Ein Einblick in die Fragen, Chancen, Herausforderungen und Lösungsideen der Unternehmen zum Homeoffice der Zukunft
Mobile Arbeit entwickelt sich von der Pflicht zur Kür
Die Pandemie hat die mobile Arbeit und speziell das Arbeiten von zuhause (alias Homeoffice) in den Vordergrund gebracht. Zwischen der mobilen Arbeit und dem Homeoffice in Zeiten der Pandemie und dem der Zukunft gibt es jedoch einen wesentlichen Unterschied: Das Arbeiten von Daheim diente in der Corona-Zeit als Infektionsschutzmaßnahme, bei deren Umsetzung Unternehmen und Beschäftigte verpflichtet waren, die Arbeit von zuhause wann immer möglich zu realisieren. Homeoffice diente im Besonderen dem Schutz vor einer Infektion auf dem Weg zur Arbeit und bei der Arbeit selbst. Das Homeoffice der Zukunft sollte für Unternehmen und Beschäftigte kein Zwang werden, sondern eine sinnvolle Verabredung der betrieblichen Partner sein, wie und wo gearbeitet werden kann. In Zukunft ist Homeoffice also nicht die Pflicht, sondern die Kür.
Mittlerweile lassen sich einige Grundlagen zu Homeoffice festhalten:
Wie das Homeoffice nun in Zukunft umgesetzt werden kann, versuchen zahlreiche Akteure zurzeit zu klären. Auch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber diskutieren intensiv Chancen und Lösungsideen, aber auch Fragen und Herausforderungen.
Chancen für Unternehmen beim Angebot mobiler Arbeit
Auch die Arbeitgebende sind im stetigen Diskurs zu der Frage, wie Homeoffice künftig gut gestaltetet werden kann, und beteiligen sich aktiv in verschiedensten Gremien (z.B. der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung oder in Arbeitsschutzausschüssen). Studien zeigen, dass Betriebe zum einen Homeoffice-Angebote ausbauen wollen (besonders die großen Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten, aber auch der Mittelstand; IAB 2021) und das Angebot in erste Linie unterbreiten, um die Arbeitszufriedenheit zu erhöhen. Sie möchten ihren Beschäftigten die Möglichkeit geben, ihre Lebensbereiche besser vereinbaren zu können und sich mit mehr Entscheidungs- und Handlungsspielraum ihren täglichen Aufgaben zu widmen (Backhaus et al. 2021a).
Unternehmen können durch das Angebot von Homeoffice an Attraktivität gewinnen und ihre wertvollen Fachkräfte halten oder neue anwerben. Ein weiterer positiver Effekt für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ist mit dem Fachkräftemangel verbunden: Das Angebot, auch von zuhause arbeiten zu können, bietet die Möglichkeit, Beschäftigte, die sonst wegen der weiten Entfernung zum Dienstort, eines Handicaps oder der Elternzeit beziehungsweise Stundenreduzierung nicht erreichbar wären, nun anwerben oder entsprechend im Unternehmen halten zu können. Wichtig ist: Unternehmen bieten Homeoffice nicht an, weil sie eine höhere Produktivität erwarten oder die Beschäftigten zu mehr Erreichbarkeit zwingen wollen beziehungsweise um Büroflächen einzusparen (➥ Abb. 1; Backhaus et al. 2021b, „Weitere Infos“).
Herausforderungen und Fragen der Unternehmen beim Angebot mobiler Arbeit
Neben den vielen Chancen und Vorteilen für Unternehmen ihren Beschäftigten Homeoffice anzubieten, stellen einige Bereiche Herausforderungen dar; beispielsweise die Art des künftigen Zusammenarbeitens: Wann ist virtuelle Kommunikation sinnvoll und wann eben nicht? Denn Kommunikation über virtuelle Kanäle eignet sich wunderbar, um sachbezogene Themen zu klären, jedoch weniger dafür, kreative Lösungen zu erschaffen (Gebbing et al. 2021). Das ist nicht nur für Unternehmen der Kreativbranche relevant, denn kreative Ideen sind mehr denn je gefragt. Auch der Grad der gegenseitigen Unterstützung sinkt im virtuellen Kontext: Kolleginnen und Kollegen sind nicht mehr leicht ansprechbar, können vielleicht nicht schnell einspringen oder im Flurgespräch Unterstützung anbieten. Ebenso ist die Führungskraft weniger gut greifbar und neue Beschäftigte müssen anders einarbeitet werden (Backhaus et al. 2021b, s. „Weitere Infos“).
