Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Meldepflicht von Berufskrankheiten bei grenzüberschreitender Tätigkeit von Beschäftigten in Deutschland und Österreich

Obligation to report occupational diseases in the case of cross-border activities of employees in Germany and Austria

Cross-border work brings new challenges – including the obligation to report occupational diseases. What are the regulations governing physicians in Germany and Austria? What happens if suspected cases occur in different EU countries? European regulations govern cooperation between social insurance institutions and regulate the obligations of medical professionals in reporting occupational diseases

doi:10.17147/asu-1-399181

Meldepflicht von Berufskrankheiten bei grenzüberschreitender Tätigkeit von Beschäftigten in Deutschland und Österreich

Grenzüberschreitende Arbeit bringt neue Herausforderungen – auch bei der Meldepflicht von Berufskrankheiten. Welche Regelungen gelten für Ärztinnen und Ärzte in Deutschland und Österreich? Was passiert, wenn Verdachtsfälle in verschiedenen EU-Ländern auftreten? Europäische Verordnungen steuern die Zusammenarbeit der Sozialversicherungsträger und regeln, welche Pflichten Medizinerinnen und Mediziner bei der Meldung von Berufskrankheiten haben.

Kernaussagen

  • Es besteht eine gesetzliche Pflicht für Ärztinnen und Ärzte zur Meldung eines Verdachts auf eine Berufskrankheit sowohl nach deutschen, österreichischen und europäischen rechtlichen Bestimmungen.
  • Ärztinnen und Ärzte sollten Verdachtsmeldungen von Berufskrankheiten zumindest an den im Inland zuständigen Unfallversicherungsträger (in Deutschland auch alternativ an die DGUV) erstatten.
  • Die Sozialversicherungsträger der einzelnen Staaten sind über europarechtliche Verordnungen miteinander vernetzt und verpflichtet, grenzüberschreitende Sachverhalte miteinander zu koordinieren.
  • Das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG)1 in Österreich und das Sozialgesetzbuch VII (SGB VII)2 in Deutschland regeln unter anderem die gesetzliche Unfallversicherung für alle, die einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im jeweiligen Land nachgehen, unabhängig von deren Staatsangehörigkeit, sofern nicht die Rechtsvorschriften eines anderen Landes anzuwenden sind. Ärztinnen und Ärzte sind nach § 363 Abs. 2 ASVG beziehungsweise § 202 SGB VII verpflichtet, den Verdacht auf eine Berufskrankheit dem Unfallversicherungsträger zu melden.

    Bei grenzüberschreitenden Fällen innerhalb der Europäischen Union (EU), des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und der Schweiz bestimmen die europarechtlichen Verordnungen VO (EG) 883/043 und VO (EG) 987/094, dass in der Regel nur das Sozialversicherungsrecht eines Staates anwendbar ist. Dabei ist die Staatsangehörigkeit unerheblich, entscheidend ist der Beschäftigungsort (Art. 11 Abs. 3 lit. a VO 883/04).

    Meldung im zuständigen ­Mitgliedsstaat

    Österreichische Ärztinnen und Ärzte sind zur Meldung von Berufskrankheiten, die sie bei in Österreich Beschäftigten feststellen, nach dem ASVG verpflichtet. Der Verdacht auf eine Berufskrankheit ist dem österreichischen Unfallversicherungsträger zu melden.

    Umgekehrt sind deutsche Ärztinnen und Ärzte nach deutschem Recht verpflichtet, Verdachtsfälle bei in Deutschland arbeitenden Menschen dem deutschen Unfallversicherungsträger zu melden.

    Meldung im nicht zuständigen ­Mitgliedsstaat

    Artikel 34 Abs. 1 der VO (EG) 987/09 normiert, dass Berufskrankheiten, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem zuständigen Mitgliedstaat eintreten oder erstmals ärztlich festgestellt werden, nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats zu melden oder anzuzeigen sind. Rechtsvorschriften der jeweiligen Mitgliedsstaaten sind ebenfalls weiterhin anzuwenden. Die Meldung oder Anzeige ist an den zuständigen Träger zu richten.

    So müssen beispielsweise Ärztinnen und Ärzte in Österreich, die eine Berufskrankheit bei einer in Deutschland tätigen Person feststellen, die Meldung in Deutschland nach den Rechtsvorschriften Deutschlands als zuständigen Staat erstatten. Da gemäß Art. 34 VO (EG) 987/09 auch die inländischen Rechtsvorschriften einzuhalten sind, haben in Österreich tätige Ärztinnen und Ärzte auch § 363 Abs. 2 ASVG zu beachten. Diese Bestimmung schreibt vor, dass Verdachtsmeldungen „dem zuständigen Träger der Unfallversicherung“ zu erstatten sind. Bei einer in Deutschland beschäftigten Person ist dies grundsätzlich der deutsche zuständige Unfallversicherungsträger. Da sich diese Bestimmung des ASVG aufgrund des auf das österreichische Bundesgebiet erstreckenden Geltungsbereichs nur auf den in Österreich zuständigen Unfallversicherungsträger beziehen kann, haben in Österreich tätige Ärztinnen und Ärzte einen Verdacht auf eine Berufskrankheit auch an den österreichischen Unfallversicherungsträger zu melden.

