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Zur Diskussion gestellt

Arbeitsmedizinische Betreuung: ­Patient, Klient, Proband oder Beschäftigter – Wovon sprechen wir?

Occupational Health Care: Patient, Client, Test Subject or Employee – What Are We Talking About?

Mit Ausnahme im Bereich von wissenschaftlichen Studien ist die Bezeichnung „Probandinnen“ beziehungsweise „Probanden“ im Bereich der Arbeitsmedizin vollkommen irreführend und nicht angebracht. Probanden sind per Definition Versuchs- oder Testpersonen (Quelle: Duden) und es wäre fatal, wenn der Eindruck entstünde, dass es sich bei den in der Arbeitsmedizin betreuten Personen um solche handeln würde.

Wird intuitiv die Bezeichnung „Patientin bzw. Patient“ – zum Beispiel in Vorträgen – gewählt, folgen häufig Richtigstellungen oder Entschuldigungen, mit dem Hinweis, dass in der Arbeitsmedizin keine Patientinnen oder Patienten betreut werden, sondern es sich in der Regel um gesunde Personen handelt.

Aus Sicht des Autors stellt sich hier jedoch die Frage, ob diese Einschätzung richtig ist oder ob hier nicht ein Irrtum vorliegt und sich die Arbeitsmedizinerinnen und -mediziner in der gesamten Ärzteschaft unglaubwürdig machen.

Eigentlich ist es relativ einfach. Mit wenigen Abweichungen werden Patientinnen oder Patienten beispielhaft wie folgt definiert:

  • „Im klassischen Sinn ist ein Patient bzw. eine Patientin ein Mensch, der in ärztlicher Behandlung ist, weil er bzw. sie an einer Erkrankung leidet. Im weiteren Sinn ist der Begriff eine Bezeichnung für einen erkrankten oder gesunden Menschen, der eine Dienstleistung des Gesundheitswesens in Anspruch nimmt“ (Quelle: DocCheck).
  • „Als Patient bzw. Patientin (aus lateinisch patiens ‚leidend, erduldend‘, Partizip Präsens aktiv von pati ‚leiden, erdulden‘) wird ein Mensch bezeichnet, der ärztliche Dienstleistungen oder Dienstleistungen anderer Personen, die eine Heilbehandlung durchführen, in Anspruch nimmt. Dabei kann es sich um die Vorbeugung, Feststellung oder medizinische Behandlung von Krankheiten oder Folgen eines Unfalls handeln“ (Quelle:
    Wikipedia).
  • Im englischen Sprachraum wird „patient“ (Patient) unter anderem wie folgt definiert: „A person who is receiving medical care, or who is cared for by a particular doctor or dentist when necessary” (übersetzt: eine Person, die medizinische Versorgung erhält oder bei Bedarf von einem bestimmten Arzt oder Zahnarzt betreut wird; Quelle: Cambridge Dictionary).
  • Die Erweiterung des Begriffs „Patientin“ beziehungsweise „Patient“ in der Medizin weg von der reinen Behandlung von Erkrankungen hin zu ärztlichen Dienstleistungen ist unter anderem auch durch einen grundlegenden Wandel im Gesundheitswesen zu einer zunehmenden Dienstleistungsorientierung der Medizin, von der Rolle der Patientin/des Patienten als passiven „Leistungsempfängern“ hin zum aktiven „Gesundheits-Kunden“ begründet (DocCheck, s. „Weitere Infos“). Dieser Wandel ist dadurch bedingt, dass neben den eigentlichen Therapiemaßnahmen in der Medizin, insbesondere auch in der Arbeitsmedizin, immer mehr Leistungen der Gesundheitsförderung sowie der Prävention (Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention) in den Fokus rücken und angeboten werden.

    Ziel des Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz – PrävG; s. „Weitere Infos“), das im Jahr 2015 in Kraft getreten ist, ist es, die Zusammenarbeit aller Akteure in den Bereichen Prävention und Gesundheitsförderung in allen Lebensbereichen und damit auch am Arbeitsplatz zu verbessern. Durch das Präventionsgesetz werden alle Ärztinnen und Ärzte angesprochen, auch die Betriebsärztinnen und Betriebsärzte. Zudem soll durch das Präventionsgesetz unter anderem die Zusammenarbeit der Sozialversicherungsträger verbessert werden, beispielhaft auch der gesetzlichen Krankenversicherung (Sozialgesetzbuch [SGB] V) mit der gesetzlichen Unfallversicherung (SGB VII). Den Betriebsärztinnen und Betriebsärzten wird durch das PrävG auch die Möglichkeit eröffnet, unter anderem Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung (§ 20b SGB V), Impfungen im Betrieb (§ 132e SGB V) sowie Gesundheitsuntersuchungen (§ 132f SGB V) – soweit diese nicht dem Arbeitsschutz dienen und vom Arbeitgeber zu veranlassen sind – zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abzurechnen. Auch für den hiervon betroffenen Personenkreis ist aus ärztlicher Sicht die Bezeichnung „Patientin“ beziehungsweise „Patient“ klar vorgegeben. Andere Bezeichnungen des zu betreuenden Personenkreises würden die Arbeitsmedizin ins Abseits stellen und würden von den anderen Leistungserbringern im Gesundheitswesen nicht verstanden.

    Zudem ist zu beachten, dass diskutiert werden muss, ob – wenn in der Arbeitsmedizin der Begriff „Patientin“ beziehungsweise „Patient“ negiert beziehungsweise darauf hingewiesen wird, dass keine „Patienten“ betreut werden – zum Beispiel die Patientenrechte auch für die arbeitsmedizinisch betreuten Personen Gültigkeit haben. Es sei hier nur an das Einsichtsrecht in die Behandlungsunterlagen, das Recht auf Information und Aufklärung sowie das Recht auf Selbstbestimmung – das bedeutet, dass eine medizinische Maßnahme grundsätzlich nur mit Einwilligung der Patientin beziehungsweise des Patienten erfolgen darf – Gültigkeit haben.

    Zusammenfassend ist der Autor der Meinung, Arbeitsmedizinerinnen und Arbeitsmediziner betreuen – nicht mehr und nicht weniger – „Patientinnen“ und „Patienten“. Wir sollten daher diesen Begriff uneingeschränkt verwenden und uns nicht mit „Ersatzbezeichnungen“ der von uns betreuten Personen abseits der Ärzteschaft stellen.

    Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

    doi:10.17147/asu-1-371803

    Weitere Infos

    Duden: Definition Proband
    https://www.duden.de/rechtschreibung/Proband

    DocCheck: Definition Patient
    https://flexikon.doccheck.com/de/Patient#:~:text=1.-,Definition,des%20G…

    Wikipedia: Definition Patient
    https://de.wikipedia.org/wiki/Patient

    Cambridge Dictionary: ­Definition Patient
    https://dictionary.cambridge.org/de/worterbuch/englisch/patient

    Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz – PrävG)
    https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk= Bundes­anzeiger_BGBl&jumpTo= bgbl115s1368.pdf#__bgbl__ %2F%2F*%5B% 40attr_id%3D%27bgbl115s1368.pdf%27%5D__1714992503999

    Kontakt

    Univ.-Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Stephan Letzel
    Universitätsmedizin Mainz; Institut für Lehrergesundheit; Obere Zahlbacher Str. 67; 55131 Mainz

    Foto: Universitätsmedizin Mainz

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