Besondere Schwierigkeiten bereitet ein Homeoffice-Angebot den Betrieben, bei denen nicht alle Beschäftigten in den Genuss dieses Angebots kommen können. Dies sind nicht nur Betriebe mit Produktionsbereichen, sondern auch Einzelhandelsgeschäfte und Einrichtungen der medizinischen Versorgung. Es besteht zu Recht die Sorge , dass hier eine „Elitendiskussion“ entsteht, bei der einige Beschäftigte vermeintlich bevorzugt werden. Selbst wenn das Unternehmen allen Beschäftigten mehr Flexibilisierung bietet, ist Homeoffice nicht für jede Tätigkeit geeignet. Die Sorge ist sogar noch größer: nämlich, dass die Diskussion um Homeoffice letzten Endes auch Hands-on-Berufe noch unattraktiver werden lässt (wie klassische Handwerks- oder Pflegeberufe, die sich nur vor Ort durchführen lassen) und das bei einem bereits bestehenden, gravierenden Fachkräftemangel (Clauß u. Peschl 2022).
Egal wie und in welcher Häufigkeit am Ende doch die Arbeit von zuhause angeboten werden kann, für Betriebe gilt es, einen Punkt in jedem Falle zu betrachten und gut abzuwägen: den Arbeitsschutz. Die bereits Problemfelder beeinflussen die psychische Belastung bei der Arbeit und schaffen neue und andere Belastungsfaktoren, die es zu bearbeiten gilt (Backhaus et al. 2021). Hier können Unternehmen über betriebsinterne Regelungen bereits viel erreichen. Was ist jedoch mit den Themen Unfälle und Muskel-Skelett-Belastung im Homeoffice? Homeoffice kann mit geringerer Bewegung einhergehen, weil beispielsweise die Wege zur Arbeitsstätte oder auch betriebsinterne Wege zur Kantine nicht mehr zurückgelegt werden. Es ist für Unternehmen schwieriger nachzuvollziehen, ob ein Tätigkeitswechsel oder ein Wechsel zwischen sitzender und stehender Tätigkeit stattfindet. Es kommt in Zukunft in jedem Fall noch stärker auf die individuelle Gesundheitskompetenz der Beschäftigten an (Hartmann u. Zieschang 2020).
Lösungsansätze
Hybridmodelle sollen bei vielen oben genannten Herausforderungen, Sorgen und Fragen die Lösung bieten, um die Vorteile des Homeoffice mit den Vorteilen des Präsent-Seins am Arbeitsplatz zu vereinen. Welche Anzahl an Tagen im heimischen Büro und welche vor Ort verbracht werden sollten, um wirklich beide Vorteilswelten zu vereinen, ist jedoch noch nicht ganz gewiss und bedarf weiterer Forschung beziehungsweise Erfahrungswerte.
Hinzugekommene oder anders geartete Belastungsfaktoren müssen mittels einer Gefährdungsbeurteilung betrachtet werden. Regelungen zur virtuellen Kommunikation und beruflichen Erreichbarkeit, Kompetenzen bezüglich der Führung auf Distanz, eine gute Abstimmung im Team und vor allem Vertrauen gegenüber allen Beteiligten haben sich in der Praxis bewährt (BDA 2020). Um zu prüfen, ob der Arbeitsplatz daheim auch sicher und gesund eingerichtet ist, braucht es am besten digitale Lösungen, denn Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber dürfen die Wohnung der Beschäftigten nicht ohne Weiteres besichtigen (auch nicht virtuell). Checklisten, Fotos oder auch virtuelle Masken, in die die heimischen Arbeitsplätze eingelesen werden könnten, würden eine Homeoffice-Gefährdungsbeurteilung unterstützen. Ob und in welchem Umfang das Büro daheim ausgestattet werden muss, ist eine wesentliche Frage, die die Betriebsparteien miteinander abstimmen und fixieren müssen, zum Beispiel in Betriebsvereinbarungen.