    Absatz 2 des Art. 34 der VO (EG) 987/09 bestimmt weiter, dass der Träger des Mitgliedsstaates, in dem eine Berufskrankheit erstmals ärztlich festgestellt wurde, dem zuständigen Träger darüber eine ärztliche Bescheinigung zu übermitteln hat. Der österreichische Unfallversicherungsträger hat daher ein von der Verwaltungskommission der EU vorgesehenes Formular (konkret das Document A [DA] 042 betreffend ärztliche Bescheinigungen oder ärztliche Berichte) an den deutschen zuständigen Unfallversicherungsträger zu übersenden.

    Zusammenfassend haben in Österreich tätige Ärztinnen und Ärzte für Beschäftigte in Deutschland Verdachtsmeldungen von Berufskrankheiten sowohl dem österreichischen als auch dem deutschen Unfallversicherungsträger zu übermitteln. Der österreichische Träger hat daraufhin das EU-Formular betreffend die ärztliche Bescheinigung an den deutschen Träger zu senden.

    Dies gilt auch im umgekehrten Fall: In Deutschland tätige Ärztinnen und Ärzte haben für Beschäftigte in Österreich Verdachtsmeldungen von Berufskrankheiten den Unfallversicherungsträgern aus beiden Mitgliedsstaaten zu melden. Der deutsche Träger hat daraufhin das EU-Formular betreffend die ärztliche Bescheinigung an den österreichischen Träger zu senden.

    Verwaltungspraxis der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA)

    In der Praxis in Österreich werden Verdachtsmeldungen nur von österreichischen Ärztinnen und Ärzten an den zuständigen österreichischen Unfallversicherungsträger erstattet.

    Ein Grund hierfür ist, dass es oftmals bei Krankheiten unklar ist, in welchem Staatsgebiet die (vorwiegende) Exposition im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit erfolgte. Daher ist es Ärztinnen und Ärzten teils nicht möglich, bei Begutachtungen den zuständigen Sozialversicherungsträger nach europäischen Bestimmungen festzustellen.

    In der Verwaltungspraxis der AUVA werden Berufskrankheitenmeldungen von österreichischen Ärztinnen und Ärzten, die versicherte Personen betreffend, für die Deutschland hinsichtlich sozialversicherungsrechtlicher Angelegenheiten zuständig ist, von der AUVA an die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) als Dachorganisation der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Unfallkassen in Deutschland als Verbindungsstelle gemäß der VO (EG) 883/04 unter Anschluss des Akteninhalts der AUVA weitergeleitet. Die DGUV leitet die Verdachtsmeldung und den Akteninhalt der AUVA an den zuständigen Unfallversicherungsträger in Deutschland zur weiteren Bearbeitung weiter.

    Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass trotz einer gesetzlichen Verpflichtung der Meldung von Berufskrankheiten in Österreich oftmals keine Meldung an den Unfallversicherungsträger vorgenommen wird. Ärztinnen und Ärzten ist darüber hinaus oft nicht bewusst, dass sie bei Meldung einer Berufskrankheit eine Vergütung durch den Unfallversicherungsträger in Deutschland beziehungsweise in Österreich erhalten.

    Konflikt zwischen grenzüber­schreitender Meldepflicht und ärztlicher Schweigepflicht

    Ärztinnen und Ärzte sind sowohl in Deutschland5 als auch in Österreich6 von ihrer Schweigepflicht bei Vorliegen einer gesetzlichen Verpflichtung7 entbunden. Da die Verordnungen der EU in den Mitgliedsstaaten unmittelbar gelten, besteht aufgrund Art. 34 VO (EG) 987/09 eine gesetzliche Grundlage, die in Österreich beziehungsweise in Deutschland tätige Ärztinnen und Ärzte zur Meldung eines Verdachts einer Berufskrankheit verpflichten und daher diese von der Schweigepflicht entbinden. Eine Einwilligung der versicherten Person zur Weiterleitung der Verdachtsmeldung an den Sozialversicherungsträger ist daher nicht erforderlich.

    Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

    Kontakt

    Mag. iur. Raphael Giffinger
    Allgemeine UnfallversicherungsanstaltWienerbergstraße 111100 Wien, Österreich

    Foto: privat

    Jetzt weiterlesen und profitieren.

    + ASU E-Paper-Ausgabe – jeden Monat neu
    + Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
    + Exklusive Webinare zum Vorzugspreis

    Premium Mitgliedschaft

    2 Monate kostenlos testen