaltigen betrieblichen Managements zunehmend an Bedeutung, denn die Gesundheit der Beschäftigten trägt maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen bei.“
Dieses Zitat stammt vom Bundesgesundheitsministerium, veröffentlicht auf dessen Internetseite (www.bundesgesundheitsministerium.de). Laut Erhebungen leiden in Deutschland pro Jahr etwa 5,3 Millionen Menschen an Depression. Gern wird von einer „Volkskrankheit“ gesprochen – doch jede oder jeder einzelne Betroffene muss immer noch mit Vorurteilen, Scham und Stigma kämpfen. Am Arbeitsplatz besteht oft die Angst, den Job zu verlieren. Deshalb trauen sich viele Beschäftigte nicht, ihre psychische Erkrankung öffentlich zu machen oder mit Vorgesetzten darüber zu reden. Infolgedessen wagen viele auch nicht, zu Ärztinnen oder Ärzten zu gehen. Das ist fatal. Und das, obwohl Politik und Medizin von der „Volkskrankheit Depression“ sprechen. Die Gesellschaft, die Arbeitswelt muss zu dem Punkt kommen, an dem es normal ist zu sagen: „Ich habe eine Depression.“ So wie es auch völlig normal ist zu sagen: „Ich habe Diabetes.“
Was aber ist eine Depression? Kopf und Körper fühlen sich bleischwer an, klare Gedanken können nicht mehr gefasst und selbst einfachste Entscheidungen nicht mehr getroffen werden. Du siehst deine Umgebung, nimmst sie aber nur schemenhaft wahr. Du hörst Stimmen von Menschen, kannst sie aber nicht einordnen. Du fühlst dich, als wärst du in Vakuum gepackt, eine Verpackung, die so schwer ist wie ein Felsbrocken. Dir ist oft übel, die Angst überfällt dich immer mehr, immer stärker. Du fühlst dich wertlos. Nutzlos. Du möchtest nicht mehr aufstehen, du möchtest mit niemandem Kontakt haben, du siehst nur noch einen Ausweg: Die Suizidgedanken lassen dich nicht mehr los. Du kannst nicht schlafen, du grübelst und grübelst. Zweifelst an dir. Verzweifelst. Nichts geht mehr. Du spürst keine Freude mehr, du spürst nur noch Angst, bleierne Schwere – und immer wieder diese Gedanken.
So in etwa fühlt sich eine Depression an. Doch niemand braucht Angst zu haben, weder vor dem Gang zur Hausärztin oder zum Hausarzt, noch vor einer Psychotherapie oder dem Besuch in einer psychiatrischen Praxis, noch vor dem Schritt in eine Klinik. Die gute Nachricht ist: Depression kann behandelt werden. Und ja: Der Weg zurück ins Leben ist möglich und machbar. Wie dies möglich ist, ist beispielsweise in der Broschüre „Lichtblicke“ beschrieben, in der neun Betroffene schildern, wie sie die Depression erlebt haben, wie sie den Weg zurück ans Licht gefunden haben und ihn gegangen sind. „Lichtblicke“ ist eines der Projekte der Deutschen DepressionsLiga e.V. (DDL; s. „Weitere Infos“).
Eine dieser Geschichten stammt von mir. Als ich wegen meiner schweren depressiven Phase in einer psychiatrischen und psychosomatischen Klinik war, habe ich tagelang mit mir gerungen: Sag ich es meinem Chef? In der Klinik habe ich Mitpatientinnen und -patienten erlebt, die sich das nicht getraut haben, aus Angst um ihren Job, aus Angst vor Mobbing oder aus Angst, in eine andere Abteilung und damit aufs Abstellgleis geschoben zu werden. Eine Mitpatientin kam nach zwei Wochen zurück in die Klinik. Auf die Frage, was los sei, antwortete sie: „Ich konnte die Lüge und den Druck nicht mehr aushalten.“ Sie hatte sich nicht getraut, die Wahrheit über ihre Erkrankung zu sagen.