Bei allen Maßnahmen der Unternehmen ist von entscheidender Bedeutung, dass die Beschäftigten mitwirken. Arbeitsgestaltungskompetenz und Eigenverantwortung der Beschäftigten sind ein Must-Have. Arbeitsgestaltungskompetenz umfasst das Wissen und die Fertigkeit, den eigenen Arbeitsalltag hinsichtlich Arbeitszeit und -menge gut und gesund zu gestalten (Dettmers u. Clauß, 2017). Dazu gehört auch die Sicherheits- und Gesundheitskompetenz, also das Wissen und die Fertigkeit, beispielsweise Stolperfallen zu beseitigen, die richtige Arbeitshaltung beim Sitzen und erholsame Pausen einzulegen beziehungsweise Laptop und Smartphone nach Arbeitsende beiseitezulegen. Die Betriebe müssen also diese Eigenverantwortung und Kompetenzen fördern und fordern, während die Beschäftigten lernen müssen, kompetente Entscheidungen in Bezug auf ihre Gesundheit und Arbeitsgestaltung zu treffen.
Wichtig ist und bleibt beim Thema Homeoffice, dass die Unternehmen die Möglichkeit haben, selbst die beste Lösung zusammen mit ihren Beschäftigten auszuarbeiten. Die Angebotslandschaft flexibler und mobiler Arbeit muss zum Betrieb passen. Niemand darf das Gefühl erhalten, übervorteilt oder nicht berücksichtigt zu werden. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass die Unternehmen in Deutschland dies zusammen mit ihren Beschäftigten schaffen werden.
Interessenkonflikt: Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
Literatur
Backhaus N, Tisch A, Pohlan L, Kagerl C et al.: Arbeit von zuhause in Zeiten während und nach Corona. ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2021a; 56: 276–284.
Clauß E, Peschl A: Wo liegen die Umsetzungsmöglichkeiten mobiler Arbeit und Homeoffice im Produktionsbereich? Potenziale für flexible Arbeit. ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2022; 57: 24–28.
Dettmers J, Clauß E: Arbeitsgestaltungskompetenzen für flexible und selbstgestaltete Arbeit. In: Janneck M, Hoppe A (Hrsg.): Gestaltungskompetenz für Arbeits- und Organisationsprozesse: Konzepte, Maßnahmen und Erfahrungen. Berlin: Springer, 2017.
Gebbing P et al.: Kreativitätsförderung in der virtuellen Gruppenarbeit. HMD 2021; 58: 1364–1377.
doi:10.17147/asu-1-189978
Weitere Infos
Backhaus N, Tisch A, Beermann B: Telearbeit, Homeoffice und Mobiles Arbeiten: Chancen, Herausforderungen und Gestaltungsaspekte aus Sicht des Arbeitsschutzes. baua: Fokus; 2021b
https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Fokus/Telearbeit-Homeoffi…
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA): Arbeit made in Germany; 2019
https://arbeitgeber.de/wp-content /uploads/2020/11/bda-publikation_arbeit_made_in_germany.pdf
Hartmann C., Zieschang H.: Sicherheits- und Gesundheitskompetenz. DGUV forum 2020; 8
https://forum.dguv.de/ausgabe /8-2020/artikel/sicherheits-und-gesundheits kompetenz#:~:text= Sicherheits%2D%20und%20Gesundheitskompetenz%20% E2%80%93%20was%20ist, erfolgreichen%20Umsetzung%20der%20gesetzten%20Ziele
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Homeoffice in der Corona-Krise: leichter Rückgang auf hohem Niveau; 2021
https://www.iab-forum.de/home- office-in-der-corona-krise-leichter-rueckgang-auf-hohem-niveau
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