Allgemeiner Anstieg der Umgebungstemperatur
Klimaprojektionen deuten auf einen allmählichen Anstieg der Durchschnittstemperaturen in den nächsten Jahrzehnten hin. Die möglichen Szenarien hängen im Wesentlichen von den Hypothesen zur Entwicklung der Treibhausgaskonzentrationen ab (RCP – Representative Concentration Pathway). Dieser Anstieg könnte besonders Länder mit warmem Klima belasten, für die bereits die negativen Auswirkungen der erhöhten Temperaturen messbar sind.
In Ländern mit kaltem oder gemäßigtem Klima mag der prognostizierte durchschnittliche Temperaturanstieg gering erscheinen. Betrachtet man jedoch das RCP2.6-Erwärmungsszenario, so beträgt der bis 2085 erwartete Anstieg in Westeuropa weniger als 2 °C (bei einer mittleren Jahrestemperatur von +9 °C). Für die Allgemeinbevölkerung sind die direkten Auswirkungen dieser Erwärmung gegensätzlich. Einerseits wird ein Anstieg der hitzewellenbedingten Sterblichkeit erwartet, andererseits ist aber auch ein Rückgang der Wintersterblichkeit zu erwarten, die historisch gesehen höher ist als die Sommersterblichkeit (Statistiken der europäischen Mortalitätsüberwachung, s. „Weitere Infos“). Jedoch müssen auch andere Auswirkungen der globalen Erderwärmung berücksichtigt werden, wie beispielsweise das häufigere Auftreten von durch Vektoren übertragbare Krankheiten (z.B. Tigermücken, Zecken) und die Zunahme der Luftverschmutzung (insbesondere der Feinstaubbelastung durch z.B. Dürre).
Vermehrte extreme Wetterereignisse
Im beruflichen Umfeld und insbesondere im Hinblick auf Hitzestress (körperliche Wärmebelastung) ist die Situation heikler. Hitzestress ist vor allem ein akutes Problem, das nicht von der globalen Durchschnittstemperatur, sondern von besonders heißen Tagen abhängt. Die globale Erderwärmung wird die Intensität, die Dauer und das Auftreten dieser extremen Ereignisse erhöhen. Es wird erwartet, dass Mitteleuropa bis zum Ende des 21. Jahrhunderts jährlich ähnlich viele heiße Tage haben wird wie heute Südeuropa (Beniston et al. 2007). Zusätzlich wird sich die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von außergewöhnlichen Hitzewellen voraussichtlich um den Faktor 10 erhöhen (Acharya et al. 2018).
Bevor es jedoch zum „Hitzeschlag“ kommt, der nach wie vor ein seltenes Ereignis ist, verursacht der Hitzestress mehrere unerwünschte Auswirkungen auf den menschlichen Körper: Müdigkeit, Aufmerksamkeitsverlust, verringerte Produktivität – Faktoren, die jedoch schwer zu quantifizieren sind. Man geht davon aus, dass oberhalb einer Umgebungstemperatur von 26 °C die Arbeitsleistung abnimmt und das Verletzungsrisiko steigt. Bei der Ausübung einer körperlichen Tätigkeit bei 33–34 °C Außentemperatur können Beschäftigte 50% ihrer Arbeitsfähigkeit verlieren. Hitzestress ist nicht nur von der Umgebung abhängig, sondern auch von individuellen Faktoren wie dem Alter, der körperlichen Verfassung, der körperlichen Anstrengung, dem Akklimatisierungsgrad und der Flüssigkeitszufuhr. Die körperliche Anstrengung ist dabei ein besonders wichtiger Faktor, da diese die vom Körper produzierte überschüssige Wärme bestimmt, die dann abgeführt werden muss. Um die Auswirkungen einer heißen Umgebung zu begrenzen, besteht die einfachste Möglichkeit darin, zu entschleunigen oder Pausen einzulegen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass Hitzestress bis 2030 weltweit zu einem Rückgang der Arbeitsstunden um 2,2% führen wird. Allerdings gibt es starke geografische Unterschiede, mit Schätzungen von 5% für Ostasien und etwa 0,1% für Europa.
Müdigkeit und Unaufmerksamkeit können zu einem Anstieg der Unfälle am Arbeitsplatz führen. Eine aktuelle Studie in Spanien zeigte, dass 2,7% aller Verletzungen am Arbeitsplatz auf nicht optimale Temperaturen zurückzuführen sind (2,4% auf Hitze, 0,33% auf Kälte; Martínez-Solanas et al. 2018). In Italien wurde dieser Wert bei ähnlichen Unfallanteilen auf 1,14% (0,77% in der Hitze 0,23% in der Kälte) geschätzt (Marinaccio et al. 2019). In Ländern mit gemäßigten oder kalten Temperaturen könnte der relative Beitrag von heißen oder kalten Situationen jedoch unterschiedlich sein.
Wirksame Prävention
Der Klimawandel wirkt sich negativ auf die Arbeitsbedingungen in heißen Ländern aus. Für Erwerbstätige in Westeuropa ist die Situation schwieriger zu bestimmen, da diese Effekte teilweise durch den durchschnittlichen Anstieg der Wintertemperaturen ausgeglichen werden. Besorgniserregend ist jedoch die Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Temperaturextremen, die insbesondere für Hitzestress von Bedeutung sind. Die Situation von im Freien Arbeitenden (z. B. in der Landwirtschaft oder auf dem Bau) sollte daher sorgfältig überwacht und die Arbeitsorganisation gegebenenfalls angepasst werden. Beschattung und Anpassung der Arbeitszeiten sind Präventivmaßnahmen, die als besonders wirksam zur Vermeidung dieser Risiken angesehen werden.
Literatur
Acharya P, Boggess B, Zhang K: Assessing heat stress and health among construction workers in a changing climate: A review. Int J Environ Res Public Health 2018; 15: 247.
Beniston M, Stephenson DB, Christensen OB, Ferro CAT, Frei C, Goyette S et al.: Future extreme events in european climate: An exploration of regional climate model projections. Climatic Change 2007; 81: 71–95.
Heinzerling A, Laws RL, Frederick M, Jackson R, Windham G, Materna B et al.: Risk factors for occupational heat-related illness among california workers, 2000-2017. Am J Indust Med 2020; 63: 1145–1154.
Marinaccio A, Scortichini M, Gariazzo C, Leva A, Bonafede M, de’Donato FK et al.: Nationwide epidemiological study for estimating the effect of extreme outdoor temperature on occupational injuries in italy. Environ Int 2019; 133: 105176.
Martínez-Solanas È, López-Ruiz M, Wellenius GA, Gasparrini A, Sunyer J, Benavides FG et al.: Evaluation of the impact of ambient temperatures on occupational injuries in Spain. Environ Health Perspect 2018; 126: 067002.
Weitere Infos
Statistiken der europäischen Mortalitätsüberwachung
https://www.euromomo.eu
Info
Für Kalifornien werden derzeit jedes Jahr über 3000 hitzebedingte Erkrankungen (HRI – Health-Related Illnesses) gemeldet. Die Anzahl dieser Meldungen wird wahrscheinlich unterschätzt, steigt aber seit den 2000er Jahren an (Heinzerling et al. 2020).
Info
Hitzestress ist definiert als die Ansammlung von Wärme im menschlichen Körper, die nicht mehr ausreicht, um eine für eine normale Körperfunktion unerlässliche Körpertemperatur von ca. 36,9 °C aufrechtzuerhalten.