Ich aber tat es, zitternd am Telefon im Krankenhaus. Nachdem ich erzählt hatte, dass ich wegen schwerer Depression in einer Klinik war und ich nicht wusste, ob und wann ich wiederkommen würde, antwortete mein Chef: „Herr Rösl, nehmen Sie sich alle Zeit, die Sie benötigen. Sie brauchen sich um Ihren Job keine Sorgen zu machen.“ Ein tonnenschwerer Stein fiel mir vom Herzen! Mir war klar: Ich werde kämpfen! Ich will zurückkommen! Und ich tat dies – in tatsächlich alter Stärke.
Die beste Depression ist die, die gar nicht ausbricht. Arbeitgebende und Beschäftigte können hierzu ihren Beitrag leisten durch offenen Umgang miteinander und eine offene Kommunikation. Kurz gesagt: mithilfe der viel zitierten Achtsamkeit, und zwar sich selbst und anderen gegenüber. Führungskräfte sollten sich die Zeit nehmen, regelmäßig mit ihren Beschäftigten zu reden, damit diese nicht das Gefühl haben, nur eine Nummer zu sein, nur funktionieren zu müssen. Das kann auch der Smalltalk über dies und das sein, auch über die Arbeit. Wichtig ist, den anderen wertzuschätzen. Und sollte jemandem – egal ob Führungskraft oder Mitarbeitende eine Wesensveränderung beim anderen auffallen, bitte ansprechen! Behutsam und bestimmt zugleich dem Mitmenschen zeigen, dass man ernsthaft interessiert ist und sie/er sich nicht alleingelassen fühlen muss.
Die Deutsche DepressionsLiga e.V. bietet insbesondere für Führungskräfte, Personalverantwortliche und Betriebsratsangehörige die DDL-Arbeitgeberseminare an. Folgenden Inhalte werden dabei angesprochen:
Die DDL-Arbeitgeberseminare wollen Führungskräfte unterstützen, die Krankheit Depression besser zu verstehen, erste Signale früher zu erkennen und den richtigen Ton im Umgang mit betroffenen Beschäftigten zu finden. Die Arbeitgeberseminare werden von der BARMER gefördert (Näheres s. „Weitere Infos“).
Blicken wir zurück auf den ersten Absatz dieses Beitrags. Darin wird das Bundesgesundheitsministerium mit den Worten zitiert: „Deshalb gewinnen Prävention und die Förderung der psychischen Gesundheit als Teil eines nachhaltigen betrieblichen Managements zunehmend an Bedeutung, denn die Gesundheit der Beschäftigten trägt maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen bei.“ Zugegeben, ein langer Satz in typischer Behördensprache. Kurz zusammengefasst: Gehen Betriebe mit ihren Beschäftigten gesund um, ist der Betrieb gesund. Zusatz von mir: Depression ist nichts, wofür man sich schämen muss. Depression ist eine Erkrankung. Punkt.
Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
doi:10.17147/asu-1-198094
Weitere Infos
Homepage der Deutschen DepressionsLiga e.V.
www.depressionsliga.de
Arbeitgeberseminare der Deutschen DepressionsLiga e.V.
www.arbeitgeberseminare-depression.de.
Kernaussagen
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Deutsche DepressionsLiga e.V.
Die Deutsche DepressionsLiga e.V. (DDL) ist eine bundesweit aktive Patientenvertretung für an Depressionen erkrankte Menschen. Sie ist eine reine Betroffenenorganisation, deren Mitglieder entweder selbst von der Krankheit Depression betroffen oder deren Angehörige betroffen sind.
Der Vorstand und die Mitglieder arbeiten ehrenamtlich an ihren Zielen Aufklärung und Entstigmatisierung, an Angeboten der Hilfe und Selbsthilfe für Betroffene und an der Vertretung der Interessen dieser Menschen gegenüber Politik, Gesundheitswesen und Öffentlichkeit. Die DDL legt großen Wert auf die Unabhängigkeit von der Pharmaindustrie oder sonstigen Interessengruppen – dies ist auch so in der Satzung festgeschrieben.
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